L 12 AS 3612/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 4660/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3612/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.06.2006 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Dem Kläger waren von der Beklagten mit Bescheid vom 15.12.2005 vom 1.1. bis 30.6.2006 Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden.

Am 9.6.2006 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen. Aus dazu vorgelegten Kontoauszügen ergab sich, dass ihm aufgrund eines von Frau Ingrid M. (M.) eingerichteten Dauerauftrages am 15.2., 15.3., 18.4. und 15.5.2006 jeweils 100 EUR gutgeschrieben wurden. Weitere 100 EUR erhielt der Kläger auch im Januar 2006 von M. Ferner überwies ihm seine Mutter am 12.6.2006 200 EUR mit dem Verwendungszweck "alles Gute zum Geburtstag".

Die Beklagte hörte den Kläger dazu an, dass sie die Unterstützungsleistungen von M. unter Berücksichtigung einer Versicherungspauschale in Höhe von je 30 EUR ebenso auf die Leistung anzurechnen beabsichtige wie das Geldgeschenk unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 50 EUR. Der Kläger äußerte sich dahingehend, er habe im Jahr 2006 insgesamt 500 EUR von M. erhalten, bei den 200 EUR von seiner Mutter handele es sich nicht um ein Geldgeschenk, sondern geliehenes Geld, um den Geburtstag feiern zu können.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 28.8.2006 den Bewilligungsbescheid vom 15.12.2005 teilweise auf, und zwar für die Zeit von Januar bis Mai in Höhe von monatlich 70 EUR und für den Juni 2006 in Höhe von 170 EUR. Von den monatlichen Zahlungen von 100 EUR beziehungsweise 200 EUR sei jeweils eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR abzuziehen.

Seinen Widerspruch dagegen begründete der Kläger damit, dass ein Darlehen nicht als Einkommen zu bewerten sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006 mit der Begründung zurück, private Darlehen seien Einnahmen in Geld und als Einkommen zu berücksichtigen.

Dagegen hat der Kläger am 13.12.2006 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Er hat (erstmalig) vorgebracht, die Zahlungen von M. seien zur Tilgung einer früheren Darlehensschuld erfolgt. Die ihm zugeflossenen Beträge seien daher nicht als Einkommen zu werten, sondern, weil lediglich das Minus, das in seinem Vermögen vorhanden gewesen sei, ausgeglichen worden sei, als Vermögen, das unter dem Freibetrag gelegen habe. Der Kläger hat dazu eine Bestätigung von M. vom 9.3.2007 vorgelegt, wonach diese mit den Zahlungen im Jahr 2006 alte Schulden aus den Jahren 2001/2002 beglichen habe.

Das SG hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2007 durch Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 28.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2006 sei rechtmäßig.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X für die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 15.12.2005 hätten vorgelegen. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei insofern eingetreten, als der Kläger in den Monaten Januar bis Mai 2006 jeweils monatliche Einnahmen in Höhe von 100 EUR und im Juni 2006 eine einmalige Einnahme in Höhe von 200 EUR erhalten habe, diese Einnahmen seien von Januar bis Mai 2006 in Höhe von 70 EUR monatlich und im Juni 2006 in Höhe von 170 EUR zu berücksichtigen.

Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung als Einkommen seien hier erfüllt. Bei Schenkungen sei dies ohne weiteres erfüllt, was sowohl bei der früheren Arbeitslosenhilfe als auch der früheren Sozialhilfe anerkannt gewesen sei. Dies ergebe sich im übrigen aus einem Umkehrschluss aus § 11 Abs. 1 Ziff. 2 der Alg II-Verordnung, wonach Zuwendungen Dritter nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien, wenn sie einem anderen Zweck dienten als die Leistungen nach dem SGB II, soweit sie die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gerechtfertigt seien.

Auch die monatlichen Darlehenstilgungen, von denen das Gericht "trotz einiger Bedenken" ausgehe, seien als Einkommen zu berücksichtigen. Etwas anderes gelte nicht deshalb, weil diese die Realisierung einer zivilrechtlichen Forderungen darstellten. Da eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete und noch nicht erfüllte Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstelle, gehöre sie zwar zum Vermögen des Inhabers. Daraus aber zu schließen, dass die Realisierung der Forderung ebenfalls als Vermögen zu identifizieren wäre, ließe die Anrechnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II leerlaufen, da Einnahmen regelmäßig aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt würden. Entsprechend komme es wie auch schon im Recht der Sozialhilfe allein darauf an, dass durch die Erfüllung einer Geldforderung eine Einkunft in Geld erzielt werde, die als Einkommen zu berücksichtigen sei. Bei der Erfüllung von Geldforderungen stehe nämlich der tatsächliche Zufluss gegenüber der ihm zu Grunde liegenden Forderung im Vordergrund.

Der Bescheid vom 15.12.2005 sei damit zu Recht und auch in rechnerisch richtiger Höhe teilweise aufgehoben worden, wobei der Beklagten Ermessen nicht zugestanden habe. Die Beklagte habe von dem zu berücksichtigenden Einkommen jeweils zutreffend einen Pauschbetrag von 30 EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen abgezogen. Diese Regelung gelte nicht nur für Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit oder aus selbstständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft, sondern für jegliches zu berücksichtigende Einkommen. Weitere Abzüge seien nicht vorzunehmen, insbesondere sei im Hinblick auf das Geschenk in Höhe von 200 EUR im Juni 2006 kein Abzug in Höhe von 50 EUR vorzunehmen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Alg II-Verordnung seien einmalige Einnahmen und Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen anfielen, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie jährlich 50 EUR überstiegen. Diese Regelung enthalte nicht einen Freibetrag, sondern statuiere eine Freigrenze mit der Folge, dass einmalige Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen anfielen, in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen seien, soweit sie einen Betrag von 50 EUR überstiegen hätten. Dies liege hier vor. Da auch die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X gewahrt seien, sei der angefochtene Bescheid insgesamt rechtmäßig, die Klage damit unbegründet.

Gegen dieses am 25.6.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.7.2000 Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin Auffassung, dass es sich bei dem Zahlungen, die er in der Zeit zwischen Januar und Mai 2006 jeweils in Höhe von 100 EUR erhalten habe, nicht um Einnahmen, sondern um Vermögen i. S. des § 12 SGB II gehandelt habe, so dass ein entsprechender altersabhängiger Grundfreibetrag zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Zahlungen seien im Rahmen einer Darlehenstilgung durch die Darlehensnehmerin M. erfolgt. Der Rückzahlungsanspruch des Klägers als Darlehensgeber habe sich bei der Antragstellung als noch nicht realisierter Anspruch in seinem Vermögen befunden, so dass entsprechende Zahlungen auf diesen Rückzahlungsanspruch nicht als Einkommen, sondern als Vermögen zu werten seien, da damit das Minus im Vermögen des Klägers ausgeglichen worden sei. Insofern werde auch nicht der Vermögensstand des Klägers vermehrt, sondern lediglich wieder auf Null gestellt.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5.6.2007 und den Bescheid vom 28.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.12.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

Das SG hat im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen der Kläger keinen Anspruch auf Auszahlung der Grundsicherungsleistungen ohne Berücksichtigung der von Dritten erhaltenen Geldleistungen hat. Der Senat weist nach eigener Überprüfung die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, er nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen des Klägers ist nicht geeignet, diese Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Der Senat hält die Berufung vielmehr schon deshalb für nicht begründet, weil er nicht überzeugt ist, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen von 100 EUR um Darlehenstilgungen gehandelt hat. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren hierzu die "Bestätigung" der M. vom 9.3.2007 vorgelegt, in der diese ausführt, der Kläger habe sie, während sie mit ihm von 1999 bis 2003 zusammengewohnt habe, in den Jahren 2001/2002 des öfteren finanziell unterstützt. Nach ihrem Auszug im Jahre 2003 seien noch Rückstände übrig geblieben, die er ihr angeboten habe zu zahlen, wann es ihr finanziell möglich wäre. Mit den Zahlungen im Jahre 2006 habe sie diese Schulden dann beglichen. Diese Bescheinigung vermag den Senat nicht davon zu überzeugen, dass es sich bei den fünf Zahlungen zu je 100 EUR um Darlehenstilgungen gehandelt hat. Ein Darlehensvertrag ist nämlich nicht glaubhaft. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Entscheidungen (grundlegend SozR 4 - 4220 § 6 Nr. 4) unter Berufung auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausgeführt, bei der Prüfung von Schuldverpflichtungen unter Angehörigen oder in persönlichen Beziehungen gelte der Grundsatz, dass ein Vertrag und seine tatsächliche Durchführung in allen wesentlichen Punkten einem Fremdvergleich standhalten, also dem zwischen fremden Dritten üblichen entsprechen müsse. Einem solchen Fremdvergleich hält die von M. bestätigte Darlehensvereinbarung keinesfalls stand. Weder ist die Darlehenshingabe nach Höhe und Zeitpunkt in irgendeiner Hinsicht konkretisiert, noch ist eine Vereinbarung über Höhe und Fälligkeit der Zahlungen getroffen worden, noch ist die Frage der Verzinsung geregelt. Deswegen kann weder angenommen werden, der Kläger habe eine Forderung in seinem Vermögensbestand gehabt noch kann von einer Fälligkeit dieser Forderung ausgegangen werden.

Der Kläger hat auch erstmalig mit der Klagebegründung vorgebracht, bei den Zuwendungen von M. handele es sich um Darlehensrückzahlungen. Dass er dies nicht zeitnah bei der Vorlage der Kontoauszüge oder im Anhörungsverfahren gegenüber der Beklagten angegeben hat, lässt die "Darlehensgeschichte" zusätzlich als unglaubhaft erscheinen.

Auch aus diesen Gründen ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, es habe sich bei den von M. gezahlten Beträgen um Einkünfte gehandelt, die als Einkommen zu berücksichtigen waren. Das SG hat dies mit zutreffender Begründung bestätigt.

Die Berufung des Klägers ist damit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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