S 12 KA 448/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 448/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung ist nach den allgemeinen für das intertemporale Sozialrecht geltenden Grundsätzen zu bestimmen, wenn das Gesetz keine ausdrückliche Übergangsregelung enthält. Dies gilt auch für die Erweiterte Honorarverteilung (EHV) der KV Hessen (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 02.12.2015 - S 12 KA 17/15 -).
2. Die zum 01.07.2012 in der EHV eingeführte Zurechnungszeit gilt nur dann, wenn der Eintritt der Berufsunfähigkeit nach dem 30.06.2012 erfolgt ist, unabhängig davon, wann der Antrag gestellt wird. Auch durch einen Leistungsverzicht kann der Zeitpunkt der Berufsunfähigkeit nicht beeinflusst werden, da es sich um eine tatsächliche Feststellung handelt, die vom Willen der Beteiligten unabhängig ist.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Anspruchs auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten ab dem 01.06.2012 und hierbei um die Frage, ob eine Zurechnungszeit nach der ab 01.07.2012 geltenden Neufassung der Grundsätze der EHV anzuerkennen ist.

Der 1955 geb. und jetzt 60-jährige Kläger war seit 01.01.1992 als Facharzt für Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er beendete seine Zulassung aufgrund Verzichts zum 31.03.2009.

Der Kläger stellte mit Antrag vom 29.04.2012, bei der Beklagten am 02.05.2012 eingegangen, den Antrag auf Anerkennung der Berufsunfähigkeit und Teilnahme an der EHV unter Hinweis auf eine anhaltende psychische Störung mit Angstzuständen, Panikreaktionen und Depressionen. Die Beklagte holte bei dem Arzt für Neurologie/Psychiatrie C. ein nervenärztliches Gutachten mit Datum vom 29.06.2012 ein. Mit Bescheid vom 27.08.2012 lehnte sie den Antrag auf Teilnahme an der EHV ab, weil Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 09.10.2012 Widerspruch ein unter Hinweis auf das dem Versorgungswerk der Landesärztekammer vorliegende Gutachten vom 31.08.2012. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. RA. mit Datum vom 07.01.2014 ein. Die Beklagte hob dann mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 den ablehnenden Bescheid vom 27.08.2012 auf und bewilligte dem Kläger die Teilnahme an der EHV wegen Berufsunfähigkeit ab dem 01.06.2012.

Die Beklagte bezog den Kläger mit Bescheid vom 11.04.2014 wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend ab dem 01.06.2012 in die EHV ein und führte die Berechnung des Anspruchs nach den bis zum 30.06.2012 geltenden Grundsätzen der EHV durch. Sie setzte die monatliche EHV-Zahlung ab dem 01.04.2014 auf monatlich 1.437,17 EUR (Brutto) fest. Für das 2. Quartal ergebe sich ein Guthaben von 1.405,20 EUR abzgl. 36,96 EUR Verwaltungskosten und für den Zeitraum Juli 2012 bis März 2014 betrage das Guthaben 29.730,81 EUR abzgl. 813,42 EUR Verwaltungskosten. Der Kläger habe bis zum 31.03.2009 in 17 ¼ Jahren 8.320,4249 Punkte und damit einen Anspruchssatz von 11,4153 % erreicht. Nach § 4 GEHV - vorzeitiger Verzicht - werde der Anspruchssatz für jedes volle Jahr zwischen Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit und dem Eintritt der EHV um 0,5 % gekürzt, weshalb sich der Anspruch des Klägers um 1,5 % auf 11,2441 % verringere. Nach der Übergangsregelung in § 10 Abs. 5 der zum 01.07.2012 in Kraft getretenen GEHV werde der bisher erworbene Anspruchssatz nach der bis dahin geltenden Normalstaffel in Punkte umgewandelt. Hieraus folge ab 01.07.2012 ein EHV-Anspruch in Höhe von 7.497 Punkten. Multipliziert mit dem maßgeblichen Punktwert von 0,1917 EUR ergebe dies den festgesetzten Monatsbetrag

Der Kläger bat unter Datum vom 15.04.2014 um Auskünfte zur Berechnung. Ferner machte er geltend, dass ihm die Zurechnungszeit zustehe, auch wenn diese erst mit der Neufassung der GEHV in Kraft getreten sei. U.U. wäre er bereit, auf Auszahlung der ersten Leistung für Juni 2012 zu verzichten.

Die Beklagte teilte dem Kläger unter Datum vom 08.05.2014 u. a. mit, die ab 01.07.2012 gültige Satzung beinhalte eine grundlegende Reform der EHV, u. a. eine bessere Absicherung von Vertragsärzten, die vor Vollendung ihres 60. Lebensjahres berufsunfähig würden. Diese Satzungsregelung finde aber erst nach Inkrafttreten ab 01.07.2012 Anwendung.

Gegen den Bescheid vom 11.04.2014 legte der Kläger am 13.05.2014 wegen der Nichtberücksichtigung der Zurechnungszeit Widerspruch ein. Er trug vor, er habe bereits angeboten, den Beginn der Teilnahme an der EHV um einen Monat zu verschieben. Noch im August 2012, also nach Geltung der Neufassung der GEHV, habe der Vorstand der Beklagten seinen Antrag auf Teilnahme an der EHV abgelehnt. Er stelle auch die Rechtmäßigkeit der Anwendung der sog. Normalstaffel in Frage, so die Bewertung von 1.420,4249 Punkten zu 0,075 %.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2014 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, über die Frage des Zeitpunkts zur Einbeziehung in die EHV sei abschließend im vorausgegangenen Widerspruchsverfahren entschieden worden. Der Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 sei zwischenzeitlich bestandskräftig geworden. Der Anerkennung der Zurechnungszeit stehe § 11 GEHV entgegen, wonach eine Teilnahme an der EHV nach den neugefassten GEHV erstmals für das Quartal III/12 erfolge. Ferner erläuterte sie nochmals den Anspruchssatz und die Anspruchshöhe.

Hiergegen hat der Kläger am 06.10.2014 die Klage erhoben. Vor der Kammer haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 16.12.2015 sich darüber geeinigt, dass der Kläger über seinen Teilnahmeanspruch wegen des sog. Nachhaltigkeitsfaktors neu zu bescheiden und dieser nicht Gegenstand des Verfahrens ist.

Der Kläger trägt vor, er begehre die Berücksichtigung der Zurechnungszeit nach den ab 01.07.2012 geltenden Grundsätzen der EHV. Zudem basiere die Berechnung auf der Grundlage eines rechtswidrigen Nachhaltigkeitsfaktors. Er habe gegenüber der Beklagten auf Leistungen für den Monat Juni 2012 verzichtet mit der Folge, dass auf ihn die neuen Satzungsregelungen anwendbar seien. Der Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 sei nicht bestandskräftig geworden. Er habe bereits mit Schreiben vom 15.04.2014 Einwände erhoben. Es handele sich um ein Rechtsmittel gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014. Er habe die Freiheit darüber zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt er den Antrag stelle. Bei späterer Antragstellung verliere er lediglich Leistungsansprüche in der Vergangenheit. Die Beklagte hätte ihn auf die Änderung der EHV aufmerksam machen müssen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2014 und den Bescheid vom 12.03.2014, soweit sie noch Gegenstand des Verfahrens sind, abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Berücksichtigung der Zurechnungszeit aus der EHV höhere Leistungen ab 01.08.2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Klage sei unzulässig. Sie habe den Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 in die EHV einbezogen, dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden. Die Anwendung der vom Kläger begehrten Satzungsregelung komme nicht in Betracht, da diese zum 01.06.2012 noch nicht gültig gewesen sei. Die Anpassung aufgrund der Übergangsregelung nach § 10 GEHV sehe eine Zurechnungszeit nicht vor. Das Schreiben des Klägers vom 15.04.2014 könne nicht als Klage angesehen werden.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 ist unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig.

Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 ist verfristet, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist nach § 87 SGG erhoben wurde. Das Schreiben des Klägers vom 15.04.2014 ist keine Klageschrift. Mit dem Anerkenntnis im Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 hat die Beklagte über den Beginn der Teilnahme an der EHV und damit auch über das anzuwendende Recht entschieden. Der Kläger hat dies nicht angegriffen. Hierzu hätte er gemäß der zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung Klage beim Sozialgericht erheben müssen oder zumindest gegenüber der Beklagten eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er mit dem Beginn der Teilnahme an der EHV bzw. dem Zeitpunkt der Berufsunfähigkeit nicht einverstanden ist. Klage hat er nicht erhoben. Unter Datum vom 15.04.2014 hat er um Auskünfte zur Berechnung gebeten. Soweit er geltend gemacht hat, dass ihm die Zurechnungszeit zustehe, auch wenn diese erst mit der Neufassung der GEHV in Kraft getreten sei, hat er sich nicht gegen den Beginn der Teilnahme an der EHV gewandt, sondern lediglich geltend gemacht, die Neuregelung der Zurechnungszeit müsse auf ihn angewandt werden. Dem Kläger war ferner aufgrund der Rechtsmittelbelehrung und seiner Erfahrung aus früheren Prozessen bekannt, dass eine Klage bei Gericht einzureichen ist. Auch wandte sich der Kläger mit seinen Einwände nicht gegen die Bewilligung der Teilnahme an der EHV ab 01.06.2012. Der Kläger nahm nur Bezug auf das Schreiben bzw. den Bescheid der Beklagten vom 11.04.2014 und wandte sich im Einzelnen gegen die Berechnung des EHV-Anspruchs, soweit sie ihm unverständlich erschien. Der Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 ist auch nicht Gegenstand der Klageschrift. Eine Klageänderung oder Klageerweiterung (§ 99 SGG) kommt nicht in Betracht, da dadurch die Klagefrist umgangen würde.

Die Klage ist aber, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 11.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2014 ist, soweit er noch Gegenstand des Verfahrens ist, rechtmäßig. Er war daher nicht abzuändern oder aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen aus der EHV unter Berücksichtigung der Zurechnungszeit. Die Klage war abzuweisen.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Kläger auf Teilnahme an der EHV sind die ab 01.07.2006 gültigen Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung in der ab Oktober 2011 gültigen Fassung (im Folgenden: GEHV 2011). Die durch Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten in den Sitzungen vom 10.03.2012 und 12.05.2012 mit Wirkung zum 01.07.2012 verabschiedeten und von dem aufsichtführenden Sozialministerium des Landes Hessen mit Schreiben vom 25.05.2012 genehmigte Fassung, veröffentlicht in info.doc Nr. 3, Juni 2012, sowie als EHV-Aktuell Rundschreiben vom Juni 2012 (im Folgenden: GEHV 2012) ist nicht anzuwenden, da Berufsunfähigkeit des Kläger bereits zuvor (im Mai 2012) eingetreten war.

Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung bestimmt sich nach den allgemeinen für das intertemporale Sozialrecht geltenden Grundsätzen, wenn das Gesetz keine ausdrückliche Übergangsregelung enthält. Eine Neuregelung ist danach nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht haben (vgl. BSG, Urt. v. 22.6.2010 - B 1 KR 29/09 R - SozR 4-2500 § 275 Nr. 4 = ZMGR 2010, 381 = NZS 2011, 336, juris Rdnr. 13 f.). Allgemein gilt im Sozialversicherungsrecht daher das Leistungsfall- bzw. Versicherungsfallprinzip. Es ist nur dann nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt (vgl. BSG, Urt. v. 04.09.2013 - B 10 EG 6/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr. 24, juris Rdnr. 38 m.w.N.). Ausdruck des Versicherungsfallprinzips ist z. B. § 75 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, und es wird zwischen Stammrecht und Zahlungsanspruch unterschieden (vgl. LSG Hamburg, Urt. v. 05. 09.2012 - L 2 R 50/10 - juris Rdnr. 22; Blüggel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 75 SGB VI Rdnr. 13). Die Grundsätze des intertemporalen Rechts gelten auch allgemein im Vertragsarztrecht. Für die rechtliche Beurteilung kommt es maßgeblich auf das jeweils geltende Recht an (vgl. BSG, Urt. v. 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 49 = GesR 2015, 234, juris Rdnr. 28 ff.). Im Bereich der EHV ist ebf. zwischen dem Stammrecht bzw. der Anwartschaft als erworbenem "Anspruch auf Teilhabe in einem bestimmten Umfang" und dem konkreten Auszahlungsbetrag zu unterscheiden (vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2014 - B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 79, juris Rdnr. 51; s. auch BSG, Urt. v. 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris Rdnr. 53). Weder die GEHV 2011 noch die GEHV 2012 regeln in gesonderten Bestimmungen, welches Recht anzuwenden ist. § 12 GEHV 2011 bzw. § 11 GEHV 2012 regeln nur den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Die Übergangsregelung nach § 10 GEHV 2012 betrifft lediglich die Umrechnung der bisher bestehenden Anwartschaften und Ansprüche. Maßgeblich für das Bestehen einer Anwartschaft ist daher allein das EHV-Satzungsrecht der Beklagten, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit gegolten hat (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 02.12.2015 - S 12 KA 17/15 -).

Die Beklagte geht davon aus, dass Berufsunfähigkeit des Klägers zum Antragszeitpunkt im Mai 2012 und damit vor Inkrafttreten der GEHV 2012 eingetreten ist. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 die Teilnahme an der EHV wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend ab dem 01.06.2012 anerkannt. Auch nach § 1 Abs. 5 GEHV 2011 besteht der Anspruch auf Teilnahme an der EHV für den Vertragsarzt ab dem Ersten des Monats, der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgt. Mit dem Anerkenntnis im Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 hat die Beklagte über den Beginn der Teilnahme an der EHV und damit auch über das anzuwendende Recht entschieden. Der Kläger hat, wie bereits ausgeführt, dies nicht angegriffen. Soweit der Kläger einen Verzicht auf Auszahlung der ersten Leistung für Juni 2012 angeboten hat, kommt es hierauf nicht an. Auch durch einen Leistungsverzicht könnte der Zeitpunkt der Berufsunfähigkeit nicht beeinflusst werden, da es sich um eine tatsächliche Feststellung handelt, die vom Willen der Beteiligten unabhängig ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Annahme einer Berufsunfähigkeit zum Antragszeitpunkt Mai 2012 fehlerhaft sein sollte. Diese wird insoweit vom Kläger auch nicht angegriffen. Die medizinischen Unterlagen deuten im Hinblick auf längere Krankheitsgeschichte des Klägers eher auf einen früheren als einen späteren Leistungsfall hin, so dass die Kammer keine Notwendigkeit sah, weitere Ermittlungen anzustellen. Von daher wäre die Klage auch bei Einbeziehung des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 ohne Erfolg geblieben.

Jedes zugelassene ärztliche Mitglied der KV Hessen nimmt auch im Falle der Anerkennung seiner Berufsunfähigkeit und/oder nach Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung (inaktiver Vertragsarzt) weiterhin an der Honorarverteilung im Rahmen dieser Bestimmungen der EHV teil. Der Anspruch errechnet sich nach den nachfolgenden Bestimmungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 GEHV 2011). Die Teilnahme an der EHV beginnt ohne Antrag für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres folgt (§ 1 Abs. 2 GEHV 2011). Die Teilnahme an der EHV ist im Übrigen zu beantragen. Wird ein Antrag auf Teilnahme an der EHV später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles gestellt, beginnen die Zahlungen vom Ersten des auf den Eingang des Antrages folgenden Monats (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 GEHV 2011). Der Anspruch auf Teilnahme an der EHV besteht für den Vertragsarzt ab dem Monatsersten, der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgt (§ 1 Abs. 3 Satz 5 GEHV 2011). Die Teilnahme an der EHV setzt ferner voraus:
a) eine vorausgegangene Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in eigener Praxis nach rechtskräftiger Zulassung im Bereich der KV Hessen,
b) Rechtskraft des Verzichts auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit oder Tod des Vertragsarztes, wobei ein Verzicht auf die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht erforderlich ist, wenn weiterhin die Tätigkeit als Vertragsarzt oder angestellter Arzt eines vertragsärztlichen Leistungserbringers ausgeübt und eine Teilnahme an der EHV beantragt wird,
c) vor der Vollendung des 65. Lebensjahres zusätzlich die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes.

Die Unfähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes (Berufsunfähigkeit) liegt dann vor, wenn dem Arzt unter Berücksichtigung seines Alters und aller sonstigen Umstände eine fortlaufende ärztliche Tätigkeit, sei es z. B. als angestellter Arzt oder in einem anderen Fachgebiet - gegebenenfalls auch nach einer Umschulungsfrist -, nicht zugemutet werden kann. Die Berufsunfähigkeit wird in der Regel durch zwei unabhängige Gutachter festgestellt. Die Gutachter sollen Mitglieder der KV Hessen sein; sie werden vom Vorstand der KV Hessen benannt. Der Vorstand der KV Hessen kann im Einzelfall beschließen, dass auch Nichtmitglieder der KV Hessen die Begutachtung durchführen können. Der antragstellende Arzt kann für die Erstbegutachtung von mehreren ihm vom Vorstand der KV Hessen benannten Gutachtern einen Gutachter seiner Wahl bestimmen. Der Vorstand der KV Hessen kann im Zweifelsfall ein Obergutachten einholen. Soweit ein Arzt bereits Bezüge aus der EHV wegen Berufsunfähigkeit vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze erhält, kann die KV Hessen die Fortdauer der Berufsunfähigkeit durch erneute Begutachtung durch zwei Gutachter überprüfen lassen (§ 2 Abs. 3 GEHV 2011).

Der Kläger ist, wie bereits ausgeführt, berufsunfähig seit Mai 2012. Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Teilnahme ist der auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgende Monat, da der Kläger den Antrag nicht mehr als drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit gestellt hat § 1 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Satz 1 GEHV 2011). Diese Regelung gilt im Übrigen auch nach der GEHV 2012 (§ 1 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 Satz 2 GEHV 2012).

Mit einem späteren Antrag kann danach nur der Beginn der Teilnahme an der EHV beeinflusst werden, nicht aber der Eintritt der Berufsunfähigkeit und damit der Leistungsfall bzw. die Frage des anzuwendenden Rechts.

Letztlich scheitert der Anspruch an der berufspolitischen Entscheidung der Beklagten, die Einführung der Zurechnungszeit nicht auf "Altfälle", also auf Fälle einer vor dem 01.07.2012 eingetretenen Berufsunfähigkeit auszudehnen. Eine Entscheidung hierüber gehört zum Gestaltungsspielraum der Vertreterversammlung als Satzungsgeberin. Einen Anspruch hierauf hat der Kläger aber nicht. Der Kläger hat seine Anwartschaft ohne eine solche Zurechnungszeit erworben. Fälle später eingetretener Berufsunfähigkeit können auch zu Nachteilen führen, da z. B. die Abschlagsregelung bei vorzeitiger Inanspruchnahme gilt. Eine gleichheitswidrige Benachteiligung ist nicht zu erkennen.

Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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