L 9 R 3906/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 127/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3906/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und dabei insbesondere, ob die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die 1959 geborene Klägerin kam 1979 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland und ist Mutter zweier am 13 ...4.1980 und 13.5.1982 geborener Kinder. In der Zeit vom 22.10.1984 bis 31.1.2001 war die Klägerin mit längeren Unterbrechungen, u. a. durch Krankheit und Arbeitslosigkeit, versicherungspflichtig beschäftigt. An eine Lücke vom 14.9.1994 bis 31.3.1999 schloss sich eine Beschäftigung vom 1.4. - 30.9.1999, eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 2.10.1999 bis 19.3.2000 und nach Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug eine Beschäftigung vom 1.7.2000 bis 31.1.2001 an.

Am 27.1.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung wegen seit 2002 bestehender Gesundheitsstörungen (Bandscheibenvorfall, Bein- und Armschmerzen, Depressionen und Migräne).

Mit Bescheid vom 26.3.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, weil die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit habe. Im maßgebenden Zeitraum vom 27.10.1998 bis 26.1.2004 seien nur 19 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Den Widerspruch der Klägerin, der nicht begründet worden war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.12.2004 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Vorlage zahlreicher ärztlicher Unterlagen am 10.1.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der sie die Gewährung von Rente weiter verfolgte. Sie trug vor, sie sei spätestens seit Januar 2004 voll erwerbsgemindert. In den Zeiträumen, in denen keine Beitragszahlungen erfolgt seien, sei sie krank gewesen. Sie sei schon vor September 1996 voll erwerbsgemindert gewesen.

Vom 8.6. bis 20.7.2004 befand sich die Klägerin zu einem Heilverfahren in der Vogelsbergklinik. Die dortigen Ärzte diagnostizierten bei der Klägerin im Entlassungsbericht vom 28.7.2004 eine dissoziative Störung, eine somatoforme Störung sowie eine leichte depressive Episode, entließen die Klägerin als arbeitsunfähig und führten aus, die Klägerin sei als Arbeiterin derzeit nur unter drei Stunden täglich einsetzbar. Unter ambulanter Psychotherapie in der Muttersprache und Fortführung der Psychopharmakatherapie sei mit einer Besserung zu rechnen, jedoch nicht vor Ablauf von 8 bis 10 Monaten.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. U. erklärte unter dem 13.3.2006, sie behandle die Klägerin seit Januar 1994 dreimal pro Quartal. Die Klägerin sei wegen eines chronische Schmerzsyndroms und einer Konversionsstörung durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Der Neurologe und Psychiater Dr. K. gab am 12.2.2007 an, seit Januar 1996 habe die Klägerin ihn erstmals am 1.2.1998 und danach am 20.6.2002 (2002: 7-mal; 2003: 9-mal; 2004: 1-mal und 2007: bisher 2-mal) aufgesucht. 1998 habe er eine Migräne diagnostiziert. Wegen einer dissoziativen Störung, einer somatoformen Schmerzstörung und Depressionen sei die Klägerin seit 2004 arbeitsunfähig.

Mit Urteil vom 26.6.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe den Rentenantrag der Klägerin zu Recht abgelehnt, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt seien. Bezogen auf das Datum des Rentenantrags beginne der Fünfjahreszeitraum am 26.1.2004 und ende regulär am 27.1.1999. Dieser Zeitraum sei jedoch um die Anrechnungszeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 21.3. bis 30.6.2000, mithin bis zum 27.10.1998, zu verlängern. In diesem Zeitraum seien 19 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien auch dann nicht erfüllt, wenn man vom Eintritt der Erwerbsminderung am 1.1.2002 ausgehen würde. Auch dann wären in dem bis 1.10. 1996 verlängerten Zeitraum nur 19 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Gegen den Eintritt von Erwerbsminderung im Januar 1994, wie von Dr. Unger angegeben, spreche, dass Dr. K. die Klägerin erst seit 2002 wegen einer Depression (erste Behandlung 20.6.2002; seit November 2002 Antidepressiva) behandle und er die Ansicht vertreten habe, dass die Klägerin wegen dissoziativer Störung, somatoformer Schmerzstörung und Depressionen seit 2004 - und nicht schon seit August 1996 - arbeitsunfähig sei. Gegen eine durchgehende Arbeits- und Leistungsunfähigkeit spreche auch die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin von April bis September 1999 und von Juli 2000 bis Januar 2001. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 9.7.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9.8.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, in der Zeit von 1984 bis 1994 weise ihr Versicherungsverlauf regelmäßige Beitragszeiten und meistens Pflichtbeiträge aus. Allerdings seien diese immer wieder durch Krankheitszeiten und Gesundheitsmaßnahmen unterbrochen worden. Im Jahr 1992 seien dies acht Monate, 1993 neun Monate gewesen und bis September 1994 seien nur Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit entrichtet worden. In den anschließenden fünf Jahren bis April 1999 lägen keine Versicherungszeiten vor. Lediglich von April 1999 bis März 2000 seien wieder Pflichtbeiträge entrichtet worden. Sie habe faktisch bereits 1992 krankheitsbedingt aufhören müssen zu arbeiten. Es sei davon auszugehen, dass - wie von Dr. Unger bestätigt - der Versicherungsfall schon im Jahr 1994 oder früher eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 2004 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Es habe den Sachverhalt zutreffend gewürdigt und seine Entscheidung überzeugend begründet.

Mit Beschluss vom 13.11.2007 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.

Mit Verfügung vom 17.10.2007 und 8.1.2008 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat, da sie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 17.10.2007 und 8.1.2008 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat die Rechtsvorschriften sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zutreffend dargelegt. Der Senat hat den Sachverhalt nochmals überprüft und ist dabei zum Ergebnis gelangt, dass das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden ist. Deshalb nimmt der Senat insoweit auf die Gründe des Urteils, die sich als zutreffend erweisen, in vollem Umfang Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen weitgehend ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen das Schwergewicht der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet liegt. Der Eintritt eines Leistungfalls, d. h. das Herabsinken des Leistungsvermögens der Klägerin auf unter sechs Stunden täglich, lässt sich für die Zeit vor dem 1.1.2002 nicht nachweisen. Eine einschlägige psychiatrische Behandlung wegen einer Depression bzw. anderer psychiatrischer Erkrankungen fand bei der Klägerin erst ab 20.6.2002 bei dem Neurologen und Psychiater Dr. K. statt. Die zuvor im Februar 1998 bei diesem Arzt erfolgte Behandlung bezog sich lediglich auf die neurologischen Folgen eines Unfalls vom 17.11.1997. Erst seit Juni 2002 erhält die Klägerin Antidepressiva (Insidon). Aus dem Arztbrief von Dr. K. vom 20.6.2002 ist dabei zu entnehmen, dass bei der Klägerin ein depressives Syndrom aufgetreten ist, nachdem ihr zweiter Ehemann sie fünf Wochen zuvor verlassen hatte. Dies wird durch den Entlassungsbericht der Vogelsbergklinik vom 28.7.2004 bestätigt, in dem ausgeführt ist, dass die Klägerin es nicht verkraften konnte, von ihrem zweiten Ehemann, dem sie kein Kind schenken konnte, verlassen zu werden und deswegen mit psychosomatischen Beschwerden und Konversionssymptomatik reagiert hat. Gegen den Eintritt eines Leistungsfalls vor Januar 2002 spricht ferner die Berufstätigkeit der Klägerin von April bis September 1999, im Juli 2000 und von August 2000 bis Januar 2001. Für den Eintritt eines Leistungsfalls bis spätestens Oktober 1996 fehlen sämtliche Anhaltspunkte, zumal vor Juni 2002 keine psychiatrische Behandlung stattgefunden hat. Auch gibt es keine psychiatrischen Befunde, die eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit von 1994 bis April 1999 belegen könnten. Die Klägerin selbst hat darüber hinaus in der Vogelsbergklinik angegeben, während der zweiten Ehe habe sie nicht gearbeitet, da ihr Ehemann als Fliesenleger gut verdient habe. Auch die Angaben der Klägerin im Rentenantrag vom 27.1.2004, wo sie sich auf seit 2002 bestehende Gesundheitsstörungen zur Begründung ihrer Erwerbsminderung beruft, sprechen gegen den Eintritt eines Leistungsfalls vor dem 1.1.2002. Ausgehend von einem Leistungsfalls frühestens am 1.1.2002 hat die Klägerin in dem um die Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 21.3. bis 30.6.2002 verlängerten Zeitraum lediglich 19 Pflichtbeiträge und nicht die erforderlichen 36 Pflichtbeiträge aufzuweisen. Da die Klägerin damit die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, hat sie keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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