Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 303/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 46/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus der Funktion der vierjährigen Ausschlussfrist für eine sachlich-rechnerische Berichtigung unter Beachtung des Vertrauensschutzes ist zu folgern, dass es nicht im Belieben einer Kassenärztlichen Vereinigung steht, die Ausschlussfrist durch den Erlass einer „vorläufigen Honorarinformation“, die einem - per se vorläufigen - Honorarbescheid in Inhalt und Form gleicht, abgesehen davon, dass die Rechtsmittelbelehrung durch einen ausdrücklichen Hinweis auf den Grund für die „Information“ ersetzt wird, zu verlängern. Im Hinblick auf den Vertrauensschutz ist eine solche „Honorarinformation“ für den Lauf der Ausschlussfrist einem Honorarbescheid gleichzustellen.
1. Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 23.04.2012, abgeändert durch Bescheid vom 12.12.2013 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Berichtigung des Honorarbescheids für das Quartal I/07 und hierbei ausschließlich um eine Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von noch 5.907 EUR brutto (abzüglich Verwaltungskosten) bzw. 5.731,88 EUR netto aufgrund der Regelung nach Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrags.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie seit dem 29.06.1999 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt, Landkreis A., zugelassen und hat die Tätigkeit zum 01.02.2000 aufgenommen. Seit dem Quartal IV/09 übt er seine vertragsärztliche Tätigkeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft mit einem weiteren Nephrologen aus, seit dem Quartal IV/15 wieder allein.
Die Beklagte setzte das Honorar der Klägerin für das Quartal I/07 bei zweimaliger Abänderung wie folgt fest:
Quartal I/07 I/07 I/07
Honorarbescheid v. 17.07.2007 08.03.2008 03.12.2013
Nettohonorar gesamt in EUR 64.073,08 63.526,95 66.037,35 65.469,45
Gesamthonorar
Bruttohonorar Primär- u. Ersatzkassen in EUR 65.641,58 65.078,75 65.646,65
Fallzahl Primär- u. Ersatzkassen 812 812 812
Honoraranforderung in EUR 108.051,20 108.051,20 108.051,20
Honoraranforderung nach HVV in EUR 106.856,10 106.856,10 106.856,11
Regelleistungsvolumen in Punkten
Abgerechnet in Punkten 1.298.555,0
Überschreitung 557.984,4
Ausgleichsregelung § 5 Abs. 4 HVV
Fallzahl im Aufsatzquartal 779 779 779
Referenz-Fallwert 42,9701 42,9701 47,0295
Fallwert im aktuellen Quartal 25,7814 24,9672 30,7118
Auffüllbetrag pro Fall in EUR 12,2449 12,8396 7,5830
Auffüllbetrag gesamt in EUR 9.538,76 10.002,03 5.907,14
Die Beklagte versandte unter Datum vom 17.07.2007 eine "vorläufige Honorarinformation". Darin gab sie folgenden "Hinweis": "Die Honoraranforderung wurde nach Maßgabe der festen Regeln der Gebührenordnungen, niedergelegt im Regelwerk der KV Hessen, unter Anwendung der Grundsätze der Honorarverteilung der KV Hessen errechnet und erforderlichenfalls entsprechend berichtigt. Diese Information ist das Ergebnis einer vorläufigen Abrechnung. Dabei konnten die Schiedssprüche zum Vertrag nach § 115b SGB V und die daraus folgende Bereinigung der Gesamtvergütung noch nicht berücksichtigt werden. Sie erhalten nach der Neuerstellung der Abrechnung Ihren endgültigen Honorarbescheid. Es ist daher weder notwendig noch zulässig, gegen diese vorläufige Information Widerspruch zu erheben."
Gegen diese ursprüngliche Honorarabrechnung für das Quartal I/07 legte der Kläger mit Schreiben vom 17.12.2007 Widerspruch ein.
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 23.04.2012 eine Überprüfung der Ausgleichsregelung nach dem Honorarverteilungsvertrag für das streitbefangene Quartal I/07 unter Vorbehalt einer Neuberechnung des Honorars aufgrund der BSG-Rechtsprechung vor. Sie setzte einen Honorarrückforderungsbetrag in Höhe von 10.002,03 EUR (brutto) abzüglich Verwaltungskosten bzw. 9.705,27 EUR netto fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Honorarbescheid sei am 28.04.2008 an den Kläger versandt worden. Die Fallwertminderung betrage mehr als 15 % - nämlich 41,90 % - in Bezug auf die gewährten Zahlungen im Rahmen der Maßnahme nach § 5 Abs. 4 Honorarverteilungsvertrag, weshalb eine einzelfallbezogene Prüfung erforderlich sei. In folgenden Leistungsbereichen sei ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang zu verzeichnen:
Leistungsbereich Anforderung I/06 Anforderung I/07 Rückgang
Diagnostik/Therapie Kardiologen 246.510 0 - 100 %
Diagnostik/Therapie Nephrologen 5.600 0 - 100 %
Kleine Chirurgie, Allgemeine therapeutische Leistungen 14.975 150 - 99 %
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 07.05.2012 Widerspruch ein. Er trug vor, die Beklage ziehe falsche Abrechnungsdaten heran und behaupte, er habe seine Praxisleistungen absichtlich zurückgefahren. Fallzahl und Punktmenge seien aber höher gewesen. Ihm sei Mitte des Quartals I/06 die Genehmigung zur Abrechnung der Nr. 13550 EBM (Zusatzpauschale Kardiologie II) entzogen worden. Er habe stattdessen dann ein UKG mit Nr. 33022 (Farbdopplerechokardiographie) abgerechnet. Was die Beklagte unter "Diagnostik/Therapie Nephrologen" verstehe, wisse er nicht. Er habe nephrologische Leistungen in erheblichem Umfang erbracht. Die Wundversorgung sei eine Spezialität der Praxis, die aber von einer von ihm nicht steuerbaren Überweisung abhänge.
Die Beklagte änderte mit Bescheid vom 12.12.2013 den Bescheid vom 23.04.2012 ab und reduzierte aufgrund der Neuberechnung des Honorars den Rückforderungsbetrag auf 5.907 EUR brutto bzw. 5.731,88 EUR netto.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2015 den Widerspruch, den sie mit weiteren Widersprüchen des Klägers gegen die Honorarbescheide für die Quartale III/06 bis IV/07 verbunden hatte, als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen führte sie zur Begründung u.a. aus, nach der Neuberechnung betrage die Auffüllung im Quartal I/07 10.002,03 EUR. Ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang sei im Leistungsbereich "kleine Chirurgie, allgemeine therapeutische Leistungen" (Nr. 2300 bis 2302, 2310, 2313, 2320 bis 2323, 2330 bis 2331, 2340 bis 2343, 2350 und 2360 EBM 2005) zu verzeichnen. So hätten sich die abgerechneten Leistungen in diesem Bereich von 14.975,0 Punkten im Quartal I/06 auf 150,0 Punkte in Quartal I/07 reduziert, was einem Leistungsrückgang von 99,0 % entspreche. Im Bereich der "Diagnostik/Therapie Kardiologen" (Nr. 13550, 13551, 13552, 13560, 13561 EBM 2005) und im Bereich "Diagnostik/Therapie Nephrologen" (Nr. 13600, 13601, 13602, 13610, 13611, 13612 EBM 2005) habe sich das Punktzahlvolumen von 246.510,0 bzw. 5.600,0 Punkten auf jeweils 0,0 Punkte reduziert, was einen Leistungsrückgang von jeweils 100% und damit einem Leistungswegfall entspreche. Da der EBM 2005 in Quartal I/06 bereits eingeführt gewesen sei und das Quartal I/07 mit dem Verfahren I/06 verglichen werde, sei nicht ersichtlich, inwiefern der vorliegende Rückgang der Leistungen auch Veränderungen in Folge mit Einführung des EBM 2005 beruhen könnte. Die Veränderung habe vielmehr in einer Änderung des Abrechnungsverhaltens gelegen. Auch der Hinweis auf den Bezug der Genehmigung für die Nr. 13550 EBM 2005 ändere nichts an der Feststellung, dass der Leistungsrückgang nicht mehr EBM-bedingt gewesen sei. Deshalb müsse die Auffüllung zurückgefordert werden. Im Rahmen des Abänderungsbescheids vom 12.12.2013 sei anhand der neuen Fallwerte der Rückforderungsbetrag neu ermittelt worden und betrage nur noch 5.907,14 Euro.
Hiergegen hat der Kläger am 09.07.2015 die Klage erhoben. Er trägt vor, der Leistungsrückgang in den Leistungsbereichen "Diagnostik/Therapie Nephrologen" und "Kleine Chirurgie, allgemeine therapeutische Leistungen" sei nur sehr gering. Diese nicht absichtlich herbeigeführten Leistungsrückgänge seien darin begründet, dass er hinsichtlich des Bereichs "Diagnostik/Therapie Nephrologen" die Nr. 13601 EBM für zehn transplantierte Patienten abgerechnet habe. Im Jahr darauf seien diese Patienten verzogen, verstorben oder hätten den Behandler gewechselt, einer sei dialysepflichtig geworden. Von einer Änderung des Abrechnungsverhaltens könne nicht ausgegangen werden. Die chirurgischen Leistungen seien hier nicht planbar. Der angebliche Leistungsrückgang im Bereich "Diagnostik/Therapie Kardiologen" habe an einer statistischen Veränderung der Abrechnung auf Grund des Entzugs der Genehmigung gelegen. Es sei auffällig, dass der Fallwertabsturz ab 2006 eklatant und ausschließlich auf die Einführung des EBM 2005 zurückzuführen sei. Hinsichtlich der Ausschlussfrist sei maßgeblich auf den "vorläufigen" Honorarbescheid vom 17.07.2007 abzustellen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23.04.2012, abgeändert durch Bescheid vom 12.12.2013 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Abrechnung anderer Leistungen nach dem Entzug der Genehmigung sei hypothetisch. Die Erläuterungen zum Rückgang in den beiden anderen Leistungsbereichen seien nachvollziehbar, es dürfe aber nicht übersehen werden, dass es entscheidend auf den EBM-bedingten Fallwertverlust ankomme. Die Rückforderung stelle keine "Sanktion" für ein vorsätzlich verändertes Abrechnungsverhalten dar. Es hätte auch in beiden Quartalen bereits der EBM 2005 gegolten. Der Honorarbescheid für das Quartal I/07 sei erstmals am 28.04.2008 versandt worden. Am 17.07.2007 sei lediglich eine "vorläufige Honorarinformation" an den Kläger versandt worden, weil die Vergütung für ambulantes Operieren noch nicht vom Landesschiedsamt entschieden gewesen sei. Die Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt, da es allein auf den am 28.04.2008 versandten Honorarbescheid ankomme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 23.04.2012, abgeändert durch Bescheid vom 12.12.2013 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2015 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Die Beklagte hat die vierjährige Ausschlussfrist für die sachlich-rechnerische Berichtigung nicht eingehalten, da maßgeblich für die Fristberechnung auf den vorläufigen Honorarbescheid bzw. die "vorläufige Honorarinformation" vom 17.07.2007 abzustellen ist. Damit war die Ausschlussfrist bei Erlass des angefochtenen Berichtigungsbescheids vom 23.04.2012 um ca. neun Monate überschritten.
Die Beklagte hat eine sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen, wofür sie auch zuständig war (so bereits SG Marburg, Urt. v. 04.12.2012 - S 12 KA 897/11 -, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 -; SG Marburg, Gerichtsb. v. 31.03.2009 - S 12 KA 303/08 verbunden mit S 12 KA 304/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; SG Marburg, Urt. v. 10.02.2010 - S 12 KA 639/09 -, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 14/10 -, beide www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Die strittige Honorarrückforderung für das Quartal I/07 verstößt aber gegen die Ausschlussfrist.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird seit 1993 nicht mehr an der früheren Rechtsprechung festgehalten, wonach eine Verjährung eintreten kann. Das Bundessozialgericht hat zunächst für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeführt, das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, sei nicht auf Tun oder Unterlassen des Kassenarztes gerichtet. Es sei jedenfalls kein Anspruch, sondern mit einem Gestaltungsrecht vergleichbar. Dies bedeute jedoch nicht, dass der dem Arzt erteilte Honorarbescheid zeitlich unbegrenzt geändert bzw. aufgehoben werden könne. Die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens ergebe sich aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG). Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung enthalte das SGB V nicht. Im Bereich der Verjährungsfristen im Sozialrecht habe der Gesetzgeber aber deutlich gemacht, dass er eine Frist von vier Jahren im Regelfall als angemessen ansehe. Dies ergebe sich aus den Verjährungsregeln in den Büchern des SGB (§ 45 Abs. 1 SGB I, § 45 Abs. 4 SGB I a. F., § 25 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SGB IV sowie § 50 Abs. 4 und § 113 SGB X). Das Bundessozialgericht habe diese Frist auch auf Ansprüche im Kassenarztrecht angewandt, soweit durch Vereinbarungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen keine abweichenden Regelungen getroffen worden seien. Es erscheine sachgerecht, diese für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur endgültigen Festsetzung der kassenärztlichen Honorare zu übertragen (vgl. BSG, Urt. v. 16.06.1993 - 14a/6 RKa 37/91 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 19 = BSGE 72, 271 = NZS 1994, 39 = MDR 1994, 285 = NJW 1994, 3036). Der 6. Senat hat zunächst offen gelassen, ob die für den Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung angenommene Ausschlussfrist auch auf die Aufhebung von Verwaltungsakten wegen rechnerischer oder gebührenordnungsmäßiger Richtigstellung anzuwenden sei (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6/14a RKa 3/93 - DOK 1995, 506 = USK 95122, juris Rdnr. 18). Hierauf Bezug nehmend hat er sodann die für die vertragsärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung geltende vierjährige Ausschlussfrist auch auf die sachlich-rechnerischen Beanstandungen übertragen (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 57/94 - SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 = USK 95136, juris Rdnr. 10; BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 16 m. w. N.; zuletzt BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 14, juris Rdnr. 23 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht, gilt dies nur nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. Ziff. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt wurde durch die beiden Vereinbarungen vom 22.06.2008). Allerdings lässt die Vertragsautonomie der Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages die Vereinbarung einer kürzeren Frist nicht zu, was die Kammer bereits entschieden hat (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 - S 12 KA 455/10 - juris Rdnr. 30).
Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - a.a.O., Rdnr. 23 m. w. N.). Diese Frist war bzgl. des hier streitbefangenen Quartals I/07 abgelaufen. Maßgeblich ist für die Fristberechnung auf den vorläufigen Honorarbescheid bzw. die "vorläufige Honorarinformation" vom 17.07.2007 abzustellen. Der Bescheid vom 23.04.2012 erging erst mehr als vier Jahre und neun Monate nach Versendung der "vorläufigen Honorarinformation." Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der eigentliche Honorarbescheid im Sinne eines Verwaltungsakts erst am 28.04.2008 erlassen und versandt wurde.
Die Kammer hat bereits entschieden, dass es für die Bemessung der Ausschlussfrist nicht auf den überprüften Bescheid ankommt. Maßgeblich ist auf den ersten Honorarbescheid für das betroffene Quartal abzustellen. Insofern handelt es sich bei einem zweiten Honorarbescheid bereits um einen Überprüfungs- bzw. Änderungsbescheid zum ersten Honorarbescheid. Mit dem Erlass des - ersten - Honorarbescheides wird zunächst der Abrechnungsvorgang vorläufig beendet und ein Vertrauenstatbestand geschaffen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.05.2013 - S 12 KA 171/12 - juris Rdnr. 38).
Die "vorläufige Honorarinformation" ist im Rahmen der Ausschlussfrist aber einem Honorarbescheid gleichzustellen. Insofern sind auch "endgültige" Honorarbescheide immer nur vorläufig, als sie nachträglich im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung oder einer sachlich-rechnerischen Berichtigung durch eine Honorarrückforderung geändert werden können. Ein Honorarbescheid ergeht stets unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Korrektur (vgl. BSG, Urt. v. 13.08.2014 - B 6 KA 38/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 47, juris Rdnr. 20 m.w.N.).
Zur Begründung der immanenten Vorläufigkeit von Honorarbescheiden verweist das Bundessozialgericht, dem die Kammer hier folgt, darauf, dass der Vertragsarzt im Hinblick auf die Besonderheiten der Honorarverteilung auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides nicht vertrauen kann. Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die Kassenärztliche Vereinigung im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Kassenärztliche Vereinigung quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit oder der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Hinzu kommt, dass Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (z. B. Abrechnung von Leistungen, obwohl der jeweilige Leistungsinhalt nicht bzw. nicht vollständig erbracht worden ist) nicht der systematischen Überprüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung zugänglich sind, sondern regelmäßig erst aufgrund besonderer Umstände, oftmals zufällig, aufgedeckt werden (können). Der auf dieser Grundlage ergehende vertragsärztliche Honorarbescheid weist insoweit deutliche Bezüge zum Rechtsinstitut des vorläufigen Verwaltungsaktes auf. Für den Erlass einer vorläufigen Entscheidung besteht auch in anderen (Sozial-)Rechtsbereichen immer dann ein Bedürfnis, wenn eine Leistung möglichst rasch erbracht werden soll, um ihren Zweck zu erfüllen, zu diesem frühen Zeitpunkt aber die tatsächlichen und/oder rechtlichen Voraussetzungen noch nicht abschließend geklärt sind. Für den Leistungsempfänger bietet eine vorläufige Bewilligung eine Verbesserung seiner Rechtsposition gegenüber der Gewährung lediglich eines Vorschusses auf der Grundlage des § 42 SGB I. Der Behörde bleibt die Möglichkeit erhalten, nach endgültiger Klärung der Sach- und Rechtslage die vorläufige Entscheidung zu korrigieren und durch eine endgültige zu ersetzen, ohne an die Regelungen über die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 45 SGB X gebunden und ohne durch einen Vertrauensschutz des Sozialleistungsempfängers daran gehindert zu sein (vgl. BSG, Urt. v. 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R - BSGE 89, 62 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42, juris Rdnr. 25). Das Bundessozialgericht hat dabei die Gründe für eine sachlich-rechnerische Berichtigung nicht auf Fälle eines individuell-pflichtwidrigen Verhaltens des Vertragsarztes beschränkt, sondern auch Fälle einbezogen, in denen die Rechtswidrigkeit des Honorarbezugs auf Mängeln der zugrunde liegenden normativen Honorierungsregelungen oder ihrer Auslegung beruht und damit der individuellen Sphäre des Arztes entrückt ist (vgl. Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106a SGB V Rdnr. 192). Zugleich hat es die Ausschlussfrist von vier Jahren durch umfangreiche Möglichkeiten ihrer Hemmung faktisch erweitert (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - a.a.O. Rdnr. 25).
Eine wesentliche Begrenzung dieser umfangreichen Berichtigungsbefugnisse leistet unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten die vierjährige Ausschlussfrist im Sinne einer faktischen - Kompensation für den teilweisen Verlust von Vertrauensschutz. Insofern dient die Ausschlussfrist dazu, Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes wieder Geltung zu verschaffen. Mit der durch die Ausschlussfrist erfolgten zeitlichen Begrenzung der Berichtigungsbefugnisse wird die Vorläufigkeit begrenzt und entsteht nach Ablauf der Ausschlussfrist wieder der allgemeine Vertrauensschutz. Eine Rücknahme eines Honorarbescheides ist nach Ablauf der Ausschlussfrist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - a.a.O. Rdnr. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die umfassende Berichtigungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigung, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei solchen, die auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung, insbesondere der Unwirksamkeit der ihr zu Grunde liegenden Vorschriften, beruhen. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der Kassenärztlichen Vereinigung auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549 = USK 2004-124, Rdnr. 21). Die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung zur nachträglichen Honorarberichtigung auf der Grundlage der bundesmantelvertraglichen Vorschriften endet nicht nur mit dem Ablauf der dazu vorgesehenen Fristen, sondern auch dann, wenn die Kassenärztliche Vereinigung eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchgeführt und diese auf Rechtsbehelfe des Vertragsarztes hin ohne jegliche Einschränkung rückgängig gemacht hat. In diesem Fall wird die jedem Honorarbescheid innewohnende Vorläufigkeit im Verhältnis zum Vertragsarzt insoweit aufgehoben, und die Kassenärztliche Vereinigung kann einen Honorarbescheid wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurücknehmen. Unabhängig davon hat das Bundessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen das Vertrauen des Vertragsarztes auf die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Abrechnungsweise gegenüber rückwirkenden Bescheidkorrekturen im Zusammenhang mit der Erbringung fachfremder Leistungen für schutzwürdig gehalten (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, a.a.O. Rdnr. 27). Soweit die anfängliche Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung beruht, wird der Vertrauensschutz des Arztes durch die Grundsätze über die Anbringung von Vorläufigkeitshinweisen und deren inhaltliche und umfangmäßige Begrenzung realisiert (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, a.a.O., Rdnr. 28). In der Konstellation einer individuell fehlerhaften Rechtsanwendung der Kassenärztlichen Vereinigung bei Erlass des ursprünglichen Honorarbescheides können Honorarberichtigungen nach den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Vorschriften über die nachträgliche Korrektur von anfänglich rechtswidrigen Honorarbescheiden durchgeführt werden, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind aber die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen (vgl. zur Begründung im Einzelnen BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 30-36).
Aus der Funktion der Ausschlussfrist unter Beachtung des Vertrauensschutzes ist zu folgern, dass es nicht im Belieben einer Kassenärztlichen Vereinigung steht, die vierjährige Ausschlussfrist durch den Erlass einer "vorläufigen Honorarinformation", die einem - per se vorläufigen - Honorarbescheid in Inhalt und Form gleicht, abgesehen davon, dass die Rechtsmittelbelehrung durch den genannten Hinweis ersetzt wird, zu verlängern. Im Hinblick auf den Vertrauensschutz ist eine solche "Honorarinformation" für den Lauf der Ausschlussfrist einem Honorarbescheid gleichzustellen. Die Beklagte hat sich faktisch im Übrigen auch so verhalten, da sie in der "vorläufigen Honorarinformation" gerade die Gründe genannt hat, die zu einer Hemmung der Ausschlussfrist führten bzw. geeignet waren, nicht auf den Bestand des Honorars vertrauen zu dürfen. Darüber hinaus ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb für individuelle Honorarberichtigungen einschließlich einer Überprüfung nach Ziff. 7.5 HVV die Ausschlussfrist nicht zu laufen begann.
Bereits aus diesem Grund ist der angefochtene Rückforderungsbescheid rechtswidrig und aufzuheben. Insofern kommt es nicht mehr auf die Frage an, inwieweit sich der Leistungsrückgang auf den Fallwert niedergeschlagen hat.
Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Berichtigung des Honorarbescheids für das Quartal I/07 und hierbei ausschließlich um eine Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von noch 5.907 EUR brutto (abzüglich Verwaltungskosten) bzw. 5.731,88 EUR netto aufgrund der Regelung nach Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrags.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie seit dem 29.06.1999 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt, Landkreis A., zugelassen und hat die Tätigkeit zum 01.02.2000 aufgenommen. Seit dem Quartal IV/09 übt er seine vertragsärztliche Tätigkeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft mit einem weiteren Nephrologen aus, seit dem Quartal IV/15 wieder allein.
Die Beklagte setzte das Honorar der Klägerin für das Quartal I/07 bei zweimaliger Abänderung wie folgt fest:
Quartal I/07 I/07 I/07
Honorarbescheid v. 17.07.2007 08.03.2008 03.12.2013
Nettohonorar gesamt in EUR 64.073,08 63.526,95 66.037,35 65.469,45
Gesamthonorar
Bruttohonorar Primär- u. Ersatzkassen in EUR 65.641,58 65.078,75 65.646,65
Fallzahl Primär- u. Ersatzkassen 812 812 812
Honoraranforderung in EUR 108.051,20 108.051,20 108.051,20
Honoraranforderung nach HVV in EUR 106.856,10 106.856,10 106.856,11
Regelleistungsvolumen in Punkten
Abgerechnet in Punkten 1.298.555,0
Überschreitung 557.984,4
Ausgleichsregelung § 5 Abs. 4 HVV
Fallzahl im Aufsatzquartal 779 779 779
Referenz-Fallwert 42,9701 42,9701 47,0295
Fallwert im aktuellen Quartal 25,7814 24,9672 30,7118
Auffüllbetrag pro Fall in EUR 12,2449 12,8396 7,5830
Auffüllbetrag gesamt in EUR 9.538,76 10.002,03 5.907,14
Die Beklagte versandte unter Datum vom 17.07.2007 eine "vorläufige Honorarinformation". Darin gab sie folgenden "Hinweis": "Die Honoraranforderung wurde nach Maßgabe der festen Regeln der Gebührenordnungen, niedergelegt im Regelwerk der KV Hessen, unter Anwendung der Grundsätze der Honorarverteilung der KV Hessen errechnet und erforderlichenfalls entsprechend berichtigt. Diese Information ist das Ergebnis einer vorläufigen Abrechnung. Dabei konnten die Schiedssprüche zum Vertrag nach § 115b SGB V und die daraus folgende Bereinigung der Gesamtvergütung noch nicht berücksichtigt werden. Sie erhalten nach der Neuerstellung der Abrechnung Ihren endgültigen Honorarbescheid. Es ist daher weder notwendig noch zulässig, gegen diese vorläufige Information Widerspruch zu erheben."
Gegen diese ursprüngliche Honorarabrechnung für das Quartal I/07 legte der Kläger mit Schreiben vom 17.12.2007 Widerspruch ein.
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 23.04.2012 eine Überprüfung der Ausgleichsregelung nach dem Honorarverteilungsvertrag für das streitbefangene Quartal I/07 unter Vorbehalt einer Neuberechnung des Honorars aufgrund der BSG-Rechtsprechung vor. Sie setzte einen Honorarrückforderungsbetrag in Höhe von 10.002,03 EUR (brutto) abzüglich Verwaltungskosten bzw. 9.705,27 EUR netto fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Honorarbescheid sei am 28.04.2008 an den Kläger versandt worden. Die Fallwertminderung betrage mehr als 15 % - nämlich 41,90 % - in Bezug auf die gewährten Zahlungen im Rahmen der Maßnahme nach § 5 Abs. 4 Honorarverteilungsvertrag, weshalb eine einzelfallbezogene Prüfung erforderlich sei. In folgenden Leistungsbereichen sei ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang zu verzeichnen:
Leistungsbereich Anforderung I/06 Anforderung I/07 Rückgang
Diagnostik/Therapie Kardiologen 246.510 0 - 100 %
Diagnostik/Therapie Nephrologen 5.600 0 - 100 %
Kleine Chirurgie, Allgemeine therapeutische Leistungen 14.975 150 - 99 %
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 07.05.2012 Widerspruch ein. Er trug vor, die Beklage ziehe falsche Abrechnungsdaten heran und behaupte, er habe seine Praxisleistungen absichtlich zurückgefahren. Fallzahl und Punktmenge seien aber höher gewesen. Ihm sei Mitte des Quartals I/06 die Genehmigung zur Abrechnung der Nr. 13550 EBM (Zusatzpauschale Kardiologie II) entzogen worden. Er habe stattdessen dann ein UKG mit Nr. 33022 (Farbdopplerechokardiographie) abgerechnet. Was die Beklagte unter "Diagnostik/Therapie Nephrologen" verstehe, wisse er nicht. Er habe nephrologische Leistungen in erheblichem Umfang erbracht. Die Wundversorgung sei eine Spezialität der Praxis, die aber von einer von ihm nicht steuerbaren Überweisung abhänge.
Die Beklagte änderte mit Bescheid vom 12.12.2013 den Bescheid vom 23.04.2012 ab und reduzierte aufgrund der Neuberechnung des Honorars den Rückforderungsbetrag auf 5.907 EUR brutto bzw. 5.731,88 EUR netto.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2015 den Widerspruch, den sie mit weiteren Widersprüchen des Klägers gegen die Honorarbescheide für die Quartale III/06 bis IV/07 verbunden hatte, als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen führte sie zur Begründung u.a. aus, nach der Neuberechnung betrage die Auffüllung im Quartal I/07 10.002,03 EUR. Ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang sei im Leistungsbereich "kleine Chirurgie, allgemeine therapeutische Leistungen" (Nr. 2300 bis 2302, 2310, 2313, 2320 bis 2323, 2330 bis 2331, 2340 bis 2343, 2350 und 2360 EBM 2005) zu verzeichnen. So hätten sich die abgerechneten Leistungen in diesem Bereich von 14.975,0 Punkten im Quartal I/06 auf 150,0 Punkte in Quartal I/07 reduziert, was einem Leistungsrückgang von 99,0 % entspreche. Im Bereich der "Diagnostik/Therapie Kardiologen" (Nr. 13550, 13551, 13552, 13560, 13561 EBM 2005) und im Bereich "Diagnostik/Therapie Nephrologen" (Nr. 13600, 13601, 13602, 13610, 13611, 13612 EBM 2005) habe sich das Punktzahlvolumen von 246.510,0 bzw. 5.600,0 Punkten auf jeweils 0,0 Punkte reduziert, was einen Leistungsrückgang von jeweils 100% und damit einem Leistungswegfall entspreche. Da der EBM 2005 in Quartal I/06 bereits eingeführt gewesen sei und das Quartal I/07 mit dem Verfahren I/06 verglichen werde, sei nicht ersichtlich, inwiefern der vorliegende Rückgang der Leistungen auch Veränderungen in Folge mit Einführung des EBM 2005 beruhen könnte. Die Veränderung habe vielmehr in einer Änderung des Abrechnungsverhaltens gelegen. Auch der Hinweis auf den Bezug der Genehmigung für die Nr. 13550 EBM 2005 ändere nichts an der Feststellung, dass der Leistungsrückgang nicht mehr EBM-bedingt gewesen sei. Deshalb müsse die Auffüllung zurückgefordert werden. Im Rahmen des Abänderungsbescheids vom 12.12.2013 sei anhand der neuen Fallwerte der Rückforderungsbetrag neu ermittelt worden und betrage nur noch 5.907,14 Euro.
Hiergegen hat der Kläger am 09.07.2015 die Klage erhoben. Er trägt vor, der Leistungsrückgang in den Leistungsbereichen "Diagnostik/Therapie Nephrologen" und "Kleine Chirurgie, allgemeine therapeutische Leistungen" sei nur sehr gering. Diese nicht absichtlich herbeigeführten Leistungsrückgänge seien darin begründet, dass er hinsichtlich des Bereichs "Diagnostik/Therapie Nephrologen" die Nr. 13601 EBM für zehn transplantierte Patienten abgerechnet habe. Im Jahr darauf seien diese Patienten verzogen, verstorben oder hätten den Behandler gewechselt, einer sei dialysepflichtig geworden. Von einer Änderung des Abrechnungsverhaltens könne nicht ausgegangen werden. Die chirurgischen Leistungen seien hier nicht planbar. Der angebliche Leistungsrückgang im Bereich "Diagnostik/Therapie Kardiologen" habe an einer statistischen Veränderung der Abrechnung auf Grund des Entzugs der Genehmigung gelegen. Es sei auffällig, dass der Fallwertabsturz ab 2006 eklatant und ausschließlich auf die Einführung des EBM 2005 zurückzuführen sei. Hinsichtlich der Ausschlussfrist sei maßgeblich auf den "vorläufigen" Honorarbescheid vom 17.07.2007 abzustellen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23.04.2012, abgeändert durch Bescheid vom 12.12.2013 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Abrechnung anderer Leistungen nach dem Entzug der Genehmigung sei hypothetisch. Die Erläuterungen zum Rückgang in den beiden anderen Leistungsbereichen seien nachvollziehbar, es dürfe aber nicht übersehen werden, dass es entscheidend auf den EBM-bedingten Fallwertverlust ankomme. Die Rückforderung stelle keine "Sanktion" für ein vorsätzlich verändertes Abrechnungsverhalten dar. Es hätte auch in beiden Quartalen bereits der EBM 2005 gegolten. Der Honorarbescheid für das Quartal I/07 sei erstmals am 28.04.2008 versandt worden. Am 17.07.2007 sei lediglich eine "vorläufige Honorarinformation" an den Kläger versandt worden, weil die Vergütung für ambulantes Operieren noch nicht vom Landesschiedsamt entschieden gewesen sei. Die Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt, da es allein auf den am 28.04.2008 versandten Honorarbescheid ankomme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 23.04.2012, abgeändert durch Bescheid vom 12.12.2013 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2015 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Die Beklagte hat die vierjährige Ausschlussfrist für die sachlich-rechnerische Berichtigung nicht eingehalten, da maßgeblich für die Fristberechnung auf den vorläufigen Honorarbescheid bzw. die "vorläufige Honorarinformation" vom 17.07.2007 abzustellen ist. Damit war die Ausschlussfrist bei Erlass des angefochtenen Berichtigungsbescheids vom 23.04.2012 um ca. neun Monate überschritten.
Die Beklagte hat eine sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen, wofür sie auch zuständig war (so bereits SG Marburg, Urt. v. 04.12.2012 - S 12 KA 897/11 -, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 -; SG Marburg, Gerichtsb. v. 31.03.2009 - S 12 KA 303/08 verbunden mit S 12 KA 304/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; SG Marburg, Urt. v. 10.02.2010 - S 12 KA 639/09 -, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 14/10 -, beide www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Die strittige Honorarrückforderung für das Quartal I/07 verstößt aber gegen die Ausschlussfrist.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird seit 1993 nicht mehr an der früheren Rechtsprechung festgehalten, wonach eine Verjährung eintreten kann. Das Bundessozialgericht hat zunächst für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeführt, das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, sei nicht auf Tun oder Unterlassen des Kassenarztes gerichtet. Es sei jedenfalls kein Anspruch, sondern mit einem Gestaltungsrecht vergleichbar. Dies bedeute jedoch nicht, dass der dem Arzt erteilte Honorarbescheid zeitlich unbegrenzt geändert bzw. aufgehoben werden könne. Die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens ergebe sich aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG). Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung enthalte das SGB V nicht. Im Bereich der Verjährungsfristen im Sozialrecht habe der Gesetzgeber aber deutlich gemacht, dass er eine Frist von vier Jahren im Regelfall als angemessen ansehe. Dies ergebe sich aus den Verjährungsregeln in den Büchern des SGB (§ 45 Abs. 1 SGB I, § 45 Abs. 4 SGB I a. F., § 25 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SGB IV sowie § 50 Abs. 4 und § 113 SGB X). Das Bundessozialgericht habe diese Frist auch auf Ansprüche im Kassenarztrecht angewandt, soweit durch Vereinbarungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen keine abweichenden Regelungen getroffen worden seien. Es erscheine sachgerecht, diese für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur endgültigen Festsetzung der kassenärztlichen Honorare zu übertragen (vgl. BSG, Urt. v. 16.06.1993 - 14a/6 RKa 37/91 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 19 = BSGE 72, 271 = NZS 1994, 39 = MDR 1994, 285 = NJW 1994, 3036). Der 6. Senat hat zunächst offen gelassen, ob die für den Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung angenommene Ausschlussfrist auch auf die Aufhebung von Verwaltungsakten wegen rechnerischer oder gebührenordnungsmäßiger Richtigstellung anzuwenden sei (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6/14a RKa 3/93 - DOK 1995, 506 = USK 95122, juris Rdnr. 18). Hierauf Bezug nehmend hat er sodann die für die vertragsärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung geltende vierjährige Ausschlussfrist auch auf die sachlich-rechnerischen Beanstandungen übertragen (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.1995 - 6 RKa 57/94 - SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 = USK 95136, juris Rdnr. 10; BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 16 m. w. N.; zuletzt BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 14, juris Rdnr. 23 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht, gilt dies nur nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. Ziff. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt wurde durch die beiden Vereinbarungen vom 22.06.2008). Allerdings lässt die Vertragsautonomie der Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages die Vereinbarung einer kürzeren Frist nicht zu, was die Kammer bereits entschieden hat (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 - S 12 KA 455/10 - juris Rdnr. 30).
Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - a.a.O., Rdnr. 23 m. w. N.). Diese Frist war bzgl. des hier streitbefangenen Quartals I/07 abgelaufen. Maßgeblich ist für die Fristberechnung auf den vorläufigen Honorarbescheid bzw. die "vorläufige Honorarinformation" vom 17.07.2007 abzustellen. Der Bescheid vom 23.04.2012 erging erst mehr als vier Jahre und neun Monate nach Versendung der "vorläufigen Honorarinformation." Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der eigentliche Honorarbescheid im Sinne eines Verwaltungsakts erst am 28.04.2008 erlassen und versandt wurde.
Die Kammer hat bereits entschieden, dass es für die Bemessung der Ausschlussfrist nicht auf den überprüften Bescheid ankommt. Maßgeblich ist auf den ersten Honorarbescheid für das betroffene Quartal abzustellen. Insofern handelt es sich bei einem zweiten Honorarbescheid bereits um einen Überprüfungs- bzw. Änderungsbescheid zum ersten Honorarbescheid. Mit dem Erlass des - ersten - Honorarbescheides wird zunächst der Abrechnungsvorgang vorläufig beendet und ein Vertrauenstatbestand geschaffen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.05.2013 - S 12 KA 171/12 - juris Rdnr. 38).
Die "vorläufige Honorarinformation" ist im Rahmen der Ausschlussfrist aber einem Honorarbescheid gleichzustellen. Insofern sind auch "endgültige" Honorarbescheide immer nur vorläufig, als sie nachträglich im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung oder einer sachlich-rechnerischen Berichtigung durch eine Honorarrückforderung geändert werden können. Ein Honorarbescheid ergeht stets unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Korrektur (vgl. BSG, Urt. v. 13.08.2014 - B 6 KA 38/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 47, juris Rdnr. 20 m.w.N.).
Zur Begründung der immanenten Vorläufigkeit von Honorarbescheiden verweist das Bundessozialgericht, dem die Kammer hier folgt, darauf, dass der Vertragsarzt im Hinblick auf die Besonderheiten der Honorarverteilung auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides nicht vertrauen kann. Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die Kassenärztliche Vereinigung im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Kassenärztliche Vereinigung quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit oder der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Hinzu kommt, dass Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (z. B. Abrechnung von Leistungen, obwohl der jeweilige Leistungsinhalt nicht bzw. nicht vollständig erbracht worden ist) nicht der systematischen Überprüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung zugänglich sind, sondern regelmäßig erst aufgrund besonderer Umstände, oftmals zufällig, aufgedeckt werden (können). Der auf dieser Grundlage ergehende vertragsärztliche Honorarbescheid weist insoweit deutliche Bezüge zum Rechtsinstitut des vorläufigen Verwaltungsaktes auf. Für den Erlass einer vorläufigen Entscheidung besteht auch in anderen (Sozial-)Rechtsbereichen immer dann ein Bedürfnis, wenn eine Leistung möglichst rasch erbracht werden soll, um ihren Zweck zu erfüllen, zu diesem frühen Zeitpunkt aber die tatsächlichen und/oder rechtlichen Voraussetzungen noch nicht abschließend geklärt sind. Für den Leistungsempfänger bietet eine vorläufige Bewilligung eine Verbesserung seiner Rechtsposition gegenüber der Gewährung lediglich eines Vorschusses auf der Grundlage des § 42 SGB I. Der Behörde bleibt die Möglichkeit erhalten, nach endgültiger Klärung der Sach- und Rechtslage die vorläufige Entscheidung zu korrigieren und durch eine endgültige zu ersetzen, ohne an die Regelungen über die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 45 SGB X gebunden und ohne durch einen Vertrauensschutz des Sozialleistungsempfängers daran gehindert zu sein (vgl. BSG, Urt. v. 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R - BSGE 89, 62 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 42, juris Rdnr. 25). Das Bundessozialgericht hat dabei die Gründe für eine sachlich-rechnerische Berichtigung nicht auf Fälle eines individuell-pflichtwidrigen Verhaltens des Vertragsarztes beschränkt, sondern auch Fälle einbezogen, in denen die Rechtswidrigkeit des Honorarbezugs auf Mängeln der zugrunde liegenden normativen Honorierungsregelungen oder ihrer Auslegung beruht und damit der individuellen Sphäre des Arztes entrückt ist (vgl. Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106a SGB V Rdnr. 192). Zugleich hat es die Ausschlussfrist von vier Jahren durch umfangreiche Möglichkeiten ihrer Hemmung faktisch erweitert (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - a.a.O. Rdnr. 25).
Eine wesentliche Begrenzung dieser umfangreichen Berichtigungsbefugnisse leistet unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten die vierjährige Ausschlussfrist im Sinne einer faktischen - Kompensation für den teilweisen Verlust von Vertrauensschutz. Insofern dient die Ausschlussfrist dazu, Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes wieder Geltung zu verschaffen. Mit der durch die Ausschlussfrist erfolgten zeitlichen Begrenzung der Berichtigungsbefugnisse wird die Vorläufigkeit begrenzt und entsteht nach Ablauf der Ausschlussfrist wieder der allgemeine Vertrauensschutz. Eine Rücknahme eines Honorarbescheides ist nach Ablauf der Ausschlussfrist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich (vgl. BSG, Urt. v. 19.08.2015 - B 6 KA 36/14 R - a.a.O. Rdnr. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die umfassende Berichtigungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigung, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei solchen, die auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung, insbesondere der Unwirksamkeit der ihr zu Grunde liegenden Vorschriften, beruhen. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der Kassenärztlichen Vereinigung auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549 = USK 2004-124, Rdnr. 21). Die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigung zur nachträglichen Honorarberichtigung auf der Grundlage der bundesmantelvertraglichen Vorschriften endet nicht nur mit dem Ablauf der dazu vorgesehenen Fristen, sondern auch dann, wenn die Kassenärztliche Vereinigung eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchgeführt und diese auf Rechtsbehelfe des Vertragsarztes hin ohne jegliche Einschränkung rückgängig gemacht hat. In diesem Fall wird die jedem Honorarbescheid innewohnende Vorläufigkeit im Verhältnis zum Vertragsarzt insoweit aufgehoben, und die Kassenärztliche Vereinigung kann einen Honorarbescheid wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurücknehmen. Unabhängig davon hat das Bundessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen das Vertrauen des Vertragsarztes auf die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Abrechnungsweise gegenüber rückwirkenden Bescheidkorrekturen im Zusammenhang mit der Erbringung fachfremder Leistungen für schutzwürdig gehalten (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, a.a.O. Rdnr. 27). Soweit die anfängliche Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides auf Fehlern bei den generellen Grundlagen der Honorarverteilung beruht, wird der Vertrauensschutz des Arztes durch die Grundsätze über die Anbringung von Vorläufigkeitshinweisen und deren inhaltliche und umfangmäßige Begrenzung realisiert (vgl. BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, a.a.O., Rdnr. 28). In der Konstellation einer individuell fehlerhaften Rechtsanwendung der Kassenärztlichen Vereinigung bei Erlass des ursprünglichen Honorarbescheides können Honorarberichtigungen nach den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Vorschriften über die nachträgliche Korrektur von anfänglich rechtswidrigen Honorarbescheiden durchgeführt werden, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind aber die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen (vgl. zur Begründung im Einzelnen BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R -, aaO., Rdnr. 30-36).
Aus der Funktion der Ausschlussfrist unter Beachtung des Vertrauensschutzes ist zu folgern, dass es nicht im Belieben einer Kassenärztlichen Vereinigung steht, die vierjährige Ausschlussfrist durch den Erlass einer "vorläufigen Honorarinformation", die einem - per se vorläufigen - Honorarbescheid in Inhalt und Form gleicht, abgesehen davon, dass die Rechtsmittelbelehrung durch den genannten Hinweis ersetzt wird, zu verlängern. Im Hinblick auf den Vertrauensschutz ist eine solche "Honorarinformation" für den Lauf der Ausschlussfrist einem Honorarbescheid gleichzustellen. Die Beklagte hat sich faktisch im Übrigen auch so verhalten, da sie in der "vorläufigen Honorarinformation" gerade die Gründe genannt hat, die zu einer Hemmung der Ausschlussfrist führten bzw. geeignet waren, nicht auf den Bestand des Honorars vertrauen zu dürfen. Darüber hinaus ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb für individuelle Honorarberichtigungen einschließlich einer Überprüfung nach Ziff. 7.5 HVV die Ausschlussfrist nicht zu laufen begann.
Bereits aus diesem Grund ist der angefochtene Rückforderungsbescheid rechtswidrig und aufzuheben. Insofern kommt es nicht mehr auf die Frage an, inwieweit sich der Leistungsrückgang auf den Fallwert niedergeschlagen hat.
Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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