S 6 P 47/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 6 P 47/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass die am 12. August 2015 erhobene und zunächst unter dem Aktenzeichen S 6 P 77/15 geführte Klage durch die am 15. Januar 2016 erklärte Klagerücknahme erledigt worden ist. Die am 21. März 2016 erhobene Klage (Az.: S 6 P 44/16) wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für die Betreuung seiner pflegebedürftigen Lebenspartnerin einen "Obolus" von der beklagten Pflegekasse.

Die Lebenspartnerin des Klägers, Frau F.S., führte vor dem Sozialgericht unter dem Aktenzeichen (Az.:) S 6 P 70/14 ein Streitverfahren gegen die Beklagte. In diesem Verfahren gab die Beklagte nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ein Anerkenntnis ab und verpflichtete sich, für die Zeit ab Antragstellung im März 2014 Leistungen nach der Pflegestufe I zu gewähren. Die gerichtliche Sachverständige war in ihrem Gutachten vom 09. Januar 2015 – anders als die zuvor gehörten MDK-Gutachter – zu dem Ergebnis gekommen, dass die zeitliche Mindestvoraussetzung für die Pflegestufe I mit einem grundpflegerischen Hilfebedarf von 48 Minuten knapp erfüllt war. Dieser Rechtsstreit wurde durch die von der Klägerin unter dem 27. Juni 2015 schriftlich erklärte Annahme des Anerkenntnisses erledigt.

Mit Schreiben vom 11. August 2015 – eingegangen beim Sozialgericht am 12. August 2015 – erhob der Kläger im eigenen Namen eine Klage, die unter dem Az.: S 6 P 77/15 geführt wurde. Er trug vor, er sei der Lebenspartner der Frau S. und zugleich ihr privater Pfleger. Deshalb stünde ihm "praktisch auch ein Obolus" zu. In ihrer Klageerwiderung verwies die Beklagte darauf, dass nach dem Gesetz nicht den pflegenden Angehörigen, sondern nur den Pflegebedürftigen selbst Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung zustehen könnten. Im Übrigen sei auch kein Vorverfahren durchgeführt worden.

Mit Schreiben vom 16. September 2015 wies der Vorsitzende der Kammer den Kläger darauf hin, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben könne. Die Auffassung der Beklagten treffe zu. Nach dem Gesetz stehe der Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld nur dem Pflegebedürftigen selbst, nicht aber seinen Pflegepersonen zu. In der Folgezeit hielt der Kläger mit mehreren Schreiben an seiner Auffassung fest. Das seiner Lebenspartnerin gezahlte Pflegegeld in Höhe von 244,- Euro habe zur Folge, dass er für die Führung des Haushalts und die weiteren Tätigkeiten nur einen Stundenlohn von 0,39 Euro erhalte. Eine professionelle Pflege wäre wesentlich teurer. Das Gesetz sei fehlerhaft.

Im Erörterungstermin am 15. Januar 2016 nahm der Kläger die Klage auf Anregung des Vorsitzenden zurück. In der Sitzungsniederschrift heißt es:

"Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt der Kläger:

"Ich nehme die Klage zurück".

Vorgespielt und genehmigt"

Mit Schreiben vom 08. Februar 2016 teilte der Kläger dem Gericht u.a. folgendes mit: "Ich habe damals die Klage nicht zurückgenommen und auch nichts unterschrieben, mit der Begründung, dass ich gegen diese Gesellschaft keine Chance habe." Im Hinblick auf diese Erklärung erhielt das ausgetragene Verfahren das Az.: S 6 P 47/16.

Mit einem weiteren Schreiben vom 18. März 2016 erhob der Kläger erneut eine Klage. Er verlangt für seine Tätigkeit im Haushalt seiner Lebenspartnerin für die Zeit ab Bewilligung der Pflegestufe I einen "Obolus". Den Medizinischen Dienst lehnte er ab. Diese erneute Klage erhielt das Az.: S 6 P 44/16.

Durch Beschluss vom 24. März 2016 wurden die Streitsachen S 6 P 44/16 und S 6 P 47/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az.: S 6 P 47/16 verbunden.

Mit Schreiben vom 30. März 2016 wies die Beklagte erneut darauf hin, dass ein Anspruch auf Pflegegeld grundsätzlich nur dem Pflegebedürftigen zustehen könne. Zudem sei die Klage auch unzulässig, weil ein Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 11. März 2014 einen Obolus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Streitakten, die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten sowie auf die Frau S. betreffenden Streitakten S 6 P 70/14. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die von dem Kläger im eigenen Namen erhobene und unter dem Az.: S 6 P 77/15 geführte – unzulässig gewesene – Klage hat der Kläger im Erörterungstermin am 15. Januar 2016 auf Anregung des Gerichts zurückgenommen. Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erledigt die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache. Einer schriftlichen Erklärung bedarf es nicht. Nach der Niederschrift über den Termin am 15. Januar 2016 hat der Kläger erklärt: "Ich nehme die Klage zurück". Diese Erklärung wurde – nach den Feststellungen im Protokoll – von einem Tonträger vorläufig aufgezeichnet, vorgespielt und von dem Kläger genehmigt. Die Beweiskraft des Protokolls folgt aus der gem. § 202 SGG entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 165 der Zivilprozessordnung. Anhaltspunkte dafür, dass die Erklärung anfechtbar sein könnte, sind nicht ersichtlich und sind vom Kläger auch nicht vorgetragen worden. Da der Kläger die Rücknahme der Klage mit seinem Schreiben vom 08. Februar 2016 bestritten hat, war die Erledigung des Rechtsstreits insoweit durch Urteil festzustellen.

Die weitere, mit Schriftsatz vom 18. März 2016 erhobene Klage auf Zahlung eines "Obolus" war unzulässig und zudem unbegründet und deshalb abzuweisen.

Die Klage war bereits unzulässig, weil sie ohne vorherige Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens gem. § 78 SGG erhoben worden war. Die Klage war aber auch unbegründet, weil dem Kläger als Pflegeperson seiner pflegebedürftigen Lebenspartnerin Ansprüche auf Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – (SGB XI) nicht zustehen können. Nach dem Gesetz (§ 37 SGB XI) können nur die Pflegebedürftigen selbst, nicht aber ihre Pflegepersonen Pflegegeld beanspruchen. Dem Kläger steht deshalb der von ihm begehrte "Obolus" nicht zu. Höhere Leistungen, etwa nach einer höheren Pflegestufe, könnte lediglich die pflegebedürftige Lebenspartnerin des Klägers bei der beklagten Pflegekasse beantragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer hat – unter Zurückstellung von Bedenken – davon abgesehen, dem Kläger gem. § 192 SGG anteilige Gerichtskosten aufzuerlegen, obwohl die fortgesetzte Rechtsverfolgung durch den Kläger durchaus als missbräuchlich gewertet werden könnte.
Rechtskraft
Aus
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