L 11 R 2475/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3919/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2475/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger zu 1 in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis 15. Februar 2007 bei der Klägerin zu 2 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Der am 10. Oktober 1972 geborene Kläger zu 1 ist gelernter Physiotherapeut und war ab 1. Juli 2003 zunächst als abhängig Beschäftigter bei der Klägerin zu 2 beschäftigt, die als Franchisenehmerin der Kieser Training AG in Z. ein Trainingsstudio nach der Kieser-Methode betreibt. Vom 1. Januar 2004 bis 15. Februar 2007 war der Kläger zu 1 Geschäftsführer und Gesellschafter (Anteil von 3.750 EUR am Stammkapital von 25.000 EUR) der Klägerin zu 2. Neben dem Kläger zu 1 waren noch Geschäftsführer und Gesellschafter der Diplom-Sportlehrer S. E. (Anteil von 8.750 EUR), der Sportwissenschaftler D. G. (Anteil von 8.750 EUR) und der Sport- und Gymnastiklehrer H. H. (Anteil von 3.750 EUR). Gesellschafterbeschlüsse bedurften grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei je 50 EUR eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährten (§ 7 Abs. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages). Der Kläger zu 1 gewährte außerdem D. G. ein Privatdarlehen in Höhe von 60.000 EUR. Als Geschäftsführer war der Kläger zu 1 - wie auch die übrigen Gesellschafter und Geschäftsführer - einzelvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Für die Tätigkeit des Klägers zu 1 wurde ein festes monatliches Entgelt von 2.300 EUR vereinbart (§ 3 Nr. 1 des Geschäftsführervertrages), welches später anstieg (2006: 3.018,52 EUR), weiterhin der Anspruch auf eine von der aktuellen Ertragslage abhängige Weihnachtsgratifikation. Der Kläger zu 1 hatte Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub. Wegen der Einzelheiten wird auf den Geschäftsführervertrag mit dem Kläger zu 1 (Aktenseiten [AS] 41 ff der Akten der Beklagten) verwiesen. Die vertraglichen Vereinbarungen entsprachen denjenigen, die zwischen der Gesellschaft und H. H. geschlossen worden waren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Geschäftsführervertrag mit H. H. (AS 63 ff der Akten des Senats) Bezug genommen. Die A. Baden-Württemberg stellte gegenüber der Klägerin zu 2 fest, dass H. H. kranken-, renten-, arbeitslosen- und pflegeversicherungsfrei ist (Bescheid vom 20. Mai 2005).

Der Kläger zu 1 leitete den Bereich der medizinischen Kräftigungstherapie, H. H. den präventiven Kräftigungsbereich. S. E. und D. G., die für insgesamt drei Trainingsstudios tätig waren, übernahmen das Controlling, übergeordnete Public-Relation-Aufgaben im Gebiet S. und Umgebung und die Kontaktpflege mit dem Franchisegeber. Der Kläger zu 1 und H. H. waren verantwortlich für die Vertragsgestaltung mit den Kunden, die Buchhaltung, Rechnungsstellung, den Kontakt zu Lieferanten, Kooperationspartnern und sonstigen Firmen sowie zu Ärzten und Physiotherapiepraxen. Daneben beschäftigte die Klägerin zu 2 eine Ärztin als ärztliche Leiterin der Kräftigungstherapie (Arbeitszeit: 15 Wochenstunden) und mehrere so genannte Instruktoren. Letztere, zumeist in Teilzeit oder als geringfügig Beschäftigte angestellt, führten - nach Vorgaben des Klägers zu 1 und des H. H. - Trainingstätigkeiten durch, wiesen die Kunden in die Trainingsmaschinen ein, führten Kontrolltrainings durch und übernahmen anfallende Rezeptionsaufgaben, wie Schlüsselausgabe, Terminsvereinbarung, Telefondienst usw.

Die Beklagte prüfte, ob beim Kläger zu 1 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorlag. Dieser gab an (Fragebogen vom 24. März 2004), er unterliege keinem Direktionsrecht (Weisungsrecht) des Arbeitgebers im Hinblick auf Zeit, Ort und Art der Beschäftigung. Er könne seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten, könne selbstständig Personal einstellen und/oder entlassen und müsse sich seinen Urlaub nicht genehmigen lassen. Es sei auch keine Kündigungsfrist vereinbart worden.

Mit Bescheiden vom 26. Juli 2005 stellte die Beklagte gegenüber den Klägern fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1 bei der Klägerin zu 2 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Der Kläger zu 1 sei Minderheitsgesellschafter und habe daher keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Ausübung der Geschäftsführung stünden seiner Weisungsgebundenheit als abhängig Beschäftigter nicht entgegen.

Die Kläger legten hiergegen Widerspruch ein und führten an, der Kläger zu 1 sei selbstständig. Zwar sei er nur Minderheitsgesellschafter, jedoch sei er als Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt und von der Beschränkung des § 181 BGB befreit, es fehle an der Weisungsgebundenheit und er erhalte eine erfolgsabhängige Vergütung. Wegen der Darlehensgabe und seinen Kenntnissen als Physiotherapeut habe er eine herausragende Stellung im Betrieb der Gesellschaft, die zu einem maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft führe. Er leite die physiotherapeutische Abteilung des Betriebes. Ohne seine umfangreichen Kenntnisse wäre ein Überleben des Betriebes der Gesellschaft undenkbar.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 28. April 2006 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Nach dem Geschäftsführervertrag seien weiterhin Weisungen der Gesellschaft möglich, auch wenn diese tatsächlich nicht erfolgen sollten. Einschlägige Fachkenntnisse, die Gewährung des Privatdarlehen, die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und das Einzelvertretungsrecht sprächen ebenfalls nicht zwingend gegen eine abhängige Beschäftigung.

Die Kläger haben hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie haben ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren ergänzt und vertieft und auf die Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit des Geschäftsführers H. H. verwiesen. Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hat erklärt, an der Erteilung des Bescheides der A. Baden-Württemberg für H. H. nicht beteiligt gewesen zu sein.

Mit Urteil vom 19. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Tätigkeit des Klägers zu 1 bei der Klägerin zu 2 stelle bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis dar. Der Kläger zu 1 sei lediglich mit einem Anteil von 15 % an der Gesellschaft beteiligt und daher nicht befugt, die maßgeblichen unternehmenspolitischen Entscheidungen selbst zu treffen oder jedenfalls maßgeblich zu beeinflussen. Dass er Ort, Zeit und Art seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen könne, entspreche der herausgehobenen Stellung eines leitenden Angestellten, ebenso die Vereinbarung über eine Gewinnbeteiligung. Die Weisungsabhängigkeit des Klägers zu 1 folge auch aus den Beschränkungen im Geschäftsführervertrag, wonach zahlreiche Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürften. Das Unternehmensrisiko sei auf den Verlust der geringen geleisteten Einlage begrenzt; das Darlehen sei auch nicht der Gesellschaft gewährt worden. Auch die weiteren Gesellschafter hätten vergleichbare Branchenkenntnisse. Aus der Feststellung, H. H. unterliege nicht der Sozialversicherungspflicht, könne der Kläger zu 1 keine Rechte ableiten.

Die Kläger haben gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 17. April 2007 zugestellte Urteil am 16. Mai 2007 Berufung eingelegt. Sie haben weiter vorgetragen, die tatsächliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses spreche gegen eine Weisungsgebundenheit des Klägers zu 1. Die Regelungen im Geschäftsführervertrag, wonach bestimmte Geschäfte der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft bedürften, sei Ausdruck der Tatsache, dass die Gesellschaft über vier Geschäftsführer verfüge und daher formell solche Geschäfte nur in Absprache mit den anderen Geschäftsführern zu tätigen seien. Zwischen den Gesellschaftern sei mündlich vereinbart worden, dass der Kläger zu 1 im Fall wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf sein Gehalt teilweise oder ganz verzichten müsse. Die Klägerin zu 2 betreibe auch kein Fitnessstudio im klassischen Sinne. Für die Ausführung der Kieser-Methode seien umfangreiche Fachkenntnisse, insbesondere auf dem physiotherapeutischen Gebiet erforderlich, um zu gewährleisten, dass die einzelnen Trainingspläne für die Kunden individuell angepasst würden. Über solche Kenntnisse verfüge ausschließlich der Kläger zu 1.

Die Kläger beantragen (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2005 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. April 2006 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1 bei der Klägerin zu 2 in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis 15. Februar 2007 kein der Sozialversicherungspflicht unterliegendes Beschäftigungsverhältnis war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben sich nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger zu 1 stand während der Tätigkeit bei der Klägerin zu 2 vom 1. Januar 2004 bis 15. Februar 2007 in einem Beschäftigungsverhältnis und unterlag daher grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht.

Nach § 7a Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach dem Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die D. R. B. - also die Beklagte. Die D. R. B. entscheidet nach § 7a Abs. 2 SGB IV auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt.

Eine Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl. zuletzt Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7, und Urteil vom 4. Juli 2007, B 11a AL 5/96 R, für SozR vorgesehen) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter, der zugleich Geschäftsführer einer GmbH ist, zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, a. a. O., auch zum Nachfolgenden). Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben. Vergleichbares gilt auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch - wie der Kläger zu 1 - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen. Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor.

Derartige einzelfallbezogene Umstände, die gleichwohl unabhängig von den Gesellschafterrechten eine für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit vom Arbeitgeber zu vermeiden vermögen, liegen nicht vor. So war der Kläger zu 1 nicht nur Minderheitsgesellschafter und verfügt über keine Sperrminorität. Vielmehr ist in § 1 Nr. 6 des Geschäftsführervertrages eine ganze Reihe von Geschäften benannt, für deren Ausübung der Kläger zu 1 die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen hatte, darunter unter Buchstabe f) der Abschluss und die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen mit einer monatlichen Verpflichtung von mehr als 500 EUR und unter Buchstabe k) alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen. Entgegen seiner Angaben im Fragebogen war der Kläger zu 1 damit zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften, mit Ausnahme von Aushilfskräften, nicht berechtigt. Auch die Angabe im Fragebogen, eine Kündigungsfrist sei nicht vereinbart, trifft nicht zu, denn § 2 des Geschäftsführervertrages enthält unter Nr. 3 eine Kündigungsregelung mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Dem Kläger zu 1 ist auch zum 15. Februar 2007 ordentlich gekündigt worden.

Dass der Kläger zu 1 als Geschäftsführer im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, ist bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und spricht deshalb nicht zwingend für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, a. a. O.). Die feste Monatsvergütung, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die Gewährung einer Weihnachtsgratifikation und von Jahresurlaub sind ebenfalls Indizien, die für eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Urteil vom 4. Juli 2007 a. a. O.). Dass im Geschäftsführervertrag keine festen Vorgaben hinsichtlich der vom Kläger zu 1 einzuhaltenden Arbeitszeiten geregelt waren, verliert angesichts des sich aus den Anforderungen der Tätigkeit folgenden Zwanges zur täglichen Anwesenheit während der Arbeitszeiten an Gewicht (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, a. a. O.). Ebenfalls unschädlich ist, dass von dem Weisungsrecht vor allem im fachlichen Bereich nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wurde. Je höher die Qualifikation des Beschäftigten ist, desto geringer sind in der Regel die Weisungen, die ihm zur Erfüllung der ihm gestellten Aufgaben erteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 a. a. O.).

Die feste Monatsvergütung spricht gegen ein eigenes, vom Erfolg des Unternehmens abhängiges wirtschaftliches Risiko des Klägers zu 1. Ob tatsächlich, wie erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen, zwischen den Gesellschaftern vereinbart worden ist, dass der Kläger zu 1 in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf eine Gehaltszahlung verzichtet, kann der Senat offen lassen. Eine solche Vereinbarung in mündlicher Form könnte die Klägerin zu 2 jedenfalls dem Gehaltsanspruch des Klägers aus § 3 Nr. 1 des Geschäftsführervertrages nicht entgegenhalten, denn darin läge eine Änderung oder Ergänzung des Vertrages, die nach § 11 Nr. 2 der Schriftform bedürfte. Die mündliche Vertragsabrede wäre damit nach §§ 126, 127 BGB formunwirksam. Dass die Weihnachtsgratifikation erfolgsabhängig ausgestaltet war, ist bei abhängig Beschäftigten nicht untypisch, begründet auch noch kein wirtschaftliches Risiko und fällt jedenfalls im Verhältnis zu den festen Vergütungsbestandteilen des Klägers zu 1 nicht wesentlich ins Gewicht (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 a. a. O.). Gleiches gilt für das vom Kläger zu 1 gewährte Darlehen. Dieses wurde nicht der Gesellschaft, sondern einem ihrer Gesellschafter gewährt und ausdrücklich als "privates Darlehen" bezeichnet. Im Vertrag vom 12. Januar 2004 ist zwar vereinbart, dass das Darlehen dazu dienen solle, einen neuen Kieser-Trainings-Betrieb zu errichten. Zugleich ist aber auch vereinbart worden, dass die Verwendung des Darlehens im freien Ermessen des Darlehensnehmers liege, sollte die Errichtung des Betriebes nicht gelingen. Für den Kläger bestand mit der Darlehensgewährung durchaus ein wirtschaftliches Risiko, dieses war aber nicht mit dem Wohlergehen der Gesellschaft verbunden.

Zwar hat das BSG in einer älteren Entscheidung (Urteil vom 15. Dezember 1971, 3 RK 67/68, SozR Nr. 68 zu § 165 RVO) ausgeführt, dass auch ein Minderheitsgesellschafter einer GmbH als selbstständig tätig angesehen werden kann, wenn er auf Grund stillschweigende Übereinkunft, wegen seiner einschlägigen Branchenkenntnisse maßgeblich bei der Führung des Unternehmens mitwirkt, die Gesellschaft nach außen vertritt und in der Gestaltung seiner Arbeit und der Bestimmung einer Arbeitszeit keinen Weisungen unterliegt. In dieselbe Richtung geht das Urteil des BSG vom 24. Juni 1982, 12 RK 45/80, auf das sich die Kläger im Berufungsverfahren berufen haben. Der Senat kann offen lassen, ob vor dem Hintergrund der dargestellten neueren Rechtsprechung des BSG noch hieran festzuhalten ist. Im Fall des Klägers zu 1 lässt sich jedenfalls eine solche, auf seine einschlägigen Branchenkenntnisse gestützte stillschweigende Übereinkunft nicht feststellen. Zu berücksichtigen ist zwar einerseits, dass er im Alltagsgeschäft der Gesellschaft weitgehend eigenständig tätig sein konnte, jedoch andererseits nicht die weitergehende Strategie der Gesellschaft ("Unternehmenspolitik") bestimmen konnte, die im Zuständigkeitsbereich der Gesellschaftern S. E. und D. G. lag. Auch war der Kläger zu 1 im Alltagsgeschäft H. H. nicht über-, sondern gleichgeordnet. Hinsichtlich der Branchenkenntnisse haben auch die übrigen Gesellschafter einschlägige Ausbildungen absolviert. Zwar erweckt das Konzept des Kieser-Trainings, eines gesundheitsorientierten Krafttraining, das über eine Kräftigung der Muskulatur präventiv und/oder therapeutisch wirkt ("Krafttraining als Prävention und Therapie"), den Eindruck, über das Programm eines "gewöhnlichen" Fitnessstudios hinauszugehen. Der Kläger zu 1 war als Physiotherapeut dem therapeutischen Teil des Trainingskonzepts mit dem Ziel der Erlangung von Schmerzfreiheit zugeordnet, während H. H. allein den Bereich der präventiven Kräftigung leitete. Diese Aufteilung, die dem Konzept des Kieser-Trainings entspricht, lässt aber keine Über- oder Unterordnung des einen über den anderen Bereich im Sinne des Klägers zu 1 erkennen. Wenn man hier überhaupt eine Bewertung vornehmen will, dann spricht die Orientierung an den Trainingszielen der Kunden (allgemeine Kräftigung 35% und Rückenstärkung 33% gegenüber Schmerzfreiheit 14%, vgl. Seite 14 des von den Klägern vorgelegten Trainingskonzepts = AS 82 der Senatsakten) dafür, dass der Schwerpunkt gerade nicht auf dem therapeutischen, sondern eher auf dem präventiven Bereich liegt. Mit dem Kläger ist auch dasselbe Geschäftsführerentgelt wie mit H. H. vereinbart worden. Dass die A. Baden-Württemberg festgestellt hat, H. H. sei nicht sozialversicherungspflichtig, hat für die Beurteilung der Stellung des Klägers keine unmittelbare Bedeutung. Man könnte höchstens aus dem Umstand, dass diesem im Bescheid vom 20. Mai 2005 ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zugesprochen wurde, folgern, dass beim Kläger ein solcher Einfluss fehlen muss.

Im Ergebnis ist daher die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beklagten nicht zu beanstanden und die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG findet keine Anwendung, weil zwar nicht die Klägerin zu 2, aber der Kläger zu 1 nach § 183 SGG privilegiert ist und beide Berufung eingelegt haben (vgl. BSG, Beschluss vom 13. April 2006 B 12 KR 21/05, SozR 4-1500 § 193 Nr. 2; Beschluss vom 29. Mai 2006, B 2 U 391/05 B, SozR 4-1500 § 193 Nr. 3).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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