L 6 SB 4063/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 4389/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4063/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.08.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der geborene Kläger begehrt die Neufeststellung seines Grades der Behinderung (GdB).

Das ehemalige VA hatte nach Einholung des Befundberichts des Orthopäden Dr. Z. vom 12.04.2002 (beginnende Coxarthrose beidseits, Cervicobrachialsyndrom beidseits, rezidivierende Lumbalgien bei Protrusionen) und Beiziehung des ärztlichen Entlassungsberichts der Rheumaklinik Bad W. vom 05.04.2002 (chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne Radikulopathie, Cervicobrachialgien bei degenerativen Veränderungen und muskulärer Dysbalance, leichtgradige Coxarthrose beidseits, Übergewicht, Hypercholesterinämie) sowie unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 08.07.2002, der als Behinderungen eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule, ein Schulter-Arm-Syndrom und eine Spinalkanalstenose mit einem GdB von 20 berücksichtigt hatte, mit Bescheid vom 11.07.2002 den GdB des Klägers mit 20 ab 12.12.2001 festgestellt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2002 zurück. Den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 10.03.2003 lehnte das VA nach Einholung des Befundberichts des Dr. Z. vom 23.06.2003 (Lumbalgie bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Beteiligungen, Cervicobrachialgie mit degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und starken Muskelverspannungen, beginnende Coxarthrose beidseits, Hypercholesterinämie) und unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Sp. vom 31.07.2003, in welcher dieser als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Schulter-Arm-Syndrom und eine Spinalkanalstenose (Teil-GdB 20) sowie eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (Teil-GdB 10) berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 20 eingeschätzt hatte, ab.

Am 08.02.2006 beantragte der Kläger erneut die Neufeststellung seines GdB. Aktenkundig wurden die (Kurz-)Arztbriefe des Dr. W., Chefarzt des Radiologischen Instituts des Kreiskrankenhauses L., vom 23.05.2000, der Radiologin Dr. Sch. vom 13.11.2003, der Radiologin L. vom 20.02.2004 und 18.05.2004, des Arztes für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. E. vom 15.04.2005, des Radiologen Dr. W. vom 24.11.2005, des Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik des Olgahospitals St., vom 30.01.2006 (zystische Raumforderung in der rechten Kniekehle) sowie des Orthopäden Dr. B. vom 26.04.2005, 07.11.2005, 02.02.2006 und 13.02.2006 (Gonarthrose rechts mit Popliteazyste, weitere kleinzystische Veränderungen in der rechten Kniekehle). Dr. R. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.04.2006 als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Spinalkanalstenose und ein Schulter-Arm-Syndrom mit einem GdB von 20. Sodann legte der Kläger den Kurzbrief der Orthopädischen Klinik des Olgahospitals St. über Behandlungen im März 2006 (zystische Adventitia-Degeneration der Arteria poplitea in der rechten Kniekehle) vor und holte das zuständig gewordene LRA den Befundbericht des Dr. B. vom 06.04.2006 (Lendenwirbelsäulenproblematik mit gelegentlichen Wurzelreizsymptomatiken) ein. Dr. K.-K. berücksichtigte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.05.2006 als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Spinalkanalstenose, ein Schulter-Arm-Syndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke (Teil-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10) und bewertete den Gesamt-GdB mit 30. Hierauf gestützt stellte das LRA mit Bescheid vom 15.05.2006 unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2002 den GdB des Klägers mit 30 ab 08.02.2006 fest.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2006 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 27.11.2006 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Er legte die Arztbriefe des Prof. Dr. W. vom 10.04.2006 (zystische Adventitia-Degeneration der Arteria poplitea in der rechten Kniekehle) und des Dr. B. vom 22.11.2006 (aktivierte Coxarthrose Grad II in der linken Hüfte, bekannte Gonarthrose beidseits, Zustand nach Gefäßersatzoperation und Veneninterponat bei zystischer Adventitia-Degeneration in der rechten Kniekehle, bekanntes degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom mit Spinalkanalstenose L3 bis L5 und Protrusion L1/2 und L4/5, zunehmende Intervertebralforaminaeinengung mit rezidivierender Wurzelreizsymtomatik) vor.

Das SG erhob das aufgrund der Untersuchung vom 10.05.2007 erstellte Gutachten des Orthopäden Dr. P ... Der Sachverständige bewertete das pseudoradikuläre Cervikalsyndrom rechts und das chronische Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne Radikulopathie mit einem Teil-GdB von 30, die leichtgradige Coxarthrose beidseits mit einem Teil-GdB von unter 10 sowie die beginnende Gonarthrose beidseits mit einem Teil-GdB von unter 10 und bewertete den Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet mit 30. Für die Hypercholesterinämie und die arterielle Hypertonie sowie für die Veneninterposition der Arteria poplitea bei zystischer Adventitia-Degeneration bewertete er den Teil-GdB mit jeweils unter 10.

Daraufhin beantragte der Kläger die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), kam jedoch der Aufforderung des SG nicht nach, den Sachverständigen zu benennen und einen Kostenvorschuss einzuzahlen.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.08.2008 wies das SG die Klage ab. Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. P. habe der Beklagte die Behinderungen vollständig erfasst und die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen vor dem Hintergrund der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) Nr. 26.18 mit einem Gesamt-GdB ausreichend bewertet. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG werde als verspätet zurückgewiesen, da der Kläger den Arzt nicht benannt habe.

Hiergegen hat der Kläger am 22.08.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das SG hätte ihn vor Erlass der Entscheidung darauf hinweisen müssen, dass der Kostenvorschuss immer noch nicht eingegangen sei. Ferner seien in seinen gesundheitlichen Verhältnissen wesentliche Änderungen eingetreten. Der GdB betrage aufgrund erheblicher Voralterung sowie depressiver und weiterer psychologischer Störungen mindestens 60.

Nachdem der Kläger vom Senat mit Fristsetzung zum 31.01.2009 darauf hingewiesen worden ist, er könne unter Benennung des Arztes, Einzahlung eines Kostenvorschusses und Vorlage einer Kostenübernahmeverpflichtungserklärung die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG beantragen, hat er am 29.01.2009 unter Vorlage einer Kostenübernahmeverpflichtungserklärung die Einholung eines solchen Gutachtens bei Prof. Dr. W. beantragt. Unter dem 03.03.2009 hat der Senat den Kläger um Einzahlung des Kostenvorschusses mit Fristsetzung zum 20.03.2009 gebeten und ausgeführt, der Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG könne bei nicht fristgerechter Einzahlung des Kostenvorschusses abgelehnt werden. Trotz zweimaliger Fristverlängerung ist der vom Kläger zu zahlende Kostenvorschuss bislang nicht eingegangen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.08.2008 aufzuheben, den Bescheid vom 15.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, seinen GdB mit 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Bewertungen des Dr. P. seien zutreffend. Erstmals würden Funktionsbeeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet geltend gemacht, wobei nicht erkennbar sei, ob sich der Kläger diesbezüglich überhaupt in fachärztlicher Behandlung befinde.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Der Beklagte hat mit dem Bescheid vom 15.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 13.11.2006 zu Recht den einen GdB von 20 feststellenden Bescheid vom 11.07.2002 nur insoweit aufgehoben, als ein GdB von 30 festzustellen war. Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 06.08.2008 die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB als 30 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 10.12.2008 (VersMedV) getreten ist. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren, sein GdB sei aufgrund erheblicher Voralterung sowie depressiver und psychologischer Störungen höher anzusetzen, ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des SG eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Nach Überzeugung des Senats liegen keine GdB-relevanten psychovegetativen oder psychischen Störungen im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7, Seite 27 vor. In der vom Sachverständigen Dr. P. erhobenen Eigenanamnese hat der Kläger auch nicht-orthopädische Beschwerden geschildert, dabei aber keine Behinderungen auf psychiatrischem Fachgebiet beschrieben. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, sich in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung zu befinden. Mithin geht der Senat unter Heranziehung der VG, Teil A, Nr. 2i, Seite 9, wonach außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen nur dann anzunehmen sind, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen erforderlich ist, davon aus, dass auf psychiatrischem Fachgebiet keine GdB-relevanten Beeinträchtigungen vorliegen.

Der Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG war abzulehnen, da er trotz mehrfacher Aufforderung den vom Senat angeforderten Kostenvorschuss nicht eingezahlt hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 109, Rz. 11a und 14c).

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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