Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2349/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1229/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Februar 2005 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2004 aufgehoben, soweit durch diesen der Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend für die Zeit vom 4. Februar 1998 bis zum 31. Januar 2004 aufgehoben und ein Betrag von 1.957,03 EUR zurückgefordert wird.
Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist noch, ob die Beklagte durch Bescheid vom 10. Februar 2004 den Bescheid vom 8. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1999 rückwirkend ab dem 4. Februar 1998 (teilweise) aufheben und die vom 4. Februar 1998 bis zum 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung zurückfordern durfte.
Die Klägerin ist als Spätaussiedlerin im Februar 1998 aus Russland in die Bundesrepublik gekommen. Sie ist die Witwe des am 29. August 1985 verstorbenen Versicherten A. G. und Mutter von 4 Kindern.
Mit Bescheid vom 10. September 1998 bewilligte ihr die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA- heute Deutsche Rentenversicherung Bund) Regelaltersrente ab 4. Februar 1998. Die BfA errechnete zunächst 19,9741 persönliche Entgeltpunkte (EP) aus allen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG), in denen 2,0400 EP für Kindererziehungszeiten (KEZ) enthalten waren und ersetzte diese sodann nach Maßgabe des § 307d SGB VI durch pauschale persönliche EP für 48 Monate KEZ (insgesamt 3,9984 EP), von denen für die Zeit bis 30. Juni 1998 75% (= insgesamt 20,9329 persönliche EP), ab 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 85% (= insgesamt 21,3327 persönliche EP), ab 1. Juli 1999 bis 30 Juni 2000 90% ( = 21,5327 persönliche EP), und ab 1. Juli 2000 100% (= 21,9325 persönliche EP) berücksichtigt wurden.
Von der Beklagten erhielt die Klägerin mit Bescheid vom 8. Februar 1999 große Witwenrente aus der Versicherung ihre verstorbenen Ehemannes. Die BfA hatte der Beklagten unter dem 22. Januar 1999 mitgeteilt, dass sie der Klägerin aufgrund des Bescheides vom 10. September 1998 seit dem 4. Februar 1998 eine Altersrente gewährt. Auf FRG-Zeiten entfielen 19,9741 EP ohne pauschale EP für KEZ gemäß § 307d SGB VI. Bei der von der BfA gewährten Rente werde § 307d SGB VI berücksichtigt. Die Beklagte berücksichtigte von den für den verstorbenen Ehemann der Klägerin errechneten 12,4451 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG 5,0259 EP, da mit den nach dem FRG anrechenbaren EP aus der Versicherung der Klägerin in Höhe von 19,9741 EP der Grenzwert von 25 EP gemäß § 22b FRG erreicht werde. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 1999 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Mai 1999 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg (S 2 RJ 1389/99), welches am 16. Februar 2000 das Ruhen des Verfahrens anordnete.
Mit Bescheid vom 13. April 1999 berechnete die BfA die Regelaltersrente der Klägerin ab 4. Februar 1998 neu, weil zusätzliche EP für Kindererziehungszeiten nicht mehr zu berücksichtigen seien. Zu berücksichtigen seien lediglich 19,9741 persönliche EP. Diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1999 hob das SG im nachfolgenden Klageverfahren (S 2 RA 3558/99) durch Urteil vom 19. November 2002 auf. Die Berufung der BfA wurde durch Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juli 2003 zurückgewiesen mit der Begründung, der Bescheid vom 13. April 1999 mache in keiner Weise deutlich, dass in die durch den Bewilligungsbescheid vom 10. September 1998 begründeten Rechte eingegriffen und dieser aufgehoben werden solle. Eine wirksame Aufhebungsentscheidung liege nicht vor (L 13 RA 525/03).
Daraufhin erließ die BfA den Bescheid vom 25. September 2003, in dem sie die Regelaltersrente der Klägerin aufgrund des Urteils vom 15. Juli 2003 ab 4. Februar 1998 neu feststellte. Der Rentenberechnung wurden durchgehend ab 4. Februar 1998 21,9325 persönliche EP zugrunde gelegt und eine Nachzahlung in Höhe von 3.121,15 EUR errechnet.
Mit Anhörungsschreiben vom 23. Dezember 2003 teilte die Beklagte der Klägerin im Rahmen des wiederangerufenen Verfahrens S 8 RJ 2349/03 mit, es sei vorgesehen, den Bescheid vom 8. Februar 1999 von Beginn an zurückzunehmen und die Rente auf der Basis von nur noch 3,0675 EP (25,0000 EP abzüglich 21,9325 EP) zu berechnen. Mit Bescheid vom 10. Februar 2004 hob die Beklagte den Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend ab 4. Februar 1998 auf. Die Rente werde ab 1. Februar 2004 nur noch in Höhe von 44,10 EUR geleistet. Die vom 4. Februar 1998 bis 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung von 1.957,03 EUR werde zurückgefordert. Rechtsgrundlage sei § 45 SGB X. Das Vertrauen der Klägerin sei nicht schutzwürdig, da der Bescheid vom 8. Februar 1999 einen entsprechenden Vorbehalt enthalten habe. Die Überzahlung werde mit der Nachzahlung der BfA verrechnet, sodass im Rahmen der Ermessensabwägung das Interesse der Klägerin am Absehen von einer Rückforderung nicht überwiege. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2004 trennte das SG den Anspruch auf Neuberechnung der Rente ohne den Faktor 0,6 vom Verfahren ab und führte diesen unter dem Az. S 8 RJ 2532/04 weiter.
Im Verfahren S 8 R 2349/03 wies das SG die Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag, der Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes aus 12,4451 EP zu gewähren, mit Urteil vom 3. Februar 2005 ab. Gemäß § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 26. Juli 2004 könnten für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt nur 25 EP zu Grunde gelegt werden. Die Neufassung des § 22 b FRG gelte rückwirkend ab 7. Mai 1996. Eine unzulässige Rückwirkung sei dies nicht, da durch die Neufassung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG die ohnehin geltende Rechtslage nur präzisiert worden sei.
Gegen das am 24. Februar 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. März 2005 Berufung eingelegt. Die Beteiligten haben im Juni/Juli 2007 im Wege eines Teilvergleichs den Rechtsstreit hinsichtlich der Anwendung des § 22b FRG (Begrenzung auf 25 EP) für erledigt erklärt, nachdem sich die Beklagte bereit erklärt hatte, eine neue rechtsmittelfähige Entscheidung über die Witwenrente der Klägerin ab Rentenbeginn zu treffen, sobald das Bundesverfassungsgericht über den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 29. August 2006 - B 13 RJ 47/04 R entschieden hat.
Die Klägerin führt aus, die Rückforderung müsse bereinigt werden. Sie beantragt sinngemäß noch,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Februar 2005 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2004 aufzuheben, soweit durch diesen der Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend für die Zeit vom 4. Februar 1998 bis zum 31. Januar 2004 aufgehoben und ein Betrag von 1.957,03 EUR zurückgefordert wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Nachdem durch Bescheid vom 8. Februar 1999 große Witwenrente in Höhe von 5,0259 EP unter Berücksichtigung von 19,9741 EP gemäß § 22 b Abs. 1 FRG für anrechenbare Zeiten nach dem FRG in der Altersrente der Klägerin gewährt worden sei, habe eine Neufeststellung der Altersrente der Klägerin auf der Grundlage eines Urteils mit Bescheid vom 25. September 2003 stattgefunden, in der nunmehr 21,9325 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG enthalten seien. Daher sei die Hinterbliebenenrente auf der Basis von nur noch 3,0675 EP neu zu berechnen gewesen. Ihres Erachtens handele es sich um einen Sachverhalt, der die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfülle, da § 22 b Abs.1 Satz 1 FRG eine Einkommensanrechnung bzw. Einkommensbegrenzung über die der Leistung zugrundeliegenden EP vorsehe, die sich unmittelbar auf die Rentenhöhe auswirkten. Da ein atypischer Fall nicht vorliege, habe es keiner Ermessensausübung bedurft. Selbst wenn man als Rechtsgrundlage § 45 SGB X ansehen würde, wäre ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin wegen der Darlegungen auf Seite 4 des Bescheides vom 8. Februar 1999 (Änderungen der eigenen Rente, die mitzuteilen sind, können den Anspruch mindern) zu verneinen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten betreffend die Hinterbliebenenrente und der Deutschen Rentenversicherung Bund betreffend die Altersrente der Klägerin, die Akten des SG Freiburg S 2 RJ 1389/99, S 2 RA 3558/99, S 8 RJ 2349/03 und S 8 RJ 3532/04, die Akten des LSG L 13 RA 525/03 und die Senatsakte.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig.
Die Berufung ist auch sachlich begründet. Im Streit steht nur noch, ob die Beklagte mit dem gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheid vom 10. Februar 2004 den Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend ab dem 4. Februar 1998 aufheben und die von Februar 1998 bis 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung in Höhe von 1.957,03 EUR zurückfordern durfte. Die allein noch im Streit stehende rückwirkende Aufhebung ist rechtswidrig. Daher war der Bescheid vom 10. Februar 2004 antragsgemäß aufzuheben, soweit durch diesen der Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend für die Zeit vom 4. Februar 1998 bis zum 31. Januar 2004 aufgehoben und ein Betrag von 1.957,03 EUR zurückgefordert wird.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 8. Februar 1999 ist entsprechend der ursprünglichen Auffassung der Beklagten und entgegen ihrer später geäußerten Rechtsmeinung § 45 SGB X. Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Vorschrift findet Anwendung, wenn der begünstigende Verwaltungsakt bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb zurückgenommen werden soll (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rdnr. 12).
Diese Voraussetzung trifft für den Bescheid vom 8. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1999 zu. Die in diesem Bescheid vorgenommene Begrenzung der Summe der EP für die Hinterbliebenenrente auf 5,0259 EP war von Anfang an rechtswidrig. Die Beklagte hätte bei der Anwendung des § 22b Abs 1 FRG, d.h. bei der Begrenzung auf 25 EP, Art 6 § 7 FANG (eingeführt durch Art 13 Nr. 3 des Gesetzes vom 16.12.1997 - BGBl I, 2998) beachten müssen, wonach in den Fällen, in denen für nach dem FRG anrechenbare Zeiten EP nach § 22b des FRG zugrunde zu legen sind, der Höchstbetrag an EP bei Anwendung des § 256d SGB VI nicht unterschritten werden darf. Dies bedeutet, dass bei der Prüfung, ob der Höchstwert von 25 EP nach § 22b Abs. 1 FRG überschritten wird, der endgültige Wert von 1,0 EP für KEZ zugrunde zu legen ist. Für die gemäß § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG vorrangig zu berücksichtigende Altersrente der Klägerin, die für die 4 Kinder KEZ nach § 28b FRG enthält, waren somit von Anfang an für die Anwendung des § 22b FRG unter Anrechnung von 1,0 EP KEZ pro Kind 21,9325 EP zu berücksichtigen, wie es die BfA im Ergebnis im Bescheid vom 25. September 2003 auch getan hat (vgl. Verbandskommentar, Anhang 2.1., Stand Januar 1998, § 22b FRG Rdnr. 9.1). Die Tatsache, dass diese im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 10. September 1998 mangels Kenntnis eines Hinterbliebenenrentenanspruchs der Klägerin für die KEZ nach Maßgabe des § 256 d/307d SGB VI pauschale persönliche EP für 48 Monate (insgesamt 3,9984 EP) in Stufen ansteigend für die Zeit vor dem 30. Juni 1998 mit 75% bis zu 100% ab 1. Juli 2000 berücksichtigt hatte, ändert nichts an der rechtswidrigen Anwendung des § 22b Abs. 1 FRG durch die Beklagte.
Legt man das Datum des Bescheid der BfA vom 25. September 2003 als Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. Februar 1999 zugrunde, hat die Beklagte mit dem Rücknahmebescheid vom 10. Februar 2004 die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt.
Der von Anfang an rechtwidrige begünstigende Verwaltungsakt kann aber mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und in den - hier nicht einschlägigen - Fällen von Absatz 3 Satz 2 (Wiederaufnahmegründe gemäß § 580 ZPO) zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Gemäß § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (1.), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig gemacht hat (2.) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (3.)
Eine Unlauterkeit der Klägerin i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vermag der Senat nicht festzustellen. Nachdem die Grundlagen der Anwendung des § 22b FRG im vorliegenden Fall in direktem Kontakt der Versicherungsträger untereinander bekanntgegeben wurden (vgl Mitteilung der BfA an die Beklagte vom 22. Januar 1999) und auch angesichts der Komplexität der Materie bekanntzugeben waren, scheiden eine arglistige Täuschung oder vorsätzliche oder grob fahrlässige falsche Angaben der Klägerin von vornherein aus. Auch eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vom 8. Februar 1999 ist im Hinblick auf die rechtstechnisch schwierige Anwendung der Begrenzungsregelung des § 22b FRG im Zusammenhang mit der Bewertung von KEZ auszuschließen.
Mithin liegen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 8. Februar 1999 nicht vor, sodass dahingestellt bleiben kann, ob die Ermessenserwägungen im Bescheid vom 10. Februar 2004 ausreichend waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den im Berufungsverfahren geschlossenen Teilvergleich.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist noch, ob die Beklagte durch Bescheid vom 10. Februar 2004 den Bescheid vom 8. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1999 rückwirkend ab dem 4. Februar 1998 (teilweise) aufheben und die vom 4. Februar 1998 bis zum 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung zurückfordern durfte.
Die Klägerin ist als Spätaussiedlerin im Februar 1998 aus Russland in die Bundesrepublik gekommen. Sie ist die Witwe des am 29. August 1985 verstorbenen Versicherten A. G. und Mutter von 4 Kindern.
Mit Bescheid vom 10. September 1998 bewilligte ihr die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA- heute Deutsche Rentenversicherung Bund) Regelaltersrente ab 4. Februar 1998. Die BfA errechnete zunächst 19,9741 persönliche Entgeltpunkte (EP) aus allen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG), in denen 2,0400 EP für Kindererziehungszeiten (KEZ) enthalten waren und ersetzte diese sodann nach Maßgabe des § 307d SGB VI durch pauschale persönliche EP für 48 Monate KEZ (insgesamt 3,9984 EP), von denen für die Zeit bis 30. Juni 1998 75% (= insgesamt 20,9329 persönliche EP), ab 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 85% (= insgesamt 21,3327 persönliche EP), ab 1. Juli 1999 bis 30 Juni 2000 90% ( = 21,5327 persönliche EP), und ab 1. Juli 2000 100% (= 21,9325 persönliche EP) berücksichtigt wurden.
Von der Beklagten erhielt die Klägerin mit Bescheid vom 8. Februar 1999 große Witwenrente aus der Versicherung ihre verstorbenen Ehemannes. Die BfA hatte der Beklagten unter dem 22. Januar 1999 mitgeteilt, dass sie der Klägerin aufgrund des Bescheides vom 10. September 1998 seit dem 4. Februar 1998 eine Altersrente gewährt. Auf FRG-Zeiten entfielen 19,9741 EP ohne pauschale EP für KEZ gemäß § 307d SGB VI. Bei der von der BfA gewährten Rente werde § 307d SGB VI berücksichtigt. Die Beklagte berücksichtigte von den für den verstorbenen Ehemann der Klägerin errechneten 12,4451 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG 5,0259 EP, da mit den nach dem FRG anrechenbaren EP aus der Versicherung der Klägerin in Höhe von 19,9741 EP der Grenzwert von 25 EP gemäß § 22b FRG erreicht werde. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 1999 zurück. Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Mai 1999 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg (S 2 RJ 1389/99), welches am 16. Februar 2000 das Ruhen des Verfahrens anordnete.
Mit Bescheid vom 13. April 1999 berechnete die BfA die Regelaltersrente der Klägerin ab 4. Februar 1998 neu, weil zusätzliche EP für Kindererziehungszeiten nicht mehr zu berücksichtigen seien. Zu berücksichtigen seien lediglich 19,9741 persönliche EP. Diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1999 hob das SG im nachfolgenden Klageverfahren (S 2 RA 3558/99) durch Urteil vom 19. November 2002 auf. Die Berufung der BfA wurde durch Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juli 2003 zurückgewiesen mit der Begründung, der Bescheid vom 13. April 1999 mache in keiner Weise deutlich, dass in die durch den Bewilligungsbescheid vom 10. September 1998 begründeten Rechte eingegriffen und dieser aufgehoben werden solle. Eine wirksame Aufhebungsentscheidung liege nicht vor (L 13 RA 525/03).
Daraufhin erließ die BfA den Bescheid vom 25. September 2003, in dem sie die Regelaltersrente der Klägerin aufgrund des Urteils vom 15. Juli 2003 ab 4. Februar 1998 neu feststellte. Der Rentenberechnung wurden durchgehend ab 4. Februar 1998 21,9325 persönliche EP zugrunde gelegt und eine Nachzahlung in Höhe von 3.121,15 EUR errechnet.
Mit Anhörungsschreiben vom 23. Dezember 2003 teilte die Beklagte der Klägerin im Rahmen des wiederangerufenen Verfahrens S 8 RJ 2349/03 mit, es sei vorgesehen, den Bescheid vom 8. Februar 1999 von Beginn an zurückzunehmen und die Rente auf der Basis von nur noch 3,0675 EP (25,0000 EP abzüglich 21,9325 EP) zu berechnen. Mit Bescheid vom 10. Februar 2004 hob die Beklagte den Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend ab 4. Februar 1998 auf. Die Rente werde ab 1. Februar 2004 nur noch in Höhe von 44,10 EUR geleistet. Die vom 4. Februar 1998 bis 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung von 1.957,03 EUR werde zurückgefordert. Rechtsgrundlage sei § 45 SGB X. Das Vertrauen der Klägerin sei nicht schutzwürdig, da der Bescheid vom 8. Februar 1999 einen entsprechenden Vorbehalt enthalten habe. Die Überzahlung werde mit der Nachzahlung der BfA verrechnet, sodass im Rahmen der Ermessensabwägung das Interesse der Klägerin am Absehen von einer Rückforderung nicht überwiege. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2004 trennte das SG den Anspruch auf Neuberechnung der Rente ohne den Faktor 0,6 vom Verfahren ab und führte diesen unter dem Az. S 8 RJ 2532/04 weiter.
Im Verfahren S 8 R 2349/03 wies das SG die Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag, der Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes aus 12,4451 EP zu gewähren, mit Urteil vom 3. Februar 2005 ab. Gemäß § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 26. Juli 2004 könnten für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt nur 25 EP zu Grunde gelegt werden. Die Neufassung des § 22 b FRG gelte rückwirkend ab 7. Mai 1996. Eine unzulässige Rückwirkung sei dies nicht, da durch die Neufassung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG die ohnehin geltende Rechtslage nur präzisiert worden sei.
Gegen das am 24. Februar 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. März 2005 Berufung eingelegt. Die Beteiligten haben im Juni/Juli 2007 im Wege eines Teilvergleichs den Rechtsstreit hinsichtlich der Anwendung des § 22b FRG (Begrenzung auf 25 EP) für erledigt erklärt, nachdem sich die Beklagte bereit erklärt hatte, eine neue rechtsmittelfähige Entscheidung über die Witwenrente der Klägerin ab Rentenbeginn zu treffen, sobald das Bundesverfassungsgericht über den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 29. August 2006 - B 13 RJ 47/04 R entschieden hat.
Die Klägerin führt aus, die Rückforderung müsse bereinigt werden. Sie beantragt sinngemäß noch,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Februar 2005 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2004 aufzuheben, soweit durch diesen der Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend für die Zeit vom 4. Februar 1998 bis zum 31. Januar 2004 aufgehoben und ein Betrag von 1.957,03 EUR zurückgefordert wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Nachdem durch Bescheid vom 8. Februar 1999 große Witwenrente in Höhe von 5,0259 EP unter Berücksichtigung von 19,9741 EP gemäß § 22 b Abs. 1 FRG für anrechenbare Zeiten nach dem FRG in der Altersrente der Klägerin gewährt worden sei, habe eine Neufeststellung der Altersrente der Klägerin auf der Grundlage eines Urteils mit Bescheid vom 25. September 2003 stattgefunden, in der nunmehr 21,9325 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG enthalten seien. Daher sei die Hinterbliebenenrente auf der Basis von nur noch 3,0675 EP neu zu berechnen gewesen. Ihres Erachtens handele es sich um einen Sachverhalt, der die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfülle, da § 22 b Abs.1 Satz 1 FRG eine Einkommensanrechnung bzw. Einkommensbegrenzung über die der Leistung zugrundeliegenden EP vorsehe, die sich unmittelbar auf die Rentenhöhe auswirkten. Da ein atypischer Fall nicht vorliege, habe es keiner Ermessensausübung bedurft. Selbst wenn man als Rechtsgrundlage § 45 SGB X ansehen würde, wäre ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin wegen der Darlegungen auf Seite 4 des Bescheides vom 8. Februar 1999 (Änderungen der eigenen Rente, die mitzuteilen sind, können den Anspruch mindern) zu verneinen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten betreffend die Hinterbliebenenrente und der Deutschen Rentenversicherung Bund betreffend die Altersrente der Klägerin, die Akten des SG Freiburg S 2 RJ 1389/99, S 2 RA 3558/99, S 8 RJ 2349/03 und S 8 RJ 3532/04, die Akten des LSG L 13 RA 525/03 und die Senatsakte.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig.
Die Berufung ist auch sachlich begründet. Im Streit steht nur noch, ob die Beklagte mit dem gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheid vom 10. Februar 2004 den Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend ab dem 4. Februar 1998 aufheben und die von Februar 1998 bis 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung in Höhe von 1.957,03 EUR zurückfordern durfte. Die allein noch im Streit stehende rückwirkende Aufhebung ist rechtswidrig. Daher war der Bescheid vom 10. Februar 2004 antragsgemäß aufzuheben, soweit durch diesen der Bescheid vom 8. Februar 1999 rückwirkend für die Zeit vom 4. Februar 1998 bis zum 31. Januar 2004 aufgehoben und ein Betrag von 1.957,03 EUR zurückgefordert wird.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 8. Februar 1999 ist entsprechend der ursprünglichen Auffassung der Beklagten und entgegen ihrer später geäußerten Rechtsmeinung § 45 SGB X. Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Vorschrift findet Anwendung, wenn der begünstigende Verwaltungsakt bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb zurückgenommen werden soll (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rdnr. 12).
Diese Voraussetzung trifft für den Bescheid vom 8. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1999 zu. Die in diesem Bescheid vorgenommene Begrenzung der Summe der EP für die Hinterbliebenenrente auf 5,0259 EP war von Anfang an rechtswidrig. Die Beklagte hätte bei der Anwendung des § 22b Abs 1 FRG, d.h. bei der Begrenzung auf 25 EP, Art 6 § 7 FANG (eingeführt durch Art 13 Nr. 3 des Gesetzes vom 16.12.1997 - BGBl I, 2998) beachten müssen, wonach in den Fällen, in denen für nach dem FRG anrechenbare Zeiten EP nach § 22b des FRG zugrunde zu legen sind, der Höchstbetrag an EP bei Anwendung des § 256d SGB VI nicht unterschritten werden darf. Dies bedeutet, dass bei der Prüfung, ob der Höchstwert von 25 EP nach § 22b Abs. 1 FRG überschritten wird, der endgültige Wert von 1,0 EP für KEZ zugrunde zu legen ist. Für die gemäß § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG vorrangig zu berücksichtigende Altersrente der Klägerin, die für die 4 Kinder KEZ nach § 28b FRG enthält, waren somit von Anfang an für die Anwendung des § 22b FRG unter Anrechnung von 1,0 EP KEZ pro Kind 21,9325 EP zu berücksichtigen, wie es die BfA im Ergebnis im Bescheid vom 25. September 2003 auch getan hat (vgl. Verbandskommentar, Anhang 2.1., Stand Januar 1998, § 22b FRG Rdnr. 9.1). Die Tatsache, dass diese im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 10. September 1998 mangels Kenntnis eines Hinterbliebenenrentenanspruchs der Klägerin für die KEZ nach Maßgabe des § 256 d/307d SGB VI pauschale persönliche EP für 48 Monate (insgesamt 3,9984 EP) in Stufen ansteigend für die Zeit vor dem 30. Juni 1998 mit 75% bis zu 100% ab 1. Juli 2000 berücksichtigt hatte, ändert nichts an der rechtswidrigen Anwendung des § 22b Abs. 1 FRG durch die Beklagte.
Legt man das Datum des Bescheid der BfA vom 25. September 2003 als Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. Februar 1999 zugrunde, hat die Beklagte mit dem Rücknahmebescheid vom 10. Februar 2004 die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt.
Der von Anfang an rechtwidrige begünstigende Verwaltungsakt kann aber mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und in den - hier nicht einschlägigen - Fällen von Absatz 3 Satz 2 (Wiederaufnahmegründe gemäß § 580 ZPO) zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Gemäß § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (1.), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig gemacht hat (2.) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (3.)
Eine Unlauterkeit der Klägerin i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vermag der Senat nicht festzustellen. Nachdem die Grundlagen der Anwendung des § 22b FRG im vorliegenden Fall in direktem Kontakt der Versicherungsträger untereinander bekanntgegeben wurden (vgl Mitteilung der BfA an die Beklagte vom 22. Januar 1999) und auch angesichts der Komplexität der Materie bekanntzugeben waren, scheiden eine arglistige Täuschung oder vorsätzliche oder grob fahrlässige falsche Angaben der Klägerin von vornherein aus. Auch eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vom 8. Februar 1999 ist im Hinblick auf die rechtstechnisch schwierige Anwendung der Begrenzungsregelung des § 22b FRG im Zusammenhang mit der Bewertung von KEZ auszuschließen.
Mithin liegen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 8. Februar 1999 nicht vor, sodass dahingestellt bleiben kann, ob die Ermessenserwägungen im Bescheid vom 10. Februar 2004 ausreichend waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den im Berufungsverfahren geschlossenen Teilvergleich.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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