S 33 AL 432/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 432/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 15.2.2014 bis 14.5.2014 zu bewilligen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für den Zeitraum vom 15.02.2014 bis 14.05.2014. Insoweit ist streitig, ob der Kläger seinen Insg-Antrag fristwahrend gestellt hat.

Der 1973 geborene Kläger stand ab dem 07.01.2014 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma "Die Fenster Profis UG" in D ... Mit Schreiben vom 21.03.2014, eingegangen am 10.04.2014 erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber die Kündigung zum 07.04.2014.

Der Kläger erhob vor dem Arbeitsgericht Duisburg Klage wegen fehlender Einhaltung der Kündigungsfrist bis zum 15.05.2014 und restlicher Lohnzahlungen für den seit Februar 2014 ausstehenden Lohn (Az.: 2 Ca 943/14). Zur Durchsetzung seiner arbeitsrechtlichen Interessen hatte der Kläger Rechtsanwalt Güldenberg beauftragt. Die entsprechende Vollmacht vom 28.04.2014 lautet auf "Mierisch./. Diehl", "wegen Lohn". Der Kläger erhielt für das arbeitsgerichtliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe. Das Verfahren endete nach einem Teilversäumnisurteil vom 26.08.2014 mit einem Anerkenntnisurteil vom 11.11.2014. Im Anschluss hieran erfolgte nach entsprechender Mandatierung die Zwangsvollstreckung aus den arbeitsgerichtlichen Titeln mit Antrag vom 30.09.2014 beim Amtsgericht Duisburg. Auch hierfür wurde Prozesskostenhilfe beantragt. Ein entsprechender Bewilligungsbeschluss unter dem Az. 101 M 2272 / 14 ging bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 08.12.2014 ein. Sodann wurde die Zwangsvollstreckung gegen den Arbeitgeber mit Vollstreckungsauftrag vom 16.12.2014 eingeleitet. Im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens gegen den Geschäftsführer der UG erging am 08.04.2015 Haftbefehl, um die Abgabe der Vermögensauskunft zu erzwingen (Az.: 101 M 0844/15 Amtsgericht Duisburg). Aus einem anderen Vollstreckungsverfahren gegen die UG erhielten die Prozessbevollmächtigten Kenntnis darüber, dass der Geschäftsführer der UG bereits am 03.03.2015 das Vermögensverzeichnis für die UG unter dem Aktenzeichen DR II-0021 / 15 beim Amtsgericht Aschersleben abgegeben hatte. Daraus ergab sich, dass zumindest zum 03.03.2015 der Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt und ein Insolvenzantrag noch nicht gestellt war. Mitte Juni erhielt der Prozessbevollmächtigte durch einen anderen Mandanten, den er ebenfalls gegen den Arbeitgeber gerichtlich vertreten hatte, die Information, dieser habe von der Ex-Ehefrau des ehemaligen Arbeitgebers Kenntnis darüber erhalten, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sein soll. Gemäß den Angaben des Prozessbevollmächtigten war zu diesem Zeitpunkt aber nicht bekannt, bei welchem Insolvenzgericht und mit welchem Aktenzeichen und auch nicht zu welchem Datum das Insolvenzverfahren eröffnet worden sein soll. Der Prozessbevollmächtigte informierte den Kläger daher telefonisch am 15.06.2015 zunächst nur über diese neuen Erkenntnisse und wies darauf hin, dass der Kläger bezüglich des zuständigen Insolvenzgerichts und des Aktenzeichens schriftlich informiert werde. Diese schriftliche Information erfolgte mit Schreiben vom 18.06.2015, dass der Kläger aufgrund des Poststreiks der Deutschen Post im Juni 2015 jedoch erst mit erheblicher Verspätung erhielt. Unmittelbar nach Erhalt des Anwaltsschreibens stellte der Kläger persönlich am 07.07.2015 einen Antrag auf Insolvenzgeld bei der Beklagten.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom 17.07.2015 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe die reguläre Antragsfrist gemäß § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III versäumt. Eine Nachfrist könne aufgrund der angestellten Amtsermittlungen nicht eingeräumt werden.

Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten fristgemäß Widerspruch ein. Darin wies der Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass weder der Kläger noch der Prozessbevollmächtigte Kenntnis vom Insolvenzverfahren gehabt hätten. Es seien erfolglos Vollstreckungsversuche unternommen worden. Auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Erst Mitte Juni 2015 habe der Prozessbevollmächtigte Kenntnis von einem Insolvenzverfahren erhalten und den Kläger hierüber telefonisch am 15.06.2015 informiert. Mit Schreiben vom 18.06.2015, welches den Kläger jedoch aufgrund des Poststreiks wesentlich später erreicht habe, sei der Kläger dann über das Insolvenzgericht und das entsprechende Aktenzeichen informiert worden. Der Kläger habe daraufhin unmittelbar Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Die Ausschlussfrist sei vor diesem Hintergrund nicht versäumt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 324 Abs. 3 SGB III bestehe eine zwei-monatige Ausschlussfrist. Fristbeginn sei hier das Insolvenzereignis - Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse am 29.04.2015 (§ 165 Absatz 1, S. 1 Nr. 2 SGB III). Die zweimonatige Ausschlussfrist habe damit am 29.06.2015 geendet. Der Kläger habe seinen Antrag auf Insolvenzgeld aber erst am 07.07.2015 und damit außerhalb der Ausschlussfrist gestellt. Auch die Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 S. 2 SGB III könne nicht gewährt werden, da der Kläger die Versäumung der zweimonatigen Ausschlussfrist zu vertreten habe. Er habe sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Zu vertreten sei insoweit jede Fahrlässigkeit. Er hätte also die nach den Umständen erforderliche und nach seiner Persönlichkeit zumutbare Sorgfalt anwenden müssen. Hätte sich der Kläger insoweit bemüht, seine Entgeltansprüche durchzusetzen, wäre ihm die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bekannt geworden. Erfolglos gebliebene Versuche um die Durchsetzung der Arbeitsentgeltansprüche stellten für sich keine ausreichende Entschuldigung dar. Vielmehr hätte sich der Kläger bei einer sachkundigen Stelle wie dem Amtsgericht, dem Arbeitsgericht oder der Agentur für Arbeit informieren können. Der Kläger habe Kenntnis von dem Insolvenzereignis innerhalb der Ausschlussfrist am 15.06.2015 erhalten, was durch das Widerspruchsschreiben nochmals bestätigt werde.

Hiergegen hat der Kläger am 16.09.2015 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend dazu wird noch ausgeführt, die Prozessbevollmächtigten seien lediglich im arbeitsgerichtlichen Verfahren mandatiert gewesen. Das Verhalten der Prozessbevollmächtigten könne dem Kläger nicht zugerechnet werden, da keine Vertretung im Insg-Verfahren erfolgt sei. Insoweit werde auf das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 22.09.2011 Az. L 2 AL 87 / 08 verwiesen. Die dazu von der Beklagten anhängig gemachte Revision mit dem Aktenzeichen B 11 AL 27 / 11 R zum Bundessozialgericht habe die Beklagte später zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2015 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 15.02.2014 bis 14.05.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch sie wiederholt im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und verweist im Übrigen auf das Urteil des LSG NRW vom 23.06.2009 Az. L 1 AL 61 / 07, wonach der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag, einen arbeitsrechtlichen Anspruch im Insolvenzverfahren durchzusetzen, regelmäßig auch die Verpflichtung umfasse, den Arbeitnehmer über die Voraussetzungen eines Insg-Anspruchs zu informieren. Dazu gehöre auch die fristgerechte Antragstellung. Ausweislich der vorgelegten Vollmacht gelte diese für alle Instanzen und erstrecke sich auch auf Neben- und Folgeverfahren aller Art z.B. Insolvenzverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 17.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2015 ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Insg in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 15.02.2014 bis 14.05.2014 gemäß § 165 SGB III. Nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen Ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Insolvenzereignis ist vorliegend die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse vom 29.04.2015 durch das Amtsgericht Magdeburg (Az. 340 IN 147 / 15). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger einen durchsetzbaren Anspruch auf Arbeitsentgelt seit Februar 2015: Das Arbeitsverhältnis endete auf der Grundlage des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 05.06.2014 am 15.5.2014.

Der Kläger hat zwar die Ausschlussfrist für die Antragstellung von Insg gemäß § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III (zwei Monate nach dem Insolvenzereignis) versäumt, ihm ist aber die Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 S. 2 SGB III einzuräumen.

Der Kläger hat den Antrag auf Insg nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzereignis) gestellt. Die Frist von zwei Monaten beginnt mit dem Insolvenzereignis. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist im Rahmen des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III zunächst unbeachtlich. Vorliegend wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg Az. 340 IN 147 / 15 vom 29.04.2015 der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt. Die Zweimonatsfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III endete somit am Montag den 29.06.2015. Den Insg-Antrag hat der Kläger erst acht Tage später, am 07.07.2015 gestellt.

Dem Kläger ist jedoch nach § 324 Abs. 3 S. 2 die Nachfrist einzuräumen, da er die Antragsfrist aus Gründen versäumt hat, die er nicht zu vertreten hat.

Soweit die Beklagte im Rahmen des Widerspruchsbescheides ausführt, er habe sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht und hätte sich bei einer sachkundigen Stelle wie Amtsgericht, Arbeitsgericht oder Agentur für Arbeit informieren müssen, hat die Beklagte die ihr bekannte Sachverhaltskonstellation völlig aus den Augen gelassen. Der Kläger hat sich unmittelbar nach Erhalt seiner Kündigung um die Durchsetzung seiner noch offenen Arbeitsentgeltansprüche bemüht und durch seine Prozessbevollmächtigten Klage beim Arbeitsgericht Duisburg eingereicht. Nach entsprechender Verurteilung des Arbeitgebers haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers nach weiterer Mandatierung durch den Kläger entsprechende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Diese blieben jedoch erfolglos. Welche weiteren Bemühungen der Kläger über diese Maßnahme hinaus hätte unternehmen sollen, ist nicht ersichtlich.

Der Einräumung der Nachfrist nach § 324 Abs. 3 S. 2 SGB III steht auch nicht entgegen, dass der Kläger innerhalb der Antragsfrist am 15.06.2015 durch ein Telefonat seines Prozessbevollmächtigten Kenntnis von einem möglichen Insolvenzverfahren erhalten hat. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine "vage" Kenntnis basierend auf Gerüchten (angebliche Mitteilung der Ex-Ehefrau an einen Arbeitskollegen des Klägers) handelte. Aber selbst wenn man diese "vage" Kenntnis schon ausreichen lassen wollte, wäre dem Kläger persönlich das Fristversäumnis nicht vorzuwerfen, da er sich auf die Mitteilung seines Rechtsanwaltes, der ihn nicht von einer in Kürze ablaufenden Frist informierte, verlassen durfte. Die Mitteilung seines rechtskundigen Rechtsanwaltes wertete der Kläger ohne Verschulden so, dass es ausreichend wäre, den Antrag auf Insg zu stellen, wenn er konkrete Kenntnis über das Insolvenzereignis, will heißen, Datum und Aktenzeichen des Insolvenzeröffnungs- bzw. Ablehnungsbeschlusses hatte.

Das Verhalten oder die Kenntnis seines Bevollmächtigten Rechtsanwaltes kann dem Kläger dabei nicht zugerechnet werden, da dieser ihn für das Insg Verfahren nicht vertreten hat.

Insoweit verweist die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung vollumfänglich auf die rechtlich für zutreffend erachteten Ausführungen des LSG Sachsen-Anhalt im Urteil vom 20.09.2011 Az. L 2 AL 87 / 08 Rn. 25 nach juris ff

Die Regelung in § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III stellt wie die Vorgängerregelung § 141e Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) eine spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (§ 27 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X - und § 67 SGG). Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen (vgl. auch §§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO - in Verbindung mit § 202 SGG). Neben dem unmittelbaren Verfahrensbevollmächtigten ist dem Vertretenen auch das Verschulden solcher Personen zuzurechnen, die ihm Rahmen des ihnen erteilten Auftrages tätig werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RAr 14/91 – a. a. O.). Damit kommt es darauf an, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen des ihm erteilten Auftrages auch zur Stellung des Insolvenzgeldantrages befugt war oder es zumindest zu seinem Auftrag gehört hat, hierüber zu informieren. Es kommt demnach auf die Würdigung des Mandatsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Prozessbevollmächtigten dahingehend an, ob dieses auf die rein arbeitsgerichtliche Durchsetzung gegen den Arbeitgeber eingegrenzt wurde oder ob es auch die Stellung eines Antrages auf Insolvenzgeld umfasste. Da die Durchführung von Neben- und Folgeverfahren eigene Anwaltskosten auslöst, kommt es darauf an, ob der Rechtsanwalt auch im Innenverhältnis insoweit tätig werden durfte, nicht entscheidend ist die durch Formularvollmacht regelmäßig umfassende Bevollmächtigung nach außen. 27 Der Kläger hat nach seinem glaubhaften Vortrag in seinem Auftrag das Mandat der Rechtsanwälte so eingegrenzt, dass die Wahrnehmung eines sozialrechtlichen Mandates nicht mehr zu den Pflichten gehörte. Der Kläger ist von einer Beauftragung zur Wahrnehmung seiner "arbeitsrechtlichen Angelegenheit" ausgegangen. Dies hat Rechtsanwalt T. bestätigt, der das Mandat ebenfalls so verstanden hat, dass nur die arbeitsrechtliche Durchsetzung des Anspruchs Gegenstand gewesen ist. Es fallen für die verschiedenen Abschnitte des Verfahrens und die Folgeverfahren unterschiedliche Gebühren an, so dass der Mandant zur Begrenzung der Kosten ein Interesse daran hat, den Rechtsanwalt nur gezielt für einzelne Aufgaben zu bevollmächtigen. Bei dem Anspruch auf Insolvenzgeld handelt sich um einen eigenen öffentlich-rechtlichen Anspruch mit einem neuen Anspruchsgegner. Die Vertretung im Rahmen eines solchen Sozialverwaltungsverfahrens, um einen Antrag auf Insolvenzgeld bei der Agentur für Arbeit zu stellen, erfordert regelmäßig einen gesonderten Auftrag, da eine eigenständige Gebühr anfällt (Geschäftsgebühr für die Vertretung in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten Nr. 2500 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz). Die betreffende Gebühr würde auch dann nicht erstattet werden, wenn die Beklagte die Leistung bewilligt hätte. Den Antrag auf Insolvenzgeld kann der Arbeitnehmer selbst stellen, weil hierfür keine rechtlichen Kenntnisse vonnöten sind. Einen Auftrag zu einem solchen Tätig werden hat der Kläger nicht erteilt. Dies zeigt auch, das der den Antrag auf Insolvenzgeld bei der Beklagten selbst gestellt hat, was auch dem von dem Kläger und dem Rechtsanwalt dargestellten Auftragsumfang entsprach. 28 Nach der Auffassung des Senates ist im Rahmen einer zu prüfenden Vertreterzurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten unerheblich, dass der Kläger den Rechtsanwalt auch noch beauftragt hat, seinen arbeitsrechtlichen Anspruch zur Tabelle anzumelden, sich das Mandat also auch auf die Phase des Insolvenzverfahren erstreckte (noch enger: Beschluss des Senates vom 23. Februar 2005 – L 2 AL 55/03 – zitiert nach juris). Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 29. Oktober 1992 – 10 RAr 14/91 zwar einerseits betont, dass es für eine Verschuldenszurechnung schon ausreicht, wenn der Prozessbevollmächtigte im Rahmen des ihm erteilten Auftrages einer Informationspflicht oblag, der er nicht nachgekommen ist (Rn. 20), andererseits hat es darauf abgestellt, ob das Mandat auf das Arbeitsrecht eingegrenzt war oder nicht (Rn. 22). Nach der Auffassung des Senates muss bei der Informationspflichtverletzung danach differenziert werden, ob es sich um eine Nebenpflichtverletzung oder eine Pflichtverletzung der im Rahmen des erteilten Auftrages vorzunehmenden Rechtshandlungen handelte. Es wird zu den Nebenpflichten des Rechtsanwaltes gehören, nach dem Grundsatz "des sichersten Weges" den Mandanten darüber zu informieren, dass es neben der Anmeldung zur Tabelle auch noch einen von einem gesonderten Antrag abhängigen Anspruch auf Insolvenzgeld gibt (vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 711; AG Siegburg, Urteil vom 3. September 1987 – 7 C 171/87 - NJW-RR 1989, 155). Nach der Auffassung des Senates reicht die Verletzung einer solchen Nebenpflicht jedoch nicht aus, eine Zurechnung zu begründen. Musste der Prozessbevollmächtigte im Rahmen des ihm erteilten Auftrages keine etwaigen Schritte zugunsten der Sicherung sozialrechtlicher Ansprüche des Arbeitnehmers einleiten, ist nicht auf das Verschulden des Rechtsanwaltes abzustellen (so überzeugend Peters-Lange in info also 2007, 51, 58 f.). Der Beratungsfehler eines Dritten wird dem Arbeitnehmer nur dann zugerechnet, wenn er um dessen Rechtsrat ersucht hat oder er in seinem Auftrag in dieser Angelegenheit tätig wurde. Nur dann ist es nicht gerechtfertigt den Arbeitnehmer, der selbst unkundig ist, von seiner Obliegenheit, einen rechtzeitigen Insolvenzgeldantrag zu stellen, freizustellen. 29 Gehörte es demnach nicht zu Hauptpflichten von Rechtsanwalt T. den Kläger über das Insolvenzereignis und die ablaufenden Fristen zu informieren, so muss sich der Kläger die mitgeteilte fehlende Frist auch nicht zurechnen lassen. Er hat für diese Angelegenheit sich nicht seiner Verantwortung entledigt und einem anderen eigene Aufgaben zur Erledigung übertragen. 30 Es kommt daher nur auf das eigene Verschulden des Klägers an, woran es hier fehlt. Der Arbeitnehmer hat das Fristversäumnis schon dann zu vertreten, wenn ihm auch nur einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, er also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Allerdings hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 18. September 2003 (– C 125-01 SozR 4-4300 § 324 Nr. 1) ausgeführt, dass eine Ausschlussfrist nur dann nicht gegen europäische Normen (Richtlinie 80/987) verstößt, wenn sie nicht so ausgestaltet ist, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsordnung einräumt, praktisch unmöglich macht. Die Ausnahmeklausel (Nachfristgewährung) gewährleiste die praktische Wirksamkeit des Schutzes durch die Richtlinie nur dann, wenn die zuständigen Stellen nicht übermäßig streng beurteilten, ob der Betroffene sich mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Es müssen daher die individuellen Möglichkeiten und Erkenntnisse des Klägers ausreichend berücksichtigt werden. Auch die Frage des Einflusses einer europarechtskonformen Auslegung lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern muss der Entscheidung im Einzelfall vorbehalten bleiben (so BSG, Nichtzulassungsbeschluss vom 17. Oktober 2007 – B 11a AL 75/07 B). Die entscheidende Frage ist, ob der Kläger in der konkreten Situation davon ausgehen durfte, dass seine Antragstellung am 20. Juli 2006 noch fristwahrend sein würde. Eine rechtsirrige Beurteilung der Voraussetzungen der Antragsfrist allein hindert ein Verschulden nicht. Kennt ein Rechtsunkundiger die Antragsfristen nicht, gehört es zu seinen Sorgfaltspflichten, sich rechtzeitig sachkundigen Rechtsrat zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1990 – 10 RAR 14/89). Hierzu hat der Kläger innerhalb des Zeitraums von zehn Tagen auch noch ausreichend Zeit gehabt. Es ist daher nicht allein entscheidend, dass der Kläger die zweimonatige Ausschlussfrist für die Stellung des Antrages nicht gekannt hatte. Allerdings durfte er davon ausgehen, dass ihm sein für die arbeitsrechtliche Durchsetzung seiner Forderung bevollmächtigter Rechtsanwalt, wenn er auf die Möglichkeit, einen Insolvenzgeldantrag zu stellen hinweist, es ihm mitgeteilt hätte, wenn er diesen Antrag umgehend bzw. in den nächsten Tagen hätte stellen müssen. Insoweit beurteilt der Senat den unvollständigen und dadurch missverständlichen anwaltlichen Hinweis außerhalb des Mandats als vergleichbar mit einem Hinweis mit der Nennung einer falschen Frist (zu einem falschen Hinweis vgl. die Senatsentscheidung vom 23. Februar 2005 – L 2 AL 55/03 – zitiert nach juris). In beiden Fällen wägt sich der Arbeitnehmer in der trügerischen Sicherheit, sich so verhalten zu dürfen, wie es der Hinweis nahelegt. Dies reicht aus, um den Vorwurf der Fahrlässigkeit auszuschließen. Dem Hinweis einer rechtskundigen Person (hier des Rechtsanwalts) kommt insoweit ein besonderes Gewicht zu. Weist eine rechtskundige Person nur allgemein auf die Möglichkeit, einen bestimmten Antrag zu stellen, hin, ohne eine gesonderte Frist hierfür zu nennen, darf der Empfänger des Hinweises davon ausgehen, dass ihm jedenfalls eine angemessene Reaktionszeit verbleibt und dass er nicht binnen kürzester Zeit den betreffenden Antrag stellen muss. Bei seinen Arbeitszeiten, bei denen er nur am Donnerstag während der Öffnungszeiten zur Agentur für Arbeit gehen konnte, durfte der Kläger davon ausgehen, dass eine Antragstellung binnen zwei Wochen diese Frist noch wahrt. Dies gilt umso mehr, als er nach seiner Erinnerung beim ersten Donnerstag nach der Kenntniserlangung durch eine veränderte Arbeitszeit nicht in der Lage war, persönlich bei der Arbeitsagentur, den Antrag zu stellen.

So liegt der Fall auch vorliegend. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter haben im Verhandlungstermin vom 27.04.2016 überzeugend dargelegt, dass der Bevollmächtigte zunächst nur für die arbeitsrechtliche Durchsetzung der Lohnentgeltansprüche mandatiert war, für die Zwangsvollstreckung nach Beantragung und Gewährung von Prozesskostenhilfe ein weiteres Mandat erteilt wurde, wegen regelmäßiger Versagung von Beratungshilfe für die Antragstellung von Insg jedoch kein Mandat erteilt wurde. Zu Recht hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verhandlungstermin darauf hingewiesen, dass Vollmacht und Mandat unterschieden werden müssen und die Vollmacht lediglich dazu dient, im Außenverhältnis einen Nachweis über die Vertretungsbefugnis zu erbringen, während der Umfang des Mandates nur im Innenverhältnis geklärt werden kann. Das Urteil des LSG NRW vom 23.06.2009 Az. L 1 AL 61 / 07, das sich unter anderem auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 23.02 2005 Az. L 2 AS 55 / 03 beruft, muss vor dem Hintergrund der Aufgabe dieser Rechtsprechung durch das hier in Bezug genommene Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 22.09.2011 Az. L 2 AS 87 / 08 und die hiergegen durch die Beklagte eingelegte, jedoch wieder zurückgenommene Revision zum BSG (Aktenzeichen B 11 AL 27 / 11 R) als obsolet angesehen werden.

Vor diesem Hintergrund war der Klage stattzugeben

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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