Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 109/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1932/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. März 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Einbehalt der Rente wegen gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2006 in Höhe von 743,29 EUR streitig.
Die 1930 geborene Klägerin erhielt aufgrund ihres Antrages vom 29. März 1995 Regelaltersrente, beginnend ab 1. April 1995 (Rentenbescheid vom 10. Mai 1995). Der Zahlbetrag ihrer monatlichen Rente betrug ab 1. April 2002 167,19 EUR, ab 01.07.2002 170,80 EUR und ab 01.07.2003 172,58 EUR.
Am 9. Juni 2006 erhielt die Beklagte eine Mitteilung der für die Klägerin zuständigen Kranken- und Pflegekasse, wonach die Klägerin seit dem 1. April 2002 pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner sei. Daraufhin führte die Beklagte das Anhörungsverfahren nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch (Schreiben vom 27. Juni 2006) und rechnete mit Bescheid vom 31. Juli 2006 die für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2006 nicht einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 743,29 EUR in monatlichen Raten von je 78,53 EUR mit ihrer Rente auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht nachgewiesen habe, dass durch die Aufrechnung Hilfebedürftigkeit eintrete. Da sie nach Mitteilung ihrer zuständigen Krankenkasse/Pflegekasse seit 1. April 2002 pflichtversichert sei, müssten von der Rente Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einbehalten werden. Diese betrügen, wie ihr bereits mit dem Anhörungsschreiben mitgeteilt worden sei, insgesamt 743,29 EUR. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Aktenseiten 43 a bis 43 b der Verwaltungsakte verwiesen.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre Krankenkasse habe ihr bislang nicht mitgeteilt, dass sie nicht mehr über ihren Ehemann familienversichert sei. Darüber hinaus betrachte sie es als unzumutbare Härte, die Beiträge ab 1. April 2002 erst jetzt nachzufordern. Wenn für sie die Zahlungspflicht bestünde, hätte das schon vor vier Jahren mitgeteilt werden müssen. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung nehme ihr die Hälfte der laufenden Rente. Sie halte auch dies für unzumutbar. Da sie außer der Rente keine weiteren Einkünfte habe, stelle die Nachforderung der Beiträge auch eine Gefährdung ihrer Grundsicherung dar. Da der Beitragseinzug ferner allein dem Rentenversicherungsträger obliege, ginge der unterlassene Einzug ebenfalls zu Lasten desselben. Nachdem die Klägerin der Aufforderung, eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers vorzulegen, nicht nachkam, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2006 den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin sei seit dem 1. April 2002 pflichtversichert. Aufgrund dieser Pflichtversicherung müssten von der Rente Kranken- und Pflegebersicherungsbeiträge einbehalten werden. Diese betrügen insgesamt 743,29 EUR. Die Klägerin habe weder innerhalb der im Anhörungsschreiben gesetzten Frist noch im laufenden Widerspruchsverfahren nachgewiesen, dass durch die Aufrechnung Hilfebedürftigkeit eintrete. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass ihr die Krankenkasse mitgeteilt habe, dass sie ab dem 1. April 2002 pflichtversichert sei. Nachfolgend ergab sich bei einer Nettorente von 157,06 EUR aufgrund des Einbehalts ein Zahlbetrag von 78,53 EUR.
Mit ihrer dagegen am 8. Januar 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, für die Nachentrichtung noch nicht verjährter Beiträge sei ihrer Ansicht nach derjenige Versicherungsträger heranzuziehen, der für die Nichtentrichtung der Beiträge verantwortlich sei. Ihre Krankenkasse, die GEK, habe ihr am 18. April 1995 mitgeteilt, dass sie nicht versicherungspflichtig sei. Wenn die Krankenkasse später zu einer anderen Entscheidung komme, müsse sie dies doch dem mitteilen, der für die Beitragsentrichtung zuständig sei. Dies sei in diesem Fall die Beklagte, die ja auch den Einzug des Beitragsanteils des Rentners vornehme. Sofern also für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2006 tatsächlich rückwirkend Versicherungspflicht festgestellt worden wäre, gingen die Beiträge für diese Zeit zu Lasten der GEK bzw. wenn die Beklagte rechtzeitig verständigt worden wäre, zu deren Lasten.
Auf die Aufforderung des SG, die Klägerin möge mitteilen, ob bei ihr aufgrund des monatlichen Einbehalts von 78,53 EUR Hilfebedürftigkeit eintrete, versicherte die Klägerin, dass es ihr mit der vorliegenden Klage nicht darauf ankomme, dass sie aufgrund der Aufrechnung in eine Notlage gerate, sondern auf die Verursachung der Nachforderung.
Die Untätigkeitsbeschwerde der Klägerin wurde mit Beschluss vom 10. März 2008 des Landessozialgerichts (L 10 R 1060/08 B) als unzulässig verworfen.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2008 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, wenn bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben sei, so seien die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzuhalten. Die Klägerin sei in der vom Bescheid erfassten Zeit versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung gewesen. Dies ergebe sich aus der von der Krankenkasse der Klägerin an die Beklagte maschinellen Datenübermittlung. Sie sei daher grundsätzlich beitragszahlungspflichtig. Ein Ermessensspielraum des Trägers der Rentenversicherung sei nicht vor gesehen. Die Nacherhebung verstoße nicht gegen Treu und Glauben, jedenfalls wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolge. Die Klägerin habe auch nicht geltend gemacht, dass sie sozialhilfebedürftig werde. Nach explizitem mehrmaligem Nachfragen seitens des Gerichts habe sie sich dahingehend geäußert, dass es ihr nicht um den Eintritt einer finanziellen Notlage gehe. Daraus sei zu schließen, dass eine solche Notlage bei der Klägerin nicht bestehe. Eine weitergehende Sachaufklärung sei mangels der Mitwirkung der Klägerin ohnehin nicht möglich. Die Nichterweislichkeit einer eventuell eintretenden Hilfebedürftigkeit infolge der von der Beklagten vorgenommenen Aufrechnung ginge daher nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der die Mitwirkung verweigernden Klägerin. Die Beklagte habe auch die Grenzen der Verjährung beachtet. Weiteren Einschränkungen unterliege die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere sei auch keine Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen eingetreten.
Mit ihrer dagegen am 23. April 2008 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe von einer Versicherungspflicht keine Kenntnis gehabt, sodass sie auch keine Beträge habe entrichten können. Dass keine Beitragsanteile einbehalten oder sonst wie bezahlt worden wären, unterliege somit alleine der Verantwortung der Versicherungsträger.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. März 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 aufzuheben und die einbehaltenen Beiträge einschließlich banküblicher Zinsen zurückzuzahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben nach Aufhebung des anberaumten Erörterungstermins vom 8. Juli 2008 einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einen Zeitraum von mehr als einem Jahr betreffen.
Die damit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Einbehalt der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von ihrer Rente vom 1. April 2002 bis 31.07.2006 ist rechtmäßig.
Nach § 255 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit dem Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers abzuführen. Ist bei Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, so sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (§ 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Vorschriften gelten für die Beiträge zur Pflegeversicherung entsprechend (§ 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Die Klägerin war in der vom Bescheid erfassten Zeit als Bezieherin einer Regelaltersrente versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI). Damit ist sie nach § 252 Satz 1 SGB V, § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI grundsätzlich beitragszahlungspflichtig. Für sie als Rentnerin gelten die besonderen Modalitäten des § 255 Abs. 1 SGB V. Dieser Beitragspflicht hat die Klägerin in dem hier streitigem Zeitraum nicht genügt. Es sind keine Beitragsanteile einbehalten oder sonst wie bezahlt worden.
Damit liegen die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 SGB V für eine Nacherhebung zweifelsfrei vor. Diese Norm enthält keinen Ermessenspielraum des Trägers der Rentenversicherung und auch keine Regelung über einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Rentenversicherungsträger bei Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente abziehen muss (so BSG SozR 3-2500 § 255 Nr. 1). Es kommt demzufolge nicht darauf an, ob die Klägerin von ihrer Versicherungspflicht Kenntnis hatte, also möglicherweise unverschuldet Beiträge nicht gezahlt wurden, oder in wessen Verantwortungssphäre die Nichtabführung der Beiträge fällt. Der Senat hat deswegen von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts abgesehen, denn selbst wenn das Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt würde, dies zu keinem anderen Ergebnis führt. Eine solche Nacherhebung von Beiträgen verstößt grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben, jedenfalls wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolgt (so BSG SozR 2200 § 393a Nr. 3 zu dem insoweit inhaltsgleichen früheren Recht des § 393a Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Die in § 255 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V vorgesehene Einschränkung durch § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach eine Aufrechnung nicht möglich ist, soweit der Leistungsberechtigte nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII - früher BSHG) wird, ist von der Beklagten beachtet worden. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass sie durch die vorgesehene Einbehaltung sozialhilfebedürftig wird. Nachdem die Klägerin ausdrücklich geltend gemacht hat, es ginge ihr nicht um eine eingetretenen Notlage, bestehen auch für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass dies so sein könnte. Ebenfalls beachtet worden ist die Einschränkung des § 51 Abs. 2 SGB I, dass die Rente höchstens bis zur Hälfte angerechnet worden ist.
Die Grenzen der Verjährung hat die Beklagte ebenfalls beachtet. Nach dem hier einschlägigen § 25 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (so BSG SozR 3-2500 § 255 Nr. 1). Die ältesten von der Beklagten festgesetzten, rückständigen Beiträge betreffen den April 2002. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides im Jahre 2006 war hierfür die im Januar 2003 beginnende Verjährungsfrist von vier Jahren, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat, noch nicht abgelaufen. Das gilt erst recht für die restlichen, vom Bescheid erfassten Zeiträume.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere nicht denen der §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen ist nicht eingetreten. Eine solche Verwirkung setzt neben einem langen Zeitablauf besondere Umstände oder ein aktives Verhalten des Berechtigten (hier also der Beklagten) voraus, wodurch die verspätete Geltendmachung illoyal erscheint (BSG USK 8964). Dazu bedarf es also neben dem hier zweifellos vorliegenden langen Zeitablauf eines konkreten Verhaltens des Rentenversicherungsträgers, welches beim Rentenempfänger ein Vertrauen schafft, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, worauf er sich in seinem Verhalten eingerichtet hat. Daran fehlt es bei der Klägerin. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt während des gesamten Verlaufes ein Verhalten der Klägerin gegenüber gezeigt, welches sich auf diese Frage überhaupt bezogen hat. Auch ein solches Verhalten der Krankenkasse, sollte es der Beklagten zurechenbar sein, findet sich nicht. Aus dem Umstand, dass die Krankenkasse 1995 mitgeteilt hat, sie sei nicht versicherungspflichtig, kann für die hier relevante Zeit ab 2002 nichts abgeleitet werden. Allein der Verbrauch der Rente in dem allgemeinen Vertrauen, es werde alles seine Richtigkeit haben, genügt für die Annahme der Verwirkung schließlich nicht.
Die Nachteile, die durch die spätere Nachentrichtung entstehen, werden durch die Grenzen des § 51 Abs. 2 SGB I berücksichtigt. Darüber hinaus kann ihnen kein Verwirkungstatbestand entnommen werden. Weitere Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nach der als gefestigt anzusehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gegeben.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Einbehalt der Rente wegen gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2006 in Höhe von 743,29 EUR streitig.
Die 1930 geborene Klägerin erhielt aufgrund ihres Antrages vom 29. März 1995 Regelaltersrente, beginnend ab 1. April 1995 (Rentenbescheid vom 10. Mai 1995). Der Zahlbetrag ihrer monatlichen Rente betrug ab 1. April 2002 167,19 EUR, ab 01.07.2002 170,80 EUR und ab 01.07.2003 172,58 EUR.
Am 9. Juni 2006 erhielt die Beklagte eine Mitteilung der für die Klägerin zuständigen Kranken- und Pflegekasse, wonach die Klägerin seit dem 1. April 2002 pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner sei. Daraufhin führte die Beklagte das Anhörungsverfahren nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch (Schreiben vom 27. Juni 2006) und rechnete mit Bescheid vom 31. Juli 2006 die für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2006 nicht einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 743,29 EUR in monatlichen Raten von je 78,53 EUR mit ihrer Rente auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht nachgewiesen habe, dass durch die Aufrechnung Hilfebedürftigkeit eintrete. Da sie nach Mitteilung ihrer zuständigen Krankenkasse/Pflegekasse seit 1. April 2002 pflichtversichert sei, müssten von der Rente Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einbehalten werden. Diese betrügen, wie ihr bereits mit dem Anhörungsschreiben mitgeteilt worden sei, insgesamt 743,29 EUR. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Aktenseiten 43 a bis 43 b der Verwaltungsakte verwiesen.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre Krankenkasse habe ihr bislang nicht mitgeteilt, dass sie nicht mehr über ihren Ehemann familienversichert sei. Darüber hinaus betrachte sie es als unzumutbare Härte, die Beiträge ab 1. April 2002 erst jetzt nachzufordern. Wenn für sie die Zahlungspflicht bestünde, hätte das schon vor vier Jahren mitgeteilt werden müssen. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung nehme ihr die Hälfte der laufenden Rente. Sie halte auch dies für unzumutbar. Da sie außer der Rente keine weiteren Einkünfte habe, stelle die Nachforderung der Beiträge auch eine Gefährdung ihrer Grundsicherung dar. Da der Beitragseinzug ferner allein dem Rentenversicherungsträger obliege, ginge der unterlassene Einzug ebenfalls zu Lasten desselben. Nachdem die Klägerin der Aufforderung, eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers vorzulegen, nicht nachkam, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2006 den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin sei seit dem 1. April 2002 pflichtversichert. Aufgrund dieser Pflichtversicherung müssten von der Rente Kranken- und Pflegebersicherungsbeiträge einbehalten werden. Diese betrügen insgesamt 743,29 EUR. Die Klägerin habe weder innerhalb der im Anhörungsschreiben gesetzten Frist noch im laufenden Widerspruchsverfahren nachgewiesen, dass durch die Aufrechnung Hilfebedürftigkeit eintrete. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass ihr die Krankenkasse mitgeteilt habe, dass sie ab dem 1. April 2002 pflichtversichert sei. Nachfolgend ergab sich bei einer Nettorente von 157,06 EUR aufgrund des Einbehalts ein Zahlbetrag von 78,53 EUR.
Mit ihrer dagegen am 8. Januar 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, für die Nachentrichtung noch nicht verjährter Beiträge sei ihrer Ansicht nach derjenige Versicherungsträger heranzuziehen, der für die Nichtentrichtung der Beiträge verantwortlich sei. Ihre Krankenkasse, die GEK, habe ihr am 18. April 1995 mitgeteilt, dass sie nicht versicherungspflichtig sei. Wenn die Krankenkasse später zu einer anderen Entscheidung komme, müsse sie dies doch dem mitteilen, der für die Beitragsentrichtung zuständig sei. Dies sei in diesem Fall die Beklagte, die ja auch den Einzug des Beitragsanteils des Rentners vornehme. Sofern also für die Zeit vom 1. April 2002 bis 31. Juli 2006 tatsächlich rückwirkend Versicherungspflicht festgestellt worden wäre, gingen die Beiträge für diese Zeit zu Lasten der GEK bzw. wenn die Beklagte rechtzeitig verständigt worden wäre, zu deren Lasten.
Auf die Aufforderung des SG, die Klägerin möge mitteilen, ob bei ihr aufgrund des monatlichen Einbehalts von 78,53 EUR Hilfebedürftigkeit eintrete, versicherte die Klägerin, dass es ihr mit der vorliegenden Klage nicht darauf ankomme, dass sie aufgrund der Aufrechnung in eine Notlage gerate, sondern auf die Verursachung der Nachforderung.
Die Untätigkeitsbeschwerde der Klägerin wurde mit Beschluss vom 10. März 2008 des Landessozialgerichts (L 10 R 1060/08 B) als unzulässig verworfen.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2008 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, wenn bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben sei, so seien die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzuhalten. Die Klägerin sei in der vom Bescheid erfassten Zeit versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung gewesen. Dies ergebe sich aus der von der Krankenkasse der Klägerin an die Beklagte maschinellen Datenübermittlung. Sie sei daher grundsätzlich beitragszahlungspflichtig. Ein Ermessensspielraum des Trägers der Rentenversicherung sei nicht vor gesehen. Die Nacherhebung verstoße nicht gegen Treu und Glauben, jedenfalls wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolge. Die Klägerin habe auch nicht geltend gemacht, dass sie sozialhilfebedürftig werde. Nach explizitem mehrmaligem Nachfragen seitens des Gerichts habe sie sich dahingehend geäußert, dass es ihr nicht um den Eintritt einer finanziellen Notlage gehe. Daraus sei zu schließen, dass eine solche Notlage bei der Klägerin nicht bestehe. Eine weitergehende Sachaufklärung sei mangels der Mitwirkung der Klägerin ohnehin nicht möglich. Die Nichterweislichkeit einer eventuell eintretenden Hilfebedürftigkeit infolge der von der Beklagten vorgenommenen Aufrechnung ginge daher nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der die Mitwirkung verweigernden Klägerin. Die Beklagte habe auch die Grenzen der Verjährung beachtet. Weiteren Einschränkungen unterliege die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere sei auch keine Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen eingetreten.
Mit ihrer dagegen am 23. April 2008 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe von einer Versicherungspflicht keine Kenntnis gehabt, sodass sie auch keine Beträge habe entrichten können. Dass keine Beitragsanteile einbehalten oder sonst wie bezahlt worden wären, unterliege somit alleine der Verantwortung der Versicherungsträger.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. März 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 aufzuheben und die einbehaltenen Beiträge einschließlich banküblicher Zinsen zurückzuzahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben nach Aufhebung des anberaumten Erörterungstermins vom 8. Juli 2008 einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die einbehaltenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einen Zeitraum von mehr als einem Jahr betreffen.
Die damit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Einbehalt der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von ihrer Rente vom 1. April 2002 bis 31.07.2006 ist rechtmäßig.
Nach § 255 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit dem Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers abzuführen. Ist bei Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, so sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten (§ 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Vorschriften gelten für die Beiträge zur Pflegeversicherung entsprechend (§ 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Die Klägerin war in der vom Bescheid erfassten Zeit als Bezieherin einer Regelaltersrente versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI). Damit ist sie nach § 252 Satz 1 SGB V, § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI grundsätzlich beitragszahlungspflichtig. Für sie als Rentnerin gelten die besonderen Modalitäten des § 255 Abs. 1 SGB V. Dieser Beitragspflicht hat die Klägerin in dem hier streitigem Zeitraum nicht genügt. Es sind keine Beitragsanteile einbehalten oder sonst wie bezahlt worden.
Damit liegen die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 SGB V für eine Nacherhebung zweifelsfrei vor. Diese Norm enthält keinen Ermessenspielraum des Trägers der Rentenversicherung und auch keine Regelung über einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz. Sie ist vielmehr so zu verstehen, dass der Rentenversicherungsträger bei Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente abziehen muss (so BSG SozR 3-2500 § 255 Nr. 1). Es kommt demzufolge nicht darauf an, ob die Klägerin von ihrer Versicherungspflicht Kenntnis hatte, also möglicherweise unverschuldet Beiträge nicht gezahlt wurden, oder in wessen Verantwortungssphäre die Nichtabführung der Beiträge fällt. Der Senat hat deswegen von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts abgesehen, denn selbst wenn das Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt würde, dies zu keinem anderen Ergebnis führt. Eine solche Nacherhebung von Beiträgen verstößt grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben, jedenfalls wenn sie innerhalb der Grenzen der Verjährung erfolgt (so BSG SozR 2200 § 393a Nr. 3 zu dem insoweit inhaltsgleichen früheren Recht des § 393a Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Die in § 255 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V vorgesehene Einschränkung durch § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach eine Aufrechnung nicht möglich ist, soweit der Leistungsberechtigte nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII - früher BSHG) wird, ist von der Beklagten beachtet worden. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass sie durch die vorgesehene Einbehaltung sozialhilfebedürftig wird. Nachdem die Klägerin ausdrücklich geltend gemacht hat, es ginge ihr nicht um eine eingetretenen Notlage, bestehen auch für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass dies so sein könnte. Ebenfalls beachtet worden ist die Einschränkung des § 51 Abs. 2 SGB I, dass die Rente höchstens bis zur Hälfte angerechnet worden ist.
Die Grenzen der Verjährung hat die Beklagte ebenfalls beachtet. Nach dem hier einschlägigen § 25 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (so BSG SozR 3-2500 § 255 Nr. 1). Die ältesten von der Beklagten festgesetzten, rückständigen Beiträge betreffen den April 2002. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides im Jahre 2006 war hierfür die im Januar 2003 beginnende Verjährungsfrist von vier Jahren, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat, noch nicht abgelaufen. Das gilt erst recht für die restlichen, vom Bescheid erfassten Zeiträume.
Weiteren Einschränkungen unterliegt die Nacherhebung grundsätzlich nicht, insbesondere nicht denen der §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine Verwirkung des Rechts auf Nacherhebung von Beiträgen ist nicht eingetreten. Eine solche Verwirkung setzt neben einem langen Zeitablauf besondere Umstände oder ein aktives Verhalten des Berechtigten (hier also der Beklagten) voraus, wodurch die verspätete Geltendmachung illoyal erscheint (BSG USK 8964). Dazu bedarf es also neben dem hier zweifellos vorliegenden langen Zeitablauf eines konkreten Verhaltens des Rentenversicherungsträgers, welches beim Rentenempfänger ein Vertrauen schafft, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht, worauf er sich in seinem Verhalten eingerichtet hat. Daran fehlt es bei der Klägerin. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt während des gesamten Verlaufes ein Verhalten der Klägerin gegenüber gezeigt, welches sich auf diese Frage überhaupt bezogen hat. Auch ein solches Verhalten der Krankenkasse, sollte es der Beklagten zurechenbar sein, findet sich nicht. Aus dem Umstand, dass die Krankenkasse 1995 mitgeteilt hat, sie sei nicht versicherungspflichtig, kann für die hier relevante Zeit ab 2002 nichts abgeleitet werden. Allein der Verbrauch der Rente in dem allgemeinen Vertrauen, es werde alles seine Richtigkeit haben, genügt für die Annahme der Verwirkung schließlich nicht.
Die Nachteile, die durch die spätere Nachentrichtung entstehen, werden durch die Grenzen des § 51 Abs. 2 SGB I berücksichtigt. Darüber hinaus kann ihnen kein Verwirkungstatbestand entnommen werden. Weitere Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nach der als gefestigt anzusehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Login
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