S 2 KA 5/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 5/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 4/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vom 04.12.2010 durch- geführten Wahlen der Mitglieder für den Hauptausschuss, für den Finanz- ausschuss und für den Satzungsausschuss werden für ungültig erklärt. Die Beklagte wird verpflichtet, bis zum 31.12.2014 nach Maßgabe der im Dezember 2010 gültigen Regelung in § 24 Abs. 6 der Satzung der Beigela- denen zu 2) Neuwahlen zu diesen Ausschüssen durchzuführen. Bis zur Neuwahl bleiben die bisher gewählten Mitglieder der Ausschüsse in ihren Ämtern. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Ungültigkeit der in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vorgenommenen Wahlen für die weiteren Mitglieder der Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) ... sowie der Mitglieder für die bei der Beigeladenen zu 2). gebildeten Ausschüsse.

Der Kläger ist mit dem Praxissitz in C. zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist Mitglied der Beklagten und Vorsitzender der Fraktion ... In der beklagten Vertreterversammlung sind aufgrund der Wahlen für die Wahlperiode 2011 bis 2016 drei Fraktionen mit folgender Stärke vertreten:
1. Freier Verband Deutscher Zahnärzte: 29 Vertreter
2. Unabhängige Freie Zahnärzte: 11 Vertreter
3. Freie Zahnärzte in Westfalen-Lippe: 9 Vertreter.
Weiterhin wurde ein fraktionsloser Vertreter gewählt.

Die konstituierende Sitzung der Beklagten fand am 04.12.2010 statt. Nach § 24 Abs. 1 der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Satzung waren durch die beklagte Vertreterversammlung folgende Ausschüsse zu berufen: 1. Hauptausschuss 2. Satzungsausschuss 3. Finanzausschuss.

Nach § 24 Abs. 6 der im Zeitpunkt der konstituierenden Sitzung der Beklagten maßgeblichen Satzung der Beigeladenen zu 2) sind die Fraktionen in den Ausschüssen angemessen zu berücksichtigen.

Als Delegierte zur Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) wurden und Dr. L. und N. C. , beide Mitglieder der Fraktion d ... gewählt.

Der Hauptausschuss besteht aus sieben stimmberechtigten Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden der Vertreterversammlung. Von diesen sieben Mitgliedern gehören sechs Mitglieder d ... und ein Mitglied d. an.

In den aus neun Mitgliedern bestehenden Finanzausschuss wurden sieben Angehörige d ... und jeweils ein Mitglied d ...und d ... gewählt.

Der Satzungsausschuss ist mit acht gewählten Mitgliedern besetzt. Sechs dieser Mitglieder gehören d. und jeweils ein Mitglied den anderen in der Beklagten gebildeten Fraktionen an.

Mit Schreiben vom 04.01.2011 erklärte der Kläger gegenüber dem Landeswahlausschuss der Beigeladenen zu 2) die Anfechtung der Vertreterwahl am 04.12.2010. Der Kläger wies zur Begründung seines Antrags darauf hin, dass nach § 80 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Wahlen der Delegierten zur Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) nach den Grundsätzen der Verhältniswahl aufgrund von Listen und Einzelvorschlägen zu erfolgen habe. Die Beigeladene zu 2) teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17.01.2011 mit, dass eine Wahlanfechtung gegenüber dem Vorsitzenden des Landeswahlausschusses ausschließlich bei der Wahl zur Vertreterversammlung gemäß § 23 Abs. 1 der maßgeblichen Wahlordnung vorgesehen sei. Da die Wahlanfechtung sich jedoch nicht gegen diese Wahlen richte, sei eine Zuständigkeit des Landeswahlausschusses nicht gegeben. Die Anwendung des Verhältniswahlrechts in der konstituierenden Sitzung am 04.12.2010 hätte zur Folge gehabt, dass die zur Wahl gestellten Kandidaten bzw. Wahllisten einer Fraktion in dem Verhältnis zu berücksichtigen gewesen seien, in dem sie Stimmen erhalten hätten. Da auf die Fraktion d ... 58 v.H. der bei der Wahl zur Vertreterversammlung abgegebenen Stimmen entfallen seien, würde sich auch nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts bei den zwei zu wählenden Mitgliedern für die Delegiertenversammlung d. keine Änderung ergeben. Auch nach dem Berechnungsmodus nach d`Hondt hätten die beiden Delegierten aus der Gruppe der Mitglieder der Mehrheitsfraktion gewählt werden können. Im Übrigen sei weder bei der Wahl des vierten Mitglieds der Delegiertenversammlung noch bei der Wahl der Ersatzmitglieder ein Gegenkandidat der anderen Fraktionen benannt worden.

Hinsichtlich der Wahlen zu den in der Satzung vorgesehenen Ausschüssen sei zu berücksichtigen, dass die Besetzung dieser Ausschüsse durch die Wahl der Mitglieder der Delegiertenversammlung erfolge. Bei Wahlen innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaften seien die Grundsätze von Allgemeinheit, Freiheit und Gleichheit der Wahl im Sinne des Art. 38 GG anwendbar. Unter Beachtung dieser Wahlfreiheit habe eine Stimmabgabe frei von Zwang zu bleiben.

In der Sitzung der Beklagten vom 25.05.2013 wurde § 24 Abs. 6 der maßgeblichen Satzung wie folgt geändert: "Die Fraktionen gemäß § 19 Abs. 4 sind in den Ausschüssen nach ihrem prozentualen Anteil zu berücksichtigen. Erhalten die Kandidaten ober enthält der Kandidat einer Fraktion keine Mehrheit, kann die Fraktion für weitere Wahlgänge weitere Kandidaten vorschlagen."

Der Kläger hat am 04.02.2011 Klage erhoben, mit der er die Feststellung der Ungültigkeit der in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vorgenommenen Wahlen der Mitglieder der Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) sowie der Wahlen der Mitglieder zu den in der Satzung der Beigeladenen zu 2) vorgesehenen Ausschüssen begehrt. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, die Wahlen der Mitglieder zur Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) und die Wahlen zum Haupt-, Finanz- und Satzungsausschuss der Beigeladenen zu 2) seien nach dem Mehrheitswahlrecht durchgeführt worden. Hinsichtlich der weiteren Mitglieder für die Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) sei hierdurch gegen die zwingende Bestimmung des § 80 Abs. 1a i.V.m. § 80 Abs. 1 SGB V verstoßen worden. Nach diesen Bestimmungen seien Wahlen nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts durchzuführen. Auch aus den Regelungen in der maßgeblichen Satzung ergebe sich die zwingende Notwendigkeit der Anwendung des Verhältniswahlrechts. Auf die sich aus der Anwendung des Verhältniswahlrechts ergebenden Möglichkeiten, insbesondere die Möglichkeit einer Fraktions- oder Listenverbindung, hätten entweder der Vorsitzende der Beklagten oder der Wahlleiter vor den Wahlen hinweisen müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Im Falle einer Listenverbindung der Minderheitsfraktionen hätte ein Mitglied für die Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) aus den Reihen dieser Fraktionen gewählt werden müssen.

Hinsichtlich der Wahlen zu den nach § 24 Abs. 1 der maßgeblichen Satzung vorgesehenen Ausschüssen sei nichts unternommen worden, um die Vorgaben in der Satzung umzusetzen. Vielmehr seien alle Positionen nach dem Mehrheitswahlrecht besetzt worden. Bei Anwendung des Verhältniswahlrechts hätte sich selbst für den Fall, dass keine Listenverbindung erfolgt wäre, entsprechend der Sitzverteilung ein anderes Wahlergebnis ergeben. Auch nach der Änderung des § 24 Abs. 6 der Satzung in der Sitzung der Beklagten vom 25.05.2013 weigere sich die Mehrheitsfraktion Neuwahlen durchzuführen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Wahlen in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vom 04.12.2010 hinsichtlich der weiteren Mitglieder zur Vertreterversammlung der Bei- geladenen zu 1) sowie hinsichtlich der Mitglieder für den Hauptausschuss, für den Satzungsausschuss und für den Finanzausschuss ungültig sind und geeignete Fol- gerungen, die im Ermessen des Gerichts stehen, anzuordnen, hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrags vor, bei der Wahl der Mitglieder zur Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) habe die Anwendung eines vom Verhältniswahlrechts abweichenden Wahlverfahrens keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt. Auch bei Anwendung des Verhältniswahlrechts hätten zwei Mitglieder der Mehrheitsfraktion als Delegierte gewählt werden können. Nur auf mandatsrelevante Fehler könne eine Wahlanfechtung gestützt werden. Für die Wahl zu den Ausschüssen sei die Anwendung des Verhältniswahlrechts nicht zwingend vorgeschrieben. In § 24 Abs. 6 der im Dezember 2010 maßgeblichen Satzung sei lediglich eine angemessene Berücksichtigung der Fraktionen in den Ausschüssen vorgesehen. Die Besetzung der Ausschüsse erfolge in einer freien und unabhängigen Wahl. Aus § 24 Abs. 6 der maßgeblichen Satzung lasse sich keine proportionale Berücksichtigung der Fraktionen in den Ausschüssen ableiten. Auch ergebe sich hieraus keine Verpflichtung für die Delegierten, in einer bestimmten Weise abzustimmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2013 gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2013 verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene zu 1) in diesem Termin nicht vertreten war. Diese Beigeladene ist in der ihr ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die Klage ist zulässig. Allerdings findet nach Auffassung der Kammer § 131 Abs. 4 SGG keine Anwendung. Nach dieser Bestimmung spricht das Gericht in den Fällen, dass es eine Wahl im Sinne des § 57 b SGG oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsgremien der ... Vereinigungen oder der ... Bundesvereinigung ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig hält, dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung erfasst diese Vorschrift nur die Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen. Streitig ist hier jedoch die innerhalb des Selbstverwaltungsorgans der Beigeladenen zu 2) im Rahmen der konstituierenden Sitzung am 04.12.2010 durchgeführten Wahlen. Da das SGG insoweit keine Regelungen enthält, wendet die Kammer die von den Verwaltungsgerichten entwickelten Grundsätze der verwaltungsrechtlichen Organstreitigkeiten, insbesondere der Kommunalverfas- sungsstreitverfahren, an. Beteiligte solcher Streitigkeiten können dabei nur Organe oder Organteile sei (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Auflage, Vorbemerkung § 40 Rdnr. 6).

Die Anwendung der Grundsätze der verwaltungsrechtlichen Organstreitverfahren führt zunächst dazu, dass Beklagte nicht die beigeladene , sondern deren Vertreterversammlung ist, da die hier streitigen Wahlen innerhalb dieses Selbstverwaltungsorgans durchgeführt worden sind. Diese Vertreterversammlung ist zwar weder eine natürliche oder juristische Person im Sinne des § 70 Nr. 1 SGG noch eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung gemäß § 70 Nr. 2 SGG, da sie gemäß § 13 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2) als Selbstverwaltungsorgan ein Organ der Beigeladenen zu 2) ist. Für das vorliegende Streitverfahren ist jedoch von der Beteiligtenfähigkeit der Beklagten nach § 70 SGG und ihrer Prozessfähigkeit auszugehen.

Unerheblich ist, dass die Klage zunächst gegen die Beigeladene zu 2) gerichtet war. Die Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 2) ist im Wege des Parteiwechsels gemäß § 99 SGG in das laufende sozialgerichtliche Verfahren eingetreten. Dies hat die Kammer mit Beschluss vom 12.12.2012 ausdrücklich festgestellt.

Einen Parteiwechsel auf Klägerseite in dem Sinne, dass die Fraktion " im Wege des Parteiwechsels in den Prozess einbezogen werden musste, hält die Kammer nicht für erforderlich. Der Kläger ist Mitglied der Beklagten. Entscheidend für die Klägerstellung in organschaftlichen Streitigkeiten ist, dass individuelle organschaftliche Rechte geltend gemacht werden. Da nach den Grundsätzen der verwaltungsrechtlichen Organstreitigkeiten auch einzelne Mitglieder des Organs solche Rechte geltend machen können (Kopp/Schenke, a.a.O, Vorbemerkung § 40 Rdnr. 6), gilt dies auch für den Kläger als Mitglied der beklagten Vertreterversammlung.

Die Klage ist teilweise begründet. Soweit der Kläger die Ungültigkeit der Wahlen für die Mitglieder der Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) geltend macht, hatte die Klage keinen Erfolg. Zwar hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass bei diesen Wahlen gegen die Regelungen in § 80 Abs. 1 a Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB V verstoßen worden ist. Diese Bestimmungen sehen zwingend vor, dass die Wahlen in den dort genannten Fällen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt werden müssen. Die Mitglieder für die Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) sind jedoch nach den Grundsätzen des Mehrheitswahlrechts bestimmt worden. Nach Auffassung der Kammer führt dies jedoch nicht zur Ungültigkeit dieser Wahlen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.01.1998, Az.: B 6 KA 98/96 R) ist das Wahlprüfungsverfahren bei der Wahl zur Vertreterversammlung einer ... Vereinigung auf sogenannte "mandatsrelevante Fehler" beschränkt. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch für die Wahlen innerhalb dieses Selbstverwaltungsorgans. Dies hat zur Folge, dass die Wahlen der Mitglieder zur Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) vom 04.12.2010 nur dann als ungültig angesehen werden können, wenn bei Anwendung der Grundsätze der Verhältniswahl sich ein anderes Ergebnis ergeben hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Für die Beurteilung der Gültigkeit der Wahlen der Mitglieder für die Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) geht die Kammer von den Verhältnissen in der konstituierenden Sitzung der Beklagten am 04.12.2010 aus. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Fraktions- oder Listenverbindung der Fraktionen der " ..." und der " ...". Entgegen der Auffassung des Klägers waren weder der Vorsitzende der Beklagten noch der Wahlleiter verpflichtet, die Mitglieder der Beklagten auf die Möglichkeiten einer Fraktions- oder Listenverbindung hinzuweisen. Über diese Möglichkeiten haben sich vielmehr die gewählten Mitglieder der Beklagten, insbesondere die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden in eigener Verantwortung zu informieren und vor der konstituierenden Sitzung die Möglichkeiten einer Listenverbindung oder Fraktionsverbindung zu klären.

Bei strikter Anwendung des Verhältniswahlrechts wären unter Zugrundelegung des Berechnungsmodus nach d`Hondt die zwei zu wählenden Mitglieder für die Delegiertenversammlung der Beigeladenen zu 1) auf die Mehrheitsfraktion "." entfallen. Aus diesem Grunde handelt es sich bei dem Verstoß gegen die Vorgaben in § 80 Abs. 1a Satz 3 und Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht um einen sogenannten "mandatsrelevanten Wahlfehler", da sich auch bei Anwendung der Grundsätze der Verhältniswahl kein anderes Wahlergebnis ergeben hätte. Für die Gültigkeit der Wahlen der Delegierten für die Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) spricht auch der Umstand, dass die Minderheitsfraktionen bei der Wahl des vierten Mitglieds für diese Delegiertenversammlung und bei den Wahlen für die Ersatzmitglieder keine eigenen Kandidaten aufgestellt haben.

Soweit der Kläger die Ungültigkeit der Wahlen der Mitglieder für den Haupt-, den Finanz- und den Satzungsausschuss geltend macht, hatte die Klage Erfolg. Die in der konstituierenden Sitzung der Beklagten insoweit vorgenommenen Wahlen verstoßen nämlich gegen § 24 Abs. 6 der im Zeitpunkt der Wahlen maßgeblichen Satzung. Diese Wahlen haben nämlich nicht dazu geführt, dass sämtliche Fraktionen der Beklagten angemessen in den in § 24 Abs. 1 der Satzung geregelten Ausschüssen berücksichtigt worden sind.

Bei der Auslegung des Begriffs der Angemessenheit ist nach Auffassung der Kammer einerseits auf die Stellung und Funktion der Beklagten und anderseits auf die Bedeutung der Ausschüsse abzustellen. Die Beklagte ist nach § 13 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2) Selbstverwaltungsorgan. Ihre Mitglieder werden in einer unmittelbaren und geheimen Briefwahl (§ 1 Abs. 1 der Wahlordnung der Beigeladenen zu 2) gewählt. Die Beklagte ist damit ein demokratisch legitimiertes Gremium der in zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnärzte. Dieser Umstand ist bei der Besetzung der Ausschüsse zu berücksichtigen. Zwar ist es zulässig, die Besetzung der Ausschüsse im Sinne des § 24 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2) abweichend von anderen Bestimmungen für die Besetzung von Ausschüssen vergleichbarer demokratisch legitimierter Selbstverwaltungsorgane zu regeln. So sieht z.B. § 12 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vor, dass die Zusammensetzung der Ausschüsse im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen ist. Darüber hinaus legt § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags fest, dass die Fraktionen die Ausschussmitglieder und deren Stellvertreter benennen. Auch wenn in der Satzung der Beigeladenen zu 2) hiervon abweichende Regelungen getroffen werden können, sind bei den Wahlen jedoch bestimmte verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 13.06.1989, Az.: 2 BvE 1/88, BVerfGE 80, 188 (222); Urteil vom 16.07.1991, Az.: 2 BvE 1/91, BVerfGE 84, 302 (323) und Beschluss vom 03.12.2002, Az.: 2 BvE 3/02, BVerfGE 106, 253 (262)) hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die Ausschüsse des Bundestages durch ihre Aufgabenstellung in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen sind. Deshalb muss grundsätzlich jeder parlamentarischer Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein. Zwar besteht kein Verfassungsgebot, in jedem Ausschuss jede Fraktion mit mindestens einem Sitz zu berücksichtigen. Allerdings müssen sich bei der Besetzung der Ausschüsse insgesamt die Mehrheitsverhältnisse im Parlament wiederspiegeln. Nach Auffassung der Kammer gilt dieser Grundsatz der "Spiegelbildlichkeit" auch für die Zusammensetzung der in § 24 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2) genannten Ausschüsse.

Auch diese Ausschüsse bereiten die Entscheidungen der Beklagten vor und haben damit entscheidende Einflussmöglichkeiten auf diese Entscheidungen. Darüber hinaus sind sie noch in anderer Hinsicht von ausschlaggebender Bedeutung. So vertritt z.B. der Hauptausschuss nach § 24 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2) die Interessen der Vertreterversammlung außerhalb der nach der Satzung vorgesehenen Sitzungen. Der Vorstand hat darüber hinaus gemäß § 24 Abs. 2 Satz 4 der Satzung den Hauptausschuss über wesentliche Geschäftsvorgänge zu informieren. Diese Bedeutung der in § 24 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2) geregelten Ausschüsse gebietet es nach Auffassung der Kammer, dass sich in der Besetzung der Ausschüsse insgesamt die Mehrheitsverhältnisse der Beklagten wiederspiegeln. Nur wenn dies der Fall ist, kann eine angemessene Berücksichtigung der Fraktionen bei der Besetzung der Ausschüsse angenommen werden. Die in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vom 04.12.2010 durchgeführten Wahlen zu den in § 24 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2) geregelten Ausschüssen haben jedoch nicht zu einer angemessenen Berücksichtigung der Fraktionen in diesen Ausschüssen geführt.

Insgesamt gehören dem Haupt-, dem Finanz- und dem Satzungsausschuss 25 Mitglieder an. Auf die Fraktionen der "." und der "." entfallen jedoch nur insgesamt fünf Mitglieder. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 20 v.H., obwohl in diesen Fraktionen insgesamt 40 v.H. der Mitglieder der Beklagten zusammengeschlossen sind. Damit wird der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit verletzt, was wiederum zur Folge hat, dass die Wahlen in der konstituierenden Sitzung der Beklagten gegen die Bestimmung des § 24 Abs. 6 der damals maßgeblichen Satzung verstoßen haben. Eine angemessene Berücksichtigung der beiden Minderheitsfraktionen ist nämlich nicht erfolgt.

Die Mitglieder der Mehrheitsfraktion können sich für die Rechtfertigung dieses Wahlergebnisses nicht auf die Grundsätze der Allgemeinheit, Freiheit oder Gleichheit der Wahl im Sinne des Art. 38 GG berufen. Diese Grundsätze werden nämlich durch die Vorgabe eingeschränkt, dass die Ausschüsse die Mehrheitsverhältnisse im Plenum wiederspiegeln müssen. In keinem Fall rechtfertigen es die Grundsätze der Allgemeinheit, Freiheit und Gleichheit der Wahl, dass eine Mehrheitsfraktion unter Anwendung des Mehrheitswahlrechts die Besetzung der Ausschüsse ohne angemessene Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse innerhalb der beklagten Vertreterversammlung vornimmt. Da mit den Wahlen der Mitglieder des Haupt-, Finanz- und Satzungsausschusses gegen die maßgebliche Satzungsregelung in § 24 Abs. 6 verstoßen worden ist, war insoweit die Ungültigkeit der am 04.12.2010 durchgeführten Wahlen festzustellen.

Die Kammer hat gemäß § 131 Abs. 4 SGG die aus der Feststellung der Ungültigkeit der Wahlen zu ziehenden Folgerungen zu bestimmen. Im Interesse der Funktionsfähigkeit der maßgeblichen Gremien müssen die gewählten Mitglieder weiterhin im Amt verbleiben. Die Kammer hielt zur Beseitigung der Folgen der ungültigen Wahlen die Durchführung von Neuwahlen während der laufenden Amtsperiode für erforderlich. Eine Tolerierung der Folgen der ungültigen Wahlen bis zum Ablauf der Amtsperiode scheidet aus. Die Kammer hat für die Durchführung der Neuwahlen der Beklagten eine Frist bis zum 31.12.2014 gesetzt. Sie hat dabei bewusst eine großzügige Bemessung der Frist vorgenommen. Mit dieser Frist räumt die Kammer den Fraktionen zusätzlich noch die Möglichkeit ein, eine einvernehmliche Regelung der durch die Wahlen am 04.12.2010 entstandenen Situation herbeizuführen, obwohl entsprechende Bemühungen kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.12.2013 gescheitert sind. Die Kammer war weiterhin der Auffassung, dass die Durchführung der Neuwahlen auf der Grundlage der Satzung der Beigeladenen zu 2) in der im Dezember 2010 maßgeblichen Fassung zu erfolgen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO. Im Hinblick auf das teilweise Obsiegen hielt es die Kammer für sachgerecht, dass der Kläger und die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte tragen.

Die Kammer hat entsprechend den Hilfsanträgen des Klägers und der Beklagten die Sprungrevision zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da es bisher keine höchst richterliche Rechtsprechung zur Frage der Überprüfung der Wahlen innerhalb der Vertreterversammlung einer. gibt.

Den Streitwert hat die Kammer in Höhe des Regelstreitwerts in Höhe von 5.000,- EUR festgesetzt.
Rechtskraft
Aus
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