S 12 KA 827/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 827/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Es besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einer Zulassungsentziehung, weder im Sinne einer Vorgreiflichkeit noch im Sinne einer rechtlichen Bedeutung, der eine Aussetzung des Verfahrens gebietet.
2. Der Gesichtspunkt der Prozessökonomie ermöglicht keine Aussetzung des Verfahrens, jedenfalls wenn sich die Verwaltungsentscheidung ausschließlich auf die Einlassung des Klägers bezieht, weitere Ermittlungsoptionen nicht ersichtlich sind und es an einem substantiierten Vortrag fehlt, welche noch von staatsanwaltschaftlicher Seite zu ermittelnden Tatsachen von Bedeutung sein sollen.
Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vom 22.02.2016 wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Aussetzung des Verfahrens im Rahmen eines Rechtsstreits über seine Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung aufgrund des ihm vorgeworfenen Abrechnungsbetrugs.

Der 1964 geb. und jetzt 51-jährige Kläger ist als Zahnarzt seit 01.04.1999 zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Unter Datum vom 20.07.2015 stellte die Beigeladene zu 1) beim Zulassungsausschuss für Zahnärzte den Antrag, dem Kläger die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zu entziehen. Zur Begründung ihres Antrags wies sie auf eine beigefügte Strafanzeige ihres Vorstands wegen des Verdachts auf einen fortgesetzten Abrechnungsbetrug in einem besonders schweren Fall hin. Auslöser hierfür seien Aussagen des Zeugen und Zahnarztes Dr. C. und der Zeugin und ehemaligen Zahnarzthelferin D. sowie eine Mitteilung der IKK Süd-West gewesen. Im Anschluss von Durchsuchungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft habe der Kläger ihr gegenüber mit Schreiben vom 19.06.2015 eingeräumt, dass es zu einem Schaden in den Jahren 2014 und 2015 im Bereich des Zahnersatzes in Höhe von 469.592,96 EUR gekommen sei. In einer E-Mail an sie habe der Kläger ferner eingeräumt, dass es auch im Bereich der konservierenden-chirurgischen Leistungen/Begleitleistungen, KB und PAR zu Schäden gekommen sei, im Bereich KB zu einem Schaden in Höhe von 47.711,37 EUR und im Bereich PAR von 104.685,25 EUR.

Der Zulassungsausschuss lud den Kläger zu einer mündlichen Verhandlung am 02.09.2015, an der der Kläger nicht teilnahm.

Der Zulassungsausschuss entzog dem Kläger mit Beschluss vom 02.09.2015 die Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung gem. § 27 Satz 2 Ärzte-ZV in Verbindung mit § 95 Abs. 6 SGB V.

Hiergegen legte der Kläger am 12.10.2015 Widerspruch ein. Er trug vor, leider habe er durch einen internen Postverwaltungsfehler die Anhörung versäumt. Er habe die Abrechnung nach 15 anstandslosen Jahren durch plötzlich starkes Wachstum sowohl intern als auch extern an Dritte vergeben. Er habe nach Inbetriebnahme der Abrechnungssoftware Z1 die Eigenlaborabrechnung gewählt, da dort die Fremdlaborabrechnung mit XML-Datei sehr kompliziert sei. Er sei seinerzeit davon ausgegangen, dass wegen der niedrigeren Preise des Eigenlabors kein Verstoß gegen die peinlich genaue Abrechnung bestehe. Er habe sich nicht selbst bereichert. Das ganze Geld habe er in die neue Praxisausstattung gesteckt. Er wohne in einer 640 EUR teuren Mietwohnung und fahre nicht einmal ein Auto. Er sei seit 16 Jahren nicht in Urlaub gewesen und lebe bescheiden und zurückgezogen. Durch die Einführung der Abrechnungssoftware Z1 und das rasante Wachstum habe er seine neuen Mitarbeiter und eine externe Dienstleisterin auf Basis von Computereintragungen beauftragt, Pläne abzurechnen, die aufgrund von telefonischen Zusagen der Krankenkassen gemacht worden seien. Er habe die Kontrolle über die Abrechnung verloren und nicht mehr gewusst, was abgerechnet werden könne und was nicht. Durch einen Bedienungsfehler, der an der Menüauswahl des Programms liege, sei die Abrechnung ausgelöst worden. Dieser Fehler sei bisher nicht behoben worden, er korrigiere ihn aber mittlerweile fast täglich. Er habe inzwischen sämtliche interne und externe Abrechnungskräfte aus der Praxis entfernt und rechne selbst ab. Es habe keine Absicht oder Systematik der bewussten Falschabrechnung vorgelegen. Er widerspreche einem Vorwurf des Abrechnungsbetrugs in einem besonders schweren Fall, räume aber Fahrlässigkeit ein. Den Abrechnungsschaden von ursprünglich 621.000 EUR habe er inzwischen auf 190.000 EUR reduziert. Dies belege seine Wiedergutmachungsabsicht und die Wiederherstellungsabsicht des Vertrauens. Er bitte um eine mildere Maßnahme. Die Entziehung bedeute für ihn einen Härtefall und sei mit der Aufgabe der Praxis verbunden.

Der Beklagte lud den Kläger zu einer mündlichen Verhandlung am 13.11.2016, an der der Kläger teilnahm.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 13.11.2016, ausgefertigt am 24.11. und dem Kläger am 25.11.2015 zugestellt, den Widerspruch zurück und bestätigte den Entzug der Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung. Er führte aus, in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger eingeräumt, dass das gesamte Praxismanagement durch den von ihm eingesetzten Praxismanager geleitet worden sei, der immer mehr die Praxisleitung an sich gezogen habe. Die in den beiden Excel-Tabellen farbig markierten abgerechneten Leistungen seien zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Abrechnung geeignet gewesen. Der Kläger habe gegen das Gebot der peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Er habe fortgesetzt und massiv, wie der Kläger selbst einräume, in einer Vielzahl von Fällen gegen die Verpflichtung, nur bereits erbrachte Leistungen zur Abrechnung zu bringen, verstoßen. Auf eine spätere "Nachholbarkeit" der Leistung komme es nicht an, da dies oft von Zufällen abhänge. Er gehe entsprechend dem Eingeständnis davon aus, dass vom Kläger die in den beiden Excel-Listen farbig markierten Leistungen abgerechnet worden seien, obwohl sie nicht zu diesem Zeitpunkt vollständig erbracht worden seien. Insofern stehe nicht zuletzt aufgrund des Eingeständnisses des Klägers fest, dass er in erheblichem Maße gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten verstoßen habe. Hierfür sei er verantwortlich. Bei einer Beauftragung Dritter habe er diese zu kontrollieren. Ein Verschulden sei keine Voraussetzung für eine Entziehung. Angesichts der vielfältigen Verstöße innerhalb von nicht einmal zwei Jahren, was sich nicht mehr als zufällig fehlerhaftes Abrechnungsgebaren darstellen lasse, sei das Vertrauen der Beigeladenen zu 1) in eine korrekte Abrechnungsweise beim Kläger nachhaltig zerstört. Die Beigeladene zu 1) sei lediglich durch einen Zufall auf die Abrechnungsverstöße aufmerksam geworden. Der Kläger habe dann unter dem Druck des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sein Abrechnungsgebaren offen gelegt. Auch den Krankenkassen könne nicht zugemutet werden, das Risiko einer weiteren Vertiefung des Schadens einzugehen. Der Kläger habe auch nicht unverzüglich die Mitarbeit des Praxismanagers beendet, sondern erst eine Woche vor der mündlichen Verhandlung. Ein Vertrauen könne hierdurch nicht wenige Monate nach Aufdeckung wieder hergestellt werden. Ein Ruhen der Zulassung sei nicht angezeigt, da der Kläger dann nach zwei Jahren ohne weitere Prüfung seiner Eignung wieder an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmen könne. Aufgrund der massiven Abrechnungsmanipulationen innerhalb kurzer Zeit könne der Kläger als Vertragszahnarzt nicht mehr weiter tätig werden. Es bedürfe ggf. einer sorgfältigen Prüfung, ob der Kläger seine Eignung wiedererlangt habe. Selbst wenn der Kläger die Erlöse in die Praxis reinvestiert habe, sei ihm ein unmittelbarer Vermögensvorteil erwachsen.

Hiergegen hat der Kläger am 23.12.2015 die Klage erhoben, die er bisher noch nicht begründet hat.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22.02.2016 hat der Kläger die Aussetzung des Verfahrens beantragt. es bestehe ein Gleichlauf der prozessökonomischen Zweckmäßigkeitserwägungen und Interessen des Klägers. Der Sachverhalt sei strafrechtlich noch nicht ausermittelt und infolgedessen wenig aussagekräftig. Dies betreffe insb. die Aussage zur Höhe eines Vermögensschadens. Durch eine Aussetzung würden parallele Ermittlungen und möglicherweise sogar abweichende Ermittlungsergebnisse vermieden werden. Die Förderung des Verfahrens ohne Aussetzung erscheine insoweit zweifelhaft. Eine Aussetzung entspreche zudem seinen Interessen, an der Sachverhaltsermittlung konstruktiv mitwirken zu können. Ein Abrechnungsbetrug sei die strafrechtliche Konsequenz eines Verstoßes gegen den vertragsarztrechtlichen Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung; es handele sich um einen sachlich nicht zu trennenden Lebenssachverhalt. Er habe den streitgegenständlichen Verstoß auch nicht im Sinne eines rechtlichen Schuldeingeständnisses "eingeräumt", wie dies der Beklagte wohl andeuten wolle. Es gelte der Amtsermittlungsgrundsatz.

Der Beklagte sieht die Voraussetzungen einer Aussetzung als nicht gegeben an. Der Entzug der Zulassung erfolge nicht wegen Vorliegens eines schweren Abrechnungsbetrugs, sondern wegen eines von dem Kläger eingeräumten schweren Verstoßes gegen den Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung.

Die Beigeladenen haben bisher keinen Antrag gestellt und sich auch schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 28.12.2016 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte sowie der weiter beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte zum Az.: 7 ER 171/15 - 1111 Js 22906/15 verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vom 22.02.2016 war abzulehnen.

Als Rechtsgrundlage für eine Aussetzung kommt § 114 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Danach kann das Gericht, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung liegen danach nicht vor.

Gegen den Kläger läuft zwar ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug. Eine Aussetzung kommt bei entsprechender Anwendung der Vorschrift auch in Betracht, wenn - wie vorliegend - das Ermittlungsverfahren bereits vor Anhängigkeit der Klage eröffnet wurde (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, Komm., 11. Aufl. 2014, § 114 Rdnr. 114 m.w.N.). Die Aussetzung setzt aber darüber hinaus voraus, dass die strafrechtliche Ermittlung auf die Entscheidung des Gerichts von Einfluss ist. Dies ist zu verneinen.

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung aufgrund des dem Kläger vorgeworfenen Abrechnungsbetrugs. Rechtsgrundlage hierfür ist § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 Ärzte-ZV. Danach ist die Zulassung u. a. zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist dann auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann. Nicht erforderlich ist, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (vgl. zuletzt BSG, Beschl. v. 11.02.2015 - B 6 KA 37/14 B - juris. Rn. 11; BSG, Urt. v. 17.10.2012 B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rn. 21; BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rn. 33 u. 50 ff.; BSG, Urt. v. 17.06.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, juris Rn. 36 f.; BSG v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rn. 17 m.w.N.). Wegen der Schwere des Eingriffs ist die Entziehung selbst immer ultima ratio. Die Zulassungsentziehung darf unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. BSG, Urteil v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rn. 23). Vorrangig kommen insb. Disziplinarmaßnahmen in Betracht; insb. ist als milderes Mittel die Anordnung des Ruhens (vgl. 95 Abs. 5 SGB V) zu prüfen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rn. 13; LSG Berlin, Urt. v. 01.12.2004 - L 7 KA 13/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Bayern, Beschl. v. 14.01.2010 - L 12 KA 62/09 B ER - juris Rn. 18; SG Berlin, Urt. v. 07.09.2011 - S 83 KA 99/11 - juris Rn. 29 u. 34; SG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.06.2000 - S 28 KA 2499/99 - juris Rn. 25). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung nicht vollzogener Entziehungsentscheidungen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BSG, Urt. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rn. 11; BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rn. 20 ff.). Nach der Entscheidung des Berufungsausschusses liegende Umstände – wie eine Änderung des Verhaltens – können nur in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rn. 24 ff.). Eine Zulassungsentziehung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auf eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rn. 56 ff.).

Bei einem Verdacht auf Abrechnungsbetrügereien ist eine Übermittlung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 EGGVG bereits vor Erhebung der öffentlichen Klage rechtmäßig und kann die Verwendung der übermittelten Daten in dem Zulassungsentziehungsverfahren somit zulässig sein (vgl. BSG, Beschl. v. 09.04.2008 - B 6 KA 18/07 B - juris Rn. 9 ff.). Die Zulassungsgremien können vor einer Zulassungsentziehung den rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens abwarten. Die lange Dauer eines Strafverfahrens hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Zulassungsentziehung in der Sache. Sozialgerichte dürfen bei ihrer Feststellung, ob der Arzt sich als ungeeignet erwiesen hat, vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte und auch die Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten. Dagegen kann die Höhe der Strafe für die Entscheidung über die Entziehung der Zulassung bereits deshalb nicht unmittelbar herangezogen werden, weil es sich bei der Entziehung der Zulassung nicht um eine Strafe, sondern um eine Verwaltungsmaßnahme handelt, die dem verloren gegangenen Vertrauen in die Einhaltung der vertragsarztrechtlichen Pflichten Rechnung trägt und der Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung dient. Die Höhe der Strafe kann daher allenfalls Hinweise für die Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung geben. Letztlich ist aber auch diese Frage von den Zulassungsgremien und den Gerichten eigenständig zu beurteilen. Im Übrigen kann ein geringeres Strafmaß, dem ein kooperatives Verhalten des Angeklagten im Strafprozess zugrunde liegt, im sozialgerichtlichen Verfahren keine Berücksichtigung finden, wenn sich dieses Verhalten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht fortsetzt und wenn die Prognose eines künftig pflichtgemäßen Verhaltens auch aufgrund der fehlenden Einsicht des Arztes in sein Fehlverhalten nicht gestellt werden kann (vgl. BSG, Beschl. v. 02.04.2014 - B 6 KA 58/13 B - juris Rn. 14 ff. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen wird ersichtlich, dass ein zwingender Zusammenhang zwischen einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einer Zulassungsentziehung weder im Sinne einer Vorgreiflichkeit noch im Sinne einer rechtlichen Bedeutung besteht. Dies gilt auch für den Ausgang eines Strafverfahrens, bei dem insb. auch strafrechtliche Schuldgesichtspunkte von Bedeutung sind, wohingegen es im Zulassungsentziehungsverfahren lediglich auf eine objektive Pflichtverletzung, nicht aber auf ein Verschulden ankommt. Auch soweit sich die Zulassungsgremien auf Erkenntnisse eines Strafverfahrens stützen, müssen sie eine eigene Bewertung des Sachverhalts und der Pflichtverletzung vornehmen.

Auch der Gesichtspunkt der Prozessökonomie gebietet keine Aussetzung des Verfahrens. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, was von staatsanwaltschaftlicher Seite noch ermittelt werden soll, das für dieses Verfahren von Bedeutung ist (vgl. BSG, Beschl. v. 10.08.1990 - 5 BJ 252/89 - juris Rn. 5). § 114 Abs. 3 SGG dient lediglich der Erleichterung der tatsächlichen Aufklärung der rechtlich relevanten Umstände (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.05.2014 - L 4 KR 553/14 B - juris Rn. 17). Weitere Ermittlungsoptionen werden gegenwärtig nicht als notwendig angesehen. Der Beklagte hat sich im angefochtenen Beschluss vom 13.11.2016 ausschließlich hinsichtlich des Umfangs der fehlerhaften Abrechnung auf die Einlassungen des Klägers gestützt. So heißt es im Beschluss, er, der Beklagte, gehe entsprechend dem Eingeständnis des Klägers davon aus, dass vom Kläger die in den beiden Excel-Listen farbig markierten Leistungen abgerechnet worden seien, obwohl sie nicht zu diesem Zeitpunkt vollständig erbracht worden seien. Insofern stehe nicht zuletzt aufgrund des Eingeständnisses des Klägers fest, dass er in erheblichem Maße gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten verstoßen habe. Der Beklagte geht damit nicht von einem Schuldeingeständnis des Klägers aus, sondern lediglich von einem Zugeständnis der Tatsachengrundlage. Es bleibt letztlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu prüfen, ob die auf dieser Grundlage vorgenommenen Wertungen des Beklagten zu beanstanden sind. Im Übrigen kommt es, wie bereits ausgeführt, auf ein Verschulden nicht an. Ausgehend hiervon steht auch die Höhe des Vermögensschadens fest.

Im Übrigen sieht § 114 Abs. 3 SGG keine zwingende Aussetzung vor, sondern stellt die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts. Hierbei ist die hohe Grundrechtsrelevanz einer Zulassungsentziehung für den Kläger zu berücksichtigen, die ein zügiges Verfahren gebietet. Ebenso stark zu gewichten sind die Interessen der Beigeladenen, deren Vertrauen durch die fehlerhafte Abrechnung, die hier einen beträchtlichen Umfang und mehrere Quartale angedauert hat, gestört ist. Das vorgetragene Interesse des Klägers an einer Aussetzung, nämlich an der Sachverhaltsermittlung konstruktiv mitwirken zu können, erscheint demgegenüber äußerst gering. Der Kläger kann auch gegenwärtig an einer Sachverhaltsaufklärung mitwirken, wofür er im Übrigen bereits ein Jahr Zeit gehabt hat. Ferner fehlt es auch hier an einem Vortrag, welche weiteren Tatsachen der Kläger mitteilen will und weshalb dies bisher nicht geschehen konnte.

Nach allem war der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens abzulehnen.

Das Verfahren ist kostenfrei.
Rechtskraft
Aus
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