S 12 KA 779/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 779/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Bei dem Einbehalt des EHV-Beitrags im Honorarbescheid ab dem Quartal III/12 (hier: Quartale III und IV/14) handelt es sich um einen Realakt, mit dem die Umsetzung des Beitragsklassenbescheides vorgenommen wird. Eine Anfechtungsklage hiergegen ist unzulässig. Eine Rechtsschutzlücke entsteht hierdurch nicht, da der Rechtsweg jedenfalls gegen den Beitragsklassenbescheid eröffnet ist (vgl. bereits vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 06.02.2015 - S 12 KA 330/13 - juris Rdnr. 28, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 83/14 -; SG Marburg, Gerichtsb. v. 21.08.2015 - S 12 KA 208/14 und S 12 KA 209/14 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 36/15 und L 4 KA 37/15).
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 11.890,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Belastung des Honorars mit den EHV-Beiträgen für die EHV-Beitragsklasse 9 in den Honorarbescheiden für die Quartale III und IV/14 in Höhe von jeweils 5.945,00 EUR.

Die Klägerin ist seit 01.01.2008 als Fachärztin für Anästhesiologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Die Beklagte stufte mit Bescheid vom 26.06.2014 für den Zeitraum 01.07.2014 bis 30.06.2015 die Klägerin in die Beitragsklasse 9 ein und setzte danach den Beitrag je Quartal auf 5.945,00 EUR, was einem Jahresbetrag von 23.870,00 EUR entspricht, fest. Hierbei ging sie von folgenden Eckdaten aus:
Gesamthonorar 2012 in EUR -
Durchschnittshonorar 2010 in EUR 213.269,05
Anteil am Durchschnittshonorar in EUR
Ermittelte Beitragsklasse 9

Im Bescheid führte sie u.a. aus, den Beitrag werde sie jeweils im Rahmen der Quartalsabrechnungen II/14 - II/15 einbehalten. Soweit die Klägerin für das Jahr 2012 keine (vollständige) Meldung über ihre Einnahmen aus Sonderverträgen abgegeben habe, werde sie unabhängig von ihrem KV-Honorar in die Beitragsstufe 9 eingestuft (§ 3 Abs. 5 GEHV).

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.07.2014 Widerspruch ein. In ihrem Schreiben vom 14.04.2014 wies sie auf laufende Musterverfahren vor dem SG Marburg und ein Gutachten der Anwaltskanzlei B. hin. Ergänzend machte sie Ausführungen zu verschiedenen Umsätzen und deren Meldepflicht. Über diesen Widerspruch hat die Beklagte noch nicht entschieden.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 13.02.2015 und 25.05.2015 Widerspruch gegen den Abzug des EHV-Höchstbetrages in den Honorarbescheiden für die Quartale III und IV/14 ein. Zur Begründung verwies sie auf ihr Begründungsschreiben zum Widerspruch gegen die Eingruppierung zur EHV vom 14.04.2014.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2015 die Widersprüche in Bezug auf die Rüge der Einstufung in die EHV-Beitragsklasse und des EHV-Einbehalts in den Quartalen III und IV/14 als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei dem EHV-Einbehalt handele es sich um einen Realakt, gegen den ein Widerspruch nicht eingelegt werden könne. Ferner legte sie die Rechtmäßigkeit der Honorarbescheide dar.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.12.2015 die Klage erhoben. Sie trägt vor, Streitgegenstand sei der tatsächliche EHV-Abzug im Honorarbescheid, der aufgrund der Einstufung in die Beitragsklasse 9 erfolgt sei. Sie verweise auf das Musterberufungsverfahren L 4 KA 8/15 und die von Rechtsanwalt B. abgegebene Begründung.

Die Klägerin beantragt,
die Honorarbescheide für die Quartale III und IV/14 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2015 insoweit aufzuheben, als jeweils vom Honorar ein Betrag in Höhe von 5.945,00 EUR für die EHV abgezogen wurde.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, Streitgegenstand sei der EHV-Abzug im Honorarbescheid. Hierbei handele es sich um einen Realakt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat zuletzt mit Gerichtsbescheid vom 21.08.2015 - S 12 KA 208/14 und S 12 KA 209/14 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 36/15 und L 4 KA 37/15) entschieden. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 08.03.2016, den Beteiligten am 14. bzw. 16.03.2016 zugegangen, angehört.

Die Klage ist unzulässig. Der Widerspruchsbescheid vom 04.11.2015 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht die Widersprüche der Klägerin, soweit sie sich gegen den Honorarabzug von jeweils 5.945,00 EUR für die EHV richteten, als unzulässig zurückgewiesen. Die Klage war daher abzuweisen.

Eine Anfechtungsklage kann nur gegen einen Verwaltungsakt erhoben werden (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass es sich bei dem im nunmehr angefochtenen Honorarbescheid einbehaltenen EHV-Beitrag lediglich um einen Realakt handelt, in dem die Umsetzung des Beitragsklassenbescheides vorgenommen wird.

Streitgegenstand des Widerspruchverfahrens ist die Belastung des Honorars mit den EHV-Beiträgen für die EHV-Beitragsklasse 9 in den Honorarbescheiden für die Quartale III und IV/14 in Höhe von jeweils 5.945,00 EUR, nicht dagegen die Eingruppierung und die Festsetzung der Beitragshöhe. Bei dem in den angefochtenen Honorarbescheiden einbehaltenen EHV-Beitrag handelt es sich lediglich um einen Realakt, mit dem die Umsetzung des Beitragsklassenbescheides vorgenommen wird (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 06.02.2015 - S 12 KA 330/13 - juris Rdnr. 28, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 83/14 -; SG Marburg, Gerichtsb. v. 21.08.2015 - S 12 KA 208/14 und S 12 KA 209/14 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 36/15 und L 4 KA 37/15). Die Beklagte hat daher zu Recht die Widersprüche als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Anfechtungswiderspruch kann nur gegen einen Verwaltungsakt erhoben werden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Bei dem in den angefochtenen Honorarbescheiden einbehaltenen EHV-Beitrag handelt es sich lediglich um einen Realakt, mit dem die Umsetzung des Beitragsklassenbescheides vorgenommen wird. Nach der Neufassung der Grundsätze der EHV erfolgt eine gesonderte Beitragsfestsetzung nach Beitragsklassen. Der Beitrag zur EHV erfolgt dadurch nicht mehr unmittelbar über eine Quotierung der ärztlichen Leistungen. Insofern handelt es sich bei dem EHV-Beitrag im Honorarbescheid um einen bloßen Rechnungsposten, der zur Aufrechnung mit dem Honoraranspruch dient und der auf diese Weise den Honoraranspruch vermindert und insofern lediglich indirekt zu einer Quotierung führt. Eine Rechtsschutzlücke entsteht hierdurch nicht, da der Rechtsweg jedenfalls gegen den Beitragsklassenbescheid eröffnet ist, wovon die Klägerin auch Gebrauch gemacht hat.

Die Klägerin konnte die Aufrechnung mit den EHV-Beiträgen in den Honorarbescheiden vornehmen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob insofern in der Klage auch hinreichend ein Begehren auf höheres Honorar zum Ausdruck kommt.

Rechtsmittel gegen Beitragsbescheide kommt keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. SG Marburg, Urt. v. 19.11.2014 - S 12 KA 441/13 - juris Rdnr. 45, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 90/14 -). Von daher war die Beklagte grundsätzlich zur Aufrechnung berechtigt.

Bei der Erweiterten Honorarverteilung nach den GEHV handelt es sich noch um eine Honorarverteilung i. S. d. § 87b SGB V, auch wenn für diese viele Besonderheiten gelten (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 52/10 -, Umdruck S. 6 m.w.N.). Die Berechtigung der Beklagten zur Durchführung der EHV und die Verpflichtung des Vertragsarztes zur Duldung der damit verbundenen Minderung des für ihn geltenden Auszahlungspunktwertes hat das Bundessozialgericht ausdrücklich als integralen Bestandteil des besonderen Status angesehen, unter dem die hessischen Vertragsärzte in der aktiven wie in der inaktiven Phase an der Honorarverteilung teilnehmen (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, juris Rdnr. 115 f.; BSG, Urt. v. 19.02.2014 - B 6 KA 8/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 80, juris Rdnr. 22). Gerade für die Beitragseinziehung bei den aktiven Vertragsärzten bzw. Leistungserbringern gilt, dass dies Teil der Honorarverteilung ist. Von daher ist § 87b Satz 4 SGB V hier anwendbar, wonach Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie gegen deren Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung haben. Dies gilt auch für Festsetzungen der Einnahmen aus Sonderverträgen, die der EHV unterworfen werden.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Betrag für den EHV-Abzug (2 x 5.945,00 EUR). Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
Saved