Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 2087/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2554/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin die Aufhebung des an die Beigeladene, die F. B. GmbH, gerichteten Bescheides vom 11.12.2006 hinsichtlich einer Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2007 geltend.
Die am 27.04.1944 geborene Klägerin war seit dem 29.08.1989 bei der Beigeladenen in deren Niederlassung B. versicherungspflichtig beschäftigt. Diese hatte sich entschlossen, die Niederlassung B. wesentlich zu verkleinern. In einem zwischen der Beigeladenen und dem Betriebsrat der Niederlassung B. geschlossenen Interessenausgleich vom 18.10.2006 wurde vereinbart, die gesamte Produktion einschließlich der Mischerei und der Arbeitsplätze in K. in mehreren Schritten bis zum 30.06.2007 stillzulegen. Die 146 in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmer sollten mit Wirkung zum 30.06.2007 entlassen werden. Ebenso sollten die 12 Arbeitsplätze und der Ausbildungsplatz in der allgemeinen Verwaltung ersatzlos entfallen. Den in der Produktions- und Materialentwicklung in B. beschäftigten 10 ungekündigt und unbefristet Beschäftigten sollte die Möglichkeit geboten werden, ihr Arbeitsverhältnis in der Niederlassung Burscheid fortzusetzen.
Am 20.11.2006 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass sie zur Umsetzung der geplanten Betriebsschließung eine Massenentlassung beabsichtige. Beigefügt war die vom Betriebsratsvorsitzenden am 15.11.2006 unterschriebene Unterrichtung des Betriebsrats über die beabsichtigte Massenentlassung (§ 17 Abs. 2 KSchG) durch den Arbeitgeber.
Am 27.11.2006 zeigte die Beigeladene der Beklagten die beabsichtigte Entlassung von 157 Mitarbeitern an, darunter die Klägerin. Die Beigeladene beantragte hierbei, die Kündigungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG zu verkürzen, weil sie die betroffenen Arbeitnehmer längstens bis zum 30.06.2007 beschäftigen könne. Der Anzeige waren u.a. Erläuterungen zu den betroffenen Arbeitnehmern sowie Betriebsvereinbarungen zwischen der Beigeladenen und dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und der Sozialplan für die betroffenen Arbeitnehmer vom 18.10.2006 beigefügt.
Mit an die Beigeladene gerichtetem Bescheid vom 11.12.2006 verfügte die Beklagte eine Entlassungssperre gemäß § 18 Abs. 1 KSchG für die 157 Arbeitnehmer vom 28.11.2006 bis 27.12.2006 und teilte weiter mit, damit könnten die beabsichtigten Entlassungen gemäß der Anzeige vom 27.11.2006 erfolgen. Dem Antrag auf Verkürzung der Entlassungssperre werde nicht zugestimmt, da für diese Anzeige eine Verkürzung der Entlassungssperre nicht erforderlich sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 05.01.2007 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2007 als unzulässig abwies. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid vom 11.12.2006 sei nicht an die Klägerin, sondern an deren Arbeitgeber gerichtet. Er enthalte keine eigenständige Regelung gegenüber der Klägerin.
Hiergegen hat diese am 25.04.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, eine fehlerhafte Entscheidung der Beklagten entfalte Drittwirkung, da ihr Tatbestandswirkung im Kündigungsschutzprozess zukomme. Unter Berücksichtigung des in § 20 Abs. 4 KSchG angesprochenen Interesses der betroffenen Arbeitnehmer, ihrer Berührtheit im Sinne des § 12 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und der im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 Richtlinie 98/59 EG auf das Massenentlassungsverfahren anzuwendende Schutznormtheorie sei ihre Aktivlegimitation zu bejahen. Denn die Rechtsvorschrift des § 18 KSchG diene auch dem Schutz ihrer Individualinteressen.
Sie sei auch in ihren Rechten verletzt, da das Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Beklagte habe das Konsultationsverfahren nicht eingehalten, da nicht dargelegt worden sei, was zur Vermeidung oder Minimierung von Kündigungen von den Betriebsparteien in Betracht gezogen und erwogen worden sei. Deshalb sei die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft und die angefochtene Entscheidung rechtswidrig.
Das SG hat mit Beschluss vom 21.06.2007 den Arbeitgeber beigeladen und mit Urteil vom 26.02.2008 die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei, sei als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zwar statthaft. Die Klage sei jedoch unzulässig, da die Klägerin nicht beschwert sei im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Variante 1 SGG. Die Klägerin könne sich bereits nicht auf Rechtssätze berufen, die - zumindest auch - ihre rechtlichen Interessen schützten. Sowohl die Massenentlassungsrichtlinie der EG wie die §§ 17 ff. KSchG begründeten keine individuellen Rechte der Klägerin. Richtlinien der EG wirkten nach Artikel 249 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung des Europäischen Gemeinschaft (EG) - grundsätzlich - nicht unmittelbar unter Gemeinschaftsbürgern und auch nicht direkt zwischen Bürgern und Mitgliedsstaaten, sondern nur zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedsstaaten. Ebenso könnten sich Arbeitnehmer als Private nicht auf die Massenentlassungsrichtlinien berufen. Ebenso einhellig anerkannt sei in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, dass die §§ 17 ff. KSchG keine klagfähigen Rechte der von der anzeigepflichtigen Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer gegen die Bundesagentur begründeten. Denn die §§ 17 ff. KSchG verfolgten allein arbeitsmarktpolitische Interessen. Durch die Pflicht zur Anzeige solle sichergestellt werden, dass die Bundesagentur für Arbeit rechtzeitig über eine bevorstehende Arbeitslosigkeit von Arbeitnehmern in ihrem Bezirk informiert und in der Lage gesetzt werde, organisatorische Maßnahmen zu treffen. Ein subjektives Recht ergebe sich auch nicht aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 4 KSchG, wonach der Entscheidungsträger u.a. auch das Interesse der zu entlassenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen habe. Denn diese Norm diene nicht den privaten Interessen an einem Fortbestand oder einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, sondern dem Interesse, dass nicht deshalb Verzögerungen bei der Leistungsbewilligung und der Wiedereingliederung entstünden, weil nicht nur sie allein, sondern zeitgleich viele Arbeitnehmer arbeitslos würden. Auch eine europarechtskonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG führe nicht zur Begründung subjektiv einklagbarer Rechte. Das Anzeigeverfahren diene auch nach der Richtlinie (Artikel 4 Abs. 2) dazu, die zuständige Behörde instand zu setzen, nach Lösungen "für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen". Diese Formulierung zeige, dass die Behörde nicht zur Verhinderung von Entlassungen berufen sein solle, sondern zur Abmilderung der Folgen, z.B. in Form von Maßnahmen der Wiedereingliederung. Nur in diesem Rahmen könne denn auch Artikel 6 der Richtlinie verstanden werden, der die Mitgliedsstaaten verpflichte, den Arbeitnehmern - oder ihrer Vertretung - Klagrechte zur Durchsetzung der Verpflichtungen des Arbeitgebers aus der Richtlinie einzuräumen. Schließlich bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gegen das am 30.04.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.05.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Massenentlassungsrichtlinie diene nach dem Urteil des EuGH vom 27.01.2005 auch dem subjektiven Interesse der Arbeitnehmer, Kündigungen gänzlich zu vermeiden oder ihre Zahl wenigstens zu beschränken. Auch lasse der Wortlaut von § 20 Abs. 4 KSchG eine europarechtsfreundliche Auslegung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, wonach das Massenentlassungsverfahren dem subjektiven Interesse der betroffenen Arbeitnehmer diene, auch ohne weiteres zu. Sie vertritt die Auffassung, das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe im Urteil vom 08.11.2007 - 2 AZR 554/05 - entschieden, dass Fehler in der Anzeigepflicht zur Unwirksamkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Kündigung führten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Februar 2008, den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2006, soweit er Entlassungen für zulässig erklärt, und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. März 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Massenentlassungsanzeige der Firma F. B. GmbH unwirksam war, hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. § 18 KSchG berühre ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und ihr. Weder Arbeitnehmer noch der Betriebsrat seien hieran beteiligt. Auch unter europarechtskonformer Auslegung der §§ 17 KSchG im Lichte der Massenentlassungsrichtlinie ergebe sich kein subjektives Recht der Klägerin, da die Anzeigepflicht nicht den Schutz des Arbeitnehmers vor Entlassung bezwecke.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zutreffend mangels Beschwer der Klägerin als unzulässig abgewiesen.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin aus der Richtlinie des Rates 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen vom 20.07.1998 (ABl. Nr. L 225/16 - Massenentlassungsrichtlinie) keine individuellen Rechte zustehen, da Richtlinien der EG nach Artikel 249 Abs. 3 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) - grundsätzlich - nicht unmittelbar unter Gemeinschaftsbürgern und auch nicht direkt zwischen Bürgern und Mitgliedsstaaten, sondern nur zwischen der Gemeinschaft und den Staaten wirken und die Richtlinie allenfalls im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung nationalen Rechts heranzuziehen ist.
Das SG hat weiter zutreffend entschieden, dass auch die §§ 17 ff. KSchG keine klagfähigen Rechte der Arbeitnehmer gegen die Bundesagentur begründen, die von der anzeigepflichtigen Massenentlassung betroffen sind, da diese Vorschriften nicht drittschützend sind.
Gemäß § 18 Abs. 1 KSchG werden Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt nur mit dessen Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Agentur für Arbeit im Einzelfall bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens 2 Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden.
Nach Teil II - Information und Konsultation - Artikel 2 Abs. 1 hat der Arbeitgeber, der beabsichtigt, Massenentlassungen vorzunehmen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Nach Teil II - Massenentlassungsverfahren - Artikel 3 Abs. 1 der Massenentlassungsrichtlinie hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen, wobei die Anzeige alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultation der Arbeitnehmervertreter gemäß Artikel 2 enthalten muss.
Mit Urteil vom 27.01.2005 hat der EuGH entschieden (EuGH, NJW 2005, 1099 - Junk -) dass der Begriff "Entlassung" im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie die Kündigungserklärung des Arbeitgebers und nicht die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist meint. Zudem dürfe die Kündigung erst nach dem Ende des Konsultationsverfahrens mit den Arbeitnehmervertretern und nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der zuständigen Behörde ausgesprochen werden. Dem hat sich das BAG angeschlossen (BAG 13.07.2006 - 6 AZR 198/06 und BAG 23.03.2006 - 2 AZR 343/05 - beide in juris).
Eine drittschützende Funktion der in Teil III der Richtlinie geregelten Anzeige bei der Arbeitsverwaltung hat auch der EuGH nicht festgestellt. Im Urteil "Junk" Ziff. 47 hat er vielmehr ausgeführt, nach Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie bestehe der Zweck der Anzeige darin, es der zuständigen Behörde zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen.
Nach Artikel 6 der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen.
Dies ist im arbeitsgerichtlichen (Kündigungsschutz-)Verfahren geltend zu machen. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG waren zwar die Arbeitsgerichte im Kündigungsschutzverfahren durch die Bestandskraft eines nach § 18 Abs. 1 oder 2 Kündigungsschutzgesetz ergangenen Verwaltungsaktes der Arbeitsverwaltung gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Entscheidung der Arbeitsverwaltung zu überprüfen, es sei denn, der Verwaltungsakt war ausnahmsweise nichtig (BAG NZA 2001, 144; Lembke/Oberwinter, NJW 2007 S. 721, 728 m.w.N.). Hiergegen dürften jedoch Bedenken bestehen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer auch dann die Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige im Kündigungsschutzverfahren rügen kann, wenn die Arbeitsverwaltung eine Entscheidung über die Verkürzung oder Verlängerung der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 oder 2 Kündigungsschutzgesetz getroffen hat (Lembke/Oberwinter, a.a.O.). Eine solche Entscheidung hat die Beklagte jedoch gerade nicht getroffen. Sie hat vielmehr die einmonatige Entlassungssperre des § 18 Abs. 1 KSchG weder verkürzt noch verlängert.
Ein rechtliches Interesse des Arbeitnehmers ist nur insoweit gegeben, als der Bestand seines Arbeitsverhältnisses betroffen ist. Eine Überprüfung des Anzeigeverfahrens nach §§ 17ff. KSchG ist deshalb nur insoweit geboten, als sich hieraus Anknüpfungspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Kündigung ergeben können. Dies ist jedenfalls dann nicht denkbar, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach der Anzeige des Arbeitgebers an die Agentur für Arbeit gem. § 17 KSchG erfolgt ist und die Entlassung später als zwei Monate nach Eingang der Anzeige wirksam geworden ist (vgl. § 18 Abs. 2 KSchG). Hierzu hat das BAG (Urteil vom 06.11.2008 - 2 AZR 935/07 - in juris) ausgeführt: "Aus der Entscheidung des EuGH folgt somit, dass die Art. 3 und 4 der Massenentlassungsrichtlinie einer Kündigung von Arbeitsverhältnissen während des durch sie geregelten Verfahrens nicht entgegenstehen, sofern diese Kündigung nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der zuständigen Behörde erfolgt. D.h., eine Kündigung kann nach Anzeigenerstattung erfolgen, die betroffenen Arbeitnehmer dürfen nur nicht vor Ablauf der Monatsfrist des § 18 Abs. 1 KSchG - oder im Fall des § 18 Abs. 2 KSchG der längstens zweimonatigen Frist - aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dementsprechend werden von der "Sperrfrist" nur solche Kündigungen unmittelbar erfasst, deren Kündigungsfrist kürzer als die Sperrfrist ist." Das BAG ist deshalb auch den Rechtsauffassungen, die in § 18 KSchG eine "aufschiebende Rechtsbedingung" sehen oder eine "schwebende Unwirksamkeit der Kündigung" mit der Folge annehmen, dass die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist in Gang gesetzt wird, nicht gefolgt. Dem schließt sich der Senat an.
Für eine Geltendmachung einer Fehlerhaftigkeit des Massenentlassungsverfahrens im Kündigungsschutzverfahren spricht auch, dass die Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1 und 2 Kündigungsschutzgesetz nur über eine Verkürzung oder Verlängerung der Entlassungssperre bis längstens 2 Monate entscheiden kann. Für den Eintritt der einmonatigen Entlassungssperre ist eine Entscheidung der Bundesagentur nicht erforderlich.
Im Kündigungsschutzverfahren zu prüfen ist hierbei auch allein, ob vor Ausspruch der Kündigung die Massenentlassungsanzeige erfolgt ist. Nur insoweit hat der EuGH entschieden. Nur insoweit sieht auch das BAG (Urteil vom 08.11.2007) in den sogenannten Neufällen eine Prüfungspflicht vor.
Ein Rechtschutzinteresse der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid mitgeteilt hat, die beabsichtigten Entlassungen könnten gemäß der Anzeige vom 27.11.2006 erfolgen. Die Entscheidung stellt nur insoweit einen Verwaltungsakt dar, als der Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist abgewiesen wurde (APS/Moll 7.Aufl., § 20 KSchG Rn. 31 m.w.N.). In Bescheidform gefasst ist auch die Entscheidung, die Entlassungssperre gem. § 18 Abs. 1 KSchG beginne für 157 Arbeitnehmer am 28.11.2006 und ende am 27.12.2006. Denn damit wird festgelegt, wann die Massenentlassungsanzeige rechtswirksam bei der Beklagten eingegangen ist. Demgegenüber stellt die danach folgende Mitteilung, die beabsichtigten Entlassungen könnten damit gemäß der Anzeige vom 27.11.2006 beginnen, keine Regelung dar, sondern lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage bzw. die Folge, die sich schon aus dem Gesetz ergibt (KR-Weigand 8.Aufl., § 20 KSchG Rn. 55).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da die Klägerin keine Rechte als Versicherte, sondern als Arbeitnehmerin geltend macht und sich als solche gegen einen nach § 18 KSchG ergangenen Bescheid wendet (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.01.2007 - B 8 AL 3242/06 AK-A). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie weder einen Antrag gestellt noch das Verfahren gefördert hat.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197 a Abs. 1 SGG, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist dieser gem. § 52 Abs. 2 GKG mit 5.000,- EUR festzusetzen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin die Aufhebung des an die Beigeladene, die F. B. GmbH, gerichteten Bescheides vom 11.12.2006 hinsichtlich einer Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2007 geltend.
Die am 27.04.1944 geborene Klägerin war seit dem 29.08.1989 bei der Beigeladenen in deren Niederlassung B. versicherungspflichtig beschäftigt. Diese hatte sich entschlossen, die Niederlassung B. wesentlich zu verkleinern. In einem zwischen der Beigeladenen und dem Betriebsrat der Niederlassung B. geschlossenen Interessenausgleich vom 18.10.2006 wurde vereinbart, die gesamte Produktion einschließlich der Mischerei und der Arbeitsplätze in K. in mehreren Schritten bis zum 30.06.2007 stillzulegen. Die 146 in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmer sollten mit Wirkung zum 30.06.2007 entlassen werden. Ebenso sollten die 12 Arbeitsplätze und der Ausbildungsplatz in der allgemeinen Verwaltung ersatzlos entfallen. Den in der Produktions- und Materialentwicklung in B. beschäftigten 10 ungekündigt und unbefristet Beschäftigten sollte die Möglichkeit geboten werden, ihr Arbeitsverhältnis in der Niederlassung Burscheid fortzusetzen.
Am 20.11.2006 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass sie zur Umsetzung der geplanten Betriebsschließung eine Massenentlassung beabsichtige. Beigefügt war die vom Betriebsratsvorsitzenden am 15.11.2006 unterschriebene Unterrichtung des Betriebsrats über die beabsichtigte Massenentlassung (§ 17 Abs. 2 KSchG) durch den Arbeitgeber.
Am 27.11.2006 zeigte die Beigeladene der Beklagten die beabsichtigte Entlassung von 157 Mitarbeitern an, darunter die Klägerin. Die Beigeladene beantragte hierbei, die Kündigungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG zu verkürzen, weil sie die betroffenen Arbeitnehmer längstens bis zum 30.06.2007 beschäftigen könne. Der Anzeige waren u.a. Erläuterungen zu den betroffenen Arbeitnehmern sowie Betriebsvereinbarungen zwischen der Beigeladenen und dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und der Sozialplan für die betroffenen Arbeitnehmer vom 18.10.2006 beigefügt.
Mit an die Beigeladene gerichtetem Bescheid vom 11.12.2006 verfügte die Beklagte eine Entlassungssperre gemäß § 18 Abs. 1 KSchG für die 157 Arbeitnehmer vom 28.11.2006 bis 27.12.2006 und teilte weiter mit, damit könnten die beabsichtigten Entlassungen gemäß der Anzeige vom 27.11.2006 erfolgen. Dem Antrag auf Verkürzung der Entlassungssperre werde nicht zugestimmt, da für diese Anzeige eine Verkürzung der Entlassungssperre nicht erforderlich sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 05.01.2007 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2007 als unzulässig abwies. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid vom 11.12.2006 sei nicht an die Klägerin, sondern an deren Arbeitgeber gerichtet. Er enthalte keine eigenständige Regelung gegenüber der Klägerin.
Hiergegen hat diese am 25.04.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, eine fehlerhafte Entscheidung der Beklagten entfalte Drittwirkung, da ihr Tatbestandswirkung im Kündigungsschutzprozess zukomme. Unter Berücksichtigung des in § 20 Abs. 4 KSchG angesprochenen Interesses der betroffenen Arbeitnehmer, ihrer Berührtheit im Sinne des § 12 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und der im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 Richtlinie 98/59 EG auf das Massenentlassungsverfahren anzuwendende Schutznormtheorie sei ihre Aktivlegimitation zu bejahen. Denn die Rechtsvorschrift des § 18 KSchG diene auch dem Schutz ihrer Individualinteressen.
Sie sei auch in ihren Rechten verletzt, da das Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Beklagte habe das Konsultationsverfahren nicht eingehalten, da nicht dargelegt worden sei, was zur Vermeidung oder Minimierung von Kündigungen von den Betriebsparteien in Betracht gezogen und erwogen worden sei. Deshalb sei die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft und die angefochtene Entscheidung rechtswidrig.
Das SG hat mit Beschluss vom 21.06.2007 den Arbeitgeber beigeladen und mit Urteil vom 26.02.2008 die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei, sei als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zwar statthaft. Die Klage sei jedoch unzulässig, da die Klägerin nicht beschwert sei im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Variante 1 SGG. Die Klägerin könne sich bereits nicht auf Rechtssätze berufen, die - zumindest auch - ihre rechtlichen Interessen schützten. Sowohl die Massenentlassungsrichtlinie der EG wie die §§ 17 ff. KSchG begründeten keine individuellen Rechte der Klägerin. Richtlinien der EG wirkten nach Artikel 249 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung des Europäischen Gemeinschaft (EG) - grundsätzlich - nicht unmittelbar unter Gemeinschaftsbürgern und auch nicht direkt zwischen Bürgern und Mitgliedsstaaten, sondern nur zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedsstaaten. Ebenso könnten sich Arbeitnehmer als Private nicht auf die Massenentlassungsrichtlinien berufen. Ebenso einhellig anerkannt sei in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, dass die §§ 17 ff. KSchG keine klagfähigen Rechte der von der anzeigepflichtigen Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer gegen die Bundesagentur begründeten. Denn die §§ 17 ff. KSchG verfolgten allein arbeitsmarktpolitische Interessen. Durch die Pflicht zur Anzeige solle sichergestellt werden, dass die Bundesagentur für Arbeit rechtzeitig über eine bevorstehende Arbeitslosigkeit von Arbeitnehmern in ihrem Bezirk informiert und in der Lage gesetzt werde, organisatorische Maßnahmen zu treffen. Ein subjektives Recht ergebe sich auch nicht aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 4 KSchG, wonach der Entscheidungsträger u.a. auch das Interesse der zu entlassenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen habe. Denn diese Norm diene nicht den privaten Interessen an einem Fortbestand oder einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, sondern dem Interesse, dass nicht deshalb Verzögerungen bei der Leistungsbewilligung und der Wiedereingliederung entstünden, weil nicht nur sie allein, sondern zeitgleich viele Arbeitnehmer arbeitslos würden. Auch eine europarechtskonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG führe nicht zur Begründung subjektiv einklagbarer Rechte. Das Anzeigeverfahren diene auch nach der Richtlinie (Artikel 4 Abs. 2) dazu, die zuständige Behörde instand zu setzen, nach Lösungen "für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen". Diese Formulierung zeige, dass die Behörde nicht zur Verhinderung von Entlassungen berufen sein solle, sondern zur Abmilderung der Folgen, z.B. in Form von Maßnahmen der Wiedereingliederung. Nur in diesem Rahmen könne denn auch Artikel 6 der Richtlinie verstanden werden, der die Mitgliedsstaaten verpflichte, den Arbeitnehmern - oder ihrer Vertretung - Klagrechte zur Durchsetzung der Verpflichtungen des Arbeitgebers aus der Richtlinie einzuräumen. Schließlich bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gegen das am 30.04.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.05.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Massenentlassungsrichtlinie diene nach dem Urteil des EuGH vom 27.01.2005 auch dem subjektiven Interesse der Arbeitnehmer, Kündigungen gänzlich zu vermeiden oder ihre Zahl wenigstens zu beschränken. Auch lasse der Wortlaut von § 20 Abs. 4 KSchG eine europarechtsfreundliche Auslegung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, wonach das Massenentlassungsverfahren dem subjektiven Interesse der betroffenen Arbeitnehmer diene, auch ohne weiteres zu. Sie vertritt die Auffassung, das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe im Urteil vom 08.11.2007 - 2 AZR 554/05 - entschieden, dass Fehler in der Anzeigepflicht zur Unwirksamkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Kündigung führten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Februar 2008, den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2006, soweit er Entlassungen für zulässig erklärt, und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. März 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Massenentlassungsanzeige der Firma F. B. GmbH unwirksam war, hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. § 18 KSchG berühre ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und ihr. Weder Arbeitnehmer noch der Betriebsrat seien hieran beteiligt. Auch unter europarechtskonformer Auslegung der §§ 17 KSchG im Lichte der Massenentlassungsrichtlinie ergebe sich kein subjektives Recht der Klägerin, da die Anzeigepflicht nicht den Schutz des Arbeitnehmers vor Entlassung bezwecke.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zutreffend mangels Beschwer der Klägerin als unzulässig abgewiesen.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin aus der Richtlinie des Rates 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen vom 20.07.1998 (ABl. Nr. L 225/16 - Massenentlassungsrichtlinie) keine individuellen Rechte zustehen, da Richtlinien der EG nach Artikel 249 Abs. 3 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) - grundsätzlich - nicht unmittelbar unter Gemeinschaftsbürgern und auch nicht direkt zwischen Bürgern und Mitgliedsstaaten, sondern nur zwischen der Gemeinschaft und den Staaten wirken und die Richtlinie allenfalls im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung nationalen Rechts heranzuziehen ist.
Das SG hat weiter zutreffend entschieden, dass auch die §§ 17 ff. KSchG keine klagfähigen Rechte der Arbeitnehmer gegen die Bundesagentur begründen, die von der anzeigepflichtigen Massenentlassung betroffen sind, da diese Vorschriften nicht drittschützend sind.
Gemäß § 18 Abs. 1 KSchG werden Entlassungen, die nach § 17 anzuzeigen sind, vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt nur mit dessen Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tage der Antragstellung erteilt werden. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Agentur für Arbeit im Einzelfall bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens 2 Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden.
Nach Teil II - Information und Konsultation - Artikel 2 Abs. 1 hat der Arbeitgeber, der beabsichtigt, Massenentlassungen vorzunehmen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Nach Teil II - Massenentlassungsverfahren - Artikel 3 Abs. 1 der Massenentlassungsrichtlinie hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen, wobei die Anzeige alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultation der Arbeitnehmervertreter gemäß Artikel 2 enthalten muss.
Mit Urteil vom 27.01.2005 hat der EuGH entschieden (EuGH, NJW 2005, 1099 - Junk -) dass der Begriff "Entlassung" im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie die Kündigungserklärung des Arbeitgebers und nicht die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist meint. Zudem dürfe die Kündigung erst nach dem Ende des Konsultationsverfahrens mit den Arbeitnehmervertretern und nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der zuständigen Behörde ausgesprochen werden. Dem hat sich das BAG angeschlossen (BAG 13.07.2006 - 6 AZR 198/06 und BAG 23.03.2006 - 2 AZR 343/05 - beide in juris).
Eine drittschützende Funktion der in Teil III der Richtlinie geregelten Anzeige bei der Arbeitsverwaltung hat auch der EuGH nicht festgestellt. Im Urteil "Junk" Ziff. 47 hat er vielmehr ausgeführt, nach Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie bestehe der Zweck der Anzeige darin, es der zuständigen Behörde zu ermöglichen, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen.
Nach Artikel 6 der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen.
Dies ist im arbeitsgerichtlichen (Kündigungsschutz-)Verfahren geltend zu machen. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG waren zwar die Arbeitsgerichte im Kündigungsschutzverfahren durch die Bestandskraft eines nach § 18 Abs. 1 oder 2 Kündigungsschutzgesetz ergangenen Verwaltungsaktes der Arbeitsverwaltung gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Entscheidung der Arbeitsverwaltung zu überprüfen, es sei denn, der Verwaltungsakt war ausnahmsweise nichtig (BAG NZA 2001, 144; Lembke/Oberwinter, NJW 2007 S. 721, 728 m.w.N.). Hiergegen dürften jedoch Bedenken bestehen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer auch dann die Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige im Kündigungsschutzverfahren rügen kann, wenn die Arbeitsverwaltung eine Entscheidung über die Verkürzung oder Verlängerung der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 oder 2 Kündigungsschutzgesetz getroffen hat (Lembke/Oberwinter, a.a.O.). Eine solche Entscheidung hat die Beklagte jedoch gerade nicht getroffen. Sie hat vielmehr die einmonatige Entlassungssperre des § 18 Abs. 1 KSchG weder verkürzt noch verlängert.
Ein rechtliches Interesse des Arbeitnehmers ist nur insoweit gegeben, als der Bestand seines Arbeitsverhältnisses betroffen ist. Eine Überprüfung des Anzeigeverfahrens nach §§ 17ff. KSchG ist deshalb nur insoweit geboten, als sich hieraus Anknüpfungspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Kündigung ergeben können. Dies ist jedenfalls dann nicht denkbar, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach der Anzeige des Arbeitgebers an die Agentur für Arbeit gem. § 17 KSchG erfolgt ist und die Entlassung später als zwei Monate nach Eingang der Anzeige wirksam geworden ist (vgl. § 18 Abs. 2 KSchG). Hierzu hat das BAG (Urteil vom 06.11.2008 - 2 AZR 935/07 - in juris) ausgeführt: "Aus der Entscheidung des EuGH folgt somit, dass die Art. 3 und 4 der Massenentlassungsrichtlinie einer Kündigung von Arbeitsverhältnissen während des durch sie geregelten Verfahrens nicht entgegenstehen, sofern diese Kündigung nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der zuständigen Behörde erfolgt. D.h., eine Kündigung kann nach Anzeigenerstattung erfolgen, die betroffenen Arbeitnehmer dürfen nur nicht vor Ablauf der Monatsfrist des § 18 Abs. 1 KSchG - oder im Fall des § 18 Abs. 2 KSchG der längstens zweimonatigen Frist - aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dementsprechend werden von der "Sperrfrist" nur solche Kündigungen unmittelbar erfasst, deren Kündigungsfrist kürzer als die Sperrfrist ist." Das BAG ist deshalb auch den Rechtsauffassungen, die in § 18 KSchG eine "aufschiebende Rechtsbedingung" sehen oder eine "schwebende Unwirksamkeit der Kündigung" mit der Folge annehmen, dass die Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist in Gang gesetzt wird, nicht gefolgt. Dem schließt sich der Senat an.
Für eine Geltendmachung einer Fehlerhaftigkeit des Massenentlassungsverfahrens im Kündigungsschutzverfahren spricht auch, dass die Agentur für Arbeit nach § 18 Abs. 1 und 2 Kündigungsschutzgesetz nur über eine Verkürzung oder Verlängerung der Entlassungssperre bis längstens 2 Monate entscheiden kann. Für den Eintritt der einmonatigen Entlassungssperre ist eine Entscheidung der Bundesagentur nicht erforderlich.
Im Kündigungsschutzverfahren zu prüfen ist hierbei auch allein, ob vor Ausspruch der Kündigung die Massenentlassungsanzeige erfolgt ist. Nur insoweit hat der EuGH entschieden. Nur insoweit sieht auch das BAG (Urteil vom 08.11.2007) in den sogenannten Neufällen eine Prüfungspflicht vor.
Ein Rechtschutzinteresse der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid mitgeteilt hat, die beabsichtigten Entlassungen könnten gemäß der Anzeige vom 27.11.2006 erfolgen. Die Entscheidung stellt nur insoweit einen Verwaltungsakt dar, als der Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist abgewiesen wurde (APS/Moll 7.Aufl., § 20 KSchG Rn. 31 m.w.N.). In Bescheidform gefasst ist auch die Entscheidung, die Entlassungssperre gem. § 18 Abs. 1 KSchG beginne für 157 Arbeitnehmer am 28.11.2006 und ende am 27.12.2006. Denn damit wird festgelegt, wann die Massenentlassungsanzeige rechtswirksam bei der Beklagten eingegangen ist. Demgegenüber stellt die danach folgende Mitteilung, die beabsichtigten Entlassungen könnten damit gemäß der Anzeige vom 27.11.2006 beginnen, keine Regelung dar, sondern lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage bzw. die Folge, die sich schon aus dem Gesetz ergibt (KR-Weigand 8.Aufl., § 20 KSchG Rn. 55).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da die Klägerin keine Rechte als Versicherte, sondern als Arbeitnehmerin geltend macht und sich als solche gegen einen nach § 18 KSchG ergangenen Bescheid wendet (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.01.2007 - B 8 AL 3242/06 AK-A). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie weder einen Antrag gestellt noch das Verfahren gefördert hat.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197 a Abs. 1 SGG, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist dieser gem. § 52 Abs. 2 GKG mit 5.000,- EUR festzusetzen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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