Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 682/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Gründe:
I.
Gegenstand des zugrundeliegenden Klageverfahrens war die Befreiung von der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Der Kläger ist seit dem 05.09.1994 Mitglied des Versorgungswerkes der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und wurde mit Bescheid der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 30.01.1995 mit Wirkung ab dem 05.09.1994 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetz-lichen Rentenversicherung befreit.
Wegen Aufnahme einer neuen Tätigkeit als Personalleiter bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH in Hamburg zum 01.05.2010 teilte der Kläger der Beklagten am 10.09.2010 mit, dass sich sein Beschäftigungsverhältnis zum 01.05.2010 geändert habe und er auch bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH berufsspezifisch beschäftigt sei. Die Beklagte legte die Änderungsmitteilung des Klägers als Antrag auf Erstreckung der mit Bescheid vom 30.01.1995 ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht auf die abhängige Beschäftigung bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH aus und lehnte den Antrag ab, weil es sich hierbei nicht um eine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit handele. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, eine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit könne nur dann vorliegen, wenn die Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ abgedeckt würden. Aus dem Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers ergebe sich, dass er keine anwaltliche Tätigkeit bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH ausübe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 27.01.2011 Widerspruch und trug zur Begründung im Einzelnen vor, aus welchen Gründen er eine rechtsberatende, rechtsentscheidende, rechtsgestaltende und rechtsvermittelnde Tätigkeit ausübe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.06.2011 zurück und führte zur Begründung aus, die vier Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung hätten die Funktion zu belegen, dass es sich um eine berufsspezifische Beschäftigung handele, die zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI berechtige. In dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag fänden sich aber eine Fülle von Anforderungen, die von einer juristischen Ausbildung unabhängig seien und keinen Bezug zu einer typischen anwaltlichen Tätigkeit aufwiesen, was auch dadurch zum Ausdruck komme, dass eine erfolgreiche Ablegung des 2. juristischen Staatsexamens keine zwingende, unabdingbare Voraussetzung für die Besetzung der Stelle gewesen sei.
In dem anschließenden Klageverfahren erließ die Beklagte auf der Grundlage der von ihr am 12.12.2014 veröffentlichten Information der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vom 03.04.2014 zum Be-freiungsrecht von Syndikusanwälten und dem einzuräumenden Vertrauensschutz gegenüber dem Kläger einen Bescheid vom 30.06.2016. In dem Bescheid wurde geregelt, dass die Beklagte in diesem Einzelfall für die seit dem 01.05.2010 ausgeübte Beschäftigung als Leiter Personal Deutschland und MOE bei der Veolia Umweltservice GmbH auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung verzichte, da der Kläger am 31.12.2014 bereits das 58. Lebensjahr vollendet habe, in der Vergangenheit von der Rentenversicherungspflicht befreit worden sei und einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung zahle.
Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klagepartei aufzuerlegen.
II.
Über die Kostenerstattungspflicht war nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden, da das Verfahren durch die als Klagerücknahmeerklärung auszulegende Erledigungserklärung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG in der Hauptsache beendet wurde.
Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht nach § 193 Abs. 1 SGG ergeht unter Be-rücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (Meyer- Ladewig § 193 SGG Rn. 13 m. w. N.). Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage sowie die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung maßgeblich. Das Gericht hat bei der Ermessenentscheidung alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen unter Beachtung der Besonderheiten des sozialrechtlichen Verfahrens. Daher ist das voraussichtliche Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens nicht das allein wesentliche Entscheidungskriterium, sondern in die Entscheidung können auch Gesichtspunkte wie die Veranlassung des Rechtsstreits, die Verursachung unnötiger Kosten und die Anpassungsbereit¬schaft an eine geänderte Rechts- oder Sachlage eingehen. Dabei ist anerkannt, das sich unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung einer Klageerhebung eine ggf. teilweise Kostenerstattungspflicht eines Sozialversicherungsträgers insbesondere durch eine falsche Begründung eines Verwaltungsaktes oder durch eine sonstige falsche Sachbehandlung ergeben kann, auch wenn der Kläger letztlich mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist (vgl. BSG Urteil vom 30.08.2001 B 4 RA 87/00 R; BSG Urteil vom 18.07.1989 10 RKg 22/88; BVerfG Beschluss vom 01.10.2009 1 BvR 1969/09 m. w. N.).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte, so dass eine teilweise Kostenerstattungspflicht der Beklagten wegen voraussichtlichen Unterliegens nicht in Betracht kommt.
Die mit Bescheid der Beklagten vom 30.01.1995 geregelte Befreiung von der Versicherungspflicht erstreckte sich ausschließlich auf die Tätigkeit, die der Kläger zur Zeit der Erteilung des Bescheides vom 30.01.1995 ausübte. Dies ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI, wonach die Befreiung auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt ist. Die systematische und historische Auslegung der Befreiungsvorschriften ergibt ebenfalls, dass Anknüpfungspunkt einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung allein die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit des Betroffenen ist (vgl. mit eingehender Begründung: BSG Urteil vom 31.10.2012 B 12 R 3/11 R). Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI auf die im streitigen Zeitraum ab dem 01.05.2010 ausgeübte Beschäftigung des Klägers zu erstrecken, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorlagen.
Zudem bestand auch kein Anspruch des Klägers auf erneute Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die seit dem 01.05.2010 ausgeübte Tätigkeit der Firma Veolia Umweltservice GmbH. Einem Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI stand entgegen, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH von vornherein nicht dem Berufsbild des Rechtsanwaltes zugeordnet werden kann. Der Kläger war nach dem vorliegenden Arbeitsvertrag seit dem 01.05.2010 bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als Leiter Personal Deutschland und MOE tätig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig, da bei der Tätigkeit als Syndikus für einen Dienstherrn die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwaltes bestimmen, nicht gegeben sind (vgl. BSG Urteil vom 03.04.2014 B 5 RE 13/14 R). Allein die Eingliederung in die von der Firma Veolia Umweltservice GmbH vorgesehene Arbeitsorganisation ist mit dem Berufsbild des Rechtsanwaltes unvereinbar. Die im Rahmen der Beschäftigung bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für die Mitgliedschaft des Klägers bei dem Versorgungswerk der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, so dass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI fehlt und sich eine weitgehende inhaltliche Prüfung erübrigt.
Ein – teilweises – Unterliegen der Beklagten liegt auch nicht deshalb vor, weil die Beklagte während des Klageverfahrens mit Bescheid vom 30.06.2016 geregelt hat, dass in diesem Einzelfall für die seit dem 01.05.2010 ausgeübte Beschäftigung des Klägers als Leiter Personal Deutschland und MOE auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung verzichtet werde. Dieser Bescheid ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, so dass er bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger im Klageverfahren teilweise obsiegt hat, nicht zu berücksichtigen ist. Ein nach Klageerhebung ergangener neuer Verwaltungsakt wird nach § 96 Abs. 1 SGG nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er den angefochtenen Bescheid abändert oder ersetzt. Eine Abänderung bzw. Ersetzung im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem früheren identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festzustellen ist (vgl. Meyer-Ladewig § 96 Rn. 4 a m. w. N.).
Gegenstand des mit der Klage angefochtenen Verwaltungsaktes war die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, d. h. die Frage, ob eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der Erfüllung eines Befreiungstatbestandes nicht besteht. Mit dem Bescheid vom 30.06.2016 wurde dagegen entschieden, dass die Beklagte aus Vertrauensschutzgründen auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung verzichtet. Der Verzicht auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung ist ein völlig anderer Regelungsgegenstand als die Entscheidung über die Versicherungspflicht bzw. die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der mit Bescheid vom 30.06.2016 erklärte Verzicht auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung setzt das Bestehen eines Rechtes voraus, d. h. vorliegend das aufgrund der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Recht der Beklag¬ten, die Zahlung von Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung geltend zu machen. Damit hat die Beklagte mit Bescheid vom 30.06.2016 nicht – erneut – über eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden, sondern über die sich aus der Versicherungspflicht des Klägers und der fehlenden Befreiungsmöglichkeit des Klägers von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht erge¬benden Konsequenzen.
Eine teilweise Kostenerstattungspflicht der Beklagten ergibt sich jedoch unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte durch die unzutreffende Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Die Beklagte hat sowohl im Ausgangsbescheid vom 23.11.2010 als auch im Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 ausgeführt, dass das Befreiungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausnahmsweise auch Rechtsanwälten zustehen könne, die bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt seien. Es wurde ferner dargelegt, dass ein Befreiungsrecht bei Ausübung einer Tätigkeit bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber davon abhinge, dass im Rahmen der Beschäftigung die Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ abgedeckt würden. Diese Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden sind nicht zutreffend und waren ganz konkret ursächlich dafür, dass der Kläger den Bescheid mit Widerspruch und Klage angefochten hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist ein Befreiungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI im Rahmen einer Beschäftigung bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber von vornherein ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, ob die in Fra-ge stehende Beschäftigung inhaltlich Elemente der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für die von der Be-klagten herangezogene 4-Kriterien-Theorie an jeder Rechtsgrundlage fehlen würde (BSG Urteil vom 03.04.2014 B 5 RE 13/14 R). Der Kläger hat seinen Widerspruch und seine Klage maßgeblich damit begründet, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma Veolia Umweltservice GmbH rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig werde und dass die Beklagte insoweit den Inhalt seiner Tätigkeit und der ihm übertragenen Aufgaben verkannt und deshalb zu einer unrichtigen Beurteilung des Befreiungsrechtes gelangt sei. Damit hatte die Beklagte durch die fehlerhafte Begründung des angefochtenen Bescheides Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
Unter Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte des vollen Obsiegens der Beklagten in der Hauptsache und der Veranlassung des Rechtsstreits durch die unrichtige Begründung des angefochtenen Bescheides durch die Beklagte erscheint es aus Sicht des Gerichtes angemessen, der Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
Gründe:
I.
Gegenstand des zugrundeliegenden Klageverfahrens war die Befreiung von der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Der Kläger ist seit dem 05.09.1994 Mitglied des Versorgungswerkes der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und wurde mit Bescheid der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 30.01.1995 mit Wirkung ab dem 05.09.1994 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetz-lichen Rentenversicherung befreit.
Wegen Aufnahme einer neuen Tätigkeit als Personalleiter bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH in Hamburg zum 01.05.2010 teilte der Kläger der Beklagten am 10.09.2010 mit, dass sich sein Beschäftigungsverhältnis zum 01.05.2010 geändert habe und er auch bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH berufsspezifisch beschäftigt sei. Die Beklagte legte die Änderungsmitteilung des Klägers als Antrag auf Erstreckung der mit Bescheid vom 30.01.1995 ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht auf die abhängige Beschäftigung bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH aus und lehnte den Antrag ab, weil es sich hierbei nicht um eine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit handele. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, eine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit könne nur dann vorliegen, wenn die Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ abgedeckt würden. Aus dem Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers ergebe sich, dass er keine anwaltliche Tätigkeit bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH ausübe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 27.01.2011 Widerspruch und trug zur Begründung im Einzelnen vor, aus welchen Gründen er eine rechtsberatende, rechtsentscheidende, rechtsgestaltende und rechtsvermittelnde Tätigkeit ausübe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.06.2011 zurück und führte zur Begründung aus, die vier Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung hätten die Funktion zu belegen, dass es sich um eine berufsspezifische Beschäftigung handele, die zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI berechtige. In dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag fänden sich aber eine Fülle von Anforderungen, die von einer juristischen Ausbildung unabhängig seien und keinen Bezug zu einer typischen anwaltlichen Tätigkeit aufwiesen, was auch dadurch zum Ausdruck komme, dass eine erfolgreiche Ablegung des 2. juristischen Staatsexamens keine zwingende, unabdingbare Voraussetzung für die Besetzung der Stelle gewesen sei.
In dem anschließenden Klageverfahren erließ die Beklagte auf der Grundlage der von ihr am 12.12.2014 veröffentlichten Information der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vom 03.04.2014 zum Be-freiungsrecht von Syndikusanwälten und dem einzuräumenden Vertrauensschutz gegenüber dem Kläger einen Bescheid vom 30.06.2016. In dem Bescheid wurde geregelt, dass die Beklagte in diesem Einzelfall für die seit dem 01.05.2010 ausgeübte Beschäftigung als Leiter Personal Deutschland und MOE bei der Veolia Umweltservice GmbH auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung verzichte, da der Kläger am 31.12.2014 bereits das 58. Lebensjahr vollendet habe, in der Vergangenheit von der Rentenversicherungspflicht befreit worden sei und einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung zahle.
Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klagepartei aufzuerlegen.
II.
Über die Kostenerstattungspflicht war nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden, da das Verfahren durch die als Klagerücknahmeerklärung auszulegende Erledigungserklärung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG in der Hauptsache beendet wurde.
Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht nach § 193 Abs. 1 SGG ergeht unter Be-rücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (Meyer- Ladewig § 193 SGG Rn. 13 m. w. N.). Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage sowie die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung maßgeblich. Das Gericht hat bei der Ermessenentscheidung alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen unter Beachtung der Besonderheiten des sozialrechtlichen Verfahrens. Daher ist das voraussichtliche Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens nicht das allein wesentliche Entscheidungskriterium, sondern in die Entscheidung können auch Gesichtspunkte wie die Veranlassung des Rechtsstreits, die Verursachung unnötiger Kosten und die Anpassungsbereit¬schaft an eine geänderte Rechts- oder Sachlage eingehen. Dabei ist anerkannt, das sich unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung einer Klageerhebung eine ggf. teilweise Kostenerstattungspflicht eines Sozialversicherungsträgers insbesondere durch eine falsche Begründung eines Verwaltungsaktes oder durch eine sonstige falsche Sachbehandlung ergeben kann, auch wenn der Kläger letztlich mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist (vgl. BSG Urteil vom 30.08.2001 B 4 RA 87/00 R; BSG Urteil vom 18.07.1989 10 RKg 22/88; BVerfG Beschluss vom 01.10.2009 1 BvR 1969/09 m. w. N.).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte, so dass eine teilweise Kostenerstattungspflicht der Beklagten wegen voraussichtlichen Unterliegens nicht in Betracht kommt.
Die mit Bescheid der Beklagten vom 30.01.1995 geregelte Befreiung von der Versicherungspflicht erstreckte sich ausschließlich auf die Tätigkeit, die der Kläger zur Zeit der Erteilung des Bescheides vom 30.01.1995 ausübte. Dies ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI, wonach die Befreiung auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt ist. Die systematische und historische Auslegung der Befreiungsvorschriften ergibt ebenfalls, dass Anknüpfungspunkt einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung allein die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit des Betroffenen ist (vgl. mit eingehender Begründung: BSG Urteil vom 31.10.2012 B 12 R 3/11 R). Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, die frühere Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI auf die im streitigen Zeitraum ab dem 01.05.2010 ausgeübte Beschäftigung des Klägers zu erstrecken, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorlagen.
Zudem bestand auch kein Anspruch des Klägers auf erneute Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die seit dem 01.05.2010 ausgeübte Tätigkeit der Firma Veolia Umweltservice GmbH. Einem Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI stand entgegen, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH von vornherein nicht dem Berufsbild des Rechtsanwaltes zugeordnet werden kann. Der Kläger war nach dem vorliegenden Arbeitsvertrag seit dem 01.05.2010 bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als Leiter Personal Deutschland und MOE tätig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes wird derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber steht (Syndikus), in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig, da bei der Tätigkeit als Syndikus für einen Dienstherrn die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwaltes bestimmen, nicht gegeben sind (vgl. BSG Urteil vom 03.04.2014 B 5 RE 13/14 R). Allein die Eingliederung in die von der Firma Veolia Umweltservice GmbH vorgesehene Arbeitsorganisation ist mit dem Berufsbild des Rechtsanwaltes unvereinbar. Die im Rahmen der Beschäftigung bei der Firma Veolia Umweltservice GmbH erbrachte Erwerbstätigkeit ist damit für die Mitgliedschaft des Klägers bei dem Versorgungswerk der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, so dass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI fehlt und sich eine weitgehende inhaltliche Prüfung erübrigt.
Ein – teilweises – Unterliegen der Beklagten liegt auch nicht deshalb vor, weil die Beklagte während des Klageverfahrens mit Bescheid vom 30.06.2016 geregelt hat, dass in diesem Einzelfall für die seit dem 01.05.2010 ausgeübte Beschäftigung des Klägers als Leiter Personal Deutschland und MOE auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung verzichtet werde. Dieser Bescheid ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, so dass er bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger im Klageverfahren teilweise obsiegt hat, nicht zu berücksichtigen ist. Ein nach Klageerhebung ergangener neuer Verwaltungsakt wird nach § 96 Abs. 1 SGG nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er den angefochtenen Bescheid abändert oder ersetzt. Eine Abänderung bzw. Ersetzung im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem früheren identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festzustellen ist (vgl. Meyer-Ladewig § 96 Rn. 4 a m. w. N.).
Gegenstand des mit der Klage angefochtenen Verwaltungsaktes war die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, d. h. die Frage, ob eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der Erfüllung eines Befreiungstatbestandes nicht besteht. Mit dem Bescheid vom 30.06.2016 wurde dagegen entschieden, dass die Beklagte aus Vertrauensschutzgründen auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung verzichtet. Der Verzicht auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung ist ein völlig anderer Regelungsgegenstand als die Entscheidung über die Versicherungspflicht bzw. die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der mit Bescheid vom 30.06.2016 erklärte Verzicht auf einen Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung setzt das Bestehen eines Rechtes voraus, d. h. vorliegend das aufgrund der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Recht der Beklag¬ten, die Zahlung von Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung geltend zu machen. Damit hat die Beklagte mit Bescheid vom 30.06.2016 nicht – erneut – über eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden, sondern über die sich aus der Versicherungspflicht des Klägers und der fehlenden Befreiungsmöglichkeit des Klägers von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht erge¬benden Konsequenzen.
Eine teilweise Kostenerstattungspflicht der Beklagten ergibt sich jedoch unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte durch die unzutreffende Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Die Beklagte hat sowohl im Ausgangsbescheid vom 23.11.2010 als auch im Widerspruchsbescheid vom 10.05.2011 ausgeführt, dass das Befreiungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausnahmsweise auch Rechtsanwälten zustehen könne, die bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt seien. Es wurde ferner dargelegt, dass ein Befreiungsrecht bei Ausübung einer Tätigkeit bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber davon abhinge, dass im Rahmen der Beschäftigung die Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ abgedeckt würden. Diese Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden sind nicht zutreffend und waren ganz konkret ursächlich dafür, dass der Kläger den Bescheid mit Widerspruch und Klage angefochten hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist ein Befreiungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI im Rahmen einer Beschäftigung bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber von vornherein ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, ob die in Fra-ge stehende Beschäftigung inhaltlich Elemente der anwaltlichen Berufstätigkeit aufweist. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für die von der Be-klagten herangezogene 4-Kriterien-Theorie an jeder Rechtsgrundlage fehlen würde (BSG Urteil vom 03.04.2014 B 5 RE 13/14 R). Der Kläger hat seinen Widerspruch und seine Klage maßgeblich damit begründet, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma Veolia Umweltservice GmbH rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig werde und dass die Beklagte insoweit den Inhalt seiner Tätigkeit und der ihm übertragenen Aufgaben verkannt und deshalb zu einer unrichtigen Beurteilung des Befreiungsrechtes gelangt sei. Damit hatte die Beklagte durch die fehlerhafte Begründung des angefochtenen Bescheides Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
Unter Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte des vollen Obsiegens der Beklagten in der Hauptsache und der Veranlassung des Rechtsstreits durch die unrichtige Begründung des angefochtenen Bescheides durch die Beklagte erscheint es aus Sicht des Gerichtes angemessen, der Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
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