L 12 AL 5651/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 8014/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5651/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.10.2007 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Insolvenzgeld im Streit.

Der 1959 geborene Kläger war als Kraftfahrer bei der Firma T. GmbH beschäftigt. Im Jahr 2004 beantragten mehrere Gläubiger des Arbeitgebers die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Das Amtsgericht Esslingen (AG) bestellte mit Beschluss vom 14.02.2005 einen vorläufigen Insolvenzverwalter für die Firma.

Am 31.03.2005 stellte auch der Geschäftsführer der Firma einen Antrag auf Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Der Geschäftsbetrieb wurde durch den vorläufigen Insolvenzverwalter noch am selben Tag stillgelegt.

Am 24.05.2005 eröffnet das AG dann über das Vermögen der Firma das Insolvenzverfahren, wobei es die verschiedenen Insolvenzanträge zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hatte.

Der Kläger beantragte bei der Beklagte am 11.04.2005 die Gewährung von Insolvenzgeld.

Mit Bescheid vom 27.09.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 24.02.2005 bis zum 31.03.2005, wobei der Kläger ab dem 01.04.2005 in einem neuen Beschäftigungsverhältnis stand.

Der Kläger beantragte mit seinem Widerspruch die zusätzliche Gewährung von Insolvenzgeld auch für die Zeit vom 01.01. bis zum 23.02.2005. Tatsächlich hat der Kläger seit Januar 2005 von seiner früheren Arbeitgeberin keinen Lohn mehr erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, wobei sie darauf verwies, dass der Insolvenztag der 24.05.2005 sei und deshalb der Insolvenzgeldzeitraum erst am 24.02.2005 beginne.

Am 15.12.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und sich hierbei auf den Beschluss des AG vom 14.02.2005 gestützt.

Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 24.10.2007 als unbegründet abgewiesen. Streitgegenstand sei der Bescheid vom 27.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2005. Zwar nenne der Kläger in seinem Antrag den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2005, dieser beinhalte jedoch die Ablehnung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 15.07. bis zum 25.07.2005. Aus der Begründung der Klage ergebe sich aber eindeutig, dass der Kläger mit der Klage die Gewährung von Insolvenzgeld begehre. Zutreffend habe die Beklagte entschieden, dass ein Anspruch auf Insolvenzgeld für die Zeit bis zum 23.02.2005 nicht vorliege. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) kämen als maßgebliche Insolvenzereignisse abschließend nur die dort genannte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitsgebers, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland in Betracht. Im vorliegenden Fall sei das anspruchsbegründende Insolvenzereignis gem. § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T. GmbH durch den Beschluss des AG am 24.05.2005 zu sehen. Die vom Kläger angeführte Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung im Eröffnungsverfahren gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 Insolvenzordnung, welche bereits am 14.02.2005 durch das AG vorgenommen sei, begründe keinen Insolvenzgeldanspruch (unter Hinweis auf Krodel in Niesel, SGB III, § 183 Rdnr. 32). Auch sei vorliegend nicht das Insolvenzereignis einer vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Innland zu einem früheren Zeitpunkt gegeben gewesen. Zwar habe der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb der Firma am 31.03.2005 stillgelegt, jedoch greife das Insolvenzereignis der Beendigung nur, wenn zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht gestellt worden sei. Ein solcher Antrag sei jedoch von Gläubigerseite bereits vor dem 31.03.2005 und auch schon von dem Geschäftsführer der Firma gestellt worden. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe damit eine Sperrwirkung mit der Folge entfaltet, dass ein Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht habe eintreten können, weil vorrangig eine Entscheidung des Insolvenzgerichts zur Vermögenslosigkeit des Arbeitgebers zu erwarten gewesen sei (unter Berufung auf Schmidt in PK-SGB III, § 183 Rdnr. 48). Da das maßgebliche Insolvenzergebnis somit in der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.05.2005 zu sehen sei, könne der Kläger gemäß des 3-Monats-Zeitraums des § 183 Abs. 1 SGB III auch erst ab dem 24.02.2005 Insolvenzgeld beanspruchen. Der Gerichtsbescheid des SG wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 29.10.2007 zustellt.

Am 29.11.2007 hat der Bevollmächtigte des Klägers beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Hintergrund der gesetzlichen Vorschriften sei die Sicherung des existenznotwendigen Einkommens für den Arbeitnehmer, der wie bisher seine Arbeitskraft angeboten und eingesetzt habe. In der Interpretation durch das SG lasse die Vorschrift des § 183 SGB III jedoch den Anspruch des Klägers und andere Betroffener ins Leere laufen, wenn der Arbeitgeber den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu spät oder gar nicht stelle oder aber das zuständige Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse zu spät verkünde. Sofern der Arbeitgeber des Klägers den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst nach dem 31.03.2005 gestellt hätte und das Insolvenzgericht erst im August das Verfahren mangels Masse abgewiesen hätte bestünde überhaupt kein Anspruch, was mit den Rechten des Klägers nicht vereinbar sei. Der Kläger halte daher den Schutz der Vorschriften des SGB III bzgl. seiner Ansprüche auf Insolvenzgeld mit den Grundsätzen der Verfassung auf ausreichenden Rechtsschutz nicht für vereinbar, insbesondere weil der Anspruch auf Insolvenzgeld allein vom "richtigen" Verhalten Dritter abhängig gemacht werde.

Der Kläger beantragt, teils sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.10.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 31.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2005 zu verurteilen ihm auch für die Zeit vom 01.01. bis zum 23.02.2005 Insolvenzgeld zu zahlen, und zwar in Höhe von mindestens 2578,54 Euro.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie des Akten des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den § 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 01.01.2002 bis zum 11.12.2006 haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensicht- lich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die drei in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III genannten Insolvenzereignisse abschließend aufgezählt werden (vgl. Krodel in Niesel, SGB III, 4. Aufl. 2007, § 183 Rdnr. 32). Ein anderes wie auch immer geartetes Ereignis, in dem sich die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers manifestiert, kann daher für sich genommen noch keinen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen.

Die vorläufige Bestellung eines Insolvenzverwalters am 14.02.2005 ist demnach noch kein für die Gewährung von Insolvenzgeld maßgebliches Ereignis.

Zwischen den drei in der Vorschrift genannten Insolvenzereignissen besteht kein Rangverhältnis, sondern dasjenige ist maßgeblich, dessen Tatbestand zuerst erfüllt worden ist (BSG SozR 4100 § 141b Nr. 1). Ist eines der Insolvenzereignisse eingetreten, entfaltet es eine Sperrwirkung gegenüber nachträglichen Insolvenztatbeständen insoweit, dass alleine das erste Ereignis für die Gewährung von Insolvenzgeld maßgeblich bleibt (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 3).

Vorliegend ist die Betriebstätigkeit zwar bereits am 31.03.2004 vollständig eingestellt worden, doch lagen zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Insolvenzanträge vor, so dass auch am 31.03.2004 ein Insolvenzereignis nach dem klaren Wortlaut von § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht eingetreten ist. Insofern hat es auch seine sachlich begründete Zulässigkeit, von einer Sperrwirkung des Insolvenzereignisses auszugehen, weil vorrangig eine Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 183 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB III zu erwarten war, die grundsätzlich größere Rechtsklarheit zu schaffen in der Lage ist als die Feststellungen, die für den Tatbestand nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erforderlich sind.

Der Insolvenzgeldanspruch ist bereits deswegen nicht auf die vollständige Absicherung von Entgeltausfall aufgrund von Insolvenz ausgerichtet, weil der Insolvenzgeldzeitraum immer nur höchstens drei Monate dauern kann. Dies beinhaltet von der Konstruktion der Vorschrift des § 183 SGB III bereits grundlegend auch die Möglichkeit, trotz tatsächlichen Entgeltausfalls von drei oder gar mehr Monaten mit Anspruch auf Arbeitslohn Insolvenzgeld auch nur für weniger als drei Monate zu erhalten.

Eine unzulässige Benachteiligung des Klägers, insbesondere nach Art. 3 Grundgesetz (GG), liegt insofern nicht vor. Auch der Kläger hätte ja, wenn er nicht zum 01.04.2004 bereits eine neue Stelle gefunden hätte, einen Anspruch auf Insolvenzgeld über den 01.04.2004 hinaus gehabt. Vergleicht man den Kläger mit einem Kollegen, der keinen Anspruchsarbeitsplatz zum 01.04.2004 gefunden hat - bei sonst gleichem Arbeitsschicksal - , steht der Kläger keinesfalls schlechter, sondern deutlich besser da. Aus der Tatsache, dass es dem Kläger gelungen ist, bereits ab dem 01.04.2004 einen anderen Arbeitsplatz zu finden und damit auch seinen Lohnverlust einzugrenzen, kann er vorliegend deshalb keinen Nachteil konstruieren. Insbesondere kann er mit dem Hinweis auf die Tatsache seines Anschluss-Arbeitsverhältnisses nicht unter Berufung auf Art. 3 GG verlangen, auch drei Monate lang Insolvenzgeld zu verlangen, da niemand aus seiner Vergleichsgruppe bzw. vergleichbaren Referenzgruppe Insolvenzgeld vor dem 24.05.2005 erhalten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved