L 9 R 1524/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2602/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1524/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1962 in Afghanistan geborene Kläger kam 1988 in die Bundesrepublik Deutschland. Hier verrichtete er mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit verschiedene Hilfsarbeiten, zuletzt als Reinigungshilfe.

Vom 30.10. bis 11.12.2000 befand er sich zu einem Heilverfahren in der Klinik Ortenau. Die dortigen Ärzte diagnostizierten im Entlassungsbericht vom 10.1.2001 beim Kläger eine mittelgradige depressiver Episode mit somatischem Syndrom sowie einen Zustand nach Hemihepatektomie 1999, entließen den Kläger als arbeitsunfähig und führten aus, da sich unter der bisherigen Medikamentation eine Besserung der depressiven Symptomatik mit den beschriebenen körperlichen Beschwerden gezeigt habe, gingen sie bei Fortführung der nervenärztlichen Behandlung von einer zunehmenden Stabilisierung aus. Der behandelnde Arzt sollte dann über die Arbeitsfähigkeit des Klägers entscheiden. Nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei der Kläger in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht vollschichtig zu verrichten.

In einem Gutachten vom 26.3.2001 stellte der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L. beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Dysthymie mit Somatisierungsstörungen im Rahmen eines Entwurzelungssyndroms 2. Hypotone Kreislaufregulation 3. Erweiterte Hemihepatektomie wegen Echinokkocyste 1999. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne Absturzgefahr vollschichtig zu verrichten. Die Beschränkung auf körperlich leichte Tätigkeiten ergebe sich auf Grund des Trainingsmangels. Unter Arbeitstraining und Eingewöhnung sei der Kläger auch in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten auszuüben.

Am 22.2.2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ ihn von Dr. L. untersuchen, der im Gutachten vom 10.9.2002 dieselben Diagnosen stellte wie im Gutachten vom 26.3.2001 und zum Ergebnis geL.te, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Absturzgefahr und ohne besondere Verantwortung für Personen und Maschinen sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Bescheid vom 18.9.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2002 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Ulm (S 6 RJ 3068/02) holte das SG ein nervenärztliches Gutachten ein. Der Neurologe und Psychiater Dr. J. stellte beim Kläger im Gutachten vom 3.6.2003 eine rezidivierende Depression sowie einen computertomographisch beschriebenen zervikalen Bandscheibenvorfall fest und führte aus, der Kläger könne leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Überkopfarbeiten, ohne Akkord, ohne erhöhte Verantwortung und ohne erhöhte Umstellungsfähigkeit sowie ohne Schichtarbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 5.9.2003 wies das SG die Klage ab, da der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Im anschließenden Berufungsverfahren (L 9 RJ 3909/03) beauftragte das Landessozialgericht (LSG) den Neurologen und Psychiater Dr. R. mit der Begutachtung des Klägers. Dieser führte im Gutachten vom 7.4.2004 aus, ein wesentliches depressives Syndrom habe beim Kläger nicht mehr festgestellt werden können. Leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Nachtarbeiten, ohne Zeitdruck und ohne belastende Bedingungen seien den Kläger ganztags zumutbar. Am 20.1.2005 nahm der Kläger die Berufung zurück.

Am 3.3.2005 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Auskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers Dr. S., Arzt für Allgemeinmedizin, und Dr. L., Arzt für Nervenheilkunde, bei und holte eine prüfärztliche Stellungnahme bei ihrem Beratungsarzt Dr. L., Arzt für Allgemein- und Sozialmedizin, vom 1.4.2005 ein.

Mit Bescheid vom 18.4.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.

Hiergegen legte der Kläger am 23.5.2005 Widerspruch ein, den er am 2.6.2005 zurücknahm, nachdem sich die Beklagte unter Hinweis auf die verspätete Widerspruchseinlegung bereit erklärt hatte, den Antrag vom 23.5.2005 als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X zu werten.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. L. vom 16.6.2005 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 22.6.2005 ab. Sie führte aus, die erneute Prüfung aller medizinischen Unterlagen durch den ärztlichen Dienst habe zu dem Ergebnis geführt, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Mit diesem Leistungsvermögen liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe somit nicht. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.8.2005 zurück. Sie führte aus, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Hiergegen erhob der Kläger am 19.8.2005 Klage zum SG Ulm, mit der er die Gewährung von Rente ab 1.5.2005 begehrte. Er führte aus, wegen der Depressionen, Magen- und Leberbeschwerden, Schwindel, Rückenbeschwerden sowie Schwierigkeiten beim Laufen sei er nicht mehr in der Lage, sechs Stunden täglich zu arbeiten.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte Dr. Sch. und Dr. L. (Auskünfte vom 15.9. und 28.9.2005) schriftlich als sachverständige Zeugen und beauftragte PD Dr. H., Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Gerontopsychiatrie, Christophsbad G., mit der Begutachtung des Klägers. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 12.6.2006 auf nervenärztlichem Fachgebiet ein leichtgradiges depressives Syndrom im Sinne einer leichtgradigen depressiven Episode mit Chronifizierungsneigung fest. Wegen der leichtgradigen depressiven Symptomatik seien dem Kläger keine Schicht-, Akkord- und Fließbandarbeiten sowie keine Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung bzw. erhöhter Verantwortung zumutbar. Auf Grund der Wirbelsäulenveränderungen seien das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie Arbeiten in Zwangshaltungen ausgeschlossen. Leichte körperliche Tätigkeiten könne der Kläger ganzschichtig (mehr als sechs Stunden täglich) verrichten. Der Kläger sei in der Lage viermal täglich mehr als 500 Meter zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die vom Kläger geschilderte Einschränkung der Gehstrecke sei nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 30.1.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden zu arbeiten. In Betracht kämen leichte Sortier- und Packarbeiten in der Industrie und im Handel. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 16.3.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.3.2007 Berufung eingelegt, ohne diese zu begründen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30. Januar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 9.7.2007 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Mit dem Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.8.2005 hat die Beklagte nicht - wie ursprünglich im Schriftsatz vom 25.05.2005 beabsichtigt - lediglich den bindend gewordenen Bescheid vom 18.4.2005 gem. § 44 SGB X überprüft, sondern generell geprüft, ob der Kläger erwerbsgemindert ist. Da der Kläger vor dem SG die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.05.2005 beantragt hat, ist Rechtsgrundlage für die Prüfung des Senats § 43 SGB VI, und nicht § 44 SGB X.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 9.7.2007 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.

Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten des Arztes für Allgemein- und Sozialmedizin Dr. L. vom 26.3.2001 und 10.9.2002 sowie seiner Stellungnahme vom 1.4.2005, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, der Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. J., Dr. R. sowie PD Dr. H. vom 3.6.2003, 7.4.2004 und 12.6.2006.

Der Kläger leidet seit Jahren an folgenden, seine körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen: 1. Leichtgradiges depressives Syndrom 2. Zervikaler Bandscheibenvorfall (computertomographisch festgestellt) 3. Zustand nach Hemihepatektomie bei Echinokokkose 4. Rezidivierende Gastritis.

Diese Gesundheitsstörungen, bei denen die Beschwerden auf nervenärztlichem Gebiet im Vordergrund stehen, haben zwar qualitative Leistungsausschlüsse zur Folge. Dem Kläger dürfen wegen des rezidivierenden depressiven Syndroms keine Akkord-, Fließband- und Schichtarbeiten sowie keine Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung bzw. erhöhter Verantwortung zugemutet werden. Wegen zeitweise auftretendem Schwindel entfallen Arbeiten mit Absturzgefahr. Auf Grund des Zustandes nach Hemihepatektomie scheiden körperlich schwere Tätigkeiten aus. Der Kläger ist jedoch nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies folgt für den Senat insbesondere aus den überzeugenden gutachterlichen Beurteilungen der Neurologen und Psychiater Dr. J., Dr. Rausch und PD Dr. H ...

Diese Einschätzung wird durch den erhobenen psychiatrischen Befund bestätigt. Der Kläger war bei den neurologisch-psychiatrischen Untersuchungen bewusstseinsklar, vollständig orientiert, klinisch ohne fassbare kognitive Defizite. Die Psychomotorik war nicht gehemmt, Störungen der Impulskontrolle lagen nicht vor, die Stimmungslage war euthym bis allenfalls subdepressiv. Formale und inhaltliche Denkstörungen sowie Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung lagen nicht vor. Die Tagesstruktur ist beim Kläger erhalten. Er steht gegen ca. 8:00 Uhr auf, richtet das Frühstück, nimmt seine Medikamente und fährt manchmal mit dem Fahrrad in die Stadt. Wenn seine Frau den Deutschunterricht besucht, passt er mehrmals wöchentlich mehrere Stunden auf seinen Sohn auf und geht mit ihm z. B. auf den Spielplatz. Darüber hinaus ist der Kläger den Gutachtern und Sachverständigen zufolge auch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zu Fuß in zumutbarer Zeit zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Außerdem ist er auch in der Lage, Arbeitsplätze mit dem Fahrrad zu erreichen, da er auch in seiner Freizeit mit dem Fahrrad in die Stadt fährt. Damit ist der Kläger wegefähig. Auf Grund des psychiatrischen Befundes ist der Kläger auch nicht gehindert, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer jeglichen neuen beruflichen Tätigkeit verbunden sind, zumal auf Grund der depressiven Symptomatik nur geringfügige Leistungseinschränkungen vorhanden sind.

Zusammenfassend ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihm diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Kläger ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Dem Kläger ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon sind - wie bereits im Einzelnen ausgeführt - keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt der Kläger keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die dem Kläger noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten nicht mit Absturzgefahr verbunden. Der Ausschluss von Akkord-, Fließband- und Nachtarbeiten führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die dem Kläger noch zumutbaren Arbeiten (z. B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend zu ebener Erde im Normalarbeitszeit durchgeführt werden und nicht regelmäßig mit besonderem Zeitdruck (Akkord) verbunden sind. Für Tätigkeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und erhöhter Verantwortung kommt der Kläger auf Grund seines beruflichen Werdegangs nicht in Betracht. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger nach dem 1.1.1961 geboren ist.

Nach alledem war das Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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