L 10 R 2810/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1506/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2810/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19.03.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1950 geborene, aus dem ehemaligen J. stammende und nach seinen Angaben seit 1971 in Deutschland lebende Kläger hat keinen Beruf erlernt. Ab den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war er bis zuletzt im März 2008 als Blechschlosser beschäftigt.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 04.10.2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.11.2005 und Widerspruchsbescheid vom 18.05.2005 ab. Dem lag ein Gutachten des Internisten Dr. L. (chronische Cervikobrachiolumbalgie bei langjährig bekannten degenerativen Veränderungen mit endgradigen Bewegungseinschränkungen, Gonarthrose beidseits ohne funktionelle Einschränkungen, Blindheit des rechten Auges seit der Jugend und Psoriasis vulgaris; der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnden Arbeitshaltungen ohne erhöhte Beanspruchung des Sehvermögens und unter Vermeidung von häufigem Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten sowie Ausübung von Zwangshaltungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten, dies gelte auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Blechschlosser) und des Orthopäden Dr. D. (initiale mediale Gonarthrose beidseits und Verdacht auf chronisches Schmerzsyndrom mit Aggravation, orthopädischerseits bestehe keine Leistungseinschränkung) zu Grunde.

Der Kläger hat am 02.06.2006 Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben und geltend gemacht, er habe schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Kopf-, Schulter- und Nackenbereich mit dauerhaft bestehenden Schmerzen, lumboischialgieforme Beschwerden bei degenerativen Veränderungen, zeitweilige Schmerzen im Bereich der linken Hand und Ellenbeuge sowie in den Kniegelenken, weshalb er auch eine leichte körperliche Tätigkeit nur noch unter drei Stunden täglich ausüben könne. Außerdem ergebe sich bezüglich der Blindheit des rechten Auges und einer nunmehr eingeschränkten Sehfähigkeit des linken Auges eine qualitative und quantitative Leistungsminderung. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte Dr. G. , Augenarzt (praktische Einäugigkeit, der Kläger könne ganztägig arbeiten ohne Arbeiten, die ein räumliches Sehen verlangen), Dr. H. , HNO-Arzt (von Seiten des HNO-ärztlichen Gebietes keine Leistungseinschränkungen), Prof. Dr., Neurologe und Psychiater (dreimalige Untersuchung im Zeitraum von Mai 1992 bis Juni 2005, zweimal wegen degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule und einmalig wegen eines chronischen Juckreizes beider Ohren, Arbeitsunfähigkeit habe zum Zeitpunkt der Untersuchungen nicht vorgelegen), Dr. Sturm, Hautarzt (er stimme mit der Beurteilung des Leistungsvermögens in den Gutachten von Dr. L. und Dr. D. überein), Dr. A. , Orthopäde (ebenfalls Übereinstimmung mit den im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten) und den Allgemeinarzt Dr. R. (die von ihm erhobenen Befunde würden im Wesentlichen mit denjenigen der im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten übereinstimmen) schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.03.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil er leichte körperliche Tätigkeiten sowie die bislang ausgeübte Tätigkeit als Blechschlosser im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Dies ergebe sich aus den im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. L. und Dr. D. sowie den in dem gerichtlichen Verfahren eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen.

Gegen den am 23.03.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.04.2007 Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, er könne auch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr ausüben. Dies ergebe sich auch aus dem Entlassungsbericht über das in der Rheumaklinik Bad W. im April/Mai 2008 durchgeführte stationäre Heilverfahren. Außerdem sei die funktionelle Einäugigkeit als Regel einer spezifischen Leistungsbehinderung anzusehen, das Sozialgericht habe verkannt, dass die Tätigkeit als Blechschlosser räumliches Sehen verlange, weshalb er diese Tätigkeit auf Kosten der Restgesundheit ausübe und eine Verweisungstätigkeit zu benennen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19.03.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 10.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine schriftliche Auskunft der Arbeitgeberin des Klägers, M. F. GmbH eingeholt (Tätigkeit als Blechschlosser bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis, der Kläger habe keine Ausbildung nachgewiesen, im August 1971 sei eine Umschulung im Betrieb erfolgt, er sei zuletzt nach der Lohngruppe VIII des Tarifvertrages Südwestmetall Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg, Tarifgebiet Südwürttemberg-Hohenzollern entlohnt worden), das in einem für den 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 3 SB 2157/07 erstattete Gutachten des Dr. W. , Orthopäde (mäßiges degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkung und initiale Kniegelenksarthrose beidseits ohne wesentliche Funktionseinschränkung) und des Dr. K. , Orthopäde (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Myotendopathie im Wirblsäulenbereich ohne schwerwiegende funktionelle Einschränkungen bei der Untersuchung, periphere Intensiopathie beider Arme und initiale Gonarthrose beidseits, erhebliche subjektive Beschwerden bei objektiv leichtgradiger Einschränkung der Funktion der großen und kleinen Gelenke im Bereich der Extremitäten) beigezogen, ebenso den Entlassungsbericht über das erwähnte Heilverfahren in der Rheumaklinik Bad W. (Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Fehlstatik und neuromuskulärer Dysbalance, Coxarthrose beidseits, belastungsabhängige Schmerzen im linken Kniegelenk bei beginnender Gonarthrose und psychovegetative Erschöpfung; der Kläger könne einer leichten bis mittelschweren körperlichen Tätigkeit wechselnd im Sitzen, Gehen und Stehen ohne häufiges Bücken, ohne häufige einseitige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Knien mindestens sechs Stunden täglich und die zuletzt ausgeübte Tätigkeit mit dem von dem Kläger beschriebenen Arbeitsplatzprofil drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben, wegen der Sprachbarriere und erheblicher Verminderung der Sehkraft rechts sei das Konzentrations/Reaktionsvermögen sowie das Umstellungs- und Anpassungsvermögen eingeschränkt).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist bereits nicht berufsunfähig. Er ist weiterhin in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen ohne häufiges Bücken, ohne häufige einseitige Wirbelsäulenzwangshaltungen und ohne häufiges Knien sowie ohne Arbeiten, die ein räumliches Sehen verlangen (z.B. Arbeiten auf Gerüsten und an schnell anlaufenden Maschinen) mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Prof. Dr. J. im Entlassungsbericht über das stationäre Heilverfahren in der Rheumaklinik Bad W. im April/Mai 2008. Im Vordergrund stehen bei dem Kläger Beschwerden von Seiten des Bewegungsapparates, insbesondere der Wirbelsäule. Insoweit leide der Kläger - so Prof. Dr. J. - an degenerativen Wirbelsäulenveränderungen bei Fehlstatik und neuromuskulärer Dysbalance, die zu Cervikobrachialgien, Thorakolumbalgien und Lumboischialgien führen, außerdem leidet der Kläger an einer Gelenksarthrose und belastungsabhängigen Schmerzen im linken Kniegelenk bei beginnender Gonarthrose. Prof. Dr. J. hat nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund dieser Veränderungen zwar gewisse, bereits o.g. qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind, bei Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen aber leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten weiterhin in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden können. Anlass, an der Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens durch Prof. Dr. J. zu zweifeln, besteht nicht.

Der im Verwaltungsverfahren gehörte Gutachter Dr. L. hat ein mit Prof. Dr. J. übereinstimmendes Leistungsvermögen beschrieben, gegen diese Beurteilung haben die im erstinstanzlichen Verfahren gehörten behandelnden Ärzte auf insoweit ausdrückliche Fragestellung des Sozialgerichts keine Bedenken erhoben. Auch auf Grund der vom Senat beigezogenen Gutachten des Dr. W. und Dr. K. sind keine anderen Schlüsse zu ziehen. Dr. W. hat ebenfalls ein mäßiges degeneratives Wirbelsäulensyndrom und eine initiale Kniegelenksarthrose beidseits diagnostiziert, insoweit jedoch keine wesentliche Funktionseinschränkung festgestellt. Der Orthopäde Dr. K. hat zwar darüber hinaus eine Supra- und Infraspinatussehnentendinitis beidseits und eine Epicondylitis humeri-radialis beidseits beschrieben, hinsichtlich der Funktion der oberen Gliedmaßen allerdings weitgehend einen Normalbefund und eine nur leichtgradig eingeschränkte Funktion der großen und kleinen Gelenke im Bereich der unteren Extremitäten sowie keine schwerwiegenden funktionellen Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäule festgestellt.

Der Senat lässt offen, ob der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Blechschlosser weiterhin mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Im Entlassungsbericht über das stationäre Heilverfahren in der Rheumaklinik Bad W. ist insoweit zwar ein auf drei bis unter sechs Stunden täglich abgesunkenes Leistungsvermögen angegeben. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass der Kläger die - so die im Rehaentlassungsbericht wiedergegebenen eigenen Angaben des Klägers - rein stehende Tätigkeit nicht mehr verrichten kann, führt dies nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit. Denn zum einen kommt es nicht auf die konkreten Anforderungen am letzten Arbeitsplatz, sondern die generellen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit an. Zum anderen wäre der Kläger, selbst wenn davon ausgegangen wird, dass er Tätigkeiten eines Blechschlossers generell nicht mehr verrichten kann, nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGB VI.

Ausgangspunkt der Beurteilung, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, ist der bisherige Beruf (hierzu und zum Nachfolgenden: BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 13 RJ 34/03 R, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 1; Urteil vom 20.07.2005, B 13 RJ 29/04 R in SozR 4-2600 § 43 Nr. 4). Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d. h. mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist.

Berufsunfähigkeit liegt allerdings erst dann vor, wenn es auch keine andere Tätigkeit gibt, die dem betroffenen Versicherten sozial zumutbar und für die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30.09.1987, 5b RJ 20/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29.03.1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.

Neben Art und Dauer der Ausbildung ist für die Bewertung einer Tätigkeit auch auf den ihr von den Tarifvertragsparteien beigemessenen qualitativen Wert abzustellen, wenn sich eine Einstufung als Facharbeiter nicht bereits aus der durchlaufenen Ausbildung ergibt und auch nicht festgestellt werden kann, dass die Tätigkeit theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in einem Umfang voraussetzt, die von einem Facharbeiter in regulärer Ausbildung und längerer Berufstätigkeit erworben werden (s. zum Ganzen BSG, Urteil vom 20.07.2005, a.a.O.). Aufgrund ihrer Einordnung in Tarifnormen kann eine Tätigkeit, die nicht diese Ausbildungsdauer erfordert, dennoch einer gelernten oder angelernten gleichstehen. Maßgebend ist dabei die Fassung des fachlich und räumlich einschlägigen Tarifvertrages, die zum Zeitpunkt der Beendigung der betreffenden versicherungspflichtigen Beschäftigung galt.

Bei dieser Prüfung kommt den tariflichen Regelungen unter zwei Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu (BSG, a.a.O.). Zu unterscheiden ist die abstrakte - "tarifvertragliche" - Klassifizierung der Tätigkeit (im Sinne eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrags von der - "tariflichen" - Eingruppierung des Versicherten in eine bestimmte Tarifgruppe des jeweiligen Tarifvertrags durch den Arbeitgeber. Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht; denn die Tarifparteien als unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligte nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in Bezug auf die in § 240 Abs. 2 SGB VI genannten Merkmale entspricht. Demgemäß lässt die abstrakte tarifvertragliche Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist.

Daneben ist jedoch auch die tarifliche (konkrete) Zuordnung des einzelnen Versicherten durch den Arbeitgeber zu prüfen. Sie ist Anhaltspunkt dafür, dass die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Die Richtigkeit dieser Eingruppierung kann aber durchaus "widerlegt" werden. Das heißt: Die Eingruppierung kann als unrichtig erkannt werden. Die Richtigkeit der Einstufung wird dadurch "widerlegt", dass die Einordnung des Versicherten in die Tarifgruppe anhand der hierin geregelten Merkmale einerseits und der Tatsachen andererseits geprüft wird, deren Feststellung diese Merkmale fordern. Rechtfertigen die tatsächlichen Feststellungen die Einordnung in die Tarifgruppe nicht, so steht fest, dass der Arbeitgeber die Einordnung in die Tarifgruppe zu Unrecht vorgenommen hat oder dass er Gründe gehabt hat, die jedenfalls nicht qualitativer Art sind.

Ob dem Kläger auf Grund seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Blechschlosser der Berufsschutz eines Facharbeiters zukommt, lässt der Senat offen. Für einen Berufsschutz als Facharbeiter spricht zwar die Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit nach der Lohngruppe VIII des Tarifvertrages Südwestmetall des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg, Tarifgebiet Südwürttemberg-Hohenzollern, allerdings lässt sich daraus nicht schließen, dass der Kläger tatsächlich die fachlichen Anforderungen an eine Tätigkeit als Facharbeiter erfüllt. Dagegen spricht, dass der Kläger über keine Ausbildung verfügt und er für die Tätigkeit bei der Firma M. F. GmbH lediglich eine Anlernzeit von einem Monat durchlaufen hat. Ausgehend hiervon wäre er allenfalls der Gruppe der unteren Angelernten nach dem Mehrstufenschema des BSG zuzuordnen, sodass er auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar wäre.

Selbst ausgehend von einem Berufsschutz als Facharbeiter wäre der Kläger allerdings zumutbar auf die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle im Sinne der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) verweisbar, was - wie der Senat mit Urteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 bereits auf der Grundlage des dort beim Sachverständigen Metzger eingeholten berufskundlichen Gutachtens mit ergänzender Stellungnahme entschieden hat - eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit darstellt. Der Kläger ist vom Senat auf diese Entscheidung hingewiesen worden und er hat einen Abdruck des Urteils erhalten. Gegen die tatsächlichen Feststellungen, die diesem Urteil zu Grund liegen, hat der Kläger auch keine Einwände erhoben. Dies gilt insbesondere für die nachfolgend aus dem Urteil übernommenen Leistungsanforderungen an eine solche Tätigkeit.

Der Mitarbeiter in der Poststelle wird im öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe VIII BAT - so der genannte Sachverständige - entlohnt. Dies gilt auch nach Einführung des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst, weil bislang eine die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT ersetzende Regelung nicht in Kraft getreten ist. Es handelt sich um Tätigkeiten für Angelernte und damit um eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit (BSG, Urteil vom 27.11.1991, 5 RJ 91/89). Entsprechende Arbeitsplätze sind in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden (Urteil des Senats vom 23.03.2006, a.a.O. im Anschluss an den Sachverständigen Metzger).

Die Tätigkeit umfasst das Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost. Es handelt es sich hierbei regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Doch sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (vgl. zu alldem das genannte Urteil des Senats vom 23.03.2006 mit den darin wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen Metzger). Demgemäß ist - was für die Benennung auch als körperlich leichte Verweisungstätigkeit genügt - die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, sodass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.1997, L 2 I 47/95 m. w. N.).

Das Leistungsvermögen des Klägers entspricht diesem Anforderungsprofil. Auch die bei dem Kläger bestehende funktionelle Einäugigkeit hindert den Kläger nicht an der Ausübung einer Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Poststelle. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Augenarztes Dr. G. kann der Kläger auf dem rechten Auge zwar nur Handbewegungen wahrnehmen, die Sehschärfe des linken Auges beträgt jedoch 100 %. Eine Leistungseinschränkung hat Dr. G. nur für Arbeiten, die ein räumliches Sehen verlangen (z.B. Arbeiten auf Gerüsten, Arbeiten an schnell anlaufenden Maschinen) angegeben. Derartige Anforderungen an das Sehen werden bei einer Tätigkeit als Mitarbeiter auf der Poststelle nicht gestellt. Im Übrigen war der Kläger trotz der bereits in jugendlichem Alter erworbenen funktionellen Einäugigkeit in der Lage, einer Berufstätigkeit nachzugehen und auch den Führerschein zu erwerben.

Der Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist der Kläger auch nach seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen. Zwar ist der bisher ausgeübte Beruf eines Blechschlossers eher im handwerklichen Bereich angesiedelt. Allerdings hindert dies eine Verweisung auf eine nicht artverwandte Tätigkeit dann nicht, wenn der Versicherte nach seinen durch Ausbildung, beruflichen Werdegang und sonstige Betätigung erworbenen Kenntnissen und Qualifikationen zur vollwertigen Ausübung einer solchen Tätigkeit - nach einer zumutbaren betrieblichen Einweisungs- oder Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten - in der Lage ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, 5 RJ 96/76 in SozR 2200 § 1246 Nr. 23; BSG, Urteil vom 08.09.1982, 5 b RJ 36/82). Für die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist eine längere Einarbeitung als drei Monate in der Regel nicht notwendig (vgl. auch hierzu das Urteil des Senats vom 23.03.2006, a.a.O. im Anschluss an den Sachverständigen Metzger). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger die Anforderungen an die Tätigkeit in einer Poststelle innerhalb einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig erfüllen kann. Anhaltspunkte für eine aus gesundheitlichen Gründen bestehende Einschränkung der Umstellungsfähigkeit liegen nicht vor. Soweit im Entlassungsbericht über das stationäre Heilverfahren in der Reha-Klinik Bad W. von einem eingeschränkten Umstellungs- bzw. Anpassungsvermögen ausgegangen wird, bezieht sich dies offensichtlich auf die von dortiger Seite gesehene Sprachbarriere. Hierauf kann sich der Kläger jedoch nicht berufen (BSG, Urteil vom 15.05.1991, 5 RJ 92/89 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 11).

Unerheblich ist, ob dem Kläger überhaupt ein freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, denn dieses Risiko trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, welche ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13).

Damit ist der Kläger nicht berufsunfähig. Die darüber hinausgehenden Voraussetzungen einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI liegen erst recht nicht vor.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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