L 8 U 5868/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1717/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 5868/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit - streitig.

Der 1944 geborene Kläger war in der ehemaligen DDR von September 1961 bis Oktober 1965 und Mai 1967 bis Dezember 1984 als Schlosser/Schweißer lärmbelastet tätig. In der Zeit von November 1965 bis April 1967 leistete der Kläger bei der NVA als Kanonier/Geschützführer den Wehrdienst ab. Ab März 1986 war der Kläger in der staatlichen Gehörlosenschule N. als Betriebsmeister tätig.

Bereits mit Bescheid vom 28.05.1965 stellte der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund D. beim Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziffer 33 der Liste der Berufskrankheiten zur Verordnung vom 14.11.1957 (der ehemaligen DDR) fest. Die Gewährung einer Rente wurde abgelehnt, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 20 vH liege.

Mit ärztlicher Anzeige über eine Berufskrankheit teilte Dr. Sch.-F. der Verwaltungs-BG am 17.02.1997 unter Vorlage von Audiogrammen vom 10.09.1990, 18.04.1996, 02.10.1996, 13.02.1997 und 19.03.1997 mit, beim Kläger bestehe ein Hörschaden (Schwerhörigkeit), die der Kläger auf berufliche Einwirkungen zurückführe.

Der Badische Gemeindeunfallversicherungsverband leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren ein, das nach interner Abklärung der Zuständigkeit von der Beklagten weitergeführt wurde. Im Feststellungsverfahren wurden Dr. W. (Stellungnahme 30.09.1997) und Dr. Sch.-F. (Stellungnahme vom 07.08.1997) gehört, von der AOK H. und M. ein Auszug aus dem Vorerkrankungsregister zum 04.08.1997 beigezogenen, eine Stellungnahme der staatlichen Schule für Gehörlose N. (Anzeige des Unternehmers über eine Berufskrankheit vom 07.08.1997) eingeholt und weitere medizinische Unterlagen beigezogenen (Befundbericht Dr. St. vom 06.12.1990, Unterlagen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes). Weiter holte die Beklagte die Stellungnahme seiner Präventionsabteilung (Dipl.-Ing. L. vom 15.11.1999) zur beruflichen Lärmexposition des Klägers im Zeitraum vom September 1958 bis 31.12.1985 und des Technischen Aufsichtsdienstes der Bergbau BG vom 06.04.2000 zur Tätigkeit vom Mai 1967 bis Dezember 1984 ein. Außerdem ließ die Beklagte den Kläger durch Dr. R. begutachten. Dr. R. gelangte in seinem HNO-Gutachten vom 14.06.2000 zu dem Ergebnis, nach Aktenlage sei der Kläger fast 23 Jahre lärmgefährdet tätig gewesen. Eine Haarzellschädigung sei es sehr wahrscheinlich. Nach dem Tonaudiogramm bestehe ein Hörverlust von 30% rechts und 45% links, nach dem Sprachaudiogramm von 30% rechts und 40% links. Aus der Hörminderung und den Tinnitus ergebe sich insgesamt eine MdE von unter 20 vH (15 vH).

Gestützt auf das Gutachten von Dr. R. und nach Einholung der Stellungnahme des Sächsischen Landesinstituts für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Dr. N. vom 15.08.2000, der auf der Grundlage eines Tonaudiogramms vom 10.09.1990 die MdE auf unter 10 vH einschätzte) entschied die Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2000, dass ein Anspruch auf Rente weiterhin nicht bestehe.

Gegen den Bescheid vom 08.11.2000 legte der Kläger am 06.12.2000 Widerspruch ein. Er machte geltend, Dr. Ross habe die bei ihm vorliegende Schwerhörigkeit nicht zutreffend bewertet. Die Befundfeststellung im Gutachten der Dr. R. sei zu bezweifeln.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Überprüfung habe ergeben, dass der angefochtene Bescheid zu Recht ergangen sei. Die Auswertung der Befunde aus dem Jahr 1990 habe ergeben, dass die MdE unter 10 vH betrage. Die schädigende Belastung sei Ende 1985 weggefallen. Die danach eingetretenen Schwerhörigkeitskomponenten könnten nicht mehr als Folge der Lärmschwerhörigkeit angesehen und anerkannt werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 17.07.2001 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er machte geltend, auch bei seiner seit 1986 ausgeübten Tätigkeit bei der Gehörlosenschule einer Lärmbelastung ausgesetzt zu sein. Dies sei Dr. R. nicht bekannt gewesen. Das Gutachten des Dr. R. enthaltene auch unzutreffende Ergebnisse und sei unzureichend. Die MdE sei mit 20 vH zu bewerten. Er leide unter einem ständigen und besonders störend empfundenen Ohrgeräusch, für das eine MdE von 5 vH nicht angemessen sei. Er könne eine Unfallrente beanspruchen.

Das SG holte die Stellungnahme der Präventionsabteilung der Badischen Unfallkasse zur Lärmexposition des Klägers bei seiner Tätigkeit als Betriebsmeister seit 1986 vom 12.11.2001 (Herr Keßler) ein, in der ausgeführt wurde, nach den Ermittlungen könne beim Kläger bei allen Arbeitsprofilen von einem Wochen-Beurteilungspegel von 85 dB(A) und mehr ausgegangen werden. Diese Exposition sei geeignet, eine Gehörschädigung hervorzurufen bzw. zu verschlimmern.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage gutachtlicher Stellungnahmen des Dr. R. vom 09.04.2002 und 27.08. 2002 entgegen. Dr. R. führte in seinen Stellungnahmen im Wesentlichen aus, nach dem Sprachaudiogramm vom 29.05.2000 resultiere für das rechte Ohr ein prozentualer Hörverlust von 20% und für das linke Ohr von 40% (nach dem Sprachaudiogramm vom 19.03.1997 30%). Bei integrierender Mitberücksichtigung des Ohrgeräuschleidens betrage die MdE 15 vH.

Das SG hörte Dr. R., der am 07.11.2002 zu seinem Gutachten vom 14.06.2000 ergänzend schriftlich Stellung nahm und an seinen Bewertungen im Gutachten festhielt, Dr. Sch.-F., der sich mit zwei Stellungnahmen vom 14.11.2002 äußerte, sowie Dr. W., die sich mit Stellungnahmen vom 22.11.2002 und 11.12.2002 äußerte, an.

Weiter holte das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das HNO-Gutachten des Prof. Dr. R., Universitätsklinikum Heidelberg, vom 22.05.2003 ein. Prof. Dr. R. gelangte in diesem Gutachten zu der Beurteilung, beim Kläger lägen rechts eine mittelgradige und links eine hochgradige Schwerhörigkeit vor, die im Sinne eines Anteils einer symmetrisch angenommenen beiderseitigen mittelgradigen Schwerhörigkeit mit Wahrscheinlichkeit Ausdruck einer BK Nr. 2301 oder deren Folgen sei. Der Tinnitus sei mit Wahrscheinlichkeit nicht auf die berufliche Lärmexposition zurückzuführen. Die MdE aufgrund der BK-Folgen würden für die Zeit ab 01.01.1993 auf 20 vH geschätzt.

Die Beklagte erhob gegen das Gutachten des Prof. Dr. R. unter Vorlage der Stellungnahmen des Prof. Dr. Pl. vom 06.05.2003 und 12.06.2003 Einwendungen. Dr. P. führte aus, das Gutachten des Prof. Dr. R. weise schwerwiegende Mängel auf.

Aufgrund der von der Beklagten erhobenen Einwendungen erstattete "Prof. Dr. R./Dr. D." nach einer neuerlichen Untersuchung des Klägers das HNO-Zusatzgutachten vom 19.05.2004. In diesem Zusatzgutachten gelangten die Sachverständigen aufgrund der Befunde durchgeführter Hörprüfungen in Abweichung zu dem Gutachten vom 22.05.2003 zu der Beurteilung, dass beim Kläger eine selektive oder zumindest überwiegende Schädigung der äußeren Haarzellen als Ursache der Schwerhörigkeit und damit das Vorliegen einer reinen Lärmschwerhörigkeit unwahrscheinlich sei. Gegen diese Bewertung erhob der Kläger Einwendungen. Zu den Einwendungen des Klägers nahm Dr. D. in Ergänzung zu seinem Gutachten mit Schreiben vom 01.12. 2004 Stellung.

Auf einen weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG holte das SG das HNO-Gutachten des Dr. H., Universitätsklinik M., vom 24.01.2005 ein. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten sowie seinen weiteren ergänzenden schriftlichen Stellungnahmen vom 06.04.2006, 14.09.2006, 14.02.2007 und der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in der nichtöffentlichen Sitzung des SG am 13.02.2008 zusammenfassend zu der Beurteilung, es liege eine auf einem Haarzellenschaden beruhende Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits vor. Aus dem Reintonaudiogramm nach Röser 1980 ergebe sich ein Hörverlust rechts von 60% und links von 75%. Im Sprachaudiogramm ergebe sich nach Boennighaus und Röser 1973 ein Hörverlust rechts von 20 vH und links von 70 vH. Die Schallempfindungsschwerhörigkeit sei mit Wahrscheinlichkeitsausdruck einer BK Nr. 2301. Die Kriterien einer Berufskrankheit lägen durch unabhängige Hörprüfungsverfahren vor. Das Ausmaß der Hörschädigung könne individuell bei gleicher Lärmbelastung sehr unterschiedlich ausfallen. Ein Zusammenhang des Tinnitus mit einer lärmbedingten Schädigung erscheine nicht wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung der sprachaudiometrischen Befunde ergebe sich eine MdE von 20 vH. Bei Berücksichtigung des Reintonaudiogramms wäre die MdE mit 45 vH anzusetzen. Das Ausmaß der Hörminderung werde durch das Sprachaudiogramm mit einer MdE von 20 vH am besten erfasst. Würden nur die hohen Frequenzen (2000 und 4000 Hz) in die Bewertung des Hörschadens einbezogen, betrage der jeweilige Hörverlust beiderseits 40% mit einer MdE von 20 vH.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage eines Gutachtens des Prof. Dr. B. vom 15.05.2007, der in diesem Gutachten davon ausgeht, dass beim Kläger eine progressive, nicht berufsbedingte Schwerhörigkeit beiderseits vorliege, die sich unter Lärmeinwirkung entwickelt habe, wobei der Einfluss des beruflichen Lärms nicht als Teilursache abzutrennen und als nicht wesentlich anzusehen sei, weiter entgegen.

Mit Urteil vom 02.10.2008 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, dem Kläger stehe trotz des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zu BKV keine Verletztenrente zu. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen sei beim Kläger eine berufsbedingte Verschlechterung seines Hörvermögens nicht nachgewiesen. Eine die Gewährung von Verletztenrente rechtfertigende MdE von 20 vH werde deshalb nicht erreicht. Die abweichende Einschätzung des Dr. H. sei nicht überzeugend. Die Ausführungen des Dr. R. in seinem Gutachten vom 14.06.2000 gingen von einem nicht umfassend aufgeklärten Sachverhalt aus.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.11.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.12.2008 beim SG Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung Angaben zu seinen beruflichen Tätigkeiten und zur Lärmbelastung gemacht, zu den eingeholten Gutachten Stellung bezogen und sich auf die Einschätzung des Dr. H. berufen. Weiter hat der Kläger vorgebracht, für seine Schwerhörigkeit sei ausschließlich der bei seinen beruflichen Tätigkeiten im Zeitraum von 1961 bis 2006 aufgetretene Lärm ursächlich. Andere Ursachen hätten bei ihm nicht ausfindig gemacht werden können. Allen beteiligten Fachärzten und Gutachtern sei bekannt, dass es bei der Schwerhörigkeit abweichend von den Normen individuelle Verläufe gebe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Oktober 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 12. Februar 1997 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Rechtstreit ist mit den Beteiligten durch den Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 10.07.2009 erörtert worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen der anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherte sind unter anderem Beschäftigte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Im Anhang zur BKV ist die Erkrankung an einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 enthalten.

Eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV (Lärmschwerhörigkeit) ist beim Kläger zwar dem Grunde nach mit dem Bescheid vom 28.05.1965 anerkannt. Aus dieser Anerkennung einer Berufskrankheit der Lärmschwerhörigkeit dem Grunde nach folgt aber nicht schon, dass der gesamte Hörverlust Folge der Berufskrankheit ist. Erforderlich ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung. Zur Bejahung dieses ursächlichen Zusammenhangs ist die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9/A 26). Eine Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne (conditio sine qua non) reicht nicht aus, um die geltend gemachte Gesundheitsstörung als Folge einer Berufskrankheit zu qualifizieren. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung sind als Ursache und Mitursache im Rechtssinne unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nämlich nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Das heißt, dass nicht jeder Gesundheitsschaden, der durch ein Ereignis naturwissenschaftlich verursacht wird, im Sozialrecht als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit anerkannt wird, sondern nur derjenige, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht wurde. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Haben mehrere Bedingungen zu einem Erfolg beigetragen, so sind nur solche Bedingungen wesentlich, die gegenüber anderen von überragender Bedeutung sind. (ständige Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen: z.B. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 22/03 R -; Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R - m.w.N.). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist.

Nach diesen Grundsätzen kann beim Kläger jedenfalls nicht der gesamte Hörverlust, der sich nach den vorliegenden Befunde seit 1990 und insbesondere auch während des gerichtlichen Verfahrens im Ausmaß deutlich verstärkt hat, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als durch die versicherte Tätigkeit verursacht angesehen werden.

Nach dem durch das auf die Einwendungen des Prof. Dr. P. in seiner Stellungnahme vom 12.06.2003, das die Beklagte dem SG zum Gutachten des Prof. Dr. R. vom 22.05.2003 vorgelegt hat, erstatteten Zusatzgutachten von Prof. Dr. R./Dr. D. vom 19.05.2004 sowie ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 01.12.2004, mit dem die Sachverständigen nach der Durchführung weiterer Hörprüfungen die im Gutachten vom 22.05.2003 vertretene Bewertung nicht mehr aufrecht erhalten haben, ist nach dem Ergebnisse der durchgeführten Hörprüfungen beim Kläger seit 1986 eine selektive oder zumindest überwiegende Schädigung der äußeren Haarzellen als Ursache der Schwerhörigkeit und damit das Vorliegen einer reinen Lärmschwerhörigkeit unwahrscheinlich. Nach den für den Senat nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen der Sachverständigen ist beim Kläger aufgrund der Gesamtschau der erhobenen Befunde wahrscheinlich, dass sowohl eine Schädigung der äußeren Haarzellen als auch eine Schädigung der inneren Haarzellen vorliegt. Eine Schädigung der eher lärmresistenten inneren Haarzellen setzt jedoch eine ausreichend hohe Lärmexposition voraus. Einer solchen Lärmexposition war der Kläger aber seit 1986 nicht ausgesetzt. Soweit die Sachverständigen sich veranlasst sahen, im Hinblick auf Widersprüche in den Testergebnissen bzw. in Bezug auf die Mitarbeit und die Konzentration des Klägers auf Zweifel hinsichtlich der Testergebnisse hinzuweisen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse der durchgeführten Hörprüfungen nicht reproduzierbar sind. Die Sachverständigen haben in ihrer Stellungnahme vom 01.12.2004 überzeugend ausgeführt, dass der Kläger mehrfach auf die Notwendigkeit einer korrekten Mitarbeit im Rahmen der gutachterlichen Untersuchungen hingewiesen wurde, dass die Untersuchungen unter technisch optimalen Bedingungen durchgeführt wurden, dass widersprüchliche Untersuchungen so lange wiederholt worden sind, bis klar war, dass die Widersprüche nicht auf einer Täuschung des Klägers zurückzuführen sind, weshalb die Sachverständigen auch bei einer Wiederholung der Untersuchung keine weiteren Erkenntnisse erwartet haben. Unter diesen Gegebenheiten ist den Testergebnissen Beweiswert beizumessen.

Außerdem spricht gegen eine lärmbedingte Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers seit 1986, dass beim Kläger nach Audiogrammen vom 23.01.2003, 27.09.2005 und 13.09.2006 Hörverluste von weit über 30 dB in tiefen Frequenzen bis 1 kHz vorliegen, die nach dem Audiogramm insbesondere vom 10.09.1990 nicht bestanden haben. Hörverluste von weit über 30 dB in tiefen Frequenzen bis 1 kHz können nach der wissenschaftlichen Kenntnis nur nach jahrelanger erheblicher Lärmbelastung auftreten wie, Dr. P. in seiner vom Beklagten vorgelegten Stellungnahme nach Aktenlage vom 12.06.2003 unter Bezug auf Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit überzeugend dargelegt hat. Dies gilt auch für die beim Kläger im Verlaufe des Verfahrens eingetretene erhebliche Verschlechterung der Hörschwelle in allen Frequenzbereichen, wie sie sich aus den genannten Audiogrammen ergibt, was Dr. B. in dem vom Beklagten vorgelegten Gutachten vom 15.05.2007 überzeugend ausgeführt hat. Einer solchen erheblichen Lärmbelastung war der Kläger jedoch seit 1986 nicht ausgesetzt.

Weiter besteht beim Kläger nach den Feststellungen von Dr. H. im Rahmen der Begutachtung des Klägers erhebliche Abweichungen der Hörverlustwerte im Reintonaudiogramm (rechts 60 %, links 75 %) im Vergleich zu den Hörverlustwerten der sprachaudiometrischen Untersuchung (Hörverlust rechts nur 20 %) mit einer erheblichen Seitendifferenz, was ebenfalls gegen eine lärmbedingte Schwerhörigkeit spricht.

Auch der Sachverständige Dr. H., der beim Kläger die MdE mit 20 vH eingeschätzt hat, hat insbesondere zuletzt bei der Erläuterung seines Gutachtens in der nichtöffentlichen Sitzung des SG am 13.02.2008 eingeräumt, dass beim Kläger aus den vorliegenden Befunde hervorgeht, dass wahrscheinlich nicht der ganze Hörschaden berufsbedingt ist, dass sich die Frage nach anderen Faktoren stellt und dass sich keine sicheren Abgrenzungen des lärmbedingten Innenohrschadens vornehmen lassen.

Dass die beim Kläger bestehende Hörstörung auf einem abweichend von den Normen liegenden individuellen Verlauf beruht, wie der Kläger gestützt auf die Ansicht von Dr. H. geltend macht, ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Der Kläger beruft sich damit auf eine bloße, nicht ausreichende Möglichkeit, die durch Tatsachen nicht untermauert ist. Umstände, die beim Kläger einen vom typischen abweichenden individuellen Verlauf der Schwerhörigkeit durch Lärm plausibel und hinreichend wahrscheinlich macht, hat Dr. H. nicht aufzeigen können und werden auch vom Kläger nicht genannt.

Nach alledem kann jedenfalls der berufliche Lärm ab 1986 nicht als wesentliche Teilursache für den beim Kläger eingetretenen sich fortlaufend verschlechternden Hörverlust angesehen werden. Davor lag beim Kläger eine Hörminderung mit einer MdE in rentenberechtigenden Ausmaß nicht vor. Nach dem Tonaudiogramm vom 10.09.1990 bestand beim Kläger nach der Tabelle Röser 1980 ein Hörverlust recht von 15 % und links von 35 %, der noch keine MdE von 10 rechtfertigt, wie Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 15.05.2007 überzeugend ausgeführt hat. Der von Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 14.02.2007 vorgeschlagenen Berechnungsmethode, die MdE nach dem bei hohen Frequenzen zwischen 2000 und 4000 Hz bestehenden Hörschaden mit einer MdE von 20 zu berechnen, kann nicht gefolgt werden, da Dr. H. sich damit in Widerspruch zu den dargestellten rechtlichen Grundsätzen der Kausalitätsbewertung setzt, wonach ein Hörschaden erst dann nach der BK Nr. 2301 berücksichtigt werden kann, wenn er hinreichend wahrscheinlich durch eine Lärmexposition bei einer versicherten Tätigkeit hervorgerufen ist, was beim Kläger jedoch nicht angenommen werden kann.

Die Ohrgeräusche (Tinnitus) gehen nach der übereinstimmenden Ansicht der Sachverständigen nicht auf eine berufliche Lärmexposition des Klägers zurück.

Die Berufung des Klägers kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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