L 11 R 2093/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1538/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2093/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger, der bereits Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bezieht, Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.

Der 1950 geborene Kläger, gelernter Schmied, war seinen Angaben zufolge nach einer Qualifizierung zum Koch ab Juni 1984 bis Februar 1990 als Büffetleiter/Koch und nach selbständiger Tätigkeit als Koch/Gastwirt ab 01.08.1999 bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Dezember 2000 als Anleiter im Gastro-Service beschäftigt.

Den Rentenantrag des Klägers vom März 2002 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2002 ab, nachdem der Chirurg Dr. B. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Kläger aufgrund persistierender Beschwerden nach wiederholten Hernienoperationen zwischen 1973 und 2002 zwar schweres Heben über 10 bis 20 kg vermeiden müsse, ansonsten aber vollschichtig erwerbsfähig sei. Der Widerspruch des Klägers blieb nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. S. und eines internistischen Gutachtens bei Dr. W. erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.06.2003). Dr. S. hatte eine primär neurologische oder psychiatrische Erkrankung ausgeschlossen. Es bestünden anhaltende Sensibilitätsstörungen sowie Schmerzen im Bereich einer Operationsnarbe unterhalb des Nabels bei chirurgischerseits geäußertem Verdacht auf Narbenneurinom nach Bauchdeckenhernie. Aus nervenärztlicher Sicht sei die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt. Dr. W. hatte eine arterielle Hypertonie sowie einen Zust. nach diversen Nabelhernienoperationen erhoben und auf seinem Fachgebiet ein vollschichtiges (6 Stunden und mehr) Leistungsvermögen des Klägers bejaht.

Die vom Sozialgericht Heilbronn (SG) im nachfolgenden Klageverfahren (S 4 RA 1707/03) gehörten behandelnden Ärzte des Klägers (Orthopäde B., Kardiologe Dr. v. M., Allgemeinarzt Dr. J.) hielten den Kläger übereinstimmend noch für fähig, eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig auszuüben. Im Anschluss an eine Stellungnahme ihrer berufskundlichen Beraterin erkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf der Grundlage eines Leistungsfalls am 04.12.2000 ab 01.04.2002 an. Der Kläger nahm das Anerkenntnis der Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Der entsprechende Rentenbescheid wurde am 30.01.2004 erteilt. Nach Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs im März 2004 kam die Berufsunfähigkeitsrente an den Kläger zur Auszahlung (Bl. 204/205).

Eine von der Beklagten bewilligte Reintegrationsmaßnahme ab September 2004 wurde im Januar 2005 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig beendet.

Am 16.02.2005 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte holte Befundberichte des Dr. J. und des Chirurgen Dr. B. (Zust. nach 4-maliger Operation eines Bauchwandbruchs mit erneutem Rezidiv) sowie des Dr. v. M. (letzte Vorstellung des Klägers im November 2002) ein und beauftragte den Internisten und Lungenfacharzt Dr. S. mit der Begutachtung des Klägers. Dieser diagnostizierte eine arterielle Hypertonie, Adipositas permagna und rezidivierende Bauchwandhernie (nach 4-maliger Operation) und führte zusammenfassend aus, aus internistischer Sicht sei die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers mittelgradig eingeschränkt (belastbar bis 125 Watt). Zeichen einer kardiorespiratorischen Insuffizienz hätten sich unter den gegebenen Untersuchungsbedingungen nicht gefunden. Der Kläger könne noch leichte bis sehr leichte körperliche Tätigkeiten unter Vermeidung von häufigem Bücken und unter strikter Vermeidung von Heben schwerer Lasten (über 5 kg) sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Hierauf und auf eine Stellungnahme des beratenden Arztes Hesse gestützt, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.09.2005 den Antrag des Klägers ab, weil mit dem vorhandenen Leistungsvermögen Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausgeübt werden könnten.

Zur Begründung seines dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, die bewilligte Reintegrationsmaßnahme ab September 2004 sei mit der Begründung abgebrochen worden, dass das Reha-Ziel aus medizinischen Gründen nicht erreicht werden könne. Nach Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt Dr. J. sei eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich aus medizinischer Sicht nicht zu vertreten, da sich die rezidive Bauchwandhernie vergrößert habe und operativ nicht beseitigt werden könne. Die Beklagte holte einen weiteren Bericht des Internisten Dr. J. ein, zog die Reha-Akten bei und veranlasste eine erneute Begutachtung durch Dr. B ... Dieser legte dar, beim Kläger bestünden eine nicht reponierbare Narbenhernie links paraumbilical im ehemaligen Laparoskopiestichkanal, eine große Rezidivnarbenhernie nach mehrfacher Operation, zuletzt mit Netzimplantation, und eine Adipositas. Aus chirurgischer Sicht bestehe noch ein 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis sehr leichte körperliche Tätigkeiten ohne häufiges Bücken und ohne schweres Heben, z.B. Boten- oder Pförtnertätigkeiten sowie Verpacken von leichten Industriematerialien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum SG mit der Begründung, die ihm von der Beklagten bezahlte Maßnahme sei beendet worden, weil er diese aus gesundheitlichen Gründen nicht habe durchführen können. Dr. B. habe ihn nur 5 Minuten gesehen, weshalb er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sein könne.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen.

Dr. J. teilte die gestellten Diagnosen mit und führte aus, der Kläger könne nur noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben oder Tragen bis zu 5 kg bis zu 4 Stunden täglich verrichten. Durch Heben oder/und Tragen schwerer Lasten würde sich der ca. enteneigroße Narbenbruch nach operativer Versorgung des Bauchwandbruchs stärker ausbilden. Die Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe dauerhaft. Aufgrund der mehrmaligen Rezidive nach operativer Versorgung von Rezidivbauchwandbrüchen könne nach erneuter operativer Versorgung erneut mit einem Rezidiv gerechnet werden. Der Kläger sei aufgrund der Schmerzattacken durch die Reizung des Bauchfells auch nicht in der Lage, regelmäßig und auf Dauer öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und Wegstrecken von über 500 Meter zu Fuß zurückzulegen. Dr. J. fügte weitere Arztunterlagen (u.a. Arztbriefe von Dr. v. M. vom März 2006) bei.

Dr. v. M. bekundete unter Beifügung eigener Befundberichte, der Kläger werde seit September 2001 wegen eines arteriellen Hypertonus mit hypertensiver Herzerkrankung behandelt. Leichte Tätigkeiten ohne Schichtarbeit seien 6 Stunden täglich möglich. Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit des Klägers, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle und Wegstrecken von über 500 Meter zu Fuß zurückzulegen, bestünden nicht.

Dr. B. berichtete, beim Kläger bestehe ein Bauchwandbruch mit viermaliger Bruchoperation im Verlauf der letzten 30 Jahre. In seinem alten Beruf als Koch könne der Kläger nicht mehr regelmäßig 6 Stunden täglich arbeiten. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für ca. 6 Stunden wäre möglich, vorausgesetzt, es seien keine schweren Lasten zu heben.

Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Priv. Doz. Dr. H., Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie im Klinikum a. P., ein orthopädisch/unfallchirurgisches Gutachten. Dr. H. kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, als Hauptdiagnose bestehe beim Kläger eine degenerative Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) im unteren Abschnitt. Hinzu komme eine Gefügelockerung mit I° Verschiebung des Wirbelsegmentes L4/L5. In den unteren Abschnitten der LWS finde sich eine Arthrose der kleinen Wirbelgelenke. Durch diese Erkrankungen sei es zu einem lokalen Lumbalsyndrom gekommen, welches sich in einer Schmerzhaftigkeit äußere, die auf den unteren Lendenwirbelsäulenbereich begrenzt sei. Verstärkt werde die Symptomatik durch die Fehlstatik infolge der starken Adipositas des Klägers. Nervenschädigungen im Bezug auf die LWS hätten zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden können. Als zweiter Befund finde sich im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) eine eingeschränkte Beweglichkeit, jedoch ohne entsprechende Schmerzhaftigkeit. Auf chirurgischem Fachgebiet stehe eine Hernie (Bauchwandbruch) im Bereich des linken Unterbauches von gut Hühnereigröße im Vordergrund. Die vom Kläger geschilderte Beschwerdesymptomatik mit plötzlich einschießendem Schmerz bei bestimmten Anspannungen oder bestimmten Bewegungen des Oberkörpers im Sitzen könne nachvollzogen werden. Höherwertige Einschränkungen wie das Einklemmen von Darm in die Hernie seien bis jetzt nicht zu verzeichnen gewesen. Die übrigen Hernien im Bereich der Mittellinie des Bauches seien operativ verschlossen worden und derzeit als stabil zu betrachten. Ferner bestehe beim Kläger eine deutliche Adipositas von etwa 30 kg über dem Idealgewicht. Ohne Gefährdung seiner Gesundheit könne der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen vollschichtig (ca. 8 Stunden täglich) verrichten. Vermeiden müsse er kniende Tätigkeiten und Tätigkeiten mit gebeugtem Rumpf sowie Rumpfzwangshaltungen, Arbeiten im Freien und Leiter- und Gerüstarbeiten sowie Tätigkeiten mit Heben oder Bewegen von Gegenständen über 5 kg. Ideal wären Tätigkeiten im Sitzen wie Montagearbeiten mit den Händen oder Kontroll- und Überwachungstätigkeiten. Bezüglich der Motorik und Belastbarkeit der oberen Extremität bestünden keinerlei Einschränkungen. Ebenso wenig bestünden Einschränkungen des Klägers, die üblichen Wege von und zur Arbeitsstelle zurückzulegen. Auch Treppensteigen von ein bis zwei Stockwerken von und zur Arbeit sei zuzumuten.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2007, dem Kläger mit Zustellungsurkunde zugestellt am 23.03.2007, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es, gestützt auf das Gutachten von Dr. H., im Wesentlichen aus, der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit den von Dr. H. beschriebenen weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten. Hiervon sei das Gericht auch aufgrund der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B. und Dr. v. M. überzeugt. Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten bestätige das Ergebnis des Gutachtens von Dr. H. ebenfalls. Die Aussage von Dr. J. vermöge dagegen nicht zu überzeugen. Eine Begründung für ein nurmehr 4-stündiges Leistungsvermögen des Klägers werde nicht dargelegt. Schmerzen wegen der Bauchwandhernie bei längerem Sitzen könnten dadurch vermieden werden, dass der Kläger in wechselnden Positionen arbeite. Auch die von Dr. J. behauptete Einschränkung der Wegefähigkeit sei nicht nachvollziehbar.

Hiergegen hat der Kläger am 17.04.2007 beim SG Berufung eingelegt und geltend gemacht, sein Gesundheitszustand habe sich im letzten Vierteljahr verschlimmert.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. März 2007 sowie den Bescheid vom 21. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat sachverständige Zeugenauskünfte bei Dr. J., dem Orthopäden Dr. B., Dr. B. und bei Dr. v. M. eingeholt.

Dr. J. hat über Behandlungen des Klägers seit Mai 2006 berichtet und die erhobenen Krankheitsäußerungen und Befunde mitgeteilt. Der Narbenbruch führe durch Reizungen am Bauchfell zu Schmerzen, die in den Vorjahren zu einer deutlichen Blutdruckerhöhung geführt hätten. Der Blutdruck habe medikamentös gut eingestellt werden können. Bei längerem Sitzen, Gehen oder Stehen drücke der Narbenbruch auf das Bauchfell und könne somit zu erheblichen Schmerzzuständen führen, weshalb auch leichte körperliche Tätigkeiten nur bis zu vier Stunden täglich verrichtet werden könnten. Dr. J. hat zahlreiche Arztbriefe übersandt (u.a. Befundberichte des Augenarztes Dr. K. vom Juni und Dezember 2006).

Dr. B. hat unter Beifügung eines Auszuges aus den medizinischen Daten und von Arztbriefen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom September 2002 und des Radiologen Dr. K. über die im März 2007 durchgeführte Computertomographie der LWS mitgeteilt, der Kläger klage über belastungsabhängige Kniebeschwerden und über seit einem Dreivierteljahr bestehende LWS- und Hüftbeschwerden links ohne eindeutige Claudikatiosymptomatik. Die Gehstrecke betrage ca. ein Kilometer. Soweit nach Aktenlage beurteilbar dürfte der Kläger noch in der Lage sein, vier Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche bei leichter Tätigkeit zu arbeiten.

Dr. B. hat dargelegt, der Kläger habe sich seit Mai 2006 lediglich einmal im April 2007 vorgestellt. Dabei sei die Diagnose eines Rezidivbauchwandbruchs ohne Einklemmungszeichen gestellt worden. Das Gewicht habe zum damaligen Zeitpunkt 104 kg betragen. Klinisch hätten weiche Bauchdecken bestanden, wesentliche subjektive Beschwerden seien nicht vorhanden gewesen. Leichte Tätigkeiten im Wechsel von sitzender und gehender Beanspruchung könne der Kläger noch durchführen. Da er allerdings seit Jahren keiner körperlichen Belastung mehr ausgesetzt gewesen sei, käme zu Beginn lediglich eine tägliche Arbeitszeit von etwa vier Stunden in Frage, nach einer Eingewöhnungsphase könnte dann eine Steigerung auf 6 Stunden/Tag versucht werden.

Dr. v. M. hat mitgeteilt, bei der letzten Diagnostik im Mai 2006 sei lediglich eine Langzeit-Blutdruckmessung durchgeführt worden. Nachfolgend habe sich der Kläger nicht mehr vorgestellt. Relevante Beschwerden seien damals nicht angegeben worden.

Der Senat hat sodann weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Fachgutachtens bei Dr. W ... Dieser hat zusammenfassend ausgeführt, beim Kläger bestünden ein leichtes degeneratives HWS-Syndrom ohne Nervenwurzelausfälle, ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits, ein leichtes degeneratives LWS-Syndrom ohne Nervenwurzelreizungen bei bekannter Spondylolisthese L5/S1 ohne funktionelle Bedeutung, eine ganz initiale Hüftgelenksarthrose und eine Adipositas. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei insofern eingeschränkt, als die Arme schwer belastende Tätigkeiten oder häufige Über-Kopf-Arbeiten aufgrund der Schulter-Arm-Syndrome beidseits nicht zumutbar seien. Von Seiten der Wirbelsäule und der Hüftgelenke seien mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 10 kg zu meiden. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig verrichten. Der Kläger sei in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb eines Zeitraums von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und er könne auch während der Hauptverkehrszeiten zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und damit insgesamt zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung (§ 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -) sind im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 21.04.2005 zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor, denn er ist nicht voll erwerbsgemindert.

In Übereinstimmung mit dem SG kommt auch der Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte körperliche Arbeiten 6 Stunden und mehr arbeitstäglich an 5 Arbeitstagen in der Woche zu verrichten. Dies hat das SG in Auswertung der Gutachten von Dr. S. und Dr. B. (jeweils urkundsbeweislich verwertbar) und der Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. sowie der Aussagen der behandelnden Ärzte des Klägers ausführlich begründet dargelegt. Bis auf Dr. J. haben alle im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Ärzte den Kläger übereinstimmend noch für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen (Arbeiten überwiegend im Sitzen, kein Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, keine Tätigkeiten im Knien, in Rumpfzwangshaltungen oder mit häufigem Bücken, keine Arbeiten im Freien, auf Leitern und Gerüsten, keine Schichtarbeit) 6 Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Auch der Senat vermag der Beurteilung von Dr. J. nicht zu folgen. Der Bauchwandbruch schränkt zwar die Belastbarkeit für mittelschwere und schwere Tätigkeiten ein, er hindert den Kläger aber nicht, mindestens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen auszuüben. Ebenso wenig findet sich eine medizinische Begründung für die von Dr. J. angenommene Unfähigkeit des Klägers, regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und über 500 m zu Fuß zurückzulegen. Der Senat sieht deshalb auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte medizinische Beweiserhebung führen zu keiner anderen Entscheidung.

Eine wesentliche sozialmedizinisch relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers ist den Aussagen der behandelnden Ärzte nicht zu entnehmen. Der Blutdruck des Klägers und die hypertensive Herzerkrankung sind nach den Darlegungen von Dr. J. und Dr. v. M. gut eingestellt bzw. stabil. Der Diabetes mellitus Typ II (tablettenpflichtig) und die Fettstoffwechselstörung sind ebenfalls einer Behandlung zugänglich und begründen keine zeitliche Einengung des Leistungsvermögens des Klägers. Veränderungen im Sinne einer diabetischen Retinopathie zeigten sich bei den augenärztlichen Kontrollen durch Dr. K. nicht. Auch der Bauchwandbruch hat sich gegenüber den Feststellungen von Dr. H. nicht wesentlich verschlechtert. Ausweislich der Aussage von Dr. B. war der Kläger seit März 2006 lediglich am 19.04.2007 in Behandlung, wobei keine Einklemmungszeichen bestanden. Klinisch zeigten sich weiche Bauchdecken, eine tastbare Lücke im linken Abdomen, im Vergleich zum Vorbefund leicht größer geworden, wesentliche subjektive Beschwerden waren aber nicht vorhanden. Ungünstig wirkt sich weiterhin die deutliche Adipositas des Klägers aus, worauf bereits Dr. H. hingewiesen hatte. Mangels wesentlicher Verschlechterung des Narbenbruchs gegenüber den Feststellungen von Dr. H. vermag aber die Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers durch Dr. J. mit 4 Stunden weiterhin nicht zu überzeugen. Auch die von Dr. B. angeführte Arbeitsentwöhnung ist kein sozialmedizinisch stichhaltiger Grund für eine Begrenzung des Leistungsvermögens auf 4 Stunden.

Eine quantitative Leistungsminderung ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund der von Dr. B. beschriebenen Knie-, LWS- und Hüftbeschwerden. Insoweit hat Dr. W. ein leichtes degeneratives HWS-Syndrom ohne Nervenwurzelausfälle, ein Schulter-Arm-Syndrom beiderseits, ein leichtes degeneratives LWS-Syndrom ohne Nervenwurzelreizungen bei bekannter Spondylolisthese L5/S1 ohne funktionelle Bedeutung, eine ganz initiale Hüftgelenksarthrose und eine Adipositas bestätigt. Hieraus resultieren indes nur die bereits oben dargestellten qualitativen Einschränkungen und zusätzlich der Ausschluss von Überkopfarbeiten. Es besteht für den Senat insgesamt kein Anlass, an der Richtigkeit der in sich schlüssigen und in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Beurteilungen durch die Sachverständigen Dr. H. und Dr. W. und die Gutachter der Beklagten Dr. S. und Dr. B. zu zweifeln.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaubt ihm weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen.

Schließlich ist dem Kläger auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Dieser Katalog ist nach den Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 abschließend. Im Falle des Klägers ist keiner dieser Fälle gegeben.

Die Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung einer Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 1/95 -). Das Risiko, dass der Kläger keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz findet, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 41 und vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -).

Die Berufung des Klägers konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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