L 7 AS 989/09 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1006/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 989/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist auch im Übrigen statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 a.a.O.). Beide Voraussetzungen sind in Anbetracht des Beschwerdewerts und des Zeitraums, für den Leistungen geltend gemacht werden, nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit noch ist die erforderliche Berufungssumme von mehr als 750,00 Euro erreicht. Im Beschwerdeverfahren geht es dem Kläger nur noch um die Übernahme der Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt höchstens 741,42 Euro (vgl. die korrigierten Abrechnungen vom 20. Februar 2008). Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat im angefochtenen Urteil vom 29. Januar 2009 die Berufung auch nicht zugelassen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Kläger stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG (wesentlicher entscheidungsrelevanter Verfahrensmangel). Dieser Zulassungsgrund liegt indessen nicht vor.

Mit seiner Verfahrensrüge macht der Kläger sinngemäß eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 62 SGG) als Zulassungsgrund im Sinne der oben genannten Vorschrift geltend, weil das SG ihm weder die "Antwort der (rechtswidrigen) Vermieterbefragung", d.h. das Schreiben seiner Eltern vom 20. August 2008, zur Kenntnis gebracht noch ihm die Möglichkeit zur weiteren "Belegvorlage" eingeräumt habe. Mit dieser Rüge vermag er indes nicht durchzudringen. Zwar kann der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein, wenn die Mitteilung von Beweisergebnissen (vgl. § 107 SGG) unterblieben ist; denn dieses Recht gebietet es, dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 160a Nr. 4). Ein derartiger Verfahrensfehler führt jedoch nicht stets zur Zulassung der Berufung; denn - anders als nach § 138 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 119 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung - wird bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs im SGG nicht unwiderlegbar vermutet, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruht (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 547 der Zivilprozessordnung (ZPO); ferner BSGE 53, 83, 84 = SozR 1500 § 124 Nr. 7; BSG, Beschluss vom 29. November 1988 - 7 BAr 52/87 - (juris); Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnr. 35a). Die Verfahrensrüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs greift im Rahmen der hier maßgeblichen Prozessordnung des SGG deshalb regelmäßig nur durch, wenn ein derartiger Verfahrensmangel vorliegt und darüber hinaus entscheidungserhebliches Vorbringen aufgrund eines solchen Verfahrensfehlers verhindert worden ist (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 36; BSGE 69, 280, 284 = SozR 3-4100 § 128a Nr. 5; BSG, Beschluss vom 29. November 1988 a.a.O.). Darüber hinaus setzt der Erfolg der Gehörsrüge voraus, dass dargelegt wird oder sich zumindest aus den Umständen ergibt, dass der Beteiligte alles Zumutbare getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BSGE 68, 205, 210 = SozR 2200 § 548 Nr. 10; BSG, Beschluss vom 5. Oktober 1998 - B 13 RJ 285/97 B - (juris); Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 62 Rdnr. 11d; Leitherer, a.a.O., § 160a Rdnr. 16d). Nach allem muss seitens des Beschwerdeführers dargetan oder jedenfalls sonst wie erkennbar sein, dass die Entscheidung auf der Gesetzesverletzung beruhen kann, wobei freilich die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung genügt (vgl. BSG, Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 27/01 R - (juris); Keller, a.a.O., § 62 Rdnr. 11a; Leitherer, a.a.O., § 144 Rdnr. 35a).

Diesen Voraussetzungen wird die Gehörsrüge des Klägers nicht gerecht. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger, der im Übrigen trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 29. Januar 2009 nicht erschienen ist, die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausgeschöpft hatte, selbst wenn er das Schreiben seiner Eltern vom 20. August 2008 vom SG nicht erhalten haben sollte; immerhin ist denkbar, dass ihm dieses Schreiben direkt von seinen Eltern zur Kenntnis gebracht worden ist. Indessen hatte das SG zumindest die Übersendung der gerichtlichen Verfügung vom 28. Juli 2008, in welchem die Eltern des Klägers als seine Vermieter von der Kammervorsitzenden um eine zeugenschaftliche Auskunft gebeten worden waren, ebenso wie die Übermittlung des Schriftsatzes der Beklagten vom 9. Oktober 2008 veranlasst. Der Kläger konnte mithin Kenntnis davon erlangen, welche Beanstandungen die Beklagte weiterhin an den Nebenkostenabrechnungen vorzubringen hatte; es dürfte ihm ferner zumutbar gewesen sein, beim SG nachzufragen, welche Auskünfte seine Eltern dort erteilt hatten und welche Unterlagen von diesen vorgelegt worden waren.

Dessen ungeachtet ist die Kausalität einer etwaigen Gehörsverletzung im Sinne einer möglichen Entscheidungserheblichkeit hier nicht aufgezeigt. Denn das SG hat im Urteil vom 29. Januar 2009 hinsichtlich der Abrechnungsperiode 2005 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 556 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), welche im Übrigen bereits im Schriftsatz der Beklagten vom 9. Oktober 2008 inhaltlich angesprochen war, ausgeführt, dass eine Übernahme der Nachforderung durch diese schon deswegen nicht in Betracht komme, weil nach Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums die Geltendmachung einer Nachforderung von Betriebskosten ausgeschlossen sei (Satz 3 a.a.O.). Demgegenüber sei dem Kläger die Nebenkostenabrechnung für 2005 nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift vom Vermieter erst im Oktober 2007 vorgelegt worden; er sei deshalb zivilrechtlich zur Begleichung der Nachzahlungsforderung nicht verpflichtet. Das SG hat mithin bereits aus Rechtsgründen einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Nachzahlungsforderung für das Abrechnungsjahr 2005 verneint, ohne dass es insoweit auf die Auskunft der Eltern des Klägers vom 20. August 2008 oder die Vorlage weiterer Unterlagen durch den Kläger ankam. Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006. Das SG hat die vom Kläger der Beklagten im Oktober 2007 eingereichte Hausabrechnung unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai und 19. November 2008 (NJW 2008, 2260; NJW 2009, 283) für formell unwirksam und damit für nicht fällig erachtet und sodann weiter ausgeführt, dass die formelle Unwirksamkeit der Abrechnung zwar durch Erstellung einer neuen Abrechnung behoben werden könne, aber auch insoweit die Frist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB gelte. Diese Zwölfmonatsfrist sei jedoch hinsichtlich der - vom Kläger mit seinem Schreiben vom 21. Februar 2008 zu den Gerichtsakten gereichten - Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006 vom 20. Februar 2008 ebenfalls bereits verstrichen gewesen, weshalb nicht mehr geklärt werden müsse, ob die korrigierte Abrechnung überhaupt den formellen Mindeststandards genügt habe. Sonach war die Auskunft der Eltern vom 20. August 2008 auch in dieser Hinsicht ebenso wenig entscheidungserheblich wie es aus Sicht des SG der Einreichung weiterer Unterlagen seitens des Klägers bedurft hatte. Unter diesen Umständen vermag der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel die Zulassung der Berufung nicht zu begründen.

Zulassungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG (grundsätzliche Bedeutung, Divergenz) sind vom Kläger nicht geltend gemacht; sie sind auch nicht ersichtlich. Die Auffassung des SG im angefochtenen Urteil, dass der Hilfebedürftige die Übernahme von Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, zu denen auch die Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnungen gehören (vgl. Bundesverwaltungsgericht BVerwGE 79, 46; Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 22 Rdnr. 20), überhaupt nur dann verlangen kann, wenn er zivilrechtlich hierzu verpflichtet ist, entspricht der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Februar 2009 - L 7 SO 1131/07 - ZFSH/SGB 2009, 172 (m.w.N.)).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Mangels Anfechtbarkeit der vorliegenden Nichtzulassungsentscheidung (§ 177 SGG) wird das angefochtene Urteil des SG vom 29. Januar 2009 hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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