Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
48
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 48 SO 346/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 429/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger im Wege einer Untätigkeitsklage die Bescheidung eines Antrags auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) sowie die Bescheidung eines Widerspruchs gegen eine Entscheidung über Pflegewohngeld nach dem Alten– und Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG NRW).
Der Kläger ist der Ehegatte der am 11.10.2015 verstorbenen xxx (im Folgenden: Hilfebedürftige), die am 26.05.2014 die Übernahme ungedeckter Heimkosten bei der Stadt beantragte, welche den Antrag nebst Unterlagen an den Beklagten weiterleitete. Der Beklagte bat die Hilfebedürftige hierauf zum Zwecke der Einkommens– und Vermögensprüfung mit Schreiben vom 30.06.2014, auf das Bezug genommen wird, um Vorlage verschiedener Unterlagen.
Die Hilfebedürftige hat am 13.07.2015 Untätigkeitsklage erhoben. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 16.07.2015 Pflegewohngeld nach dem APG NRW rückwirkend ab dem 01.07.2014 bewilligt hatte, hat die Hilfebedürftige mit Schreiben vom 24.07.2015 unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 16.07.2015 den "Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt" erklärt. Mit weiterem Schriftsatz vom 26.07.2015 hat die Hilfebedürftige die Anfechtung dieser Erledigungserklärung mit der Begründung erklärt, dass sich der Bescheid vom 16.07.2015 auf Leistungen des Pflegewohngeldes bezogen habe, die Untätigkeitsklage jedoch auf Leistungen nach dem SGB XII bezogen sei, weshalb die Fortsetzung der Untätigkeitsklage beantragt werde.
Mit Schreiben vom 20.10.2015 hat der Kläger erklärt, den Rechtsstreit "als Sonderrechtsnachfolger im materiellen Recht Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 SGB I – nicht als gesetzlicher Erbe nach dem BGB" fortzuführen. Mit Schreiben vom 21.10.2015 hat der Kläger die Klage auf eine Bescheidung eines Widerspruchs der Hilfebedürftigen vom 14.08.2015 gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2015 erweitert.
Der Kläger ist der Ansicht, sämtliche Mitwirkungspflichten seien erfüllt. Von dem Konto der Hilfebedürftigen seien monatliche Beiträge zu einer freiwilligen Krankenversicherung bei der AOK gezahlt worden. Diese Kosten seien mittels der Sonderrechtsnachfolge Gegenstand der Untätigkeitsklage und würden von dem Kläger geltend gemacht. Bei dem Antrag bezüglich der Entscheidung über den Widerspruch vom 14.08.2015 gegen den Bescheid vom 16.07.2015 handele es sich um keine Klageänderung im Sinne des § 99 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), sondern um eine Klageerweiterung im Sinne des § 56 SGG.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Beklagten zu verpflichten, über den Ausgangsantrag vom 26.05.2014 sowie über den Widerspruch vom 14.08.2015 gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2015 zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er führt an, dass für die Nichtbescheidung des Antrags auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten zureichende Gründe bestünden, da die Hilfebedürftige beihilfeberechtigt gewesen sei. Um den Sachverhalt bzw. die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Hilfebedürftigen vollständig aufzuklären, seien seitens des Beklagten immer wieder Unterlagen angefordert worden. Nach telefonischer Auskunft der AOK, bei der die Hilfebedürftige freiwillig versichert gewesen sei, bestünden dort keine Beitragsrückstände. Bzgl. der begehrten Entscheidung betreffend das Pflegewohngeld sei das angerufene Gericht unzuständig.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte in dem erledigten Eilverfahren S 48 SO 344/14 ER (L 20 SO 388/15 ER) sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Leistungsakten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.
II. Die Klage ist unzulässig.
a) Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 24.07.2015 gem. § 102 Abs. 1 SGG zurückgenommen. Die Mitteilung, dass der "Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt" erklärt werde, ist als Klagerücknahme zu verstehen. Gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG erledigt die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache. Die Klagerücknahme kann grundsätzlich nicht widerrufen und nicht angefochten werden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. (2014), § 102 SGG, Rn. 7c). Ein Widerruf ist nur unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme der §§ 179, 180 SGG möglich, die offensichtlich nicht vorliegen. Der von dem Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 26.07.2015 angeführte Umstand, die Untätigkeitsklage sei auf Leistungen nach dem SGB XII bezogen gewesen und der Bescheid vom 16.07.2015, der Motiv für die Klagerücknahme gewesen sei, habe Leistungen des Pflegewohngeldes zum Gegenstand gehabt, führt nicht zu einer Unwirksamkeit der Klagerücknahme. Denn eine Klagerücknahme ist nach allgemeiner Ansicht auch dann unwiderruflich, wenn sie auf Grund eines für das Gericht und den Verfahrensgegner offensichtlichen Irrtums des Rechtsmittelführers über tatsächliche oder rechtliche Umstände erklärt wurde (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 85). Ein Irrtum über das Motiv der Klagerücknahme führt mithin nicht zu ihrer Unwirksamkeit. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Hilfebedürftige von einem Rechtsanwalt vertreten wurde. Dieser Umstand steht auch einer Auslegung des Schriftsatzes vom 26.07.2015 als neue Untätigkeitsklage entgegen. Denn nach Auffassung der Kammer hätte es bei einer anwaltlichen Vertretung einer ausdrücklichen Erklärung einer neuen Klageerhebung bedurft. Darüber hinaus wäre eine solche erneute Untätigkeitsklage - mangels Klagefrist - nach zutreffender Ansicht ohnehin ausgeschlossen (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 11, m.w.N.). Wird die Klage trotz Rücknahme fortgesetzt und der Klageantrag aufrechterhalten, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, denn die ursprünglich zulässige Klage ist durch die Klagerücknahme unzulässig geworden (vgl. Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl., 15. Nachtrag, § 102 SGG, Anm. 4a, m.w.N.).
b) Aber selbst wenn man davon ausginge, die Klage sei nicht gem. § 102 Abs. 1 SGG zurückgenommen worden und das Klageverfahren sei infolgedessen nicht erledigt, würde sich die Untätigkeitsklage ebenfalls als unzulässig erweisen. Zwar kommt es für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage grundsätzlich nicht darauf an, ob der Kläger einen Anspruch in der Sache selbst hat (vgl. etwa BSG, Urteil vom 13.07.2010, B 8 SO 11/09 R, Rn. 11, wonach auch die Frage der Aktivlegtitimation eine Frage der Begründetheit und damit im Rahmen der Untätigkeitsklage grds. unbeachtlich ist). Anders liegt es aber dann, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch offensichtlich unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausscheidet (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 88 SGG, Rn. 4a). Denn ein Anspruch auf sachliche Bescheidung i.S.d. § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG besteht nicht, wenn der beantragte Bescheid keine materiell-rechtlichen Rechtswirkungen für den Kläger haben kann, da "das Recht auf Bescheidung" nicht Selbstzweck ist, sondern der Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche dient (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil vom 26.11.1997, L 4 KR 99/96, Rn. 18). Nach diesen Maßgaben ist ein materiell-rechtlicher Anspruch des Klägers auf Leistungen der Hilfe zur Pflege unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ersichtlich.
Denn der Kläger ist bezogen auf den Anspruch der Verstorbenen Hilfebedürftigen auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII nicht deren Rechtsnachfolger geworden. Gem. § 19 Abs. 6 SGB XII steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Es handelt sich um einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis (vgl. Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. (2014), § 19 SGB XII, Rn. 47, m.w.N. zur Rspr. des BSG). Ein Anspruch auf Bescheidung eines Antrags auf Hilfe zur Pflege bestünde daher lediglich vonseiten des Pflegeheims. Soweit der Kläger vorträgt, Beiträge für die Kranken– und Pflegeversicherung seien nicht von dieser cessio legis umfasst und der Kläger sei insoweit Sonderrechtsnachfolger, ist die Herleitung eines Anspruchs nicht nachvollziehbar, da die Beiträge zu der Kranken- und Pflegeversicherung unstreitig von dem Konto der Hilfebedürftigen abgebucht wurden und keine Beitragsrückstände bestehen.
Weiterhin würde, unterstellt, die Klage wäre nicht bereits mit Schriftsatz vom 24.07.2015 zurückgenommen worden, die mit Schriftsatz vom 21.10.2015 erklärte Klageerweiterung auf Bescheidung des Widerspruchs der Hilfebedürftigen vom 14.08.2015 gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2015 eine unzulässige Klageänderung darstellen. Eine Klageänderung liegt im Falle einer Klageerweiterung vor, wenn das bisherige Begehren durch ein inhaltlich anderes ersetzt oder ein weiteres Klagebegehren einbezogen wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 99 SGG, Rn. 2a, m.w.N.). Letztere ist vorliegend der Fall. Gem. § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Der Beklagte hat der der Änderung der Klage nicht zugestimmt, sondern hat mit Schreiben vom 04.11.2015 auf die Unzuständigkeit des Sozialgerichts verwiesen. Die Klageänderung wäre auch nicht sachdienlich, da Gegenstand des Bescheides vom 16.07.2015 die Gewährung von Pflegewohngeld nach dem APG NRW ist. Für Rechtsstreitigkeiten über das APG NRW ist jedoch gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Eine Klageänderung ist aber nicht sachdienlich, wenn über eine geänderte Klage mangels Prozessvoraussetzung sachlich nicht entschieden werden könnte (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 10a, m.w.N.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger im Wege einer Untätigkeitsklage die Bescheidung eines Antrags auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) sowie die Bescheidung eines Widerspruchs gegen eine Entscheidung über Pflegewohngeld nach dem Alten– und Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG NRW).
Der Kläger ist der Ehegatte der am 11.10.2015 verstorbenen xxx (im Folgenden: Hilfebedürftige), die am 26.05.2014 die Übernahme ungedeckter Heimkosten bei der Stadt beantragte, welche den Antrag nebst Unterlagen an den Beklagten weiterleitete. Der Beklagte bat die Hilfebedürftige hierauf zum Zwecke der Einkommens– und Vermögensprüfung mit Schreiben vom 30.06.2014, auf das Bezug genommen wird, um Vorlage verschiedener Unterlagen.
Die Hilfebedürftige hat am 13.07.2015 Untätigkeitsklage erhoben. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 16.07.2015 Pflegewohngeld nach dem APG NRW rückwirkend ab dem 01.07.2014 bewilligt hatte, hat die Hilfebedürftige mit Schreiben vom 24.07.2015 unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 16.07.2015 den "Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt" erklärt. Mit weiterem Schriftsatz vom 26.07.2015 hat die Hilfebedürftige die Anfechtung dieser Erledigungserklärung mit der Begründung erklärt, dass sich der Bescheid vom 16.07.2015 auf Leistungen des Pflegewohngeldes bezogen habe, die Untätigkeitsklage jedoch auf Leistungen nach dem SGB XII bezogen sei, weshalb die Fortsetzung der Untätigkeitsklage beantragt werde.
Mit Schreiben vom 20.10.2015 hat der Kläger erklärt, den Rechtsstreit "als Sonderrechtsnachfolger im materiellen Recht Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 SGB I – nicht als gesetzlicher Erbe nach dem BGB" fortzuführen. Mit Schreiben vom 21.10.2015 hat der Kläger die Klage auf eine Bescheidung eines Widerspruchs der Hilfebedürftigen vom 14.08.2015 gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2015 erweitert.
Der Kläger ist der Ansicht, sämtliche Mitwirkungspflichten seien erfüllt. Von dem Konto der Hilfebedürftigen seien monatliche Beiträge zu einer freiwilligen Krankenversicherung bei der AOK gezahlt worden. Diese Kosten seien mittels der Sonderrechtsnachfolge Gegenstand der Untätigkeitsklage und würden von dem Kläger geltend gemacht. Bei dem Antrag bezüglich der Entscheidung über den Widerspruch vom 14.08.2015 gegen den Bescheid vom 16.07.2015 handele es sich um keine Klageänderung im Sinne des § 99 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), sondern um eine Klageerweiterung im Sinne des § 56 SGG.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Beklagten zu verpflichten, über den Ausgangsantrag vom 26.05.2014 sowie über den Widerspruch vom 14.08.2015 gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2015 zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er führt an, dass für die Nichtbescheidung des Antrags auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten zureichende Gründe bestünden, da die Hilfebedürftige beihilfeberechtigt gewesen sei. Um den Sachverhalt bzw. die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Hilfebedürftigen vollständig aufzuklären, seien seitens des Beklagten immer wieder Unterlagen angefordert worden. Nach telefonischer Auskunft der AOK, bei der die Hilfebedürftige freiwillig versichert gewesen sei, bestünden dort keine Beitragsrückstände. Bzgl. der begehrten Entscheidung betreffend das Pflegewohngeld sei das angerufene Gericht unzuständig.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte in dem erledigten Eilverfahren S 48 SO 344/14 ER (L 20 SO 388/15 ER) sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Leistungsakten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.
II. Die Klage ist unzulässig.
a) Die Klage wurde mit Schriftsatz vom 24.07.2015 gem. § 102 Abs. 1 SGG zurückgenommen. Die Mitteilung, dass der "Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt" erklärt werde, ist als Klagerücknahme zu verstehen. Gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG erledigt die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache. Die Klagerücknahme kann grundsätzlich nicht widerrufen und nicht angefochten werden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. (2014), § 102 SGG, Rn. 7c). Ein Widerruf ist nur unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme der §§ 179, 180 SGG möglich, die offensichtlich nicht vorliegen. Der von dem Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 26.07.2015 angeführte Umstand, die Untätigkeitsklage sei auf Leistungen nach dem SGB XII bezogen gewesen und der Bescheid vom 16.07.2015, der Motiv für die Klagerücknahme gewesen sei, habe Leistungen des Pflegewohngeldes zum Gegenstand gehabt, führt nicht zu einer Unwirksamkeit der Klagerücknahme. Denn eine Klagerücknahme ist nach allgemeiner Ansicht auch dann unwiderruflich, wenn sie auf Grund eines für das Gericht und den Verfahrensgegner offensichtlichen Irrtums des Rechtsmittelführers über tatsächliche oder rechtliche Umstände erklärt wurde (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 85). Ein Irrtum über das Motiv der Klagerücknahme führt mithin nicht zu ihrer Unwirksamkeit. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Hilfebedürftige von einem Rechtsanwalt vertreten wurde. Dieser Umstand steht auch einer Auslegung des Schriftsatzes vom 26.07.2015 als neue Untätigkeitsklage entgegen. Denn nach Auffassung der Kammer hätte es bei einer anwaltlichen Vertretung einer ausdrücklichen Erklärung einer neuen Klageerhebung bedurft. Darüber hinaus wäre eine solche erneute Untätigkeitsklage - mangels Klagefrist - nach zutreffender Ansicht ohnehin ausgeschlossen (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 11, m.w.N.). Wird die Klage trotz Rücknahme fortgesetzt und der Klageantrag aufrechterhalten, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, denn die ursprünglich zulässige Klage ist durch die Klagerücknahme unzulässig geworden (vgl. Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl., 15. Nachtrag, § 102 SGG, Anm. 4a, m.w.N.).
b) Aber selbst wenn man davon ausginge, die Klage sei nicht gem. § 102 Abs. 1 SGG zurückgenommen worden und das Klageverfahren sei infolgedessen nicht erledigt, würde sich die Untätigkeitsklage ebenfalls als unzulässig erweisen. Zwar kommt es für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage grundsätzlich nicht darauf an, ob der Kläger einen Anspruch in der Sache selbst hat (vgl. etwa BSG, Urteil vom 13.07.2010, B 8 SO 11/09 R, Rn. 11, wonach auch die Frage der Aktivlegtitimation eine Frage der Begründetheit und damit im Rahmen der Untätigkeitsklage grds. unbeachtlich ist). Anders liegt es aber dann, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch offensichtlich unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausscheidet (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 88 SGG, Rn. 4a). Denn ein Anspruch auf sachliche Bescheidung i.S.d. § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG besteht nicht, wenn der beantragte Bescheid keine materiell-rechtlichen Rechtswirkungen für den Kläger haben kann, da "das Recht auf Bescheidung" nicht Selbstzweck ist, sondern der Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche dient (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil vom 26.11.1997, L 4 KR 99/96, Rn. 18). Nach diesen Maßgaben ist ein materiell-rechtlicher Anspruch des Klägers auf Leistungen der Hilfe zur Pflege unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ersichtlich.
Denn der Kläger ist bezogen auf den Anspruch der Verstorbenen Hilfebedürftigen auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII nicht deren Rechtsnachfolger geworden. Gem. § 19 Abs. 6 SGB XII steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Es handelt sich um einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis (vgl. Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. (2014), § 19 SGB XII, Rn. 47, m.w.N. zur Rspr. des BSG). Ein Anspruch auf Bescheidung eines Antrags auf Hilfe zur Pflege bestünde daher lediglich vonseiten des Pflegeheims. Soweit der Kläger vorträgt, Beiträge für die Kranken– und Pflegeversicherung seien nicht von dieser cessio legis umfasst und der Kläger sei insoweit Sonderrechtsnachfolger, ist die Herleitung eines Anspruchs nicht nachvollziehbar, da die Beiträge zu der Kranken- und Pflegeversicherung unstreitig von dem Konto der Hilfebedürftigen abgebucht wurden und keine Beitragsrückstände bestehen.
Weiterhin würde, unterstellt, die Klage wäre nicht bereits mit Schriftsatz vom 24.07.2015 zurückgenommen worden, die mit Schriftsatz vom 21.10.2015 erklärte Klageerweiterung auf Bescheidung des Widerspruchs der Hilfebedürftigen vom 14.08.2015 gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2015 eine unzulässige Klageänderung darstellen. Eine Klageänderung liegt im Falle einer Klageerweiterung vor, wenn das bisherige Begehren durch ein inhaltlich anderes ersetzt oder ein weiteres Klagebegehren einbezogen wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 99 SGG, Rn. 2a, m.w.N.). Letztere ist vorliegend der Fall. Gem. § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Der Beklagte hat der der Änderung der Klage nicht zugestimmt, sondern hat mit Schreiben vom 04.11.2015 auf die Unzuständigkeit des Sozialgerichts verwiesen. Die Klageänderung wäre auch nicht sachdienlich, da Gegenstand des Bescheides vom 16.07.2015 die Gewährung von Pflegewohngeld nach dem APG NRW ist. Für Rechtsstreitigkeiten über das APG NRW ist jedoch gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Eine Klageänderung ist aber nicht sachdienlich, wenn über eine geänderte Klage mangels Prozessvoraussetzung sachlich nicht entschieden werden könnte (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 10a, m.w.N.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
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