S 12 AL 371/15 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 371/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird vorläufig verpflichtet, gegenüber der Antragstellerin die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 21.07.2014 einzustellen, bis zweifelsfrei nachgewiesen ist, ob und ggf. in welcher Höhe noch eine Restforderung offen ist.
Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin je zur Hälfte.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin aufgrund einer Vollstreckungsankündigung vom 13.07.2015, die die Antragsgegnerin für das beigeladene Jobcenter Duisburg aufgrund einer Beauftragung mit der Wahrnehmung des Forderungseinzugs nach § 44 c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 44 b Abs. 4 SGB II hinsichtlich eines Betrages von 281,58 EUR angekündigt hatte.

Die Antragsstellerin trägt mit ihrem Eilantrag vor, sie habe bereits vor mehr als zehn Mo-naten die Forderung getilgt. Dies habe das beigeladene Jobcenter mit Schreiben vom 26.09.2014 zum Vertrags¬gegenstand 6201004453007 ausdrücklich bestätigt.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, gegen die An-tragstellerin aus dem Bescheid vom 21.07.2014 zu vollstrecken.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Eilantrag abzulehnen.

Sie vertritt die Auffassung, die im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des beigeladenen Jobcenters vom 21.07.2014 benannte Forderung sei fällig. Das zitierte Schreiben des beigeladenen Jobcenters vom 26.09.2014 beziehe sich auf eine ältere betragsgleiche Forderung. Wann die Antragstellerin welche Zahlungen zur Tilgung der streitigen Forderung geleistet habe, könne lediglich das beigeladene Jobcenter feststellen, nicht aber die Antragsgegnerin. Auch könne sie zu den übrigen Forderungen des Beigeladenen und dem Inhalt des Schreibens vom 26.09.2014 keine Stellung nehmen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Er teilt mit, es habe mehrere Erstattungsbescheide mit mehreren Erstattungsforderungen gegeben, darüber hinaus hätten auch noch alte Forderungen bestanden. Kassenanordnungen und Mitteilungen der BA-Service-Haus-Zentralkasse über die Tilgung einzelner Forderungsbeiträge hat der Beigeladene vorgelegt. Er bittet darum, nähere Erläuterungen zu der Übersicht über das Forderungskonto bei der Antragsgegnerin einzuholen, da weitere Einsichtsmöglichkeiten seinerseits nicht bestünden. Ferner sei es kassenrechtlich so vorgesehen, alle Forderungen zu einer bestimmten Forderungsart (z. B. Überzahlungen) nur unter einem einzigen Vertragsgegenstand zu buchen. Dadurch vermischten sich in der Übersicht alte und neue Forderungen. Aktuell weise das Forderungskonto ein Defizit von 281,58 EUR aus. Der Beige¬ladene habe versucht, sich mit dem Forderungseinzug der Antragsgegnerin in Verbindung zu setzen, was jedoch nicht gelungen sei. Auf die Bitte um Rückruf sei nicht reagiert worden und konkrete Ansprechpartner für den vorliegenden Fall seien nicht bekannt. Tatsache sei, dass durch den Forderungseinzug ein Ratenzahlungsplan eingerichtet worden sei. Ob dies korrekt erfolgt sei, vermöge der Beigeladene nicht zu sagen, da kein Mitarbeiter des Beigeladenen die Befugnis besitze, einen solchen Ratenzahlungsplan anzulegen und im Kassenprogramm zu erfassen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte, die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und des beigeladenen Jobcenters sowie die zu der Verfahrensakte gereichten Zahlungsübersichten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ist eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand zu erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine einstweilige Anordnung ist auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig er-scheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt einerseits das Bestehen eines Anordnungsanspruches, andererseits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes voraus.

Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, denn die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 13.07.2015 die Vollstreckung wegen der streitigen Forderung angekündigt. Zwar ist eine Vollstreckungsankündigung selbst kein Verwaltungsakt mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 25.06.2015 – B 14 AS 38/14 R – m. w. N.), jedoch hat das BSG in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass gleichwohl ein Antrag auf Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen durchaus zulässig sein kann. Rechtsgrundlage hierfür ist § 257 Abs. 1 Abgabenordnung in Verbindung mit § 40 Abs. 6 Halbsatz 1 SGB II und § 5 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Danach ist eine Vollstreckung einzustellen, sobald u. a. die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen weggefallen sind, also die Vollziehung ausgesetzt oder durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (Nr. 1), der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird (Nr. 2) oder der Anspruch auf die Leistung erloschen ist (Nr. 3).

Nach der im Verfahren um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung ist es weder dem Gericht noch den drei Beteiligten des seit elf Monaten anhängigen Prozessverfahrens gelungen, zweifelsfrei herauszufinden, ob die Forderung aus dem Bescheid vom 21.07.2014 noch besteht und, wenn ja, in welcher Höhe. Es war nach umfangreichem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten lediglich zu klären, dass das beigeladene Jobcenter noch eine offene Forderung von 281,58 EUR gebucht hat. Wie sich diese Forderung zusammensetzt, insbesondere ob sie aus dem Bescheid vom 21.07.2014 herrührt, konnte nicht geklärt werden. Auch war nicht aufzuklären, ob sich das Schreiben des Beigeladenen vom 26.09.2014, mit dem die Tilgung der "Forderung auf dem Vertragsgegenstand 6201004453007" durch die Einzahlungen der Antragstellerin mit der Aufforderung bestätigt wurde, auch auf die hier streitige Forderung von 281,58 EUR aus dem Bescheid vom 21.07.2016 bezieht oder nicht. Jedenfalls wurde die Antragstellerin aufgefordert, keine weiteren Einzahlungen vorzunehmen bzw. den Dauerauftrag zu beenden, was keinen Sinn machen würde, wenn doch noch Forderungen offen gewesen wären. Jedenfalls ist anhand der vorliegenden Forderungsaufstellungen und Kassenanordnungen in keiner Weise nachvollziehbar, welche Zahlung auf welche Forderung angerechnet wurde, da sämtliche Forderungen ausschließlich auf dem genannten Vertragsgegenstand erfasst wurden.

Das Gericht hat sich intensiv bemüht, sowohl von der Antragsgegnerin als auch von dem Beigeladenen zweifelsfreie Nachweise zu erhalten, wie sich der wohl noch offene Betrag zusammensetzt. Auch ist in keiner Weise geklärt, weshalb die Einzahlung von 100 EUR am 10.09.2014 als "Rate" bezeichnet ist, obwohl keinem der Beteiligten eine Ratenzahlungsvereinbarung bekannt ist.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen wechselseitig vor, der jeweils andere habe alleine die Befugnis und die entsprechenden Prüfungsmöglichkeiten, die Abläufe im Einzelnen aufzuklären. Vor diesem Hintergrund einer offensichtlich nicht aufklärbaren tatsächlichen Situation ist die Vollstreckung der Forderung zu untersagen, bis zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass die Forderung tatsächlich (noch) in der genannten Höhe besteht. Dies zu prüfen, ist Sache der Antragsgegnerin, da es sich um eine Vollstreckungsvoraussetzung handelt.

Auch besteht ein Anordnungsgrund, denn die Antragsgegnerin hat bereits mehrfach wegen diverser Forderungen Zahlungsaufforderungen mit Festsetzung von Mahngebühren erlassen, damit also dokumentiert, dass sie trotz der ungeklärten Sachlage zu vollstrecken beabsichtigt.

Auch das Verhalten der Antragsgegnerin und des Beigeladenen im vorliegenden Eilverfahren lässt erkennen, dass sie beide nicht willens oder in Lage sind, im Vollstreckungsverfahren zusammenzuarbeiten oder wenigstens dem Gericht auf zahlreiche Aufforderungen hin plausibel und nachvollziehbar darzustellen, welche Forderungen es überhaupt gab, welche Zahlungen auf welche Forderung erfolgt sind und welche Forderungen wann getilgt waren. Eine Klarstellung, welche Forderung(en) mit der Tilgungsbestätigung vom 26.09.2014 im einzelnen gemeint sind, und welche weiteren ggfs noch offen sind, konnte im Eilverfahren nicht erzielt werden.

Bei dieser Sachlage ist es der Antragstellerin nicht länger zuzumuten, einer drohenden Vollstreckung ausgesetzt zu sein, obwohl ihr mitgeteilt worden ist, dass die "Forderung zum Vertragsgegenstand 6201004453007", unter dem sämtliche Forderungen erfasst waren, getilgt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und berücksichtigt, dass sowohl die Antragsgegnerin als auch der Beigeladene, um dessen Forderung es wesentlich geht, Anlass für das Eilverfahren und dessen außergewöhnlich lange Dauer gegeben haben.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs.1 S. 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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