Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 2978/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 408/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 04. Januar 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. September 2006 in der Fassung des Bescheids vom 09. Februar 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2007 aufgehoben, soweit für Februar 2005 höhere monatliche Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung als EUR 171,49 festgesetzt wurden.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung.
Die am 1951 geborene Klägerin war mit E. B. verheiratet. Sie war über den Ehemann vom 01. April 1987 bis 09. Dezember 2004 bei der Techniker Krankenkasse familienversichert (Bescheinigung der Techniker Krankenkasse vom 21. Dezember 2006). Die Ehe wurde durch Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 6. Senat für Familiensachen in Darmstadt - vom 09. Dezember 2004, rechtskräftig seit 01. Februar 2005, geschieden. Der Ehemann hatte hiernach monatlich im Voraus, spätestens bis zum dritten Werktag eines Monats EUR 1.462,00 Elementarunterhalt, EUR 460,00 Altersvorsorgeunterhalt, EUR 225,00 Krankenvorsorgeunterhalt und EUR 30,00 Pflegevorsorgeunterhalt, insgesamt EUR 2.177,00 monatlich, zu zahlen.
Die Klägerin beantragte ab 01. Januar 2005 freiwilliges Mitglied der Beklagten zu sein. Sie legte Fotokopie des Kontoauszugs vor, wonach der Ehemann am 02. Februar 2005 Unterhalt unter Vorbehalt in Höhe von EUR 1.329,36 überwiesen hatte. Durch Bescheid vom 22. Februar 2005 stellte die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin ab 10. Dezember 2004 fest und berechnete auf der Grundlage des monatlichen Einkommens von EUR 1.329,36 für Dezember 2004 einen Beitrag zur Krankenversicherung (Beitragssatz 12,9 %) von EUR 171,49 und zur Pflegeversicherung (Beitragssatz 1,7 %)von EUR 22,60. Ab Januar 2005 ergab sich ein Beitrag zur Krankenversicherung (Beitragssatz 13,6 %) von EUR 180,80 und zur Pflegeversicherung (Beitragssatz 1,95 %)von EUR 25,92. Mit Schreiben vom 08. März 2005 teilte die Klägerin mit, sie erhalte seit März 2005 eine Unterhaltsversorgung von EUR 1.462,00 monatlich. Durch Bescheid vom 22. März 2005 änderte die Beklagte ab 01. März 2005 den Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 198,84 und zur Pflegeversicherung auf EUR 28,51. Der Bescheid enthielt unter der Überschrift "Vorläufige Neufestsetzung des Beitrags" den Hinweis, es sei zu beachten, dass es sich um eine vorläufige Einstufung handle; für eine abschließende Bearbeitung würden noch geeignete Einkommensnachweise benötigt, die eingesandt werden müssten. Eine rückwirkende Neufestsetzung des Beitrags werde vorbehalten.
Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2005, 19. September 2005, 17. Januar 2006 und 18. Juli 2006 zur Vorlage von Einkommensnachweisen auf. Mit Schreiben vom 18. August 2006 drohte die Beklagte an, rückwirkend den monatlichen Höchstbeitrag zu erheben. Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 24. August 2006 "Widerspruch" und verwies darauf, ihre Einkommensverhältnisse bereits mitgeteilt zu haben. Sie legte - nach ihren Angaben erneut - die Mitteilung vom 16. Dezember 2004 ihres Rechtsanwalts aus dem Scheidungsverfahren vor, wonach der Ehemann zur Zahlung von insgesamt EUR 2.177,00 monatlich verurteilt worden sei. Die Entscheidung sei seit 01. Februar 2005 rechtskräftig. Die Beklagte setzte daraufhin durch Bescheid vom 28. September 2006 aufgrund des Einkommens von EUR 2.177,00 monatlich einen Gesamtbeitrag für 10. bis 31. Dezember 2004 von EUR 233,08 (Krankenversicherung EUR 205,94, Pflegeversicherung EUR 27,14) und ab 01. Januar 2005 von EUR 338,53 (Krankenversicherung EUR 296,08, Pflegeversicherung EUR 42,45) fest. Bis einschließlich 30. September 2006 habe sich ein Beitragsrückstand in Höhe von EUR 2.702,07 ergeben.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Die Scheidung sei erst seit Februar 2005 rechtskräftig. Im Übrigen habe sie zunächst nur monatlich EUR 1.330,00 erhalten, wovon mindestens EUR 200,00 an die in Ausbildung befindliche Tochter gegangen seien. Nach der endgültigen Regelung verbleibe ihr jetzt abzüglich der EUR 200,00 für die Tochter noch ein Elementarunterhalt von EUR 1.262,00, wovon sie den gesamten Lebensunterhalt bestreiten müsse. Die zu zahlende Renten-, Kranken- und Pflegevorsorge stehe ihr nicht zur Verfügung. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 auf den Gesamtbetrag des monatlichen Unterhalts von EUR 2.177,00 hin; es sei unerheblich, wofür die Summe verbraucht werde. Mit weiterem Schreiben vom 09. Februar 2007, das dem Widerspruch insoweit abhalf, als die Beitragsberechnung für die Zeit vom 10. Dezember 2004 bis 31. Januar 2005 vorläufig nach einem Einkommen von EUR 1.329,36 erfolgte, übermittelte die Beklagte einen Kontoauszug Stand 09. Februar 2007, wonach noch ein Beitragsrückstand von EUR 2.701,85 bestehe. Die Klägerin legte die Niederschrift des Termins des OLG vom 09. Dezember 2004 sowie das Schreiben der Techniker-Krankenkasse vom 08. März 2005, wonach die Familienversicherung am 09. Dezember 2004 wegen Rechtskraft der Scheidung ende, vor. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007. Gemäß § 9 Abs. 3 der Satzung richte sich die Bemessung der Beiträge für freiwillige Mitglieder nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese werde bestimmt durch alle Einnahmen und Geldmittel ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung. Eine Differenzierung nach Elementar- und Vorsorgeunterhalt könne nicht vorgenommen werden.
Mit der am 27. August 2007 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trug vor, sie sei von der Beklagten nicht korrekt über die Bemessungsgrundlage der Beiträge informiert worden. Nach der Scheidung habe sie in angespannten finanziellen Verhältnissen gelebt. Die Beitragshöhe sei ein entscheidendes Kriterium für eine Mitgliedschaft bei der Beklagten gewesen. Sie habe davon ausgehen dürfen, nur der Elementarunterhalt sei für die Bemessung der Beiträge maßgeblich. Im Übrigen sei der Vorsorgeunterhalt nicht anzurechnen, da er nicht zur freien Verfügung stehe. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sei durch den Elementarunterhalt gekennzeichnet. Jedenfalls hätte eine Obliegenheit der Beklagten bestanden, über die Beitragspflicht des gesamten Unterhalts in Kenntnis zu setzen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte ein Exemplar ihrer Satzung - Stand Juli 2004 - vor.
Durch Gerichtsbescheid vom 04. Januar 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, der Gesamtbetrag des Unterhalts gehöre zum Lebensbedarf und sei bei freiwilligen Mitgliedern der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könnten tatsächliche Umstände wie die Höhe des Gesamtunterhalts nicht korrigiert werden. Die Beklagte sei auch zur rückwirkenden Neufestsetzung berechtigt, da die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, über das Urteil des OLG in vollem Umfang zu informieren. Die Beklagte habe zuletzt die Nachforderung zutreffend auf den Zeitraum seit 01. Februar 2005 begrenzt.
Gegen den am 09. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. Januar 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie verbleibt dabei, lediglich der Elementarunterhalt sei als beitragspflichtige Einnahme anzusetzen. Der Vorsorgeunterhalt stehe zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung. Jedenfalls hätte sie hiervon informiert werden müssen. Sie wäre dann wohl nicht Mitglied der Beklagten geworden. Mithin habe die Beklagte ihre Rechtsstellung unredlich erworben. Die Ausübung des Rechts sei wegen objektiv unredlichen Verhaltens missbräuchlich. Es seien Nachteile entstanden, die bei redlichem Verhalten der Beklagten nicht entstanden wären. Mithin seien wirksame Nachforderungen nicht entstanden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 04. Januar 2008 und den Bescheid vom 28. September 2006 in der Fassung des Bescheids vom 09. Februar 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2007 abzuändern, soweit ab 01. Februar 2005 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus einem monatlichen Einkommen von mehr als EUR 1.462,00 festgesetzt sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Die Beteiligten haben im Wege des Teilvergleichs die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als Beiträge zur Pflegeversicherung ab 01. Februar 2005 festgesetzt sind; die Pflegekasse der Beklagten werde nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens neu entscheiden.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beklagte im Wege des Teilvergleichs den Bescheid vom 28. September 2006 in der Fassung des Bescheids vom 09. Februar 2007 insoweit zurückgenommen hat, als sie Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung gefordert hat, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte zu Recht Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung seit 01. Februar 2005 aus dem Gesamtbetrag der der Klägerin zufließenden Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehemannes in Höhe von EUR 2.177,00 fordert.
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG - anwendbar noch in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung - ist nicht gegeben; zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung am 24. Januar 2008 standen im Streit wiederkehrende Leistungen (zu denen auch Beiträge zählen) für mehr als ein Jahr.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist - soweit über sie im Berufungsverfahren noch zu entscheiden war - begründet, soweit die Beklagte höhere Beiträge zur Krankenversicherung als EUR 171,49 für den Monat Februar 2005 festgesetzt hat (1.). Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet. Die Beklagte erhebt zu Recht seit 01. März 2005 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Gesamtbetrag der monatlich zufließenden Unterhaltsleistung von EUR 2.177,00. Diese unterliegt in voller Höhe der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung (2.).
1. Die Festsetzung höherer Beiträge zur Krankenversicherung als EUR 171,49 für den Monat Februar 2005 ist rechtswidrig, weil die Beklagte den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22. Februar 2005 jedenfalls nicht rechtswirksam aufgehoben hat.
Die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 10. Dezember 2004 durch den Bescheid vom 22. Februar 2005 erfolgte - anders als für die Zeit ab 01. März 2005 - nicht vorläufig, sondern endgültig. Denn der Bescheid vom 22. Februar 2005, der bis zum Erlass des Bescheids vom 22 März 2005 Grundlage für die Beitragserhebung ist, enthält die Regelung, die Beitragsberechnung sei vorläufig, nicht. Unterstellt man, dass in der Neufestsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung zugleich konkludent die Aufhebung früherer entgegenstehender Bescheide liegt, müssen deshalb für eine Änderung der Festsetzung der Beiträge die Voraussetzungen des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuchs (SGB X) vorliegen. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf, soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bescheid vom 22. Februar 2005 war bei seinem Erlass rechtswidrig, weil der Beitragsberechnung nicht ein Einkommen in Höhe von EUR 1.329,36, sondern in Höhe von EUR 2.177,00 zugrunde zu legen ist (dazu sogleich unter 2.). Die Rechtswidrigkeit mag auch darauf beruht haben, dass die Klägerin unrichtige Angaben zum Unterhalt, den ihr geschiedener Ehemann leisten musste, machte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die rückwirkende Aufhebung setzt aber auch voraus, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung trifft. Dies ist nicht erfolgt. Der Beklagten war überhaupt nicht bewusst, eine solche Entscheidung treffen zu müssen (Ermessensnichtgebrauch), weil sie schon gar nicht erkannt hat, dass sie den bestandskräftig gewordenen früheren Bescheid vom 22. Februar 2005 hätte aufheben müssen.
2. Die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 01. März 2005 durfte die Beklagte ändern, ohne die Voraussetzungen des § 45 SGB X beachten zu müssen. Denn die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 01. März 2005 erfolgte mit dem Bescheid vom 22. März 2005 zunächst vorläufig. Da die Klägerin die vorläufige Festsetzung nicht angegriffen hat, ist sie bestandskräftig geworden, sodass die Beklagte nach Vorlage der angeforderten Einkommensnachweise (auch rückwirkend) eine endgültige Festsetzung vornehmen konnte.
Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der vor dem 01. Januar 2009 geltenden Fassung wird die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt (seit 01. Januar 2009: einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, vgl. Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a) des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378). Nach Satz 2 der Vorschrift ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Beklagte hat in § 9 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a ihrer Satzung dies dahingehend konkretisiert, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmt wird durch alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Es sind mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (gleichlautend § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Beitragspflichtige Einnahmen sind hiernach Arbeitsentgelt, Vorruhestandsgeld, Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, Versorgungsbezüge sowie alle übrigen Einnahmen.
Diese Formulierungen wiederholen die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 240 Abs. 1 SGB V (BT-Drs. 11/2237 S. 225) und sind auch höchstrichterlich akzeptiert worden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 31). Eine Differenzierung nach Elementar- und Vorsorgeunterhalt ist hierdurch verwehrt. Gemäß § 1578 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) umfasst der Unterhaltsanspruch auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters und der verminderten Erwerbsfähigkeit. Der Vorsorgeunterhalt soll die Nachteile, die dem Unterhaltsberechtigten aus der ehebedingten Behinderung seiner Erwerbstätigkeit erwachsen, ausgleichen (vgl. Bundesgerichtshof - BGH - NJW 1981, 1556), orientiert sich deshalb an den tatsächlich entstandenen Kosten, unterliegt aber auch einer Angemessenheitskontrolle. Dies hat zur Folge, dass im Einzelfall ein geringerer Vorsorgeunterhalt gezahlt werden kann, als er dem Unterhaltsberechtigten tatsächlich entsteht; unerheblich ist - worauf es bei den hier gezahlten Beträgen jedoch nicht ankommt -, wenn der im Unterhaltstitel zugrunde gelegte Betrag die Krankenversicherungsbeiträge unterschreitet (vgl. Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, § 1578 Rdnrn. 63 ff., 74). Mithin zählt der Vorsorgeunterhalt zum gesamten Lebensbedarf und steht der Klägerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. September 2006 - L 11 KR 2575/06 - in Juris; ähnlich bereits Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Oktober 1996 - L 1 KR 45/96 - EzS 55/204). In der Heranziehung zur Beitragspflicht manifestiert sich zwangslos die Zweckbestimmung der gezahlten Unterhaltsleistungen. Die Argumentation der Klägerin liefe demgegenüber darauf hinaus, in den Vorsorgeleistungen gleichsam einen nicht zu den Bruttoeinnahmen zählenden Arbeitgeberanteil zu erblicken. Für eine solche systematische Sichtweise ist jedoch bei freiwillig Versicherten keine Grundlage erkennbar.
Der Beitrag zur Krankenversicherung aus dem Betrag von EUR 2.177,00 ist beim seit Januar 2005 geltenden Beitragssatz von 13,6 % mit EUR 296,08 richtig berechnet.
Ihr Begehren, bei der Berechnung der Beiträge lediglich den Elementarunterhalt zu berücksichtigen, kann die Klägerin nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen, weil die Beklagte sie dahingehend hätte beraten müssen, dass alle Unterhaltszahlungen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt werden. Der Senat lässt offen, ob ein Beratungsfehler vorliegt. Denn Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung -, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (z.B. BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 3). Dies ist nicht der Fall. Denn nach der dargestellten Rechtslage ist die Beklagte verpflichtet, alle Unterhaltszahlungen der Beitragsberechnung zugrunde zu legen.
Die Frage, ob sämtliche Unterhaltszahlungen der Berechnung der Beiträge zu Grunde gelegt werden, kann für die Entscheidung der Klägerin, freiwilliges Mitglied der Beklagten zu werden, nicht ausschlaggebend gewesen sein. Denn alle Krankenkassen müssen bei der Beitragsberechnung entsprechend verfahren. Für den Beitritt zur Beklagten kann damit allein der im Dezember 2004 geltende Beitragssatz von 12,9 % maßgebend gewesen sein, der geringer war als bei anderen Krankenkassen. Ferner hat die Beklagte durch die im Bescheid vom 22. März 2005 erfolgte vorläufige Festsetzung der Beiträge zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht von einer endgültigen Berechnung der Beiträge ausgeht, sondern dies erst nach Vorlage von Einkommensnachweisen erfolgen wird. Die Klägerin musste deshalb mit einer Änderung rechnen, sodass von einem "unrichtigen Erwerb" einer Rechtsposition der Beklagten nicht die Rede sein kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin nur mit einem geringen Teil ihres Begehrens erfolgreich war, besteht kein Anlass, ihr eine anteilige Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten zuzusprechen.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung.
Die am 1951 geborene Klägerin war mit E. B. verheiratet. Sie war über den Ehemann vom 01. April 1987 bis 09. Dezember 2004 bei der Techniker Krankenkasse familienversichert (Bescheinigung der Techniker Krankenkasse vom 21. Dezember 2006). Die Ehe wurde durch Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 6. Senat für Familiensachen in Darmstadt - vom 09. Dezember 2004, rechtskräftig seit 01. Februar 2005, geschieden. Der Ehemann hatte hiernach monatlich im Voraus, spätestens bis zum dritten Werktag eines Monats EUR 1.462,00 Elementarunterhalt, EUR 460,00 Altersvorsorgeunterhalt, EUR 225,00 Krankenvorsorgeunterhalt und EUR 30,00 Pflegevorsorgeunterhalt, insgesamt EUR 2.177,00 monatlich, zu zahlen.
Die Klägerin beantragte ab 01. Januar 2005 freiwilliges Mitglied der Beklagten zu sein. Sie legte Fotokopie des Kontoauszugs vor, wonach der Ehemann am 02. Februar 2005 Unterhalt unter Vorbehalt in Höhe von EUR 1.329,36 überwiesen hatte. Durch Bescheid vom 22. Februar 2005 stellte die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin ab 10. Dezember 2004 fest und berechnete auf der Grundlage des monatlichen Einkommens von EUR 1.329,36 für Dezember 2004 einen Beitrag zur Krankenversicherung (Beitragssatz 12,9 %) von EUR 171,49 und zur Pflegeversicherung (Beitragssatz 1,7 %)von EUR 22,60. Ab Januar 2005 ergab sich ein Beitrag zur Krankenversicherung (Beitragssatz 13,6 %) von EUR 180,80 und zur Pflegeversicherung (Beitragssatz 1,95 %)von EUR 25,92. Mit Schreiben vom 08. März 2005 teilte die Klägerin mit, sie erhalte seit März 2005 eine Unterhaltsversorgung von EUR 1.462,00 monatlich. Durch Bescheid vom 22. März 2005 änderte die Beklagte ab 01. März 2005 den Beitrag zur Krankenversicherung auf EUR 198,84 und zur Pflegeversicherung auf EUR 28,51. Der Bescheid enthielt unter der Überschrift "Vorläufige Neufestsetzung des Beitrags" den Hinweis, es sei zu beachten, dass es sich um eine vorläufige Einstufung handle; für eine abschließende Bearbeitung würden noch geeignete Einkommensnachweise benötigt, die eingesandt werden müssten. Eine rückwirkende Neufestsetzung des Beitrags werde vorbehalten.
Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2005, 19. September 2005, 17. Januar 2006 und 18. Juli 2006 zur Vorlage von Einkommensnachweisen auf. Mit Schreiben vom 18. August 2006 drohte die Beklagte an, rückwirkend den monatlichen Höchstbeitrag zu erheben. Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 24. August 2006 "Widerspruch" und verwies darauf, ihre Einkommensverhältnisse bereits mitgeteilt zu haben. Sie legte - nach ihren Angaben erneut - die Mitteilung vom 16. Dezember 2004 ihres Rechtsanwalts aus dem Scheidungsverfahren vor, wonach der Ehemann zur Zahlung von insgesamt EUR 2.177,00 monatlich verurteilt worden sei. Die Entscheidung sei seit 01. Februar 2005 rechtskräftig. Die Beklagte setzte daraufhin durch Bescheid vom 28. September 2006 aufgrund des Einkommens von EUR 2.177,00 monatlich einen Gesamtbeitrag für 10. bis 31. Dezember 2004 von EUR 233,08 (Krankenversicherung EUR 205,94, Pflegeversicherung EUR 27,14) und ab 01. Januar 2005 von EUR 338,53 (Krankenversicherung EUR 296,08, Pflegeversicherung EUR 42,45) fest. Bis einschließlich 30. September 2006 habe sich ein Beitragsrückstand in Höhe von EUR 2.702,07 ergeben.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Die Scheidung sei erst seit Februar 2005 rechtskräftig. Im Übrigen habe sie zunächst nur monatlich EUR 1.330,00 erhalten, wovon mindestens EUR 200,00 an die in Ausbildung befindliche Tochter gegangen seien. Nach der endgültigen Regelung verbleibe ihr jetzt abzüglich der EUR 200,00 für die Tochter noch ein Elementarunterhalt von EUR 1.262,00, wovon sie den gesamten Lebensunterhalt bestreiten müsse. Die zu zahlende Renten-, Kranken- und Pflegevorsorge stehe ihr nicht zur Verfügung. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 auf den Gesamtbetrag des monatlichen Unterhalts von EUR 2.177,00 hin; es sei unerheblich, wofür die Summe verbraucht werde. Mit weiterem Schreiben vom 09. Februar 2007, das dem Widerspruch insoweit abhalf, als die Beitragsberechnung für die Zeit vom 10. Dezember 2004 bis 31. Januar 2005 vorläufig nach einem Einkommen von EUR 1.329,36 erfolgte, übermittelte die Beklagte einen Kontoauszug Stand 09. Februar 2007, wonach noch ein Beitragsrückstand von EUR 2.701,85 bestehe. Die Klägerin legte die Niederschrift des Termins des OLG vom 09. Dezember 2004 sowie das Schreiben der Techniker-Krankenkasse vom 08. März 2005, wonach die Familienversicherung am 09. Dezember 2004 wegen Rechtskraft der Scheidung ende, vor. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007. Gemäß § 9 Abs. 3 der Satzung richte sich die Bemessung der Beiträge für freiwillige Mitglieder nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese werde bestimmt durch alle Einnahmen und Geldmittel ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung. Eine Differenzierung nach Elementar- und Vorsorgeunterhalt könne nicht vorgenommen werden.
Mit der am 27. August 2007 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trug vor, sie sei von der Beklagten nicht korrekt über die Bemessungsgrundlage der Beiträge informiert worden. Nach der Scheidung habe sie in angespannten finanziellen Verhältnissen gelebt. Die Beitragshöhe sei ein entscheidendes Kriterium für eine Mitgliedschaft bei der Beklagten gewesen. Sie habe davon ausgehen dürfen, nur der Elementarunterhalt sei für die Bemessung der Beiträge maßgeblich. Im Übrigen sei der Vorsorgeunterhalt nicht anzurechnen, da er nicht zur freien Verfügung stehe. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sei durch den Elementarunterhalt gekennzeichnet. Jedenfalls hätte eine Obliegenheit der Beklagten bestanden, über die Beitragspflicht des gesamten Unterhalts in Kenntnis zu setzen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte ein Exemplar ihrer Satzung - Stand Juli 2004 - vor.
Durch Gerichtsbescheid vom 04. Januar 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, der Gesamtbetrag des Unterhalts gehöre zum Lebensbedarf und sei bei freiwilligen Mitgliedern der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könnten tatsächliche Umstände wie die Höhe des Gesamtunterhalts nicht korrigiert werden. Die Beklagte sei auch zur rückwirkenden Neufestsetzung berechtigt, da die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, über das Urteil des OLG in vollem Umfang zu informieren. Die Beklagte habe zuletzt die Nachforderung zutreffend auf den Zeitraum seit 01. Februar 2005 begrenzt.
Gegen den am 09. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. Januar 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie verbleibt dabei, lediglich der Elementarunterhalt sei als beitragspflichtige Einnahme anzusetzen. Der Vorsorgeunterhalt stehe zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung. Jedenfalls hätte sie hiervon informiert werden müssen. Sie wäre dann wohl nicht Mitglied der Beklagten geworden. Mithin habe die Beklagte ihre Rechtsstellung unredlich erworben. Die Ausübung des Rechts sei wegen objektiv unredlichen Verhaltens missbräuchlich. Es seien Nachteile entstanden, die bei redlichem Verhalten der Beklagten nicht entstanden wären. Mithin seien wirksame Nachforderungen nicht entstanden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 04. Januar 2008 und den Bescheid vom 28. September 2006 in der Fassung des Bescheids vom 09. Februar 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2007 abzuändern, soweit ab 01. Februar 2005 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus einem monatlichen Einkommen von mehr als EUR 1.462,00 festgesetzt sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Die Beteiligten haben im Wege des Teilvergleichs die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als Beiträge zur Pflegeversicherung ab 01. Februar 2005 festgesetzt sind; die Pflegekasse der Beklagten werde nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens neu entscheiden.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beklagte im Wege des Teilvergleichs den Bescheid vom 28. September 2006 in der Fassung des Bescheids vom 09. Februar 2007 insoweit zurückgenommen hat, als sie Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung gefordert hat, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte zu Recht Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung seit 01. Februar 2005 aus dem Gesamtbetrag der der Klägerin zufließenden Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehemannes in Höhe von EUR 2.177,00 fordert.
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG - anwendbar noch in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung - ist nicht gegeben; zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung am 24. Januar 2008 standen im Streit wiederkehrende Leistungen (zu denen auch Beiträge zählen) für mehr als ein Jahr.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist - soweit über sie im Berufungsverfahren noch zu entscheiden war - begründet, soweit die Beklagte höhere Beiträge zur Krankenversicherung als EUR 171,49 für den Monat Februar 2005 festgesetzt hat (1.). Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet. Die Beklagte erhebt zu Recht seit 01. März 2005 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Gesamtbetrag der monatlich zufließenden Unterhaltsleistung von EUR 2.177,00. Diese unterliegt in voller Höhe der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung (2.).
1. Die Festsetzung höherer Beiträge zur Krankenversicherung als EUR 171,49 für den Monat Februar 2005 ist rechtswidrig, weil die Beklagte den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22. Februar 2005 jedenfalls nicht rechtswirksam aufgehoben hat.
Die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 10. Dezember 2004 durch den Bescheid vom 22. Februar 2005 erfolgte - anders als für die Zeit ab 01. März 2005 - nicht vorläufig, sondern endgültig. Denn der Bescheid vom 22. Februar 2005, der bis zum Erlass des Bescheids vom 22 März 2005 Grundlage für die Beitragserhebung ist, enthält die Regelung, die Beitragsberechnung sei vorläufig, nicht. Unterstellt man, dass in der Neufestsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung zugleich konkludent die Aufhebung früherer entgegenstehender Bescheide liegt, müssen deshalb für eine Änderung der Festsetzung der Beiträge die Voraussetzungen des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuchs (SGB X) vorliegen. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf, soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bescheid vom 22. Februar 2005 war bei seinem Erlass rechtswidrig, weil der Beitragsberechnung nicht ein Einkommen in Höhe von EUR 1.329,36, sondern in Höhe von EUR 2.177,00 zugrunde zu legen ist (dazu sogleich unter 2.). Die Rechtswidrigkeit mag auch darauf beruht haben, dass die Klägerin unrichtige Angaben zum Unterhalt, den ihr geschiedener Ehemann leisten musste, machte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die rückwirkende Aufhebung setzt aber auch voraus, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung trifft. Dies ist nicht erfolgt. Der Beklagten war überhaupt nicht bewusst, eine solche Entscheidung treffen zu müssen (Ermessensnichtgebrauch), weil sie schon gar nicht erkannt hat, dass sie den bestandskräftig gewordenen früheren Bescheid vom 22. Februar 2005 hätte aufheben müssen.
2. Die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 01. März 2005 durfte die Beklagte ändern, ohne die Voraussetzungen des § 45 SGB X beachten zu müssen. Denn die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 01. März 2005 erfolgte mit dem Bescheid vom 22. März 2005 zunächst vorläufig. Da die Klägerin die vorläufige Festsetzung nicht angegriffen hat, ist sie bestandskräftig geworden, sodass die Beklagte nach Vorlage der angeforderten Einkommensnachweise (auch rückwirkend) eine endgültige Festsetzung vornehmen konnte.
Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der vor dem 01. Januar 2009 geltenden Fassung wird die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt (seit 01. Januar 2009: einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, vgl. Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a) des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378). Nach Satz 2 der Vorschrift ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Beklagte hat in § 9 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a ihrer Satzung dies dahingehend konkretisiert, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmt wird durch alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Es sind mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (gleichlautend § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Beitragspflichtige Einnahmen sind hiernach Arbeitsentgelt, Vorruhestandsgeld, Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, Versorgungsbezüge sowie alle übrigen Einnahmen.
Diese Formulierungen wiederholen die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 240 Abs. 1 SGB V (BT-Drs. 11/2237 S. 225) und sind auch höchstrichterlich akzeptiert worden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 31). Eine Differenzierung nach Elementar- und Vorsorgeunterhalt ist hierdurch verwehrt. Gemäß § 1578 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) umfasst der Unterhaltsanspruch auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters und der verminderten Erwerbsfähigkeit. Der Vorsorgeunterhalt soll die Nachteile, die dem Unterhaltsberechtigten aus der ehebedingten Behinderung seiner Erwerbstätigkeit erwachsen, ausgleichen (vgl. Bundesgerichtshof - BGH - NJW 1981, 1556), orientiert sich deshalb an den tatsächlich entstandenen Kosten, unterliegt aber auch einer Angemessenheitskontrolle. Dies hat zur Folge, dass im Einzelfall ein geringerer Vorsorgeunterhalt gezahlt werden kann, als er dem Unterhaltsberechtigten tatsächlich entsteht; unerheblich ist - worauf es bei den hier gezahlten Beträgen jedoch nicht ankommt -, wenn der im Unterhaltstitel zugrunde gelegte Betrag die Krankenversicherungsbeiträge unterschreitet (vgl. Palandt, BGB, 68. Auflage 2009, § 1578 Rdnrn. 63 ff., 74). Mithin zählt der Vorsorgeunterhalt zum gesamten Lebensbedarf und steht der Klägerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. September 2006 - L 11 KR 2575/06 - in Juris; ähnlich bereits Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. Oktober 1996 - L 1 KR 45/96 - EzS 55/204). In der Heranziehung zur Beitragspflicht manifestiert sich zwangslos die Zweckbestimmung der gezahlten Unterhaltsleistungen. Die Argumentation der Klägerin liefe demgegenüber darauf hinaus, in den Vorsorgeleistungen gleichsam einen nicht zu den Bruttoeinnahmen zählenden Arbeitgeberanteil zu erblicken. Für eine solche systematische Sichtweise ist jedoch bei freiwillig Versicherten keine Grundlage erkennbar.
Der Beitrag zur Krankenversicherung aus dem Betrag von EUR 2.177,00 ist beim seit Januar 2005 geltenden Beitragssatz von 13,6 % mit EUR 296,08 richtig berechnet.
Ihr Begehren, bei der Berechnung der Beiträge lediglich den Elementarunterhalt zu berücksichtigen, kann die Klägerin nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen, weil die Beklagte sie dahingehend hätte beraten müssen, dass alle Unterhaltszahlungen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt werden. Der Senat lässt offen, ob ein Beratungsfehler vorliegt. Denn Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung im Sinne einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung -, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (z.B. BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 3). Dies ist nicht der Fall. Denn nach der dargestellten Rechtslage ist die Beklagte verpflichtet, alle Unterhaltszahlungen der Beitragsberechnung zugrunde zu legen.
Die Frage, ob sämtliche Unterhaltszahlungen der Berechnung der Beiträge zu Grunde gelegt werden, kann für die Entscheidung der Klägerin, freiwilliges Mitglied der Beklagten zu werden, nicht ausschlaggebend gewesen sein. Denn alle Krankenkassen müssen bei der Beitragsberechnung entsprechend verfahren. Für den Beitritt zur Beklagten kann damit allein der im Dezember 2004 geltende Beitragssatz von 12,9 % maßgebend gewesen sein, der geringer war als bei anderen Krankenkassen. Ferner hat die Beklagte durch die im Bescheid vom 22. März 2005 erfolgte vorläufige Festsetzung der Beiträge zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht von einer endgültigen Berechnung der Beiträge ausgeht, sondern dies erst nach Vorlage von Einkommensnachweisen erfolgen wird. Die Klägerin musste deshalb mit einer Änderung rechnen, sodass von einem "unrichtigen Erwerb" einer Rechtsposition der Beklagten nicht die Rede sein kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin nur mit einem geringen Teil ihres Begehrens erfolgreich war, besteht kein Anlass, ihr eine anteilige Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten zuzusprechen.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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