Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3036/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1410/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im vorliegenden Rechtsstreit, den die Witwe des Versicherten nach seinem Tode weiterführt, ob es die Beklagte zu Recht abgelehnt hat, die Kosten von Injektionsbehandlungen mit Hyalart (Hyaluronsäure) zur Therapie posttraumatischer Kniegelenksarthrosen zu übernehmen.
Der 1942 geborene und am 23. Juli 2007 verstorbene Versicherte erlitt am 28. Juli 1961 bei einem Arbeitsunfall zahlreiche Frakturen, vor allem im Bereich beider Unterschenkel und Sprunggelenke. Er bezog von der Beklagten wegen der Unfallfolgen eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H.
Am 16. Mai 2003 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Übernahme der Kosten von Injektionsbehandlungen mit dem Präparat Hyalart. Der behandelnde Orthopäde Dr. R.teilte der Beklagten im Verlaufsbericht vom 28. März 2003 mit, beim Versicherten bestünden ausgeprägte Veränderungen in beiden Kniegelenken, die zweifelsfrei Folgeveränderungen des Arbeitsunfalls vom 28. Juli 1961 seien. Die seit einiger Zeit durchgeführten Injektionen mit einem Hyaluronpräparat in das Kniegelenk hätten gut angesprochen und zur Linderung der Beschwerden beigetragen.
Der beratende Arzt der Beklagten Dr. Sch. führte in der Stellungnahme vom 30. September 2003 aus, der ursächliche Zusammenhang der ausgeprägten Kniegelenksveränderungen links und rechts mit den Unfallfolgen sei hinreichend wahrscheinlich. Die Injektion von Hyaluronsäure sei aber nach dem derzeitigen Stand kein geeignetes Mittel zur Behandlung von Kniegelenksarthrosen. Beim Versicherten bestehe darüber hinaus am rechten Unterschenkel eine Fistel mit wechselnder Sekretion, weshalb das Risiko einer intraartikulären Infektion deutlich erhöht sei. Es verblieben lediglich symptomatische Behandlungsmaßnahmen.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2003 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten der Behandlung der Kniegelenke mit Hyaluronsäure ab.
Den Widerspruch des Versicherten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2004 zurück und führte zur Begründung aus, bei der Wahl des geeigneten Mittels gemäß § 26 Abs. 2 SGB VII habe der Unfallversicherungsträger einen Ermessensspielraum, der den Grundsatz der optimalen Rehabilitation zu beachten habe und allein durch die Geeignetheit des gewählten Mittels begrenzt sei. Nach dem derzeitigen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Diskussion stellten Injektionen mit Hyaluronsäure kein geeignetes therapeutisches Mittel dar. Daher sei nach Würdigung aller Umstände nach pflichtgemäßem Ermessen die Kostenübernahme abzulehnen gewesen.
Hiergegen erhob der Versicherte am 6. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), das das Verfahren mit einem weiteren anhängigen Verfahren unter dem Aktenzeichen S 9 U 3036/04 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verband.
Der vom SG beauftragte Sachverständige PD Dr. R. gelangte in seinem Gutachten vom 13. Oktober 2005 zu dem Ergebnis, dass Gelenkinjektionen wegen des damit verbundenen Risikos einer Infektion und der dadurch möglichen Folgen nur vertretbar seien, wenn andere - im Falle des Klägers nicht in hinreichendem Maße durchgeführte - Behandlungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien und eine nachweislich anhaltend wirksame Substanz injiziert werde, was für die Substanz Hyaluronsäure nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gelte. Darüber hinaus werde wegen der weit fortgeschrittenen Arthrose im linken Kniegelenk auch von Befürwortern der Behandlungsmethode diese im Falle des Klägers nicht empfohlen. Deshalb sei die Behandlungsform im Falle des Klägers weder erforderlich noch zweckmäßig.
Dem ist das SG im klagabweisenden Urteil vom 7. Februar 2006 gefolgt.
Gegen das am 7. März 2006 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 14. März 2006 Berufung eingelegt, mit der er den Kostenerstattungsanspruch weiterverfolgte. Nach seinem Tode hat die Klägerin den Rechtsstreit fortgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Februar 2006 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der Heilbehandlung durch die Verabreichung von Hyaluronsäure zur Therapie der Kniegelenksarthrose zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat die auf der einheitlichen Auffassung ihrer beratenden Ärzte beruhende Mitteilung vom 12. Januar 2006 vorgelegt, wonach die Übernahme der Kosten von Knorpelaufbaupräparaten nicht empfohlen werden könne, weil derzeit keine Studie bekannt sei, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die positive Wirkung von Knorpelaufbaupräparaten beweise.
Der Senat hat auf Antrag des Versicherten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz das fachorthopädisch-unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. N.vom 16. Januar 2007 und von Amts wegen eine ergänzende Stellungsnahme von PD Dr. R. vom 11. Juni 2007 eingeholt.
Prof. Dr. N. hat ausgeführt, der Schaden in beiden Kniegelenken sei dermaßen ausgeprägt, dass der behandelnde Arzt vor der Frage stehe, einen Kniegelenksersatz zu empfehlen oder die konservative Behandlung fortzusetzen. Diese Überlegungen würden entscheidend von der chronischen Knocheneiterung und Fistelung am rechten Fußgelenk mitbestimmt. Bei ausgeprägten Verschleißprozessen des Kniegelenks seien die Möglichkeiten einer physikalischen oder krankengymnastischen Behandlung erheblich reduziert. Daher stehe nur noch eine medikamentöse Behandlung im Raum, die aber bessere Ergebnisse erziele, wenn sie intraartikulär durchgeführt werde. Intraartikuläre Kortisoninjektionen schieden bei der vorliegenden Fistelung von vornherein aus, da sie zu einer Ausweitung des Knocheninfektionsprozesses führen könnten. Bei einer operativen Behandlung sei ohne begleitende Eiterung an anderer Stelle mit einer Infektionsrate von 1 bis 2% nach Kniegelenksendoprothesen zu rechnen. Daher liege das Risiko, eine bleibende Infektion nach einer Knieendoprothese zu erleiden mindestens 100mal höher als nach einer Kniegelenksinjektion. Daher sei in der speziellen Situation des Versicherten die Fortsetzung einer konservativen Behandlung mit Hyaluronsäure nach Art Umfang und Durchführung nicht nur gerechtfertigt sondern zweckmäßig. Die Gabe von Hyaluronsäure sei nach dem Ergebnis seiner Recherche in der Literaturdatenbank "Medline" auch eine allgemein anerkannte Methode zur Behandlung der beim Versicherten vorliegenden Arthrose beider Kniegelenke.
Demgegenüber hat PD Dr. R. dargelegt, eine ergänzende Sichtung der Literatur ergebe weiterhin keine ausreichenden und statistisch gesicherten Hinweise auf einen relevanten Therapieeffekt intraartikulärer Injektionen mit Hyaluronsäure. Es lägen - neben Aussagen, die einen wesentlichen Therapieeffekt klar verneinten oder in Frage stellten - lediglich vorsichtige Hinweise auf einen möglichen therapeutischen Nutzen dieser Behandlungsmethode vor, jedoch keine klaren Aussagen einer evidenzbasierten Therapieempfehlung unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen und Infektrisiken. Eine therapeutische Wirkung sei insbesondere bei schwerer Ausprägung der Arthrose, wie im Falle des Versicherten, zu bezweifeln. Zudem übersehe Prof. Dr. N. bei der Abwägung des Infektionsrisikos, dass zur Behandlung der Kniearthrose mit Hyaluronsäure zahlreiche Injektionen und wiederholte Injektionsserien erforderlich seien und sich damit die Infektionsgefahr im Vergleich zur einmaligen Injektion um ein Vielfaches erhöhe. Auch wenn mit einer konsequenten konservativen Therapie mit physikalischer Therapie, Krankengymnastik, Gangschulung und, falls notwendig, Einnahme ausreichend dosierter Schmerz- oder Rheumamittel kein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht würde, sei allein aus diesem Grund eine Behandlungsempfehlung mit fraglich wirksamen und wegen Gelenkinfektion risikoreichen Injektionsserien nicht zu vertreten.
Die Beteiligten habe sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 SGG entschieden hat, ist zulässig. Da die Kostenübernahme nicht nur für Behandlungen in der Vergangenheit sondern auch in der Zukunft abgelehnt wurde, liegen keine Berufungsausschließungsgründe vor.
Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die im Rahmen ihres Ermessens getroffene Entscheidung der Beklagten, die Kosten für die Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure nicht zu übernehmen, ist nicht zu beanstanden.
Der Unfallversicherungsträger hat gemäß § 1 Nr 2 i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) nach Eintritt von Arbeitsunfällen die Gesundheit und Leistungsfähigkeit mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen bzw. mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Dabei haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 26 Abs 4 Satz 1 SGB VII). Sie sind nach § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und daher als "Naturalleistung" zu gewähren. Eine Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen zur Heilbehandlung findet allein unter den Voraussetzungen des § 13 Abs 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) statt; diese Vorschrift ist in der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend anwendbar, da hier eine Regelungslücke hinsichtlich der Kostenerstattung besteht, die diese Vorschrift sachgerecht ausfüllt (BSG Urteil vom 20.März 2007 - B 2 U 38/05 R - in Juris).
Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit der Ärzte die nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und erforderlich ist (§ 28 Abs. 2 SGB VII). Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII bestimmen die Unfallversicherungsträger im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe, sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen.
Richtschnur für das in § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII eingeräumte Auswahlermessen ist die gesetzliche Vorgabe der §§ 1 Nr. 2, 26 Abs.2 Nr. 1 SGB VII, "mit allen geeigneten Mitteln" vorzugehen, wobei dieser Begriff der vollen richterlichen Nachprüfung unterliegt (vgl hierzu Keller, Sgb 2000, 459, 461 mwN). Gemäß § 26 Abs 4 Satz 1 SGB VII sind aber nicht ausreichend erprobte Heilmethoden nicht anzuwenden, wenn im Einzelfall allgemein anerkannte und erfolgversprechende Methoden zur Verfügung stehen. Wenn sachgerechte Therapiemaßnahmen der Schulmedizin nicht vorhanden sind, kann es geboten sein, eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Methode anzuwenden. Aber auch dann ist wegen des gesetzlichen Gebots des § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zu Heilbehandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben, zu fordern, dass die Wirksamkeit der Methode nicht nur möglich ist, sondern dass, ausgehend von naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, vieles für die Wirksamkeit spricht (Keller aaO S. 464).
Ausgehend hiervon hat die Beklagte die Behandlung der Kniegelenksarthrosen des Versicherten in Form von Injektionsserien mit Hyaluronsäure bzw. die Übernahme von deren Kosten rechtsfehlerfrei abgelehnt. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung, ebenso wie das SG, auf die gutachterlichen Äußerungen von PD Dr. Rohe im erstinstanzlichen Verfahren, die durch eigene Internetrecherchen des Senats (vgl hierzu die Verfügung vom 23. Oktober 2006) und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von PD Dr. R. bestätigt wurden. Danach fehlt es schon an einer generellen Geeignetheit, denn die Wirksamkeit der Methode ist derzeit noch nicht in hinreichendem Umfang nachgewiesen. Die in der deutschen Literatur veröffentlichten Studien mit positiven Ergebnissen entsprechen nach den Darlegungen von PD Dr. R. nicht dem wissenschaftlichen Standard kontrollierter Studien, sodass positive Ergebnisse nicht als gesichert gelten können. In der internationalen Literatur, auch in Multicenterstudien und Metananalysen, finden sich keine einheitlichen Ergebnisse, sodass PD Dr. R. auch nach einer ergänzenden Literaturrecherche zu dem Ergebnis gelangt, dass einigen vorsichtigen Hinweisen auf einen möglichen therapeutischen Nutzen dieser Behandlungsmethode zahlreiche, auch klar formulierte und auf methodisch einwandfreien Studien basierende Aussagen gegenüber stehen, die einen wesentlichen Therapieeffekt intraartikulärer Injektionen mit Hyaluronsäure in Frage stellen oder verneinen. Die von Prof. Dr. N. angegebenen Literaturzitate widerlegen dieses Ergebnis nicht, wie PD Dr. R. im Einzelnen dargelegt hat. Auch die Beratenden Ärzte der Beklagte vertreten einheitlich die Auffassung, dass keine Studie vorhanden sei, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die positive Wirkung von Knorpelaufbaupräparaten (wie Hyaluronsäure) beweise.
Im Falle des Versicherten kommt hinzu, dass nach den Feststellungen von PD Dr. R., der den Versicherten am 8. Juni 2005 persönlich gesehen und umfassend untersucht hat, eine regelmäßige Behandlung mit den Mitteln der Schulmedizin, nämlich Physiotherapie, physikalische Therapie und/oder Medikamenteneinnahme nicht stattfand. Somit ist die Annahme von Prof. Dr. N,. im Falle des Versicherten bestehe nur noch die Wahl zwischen einer Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure oder einer operativen Behandlung in Form eines Kniegelenksersatzes, nicht zutreffend. Bei seiner Abwägung zugunsten der Injektionsbehandlung hat er auch nicht berücksichtigt, dass zum einen die Notwendigkeit von Injektionsserien das Infektionsrisiko deutlich erhöht und dass zum anderen sogar von Befürwortern der Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure die Behandlung bei stark fortgeschrittenen Arthrosen, wie sie im Falle des Versicherten vorlagen, in Frage gestellt wird.
Nach alledem können die Entscheidung der Beklagten und das diese Entscheidung bestätigende Urteil des SG nicht beanstandet werden. Die Berufung der Klägerin musste zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im vorliegenden Rechtsstreit, den die Witwe des Versicherten nach seinem Tode weiterführt, ob es die Beklagte zu Recht abgelehnt hat, die Kosten von Injektionsbehandlungen mit Hyalart (Hyaluronsäure) zur Therapie posttraumatischer Kniegelenksarthrosen zu übernehmen.
Der 1942 geborene und am 23. Juli 2007 verstorbene Versicherte erlitt am 28. Juli 1961 bei einem Arbeitsunfall zahlreiche Frakturen, vor allem im Bereich beider Unterschenkel und Sprunggelenke. Er bezog von der Beklagten wegen der Unfallfolgen eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H.
Am 16. Mai 2003 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Übernahme der Kosten von Injektionsbehandlungen mit dem Präparat Hyalart. Der behandelnde Orthopäde Dr. R.teilte der Beklagten im Verlaufsbericht vom 28. März 2003 mit, beim Versicherten bestünden ausgeprägte Veränderungen in beiden Kniegelenken, die zweifelsfrei Folgeveränderungen des Arbeitsunfalls vom 28. Juli 1961 seien. Die seit einiger Zeit durchgeführten Injektionen mit einem Hyaluronpräparat in das Kniegelenk hätten gut angesprochen und zur Linderung der Beschwerden beigetragen.
Der beratende Arzt der Beklagten Dr. Sch. führte in der Stellungnahme vom 30. September 2003 aus, der ursächliche Zusammenhang der ausgeprägten Kniegelenksveränderungen links und rechts mit den Unfallfolgen sei hinreichend wahrscheinlich. Die Injektion von Hyaluronsäure sei aber nach dem derzeitigen Stand kein geeignetes Mittel zur Behandlung von Kniegelenksarthrosen. Beim Versicherten bestehe darüber hinaus am rechten Unterschenkel eine Fistel mit wechselnder Sekretion, weshalb das Risiko einer intraartikulären Infektion deutlich erhöht sei. Es verblieben lediglich symptomatische Behandlungsmaßnahmen.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2003 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten der Behandlung der Kniegelenke mit Hyaluronsäure ab.
Den Widerspruch des Versicherten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2004 zurück und führte zur Begründung aus, bei der Wahl des geeigneten Mittels gemäß § 26 Abs. 2 SGB VII habe der Unfallversicherungsträger einen Ermessensspielraum, der den Grundsatz der optimalen Rehabilitation zu beachten habe und allein durch die Geeignetheit des gewählten Mittels begrenzt sei. Nach dem derzeitigen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Diskussion stellten Injektionen mit Hyaluronsäure kein geeignetes therapeutisches Mittel dar. Daher sei nach Würdigung aller Umstände nach pflichtgemäßem Ermessen die Kostenübernahme abzulehnen gewesen.
Hiergegen erhob der Versicherte am 6. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), das das Verfahren mit einem weiteren anhängigen Verfahren unter dem Aktenzeichen S 9 U 3036/04 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verband.
Der vom SG beauftragte Sachverständige PD Dr. R. gelangte in seinem Gutachten vom 13. Oktober 2005 zu dem Ergebnis, dass Gelenkinjektionen wegen des damit verbundenen Risikos einer Infektion und der dadurch möglichen Folgen nur vertretbar seien, wenn andere - im Falle des Klägers nicht in hinreichendem Maße durchgeführte - Behandlungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien und eine nachweislich anhaltend wirksame Substanz injiziert werde, was für die Substanz Hyaluronsäure nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gelte. Darüber hinaus werde wegen der weit fortgeschrittenen Arthrose im linken Kniegelenk auch von Befürwortern der Behandlungsmethode diese im Falle des Klägers nicht empfohlen. Deshalb sei die Behandlungsform im Falle des Klägers weder erforderlich noch zweckmäßig.
Dem ist das SG im klagabweisenden Urteil vom 7. Februar 2006 gefolgt.
Gegen das am 7. März 2006 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 14. März 2006 Berufung eingelegt, mit der er den Kostenerstattungsanspruch weiterverfolgte. Nach seinem Tode hat die Klägerin den Rechtsstreit fortgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Februar 2006 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der Heilbehandlung durch die Verabreichung von Hyaluronsäure zur Therapie der Kniegelenksarthrose zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat die auf der einheitlichen Auffassung ihrer beratenden Ärzte beruhende Mitteilung vom 12. Januar 2006 vorgelegt, wonach die Übernahme der Kosten von Knorpelaufbaupräparaten nicht empfohlen werden könne, weil derzeit keine Studie bekannt sei, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die positive Wirkung von Knorpelaufbaupräparaten beweise.
Der Senat hat auf Antrag des Versicherten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz das fachorthopädisch-unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. N.vom 16. Januar 2007 und von Amts wegen eine ergänzende Stellungsnahme von PD Dr. R. vom 11. Juni 2007 eingeholt.
Prof. Dr. N. hat ausgeführt, der Schaden in beiden Kniegelenken sei dermaßen ausgeprägt, dass der behandelnde Arzt vor der Frage stehe, einen Kniegelenksersatz zu empfehlen oder die konservative Behandlung fortzusetzen. Diese Überlegungen würden entscheidend von der chronischen Knocheneiterung und Fistelung am rechten Fußgelenk mitbestimmt. Bei ausgeprägten Verschleißprozessen des Kniegelenks seien die Möglichkeiten einer physikalischen oder krankengymnastischen Behandlung erheblich reduziert. Daher stehe nur noch eine medikamentöse Behandlung im Raum, die aber bessere Ergebnisse erziele, wenn sie intraartikulär durchgeführt werde. Intraartikuläre Kortisoninjektionen schieden bei der vorliegenden Fistelung von vornherein aus, da sie zu einer Ausweitung des Knocheninfektionsprozesses führen könnten. Bei einer operativen Behandlung sei ohne begleitende Eiterung an anderer Stelle mit einer Infektionsrate von 1 bis 2% nach Kniegelenksendoprothesen zu rechnen. Daher liege das Risiko, eine bleibende Infektion nach einer Knieendoprothese zu erleiden mindestens 100mal höher als nach einer Kniegelenksinjektion. Daher sei in der speziellen Situation des Versicherten die Fortsetzung einer konservativen Behandlung mit Hyaluronsäure nach Art Umfang und Durchführung nicht nur gerechtfertigt sondern zweckmäßig. Die Gabe von Hyaluronsäure sei nach dem Ergebnis seiner Recherche in der Literaturdatenbank "Medline" auch eine allgemein anerkannte Methode zur Behandlung der beim Versicherten vorliegenden Arthrose beider Kniegelenke.
Demgegenüber hat PD Dr. R. dargelegt, eine ergänzende Sichtung der Literatur ergebe weiterhin keine ausreichenden und statistisch gesicherten Hinweise auf einen relevanten Therapieeffekt intraartikulärer Injektionen mit Hyaluronsäure. Es lägen - neben Aussagen, die einen wesentlichen Therapieeffekt klar verneinten oder in Frage stellten - lediglich vorsichtige Hinweise auf einen möglichen therapeutischen Nutzen dieser Behandlungsmethode vor, jedoch keine klaren Aussagen einer evidenzbasierten Therapieempfehlung unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen und Infektrisiken. Eine therapeutische Wirkung sei insbesondere bei schwerer Ausprägung der Arthrose, wie im Falle des Versicherten, zu bezweifeln. Zudem übersehe Prof. Dr. N. bei der Abwägung des Infektionsrisikos, dass zur Behandlung der Kniearthrose mit Hyaluronsäure zahlreiche Injektionen und wiederholte Injektionsserien erforderlich seien und sich damit die Infektionsgefahr im Vergleich zur einmaligen Injektion um ein Vielfaches erhöhe. Auch wenn mit einer konsequenten konservativen Therapie mit physikalischer Therapie, Krankengymnastik, Gangschulung und, falls notwendig, Einnahme ausreichend dosierter Schmerz- oder Rheumamittel kein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht würde, sei allein aus diesem Grund eine Behandlungsempfehlung mit fraglich wirksamen und wegen Gelenkinfektion risikoreichen Injektionsserien nicht zu vertreten.
Die Beteiligten habe sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 SGG entschieden hat, ist zulässig. Da die Kostenübernahme nicht nur für Behandlungen in der Vergangenheit sondern auch in der Zukunft abgelehnt wurde, liegen keine Berufungsausschließungsgründe vor.
Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die im Rahmen ihres Ermessens getroffene Entscheidung der Beklagten, die Kosten für die Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure nicht zu übernehmen, ist nicht zu beanstanden.
Der Unfallversicherungsträger hat gemäß § 1 Nr 2 i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) nach Eintritt von Arbeitsunfällen die Gesundheit und Leistungsfähigkeit mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen bzw. mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern. Dabei haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 26 Abs 4 Satz 1 SGB VII). Sie sind nach § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und daher als "Naturalleistung" zu gewähren. Eine Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen zur Heilbehandlung findet allein unter den Voraussetzungen des § 13 Abs 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) statt; diese Vorschrift ist in der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend anwendbar, da hier eine Regelungslücke hinsichtlich der Kostenerstattung besteht, die diese Vorschrift sachgerecht ausfüllt (BSG Urteil vom 20.März 2007 - B 2 U 38/05 R - in Juris).
Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit der Ärzte die nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und erforderlich ist (§ 28 Abs. 2 SGB VII). Gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII bestimmen die Unfallversicherungsträger im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe, sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen.
Richtschnur für das in § 26 Abs. 5 Satz 1 SGB VII eingeräumte Auswahlermessen ist die gesetzliche Vorgabe der §§ 1 Nr. 2, 26 Abs.2 Nr. 1 SGB VII, "mit allen geeigneten Mitteln" vorzugehen, wobei dieser Begriff der vollen richterlichen Nachprüfung unterliegt (vgl hierzu Keller, Sgb 2000, 459, 461 mwN). Gemäß § 26 Abs 4 Satz 1 SGB VII sind aber nicht ausreichend erprobte Heilmethoden nicht anzuwenden, wenn im Einzelfall allgemein anerkannte und erfolgversprechende Methoden zur Verfügung stehen. Wenn sachgerechte Therapiemaßnahmen der Schulmedizin nicht vorhanden sind, kann es geboten sein, eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Methode anzuwenden. Aber auch dann ist wegen des gesetzlichen Gebots des § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zu Heilbehandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben, zu fordern, dass die Wirksamkeit der Methode nicht nur möglich ist, sondern dass, ausgehend von naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, vieles für die Wirksamkeit spricht (Keller aaO S. 464).
Ausgehend hiervon hat die Beklagte die Behandlung der Kniegelenksarthrosen des Versicherten in Form von Injektionsserien mit Hyaluronsäure bzw. die Übernahme von deren Kosten rechtsfehlerfrei abgelehnt. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung, ebenso wie das SG, auf die gutachterlichen Äußerungen von PD Dr. Rohe im erstinstanzlichen Verfahren, die durch eigene Internetrecherchen des Senats (vgl hierzu die Verfügung vom 23. Oktober 2006) und die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von PD Dr. R. bestätigt wurden. Danach fehlt es schon an einer generellen Geeignetheit, denn die Wirksamkeit der Methode ist derzeit noch nicht in hinreichendem Umfang nachgewiesen. Die in der deutschen Literatur veröffentlichten Studien mit positiven Ergebnissen entsprechen nach den Darlegungen von PD Dr. R. nicht dem wissenschaftlichen Standard kontrollierter Studien, sodass positive Ergebnisse nicht als gesichert gelten können. In der internationalen Literatur, auch in Multicenterstudien und Metananalysen, finden sich keine einheitlichen Ergebnisse, sodass PD Dr. R. auch nach einer ergänzenden Literaturrecherche zu dem Ergebnis gelangt, dass einigen vorsichtigen Hinweisen auf einen möglichen therapeutischen Nutzen dieser Behandlungsmethode zahlreiche, auch klar formulierte und auf methodisch einwandfreien Studien basierende Aussagen gegenüber stehen, die einen wesentlichen Therapieeffekt intraartikulärer Injektionen mit Hyaluronsäure in Frage stellen oder verneinen. Die von Prof. Dr. N. angegebenen Literaturzitate widerlegen dieses Ergebnis nicht, wie PD Dr. R. im Einzelnen dargelegt hat. Auch die Beratenden Ärzte der Beklagte vertreten einheitlich die Auffassung, dass keine Studie vorhanden sei, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die positive Wirkung von Knorpelaufbaupräparaten (wie Hyaluronsäure) beweise.
Im Falle des Versicherten kommt hinzu, dass nach den Feststellungen von PD Dr. R., der den Versicherten am 8. Juni 2005 persönlich gesehen und umfassend untersucht hat, eine regelmäßige Behandlung mit den Mitteln der Schulmedizin, nämlich Physiotherapie, physikalische Therapie und/oder Medikamenteneinnahme nicht stattfand. Somit ist die Annahme von Prof. Dr. N,. im Falle des Versicherten bestehe nur noch die Wahl zwischen einer Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure oder einer operativen Behandlung in Form eines Kniegelenksersatzes, nicht zutreffend. Bei seiner Abwägung zugunsten der Injektionsbehandlung hat er auch nicht berücksichtigt, dass zum einen die Notwendigkeit von Injektionsserien das Infektionsrisiko deutlich erhöht und dass zum anderen sogar von Befürwortern der Injektionsbehandlung mit Hyaluronsäure die Behandlung bei stark fortgeschrittenen Arthrosen, wie sie im Falle des Versicherten vorlagen, in Frage gestellt wird.
Nach alledem können die Entscheidung der Beklagten und das diese Entscheidung bestätigende Urteil des SG nicht beanstandet werden. Die Berufung der Klägerin musste zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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