L 9 R 6035/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3629/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 6035/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1959 geborene Kläger hat von 1978 bis 1981 den Beruf des Werkzeugmachers erlernt und von 1987 bis 1991 eine Weiterbildung zum Feinmechaniker-Meister absolviert. Danach war er bis 1993 als Ausbilder für Feinmechaniker-Lehrlinge beschäftigt und seit 1994 für die Konstruktion und den Bau von Vorrichtungen und Anlagen zuständig. Seit 15.3.2003 war er arbeitsunfähig und bezog bis zum 10.9.2004 Krankengeld sowie vom 11.9.2004 Arbeitslosengeld. Am 15.11.2004 beantragte er wegen der Folgen eines Sturzes vom Baum (Fraktur von BWK 12 sowie Bandscheiben- und Rückenmarkskanalverengung) die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte ließ den Kläger von dem Orthopäden Dr. W. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 28.1.2005 folgende Diagnosen: 1. Zustand nach BWK 12-Fraktur (instabil) 2. Zustand nach zweizeitiger Spondylodese BWK 11 bis LWK 1. Er führte aus, seine bisherige Tätigkeit als Feinmechanikermeister mit 90-%-iger Werkstatt-Tätigkeit und Hebebelastungen bis 60 kg in ungünstigen Körperpositionen könne der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Leichte bis bestenfalls mittelschwere körperliche Männerarbeiten könne der Kläger sechs Stunden und mehr ausführen. Die Arbeiten sollten in wechselnden Positionen - zeitweise im Gehen, Stehen und Sitzen - in wohltemperierten Räumen durchgeführt werden. Schweres Heben, Zwangspositionen, Überkopfarbeiten und Torsionsbelastungen der Wirbelsäule seien zu vermeiden.

Mit Bescheid vom 4.4.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, weil weder teilweise noch volle Erwerbsminderung und auch keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliege. Der Kläger sei noch in der Lage zumutbare Beschäftigungen im Kundendienst, Service und Kundenmanagement mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23.8.2005 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 2.9.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg, mit der er die Gewährung von Rente weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers (Ärzte der Reha-Klinik H., den Oberarzt des Departments Orthopädie und Traumatologie der Universitätsklinik F. und den Chirurgen W. ) schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 14.11.2005, 15.11.2005 und 17.1.2006) und holte ein orthopädisches Gutachten ein. Der Arzt für Orthopädie und Chirurgie Prof. Dr. S. stellte beim Kläger im Gutachten vom 17.7.2006 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung und Wetterfühligkeit der Rumpfwirbelsäule nach unter leichter Gibbusbildung zur Ausheilung gekommener Distraktionsfraktur BWK 12 bei Zustand nach operativer Frakturstabilisierung mittels Fixateur interne und Knochenspananlagerung, dadurch bedingte reizlose Operationnarben über dem thorako-lumbalen Übergang, am linken Beckenkamm und im 9. Intercostalraum links. 2. Röntgenologisch: Unter Distraktion und keilförmiger Deformierung ausgeheilte BWK 12-Fraktur mit reizlos und exakt einliegendem Osteosynthesematerial und knöchern fest eingeheiltem, linksseitig thorako-lumbal angelagertem Beckenkammspan. Durch geringe Gibbusbildung (18 Grad) verstärkte Brustkyphose und Lendenlordose. 3. Varikosis beider Unterschenkel bei Zustand nach Varizenoperation ohne bestehende venöse Stauung. 4. Geringer, nicht kontrakter Senkspreizfuß. Leichte körperliche Tätigkeiten könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, mit Zwangshaltungen, mit Verwinden des Rumpfes, in Kälte, Nässe, im Freien mit zugig-kühler Witterung sowie Akkord- und Fließbandarbeiten. Der Leistungsbeurteilung von Dr. Wandschneider schließe er sich an.

Mit Urteil vom 21.9.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei noch in der Lage körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Damit stehe nicht fest, dass die Berufstätigkeit als Feinmechanikermeister insbesondere im planend-organisierenden und prüfend-überwachenden Bereich ausgeschlossen wäre. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 15.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4.12.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, in einem Parallelverfahren habe die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben, wonach sie ihm dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewähre. Es seien Gespräche mit der Reha-Beraterin der Beklagten erfolgt, welche ein Kunstbildhauerstudium ausdrücklich befürwortet habe. Deswegen sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte jene Leistungen zur Teilhabe abgelehnt habe. Das Gutachten von Prof. Dr. S. sei nicht überzeugend, da er infolge seines Rückenleidens auch leichte körperliche Tätigkeiten nicht mehr regelmäßig sechs Stunden und mehr verrichten könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. September 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Privatdozent Dr. S., Arzt für Orthopädie, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat beim Kläger im Gutachten vom 7.10.2007 folgende Diagnosen gestellt: 1. Ruhe- und belastungsabhängige schmerzhafte Funktionsstörung der Brust- und Lendenwirbelsäule bei in Fehlstellung fest verheilter BWK 12-Kompressionsfraktur mit Höhenminderung des 12. BWK um etwa 8 mm überwiegend im ventralen Wirbelkörperanteil und Zustand nach 2-zeitiger operativer Frakturstabilisierung mittels Fixateur interne und nachfolgender Knochenspananlagerung aus dem linken Beckenkamm 2. Facettengelenksarthrose L 5/S1 und mäßige Osteochondrose bei altem bekanntem Bandscheibenvorfall L 5/S1 3. Varikosis beider Unterschenkel bei Zustand nach Varizenoperation 4. Geringer Spreizfuß beidseits. Er gelangte zum Ergebnis, der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit Heben und Tragen bis zu 10 kg sechs Stunden und mehr verrichten. Ungeeignet seien Arbeiten in dauerndem/überwiegendem Stehen, Gehen, Sitzen, in Wirbelsäulenzwangshaltungen, mit Stoßbelastungen der Wirbelsäule, an Maschinen mit starken Vibrationen, mit häufigem Treppensteigen, auf Leitern und Gerüsten, in Kälte, unter starkem Wärmeeinfluss sowie Fließband-, Schicht-, und Nachtarbeiten. Er stimme der Beurteilung von Prof. Dr. S. weitestgehend zu.

Mit Verfügung vom 8.1.2008 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 8.1.2008 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat die Rechtsvorschriften sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zutreffend dargelegt. Der Senat hat den Sachverhalt nochmals überprüft und ist dabei zum Ergebnis gelangt, dass das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden ist. Deshalb nimmt der Senat insoweit auf die Gründe des Urteils, die sich als zutreffend erweisen, in vollem Umfang Bezug und sieht von der Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat zum Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen noch als Feinmechanikermeister bzw. Feinwerkmechanikermeister insbesondere in größeren Betrieben sechs Stunden täglich tätig sein kann. Bei dieser Tätigkeit liegt der Schwerpunkt im planend-organisierenden, prüfend-überwachenden und/oder betriebswirtschaftlich orientierten Bereich, wie der Senat den Angaben zu den Arbeitsbedingungen für Feinwerkmechanikermeister im BERUFENET, die dem Kläger vom SG übersandt worden ist, entnimmt. Der Anteil an praktischer Mitarbeit ist dabei gering. Im allgemeinen handelt es sich um körperlich leichte Tätigkeiten, die in wechselnder Körperhaltung verrichtet werden. Derartige Tätigkeiten kann der Kläger noch verrichten, wie sich aus den im wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen von Dr. W. im Gutachten vom 28.1.2005, Prof. Dr. S. im Gutachten vom 17.7.2006 und PD Dr. Schneider im Gutachten vom 7.10.2007 ergibt. Danach sind dem Kläger körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit Heben und Tragen bis zu 10 kg sechs Stunden täglich und mehr zumutbar. Der Umstand, dass die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Feinmechanikermeister mit 90-%-iger praktischer Tätigkeit und mit schweren Heben bis zu 60 kg mit dem Leistungsvermögen des Klägers nicht vereinbar war und er in seinem Wohnbereich keinen geeigneten Arbeitsplatz im erlernten Beruf finden konnte, rechtfertigt die Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI nicht, zumal die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Da der Kläger noch in der Lage ist, sechs Stunden täglich zu arbeiten, liegen die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI erst recht nicht vor. Durch das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG bei PD Dr. S.eingeholte Gutachten wurden der bisherig festgestellte medizinische Sachverhalt und die Beurteilungen von Dr. Wandschneider und Prof. Dr. S. bestätigt; ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen - wie vom Kläger behauptet - konnte dagegen nicht festgestellt werden.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved