L 9 R 2690/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 9138/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2690/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Witwenrente an geschiedene Ehegatten.

Die 1951 geborene Klägerin - eine griechische Staatsangehörige - heiratete am 15.04.1972 den am 28.09.1937 geborenen I. M., der bei der Beklagten in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war (im folgenden: Versicherter). Die Ehe der Klägerin und des Versicherten wurde mit Urteil des Amtsgerichts München vom 10.08.1984 (84 F 89/77), rechtskräftig seit 28.09.1984, geschieden.

Der Versicherte legte bis Dezember 1970 Versicherungszeiten in Griechenland zurück und war danach vom 04.01.1971 bis 30.09.1988 und vom 01.11.1969 bis 31.03.2001 im Bundesgebiet versicherungspflichtig beschäftigt. Für die Zeit vom 01.04.2001 bis 01.01.2002 bezog er Lohnersatzleistungen und seit 1.10.2002 Altersrente.

Am 02.09.2005 verstarb der Versicherte.

Die Klägerin beantragte am 08.08.2006 bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente an geschiedene Ehegatten aus der Rentenversicherung des Versicherten.

Mit Bescheid vom 18.08.2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die Ehe nach dem 01.07.1977 geschieden worden sei. Gleichzeitig wurde die Klägerin über die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erziehungsrente informiert.

Hiergegen legte die Klägerin am 11.09.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, sie habe nach der Scheidung der Ehe mit dem Versicherten nicht wieder geheiratet und erfülle die erforderliche Wartezeit von 60 Monaten. Außerdem sei der Versicherte nach dem 30.06.1977 verstorben und sie erziehe ihre Tochter Ch. (geboren am 23.05.1975).

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin wurde ergänzend darauf hingewiesen, sofern sie nicht im Rahmen des Scheidungsverfahrens auf den Versorgungsausgleich verzichtet habe, bestehe weiterhin die Möglichkeit, diesen beim Amtsgericht ihres letzten Wohnortes in Deutschland geltend zu machen.

Am 29.11.2006 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der sie die Gewährung von Geschiedenenwitwenrente weiter verfolgte.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.04.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen ehemaligen Ehemannes. Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente für geschiedene Ehegatten bestehe nur dann, wenn unter anderem deren Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden worden sei. An dieser Voraussetzung fehle es hier, da die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten durch das Amtsgericht München am 10.08.1984, also nach dem 01.07.1977, rechtskräftig geschieden worden sei.

Gegen den am 03.05.2007 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid (als Einschreibbrief mit Rückschein) hat die Klägerin am 29.05.2007 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, die sie nicht begründet hat.

Mit Schreiben des Senats vom 26.07.2007 ist die Klägerin (wie bereits von der Beklagten im Widerspruchsbescheid) auf die Möglichkeit hingewiesen worden, beim Amtsgericht -Familiengericht - München, die Durchführung eines Versorgungsausgleichsverfahrens zu beantragen. Hierauf hat die Klägerin dem Senat eine Kopie der mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 18.05.1983 erhobenen Klage vor dem Erstinstanzgericht Veria, Griechenland, auf Erhöhung der Unterhaltszahlungen des Versicherten für die gemeinsame Tochter Ch. vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2006 zu verurteilen, ihr Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes I. M. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet, da sie keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente hat.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist allein § 243 Abs. 1 oder 2 SGB VI, wovon das SG zu Recht ausgegangen ist. Danach besteht - unter weiteren Voraussetzungen - nur dann ein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente für geschiedene Ehegatten, wenn deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist (§ 243 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Diese nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift (vgl. Beschluss des BSG vom 10.07.2002 - B 13 RJ 51/02 B - in JURIS) zwingende Voraussetzung für die von der Klägerin beanspruchte Geschiedenenwitwenrente ist vorliegend nicht erfüllt. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde nämlich erst im Jahr 1984 und daher nach dem 1. Juli 1977 rechtskräftig durch Urteil des Amtsgerichts München geschieden.

Aufgrund der Ausführungen im Bescheid der Beklagten vom 18.08.2006, wonach ein Anspruch auf Erziehungsrente des geschiedenen Ehegatten aus der Versicherung des verstorbenen ehemaligen Ehegatten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs (gem. § 243 Abs.3 SGB VI) besteht, wenn unter anderem dieser ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erzieht und die Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden wurde, hat die Klägerin - wie sich aus ihrer Widerspruchsbegründung ergibt - offensichtlich gefolgert, sie erfülle die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nach dieser Vorschrift. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Hinweis der Beklagten, Voraussetzung für die Hinterbliebenenrente wegen Erziehung eines Kindes sei, dass die Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden sei, ist nämlich nicht zutreffend. Die Bestimmung des § 243 SGB VI regelt nur die Gewährung von Hinterbliebenenrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten, wie sich bereits aus der Überschrift dieser Vorschrift ergibt ("Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten"). Der Gesetzgeber knüpfte hierbei an das bis 30. Juni 1977 geltende Recht der Scheidung und der nachehelichen Unterhaltsgewährung an, das den Wegfall der Unterhaltssicherung beim Tod des Versicherten ausgleichen sollte (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Bd. 2., Stand September 2007, § 243 SGB VI, Rdnr. 2 unter Hinweis auf BT-Drucks. II/2437 S. 57 ff). Für Scheidungen nach dem 30. Juni 1977 - wie im vorliegenden Fall - hat das erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976 (BGBl. I 1421) mit der Gewährung des Versorgungsausgleichs die abgeleitete Hinterbliebenenversorgung durch die eigene Versorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten ersetzt - vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Dies gilt auch dann, wenn ein Versorgungsausgleich nicht stattgefunden hat, z.B. weil der Versicherte während der Ehe keine Rentenanwartschaft erworben hat (vgl. Gürtner, a.a.O., § 243, RdNr. 2). Eine Erziehungsrente gem. § 46 SGB VI setzt dagegen voraus, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten noch nicht rechtskräftig geschieden wurde.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch scheitert daher bereits deshalb, dass ihre Ehe nach dem 1. Juli 1977 geschieden wurde. Für nach diesem Zeitpunkt durchgeführte Ehescheidungen kommt nur der Versorgungsausgleich in Betracht, d.h. eine Übertragung von Versorgungsanwartschaften unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen. Aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, ob die Klägerin bislang die Durchführung eines, eventuell zu einer Erhöhung ihrer - eigenen- Rentenanwartschaft führenden, Versorgungsausgleichsverfahrens beim Amtsgericht - Familiengericht - in München beantragt hat. Auf diese Möglichkeit hat der Senat die Klägerin ausdrücklich mit Schreiben vom 26.7.2007 hingewiesen. Der von der Klägerin vorgelegte Klageschriftsatz vom 18.5.1983 betrifft nicht ein derartiges Versorgungsausgleichsverfahren. Prozessziel dieser Klage war offensichtlich eine Erhöhung des vom Versicherten zu leistenden Unterhalts für die gemeinsame Tochter Ch.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits allein die Gewährung von Geschiedenenwitwenrente ist. Die Voraussetzungen hierfür sind aus den genannten Gründen nicht erfüllt. Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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