Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 749/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für die Beschaffung einer Herrenperücke und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung des Klägers mit maßgefertigten Herrenperücken alle zwei Jahre.
Der 1950 geborene Kläger ist seit seinem 18. Lebensjahr von krankheitsbedingtem Haarausfall, einer Alopecia fere totalis, betroffen. Seitdem ist er alle zwei Jahre aufgrund ärztlicher Atteste durch die Krankenkasse mit einer Perücke versorgt worden. Die letzten Bewilligungen hat die Beklagte im November 2005, Juni 2008 sowie im November 2010 ausgesprochen. Sie hat im letzten Bewilligungsbescheid vom 27.11.2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der Rechtsprechung eine Kostenübernahme für Perücken bei männlichen Versicherten nicht mehr erfolgen könne. Anders als bei Frauen sei der Verlust des Kopfhaares bei Männern nicht als besonders auffälliger Zustand anzusehen und entfalte keine generell entstellende Wirkung. Die Bewilligung erfolge letztmalig im Rahmen eines Vertrauensschutzes. Für die Zukunft sei keine weitere Kostenübernahme mehr möglich.
Aufgrund ärztlicher Verordnung vom 16.7.2013 und eines Kostenvoranschlags über eine Perücke zum Preis von 930 EUR beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2013 die Kostenübernahme für eine neue Perücke.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2013 ab. Eine Kostenübernahme für eine Herrenperücke sei nur möglich, wenn die äußere Erscheinung einer haarlosen Kopfpartie durch narbig deformierte Kopfhaut erheblich beeinträchtigt werde. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.
Nach der Ablehnung durch die Beklagte beschaffte sich der Kläger am 27.12.2013 selbst eine Perücke zum Preis von 880 EUR.
Den gegen die Ablehnung eingelegten Widerspruch begründete der Bevollmächtigte des Klägers damit, dass anders als bei den der bisherigen Rechtsprechung zu Grunde liegenden Sachverhalten beim Kläger nicht lediglich eine psychische Beeinträchtigung zu verzeichnen sei, sondern der Haarausfall selbst Krankheitswert habe. Insbesondere sei aber zu berücksichtigen, dass er seit mehr als 40 Jahren mit Perücken versorgt worden und er damit auch im beruflichen und privaten Umfeld mit Perücke bekannt sei. Es sei ihm nicht zuzumuten, auf diese nunmehr zu verzichten.
Nach Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses vom 27.1.2014 den Widerspruch zurück. Ein totaler oder teilweiser Verlust des Haupthaares bei Männern entfalte keine entstellende Wirkung. Anders als bei Frauen werde bei Männern in der Gesellschaft Haupthaarlosigkeit nicht als ein besonders auffälliger Zustand angesehen. Besonderheiten wie eine die Deformationen oder Narbenbildung im Bereich der Kopfhaut seien nicht vorgetragen worden. Es könne auch nicht von einem Vertrauensschutz ausgegangen werden. Jedenfalls im Bewilligungsbescheid vom 27.11.2010 sei darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine letztmalige Kostenbeteiligung handele.
Hiergegen richtet sich die am 29.12.2014 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt den Bescheid der Beklagten vom 8.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 880 EUR zzgl. fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2013 zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem Jahr 2013 alle zwei Jahre die Kosten für eine maßgefertigte Herrenperücke aus 100 % KS-Haar zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Statthafte Klageart bezüglich des Antrags auf Übernahme der Kosten für die selbstbeschaffte Perücke ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes kann nach § 54 Abs. 1 SGG beantragt werden, wenn dieser rechtswidrig ist. Die Ablehnung der Versorgung mit einer Herrenperücke durch die Beklagte war nicht rechtswidrig und der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Selbstbeschaffung.
Der Kläger hat keinen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V). Danach sind von der Krankenkasse die Kosten zu erstatten, die zur Selbstbeschaffung notwendig waren, weil sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zu Unrecht ist eine Leistung nur abgelehnt, wenn ein Sachleistungsanspruch auf sie bestand. Einen solchen hatte der Kläger aber nicht.
Ein Anspruch auf Versorgung mit einer Herrenperücke kommt nur nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V in Betracht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Bei einer Perücke handelt es sich weder um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, noch ist sie nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen.
Der Kläger hatte dennoch keinen Anspruch auf die Versorgung mit der Perücke.
Die Versorgung mit einer solchen Perücke dient nicht einer Krankenbehandlung nach § 27 Absatz 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern. Unter Krankheit wird ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht verstanden. Dies ist nicht bei jeder körperlichen Unregelmäßigkeit der Fall. Erforderlich ist, dass der Versicherte in einer Körperfunktion beeinträchtigt wird oder an einer entstellenden Abweichung vom Regelfall leidet (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.9.2010 - B 1 KR 5/10 R -, juris).
Unabhängig vom medizinischen Vorliegen einer Erkrankung kann die begehrte Herrenperücke jedenfalls nicht der Behandlung einer gestörten Körperfunktion dienen, da mit einer Perücke die gestörte Körperfunktion nicht wiederhergestellt werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.4.2014 - B 3 KR 3/14 R -, juris).
Ein Anspruch kann auch nicht darauf gestützt werden, dass ein Krankheitswert durch eine Entstellung vorliege oder die Perücke zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich sei.
Unter Entstellung versteht die Rechtsprechung eine objektiv erhebliche Auffälligkeit, die naheliegende Reaktion der Mitmenschen wie Neugierde oder Betroffenheit hervorruft und erwarten lässt, dass der Betroffene ständig Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht. Die körperliche Auffälligkeit muss dabei in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im vorbeigehen" bemerkbar macht und zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (Bundesssozialgericht, Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R -, juris).
Unter Behinderung ist nach § 2 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) eine länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichende körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit zu verstehen, die die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt.
Der Ausfall des Kopfhaares ist bei Männern allerdings zumindest im Erwachsenenalter eine häufiger auftretende Erscheinung. Anders als bei Frauen ist damit keine soziale Stigmatisierung oder eine besondere Auffälligkeit verbunden. Eine Beeinträchtigung des Lebens in der Gemeinschaft tritt dadurch nicht auf. Tatsächlich wird zum Teil sogar aus modischen oder anderen Gründen von Männern mit Haarwachstum gelegentlich eine freiwillig rasierte Glatze getragen (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.4.2014 - B 3 KR 3/14 R -, juris). Jedenfalls im Alter des Klägers ist nicht von einer besonderen sozialen Auffälligkeit bei Fehlen des Haupthaares auszugehen.
Daran ändert auch eine möglicherweise drohende psychische Belastung nichts. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht bei psychischen Beeinträchtigungen ein Anspruch auf unmittelbare Behandlung der psychischen Beeinträchtigung, z.B. mit Psychotherapie. Es besteht kein Anspruch auf mittelbare Behandlung, zumal nicht sicher festgestellt werden kann, ob eine mittelbare Behandlung tatsächlich die psychische Beeinträchtigung beseitigen würde (Bundesssozialgericht, Urteil vom 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -, juris).
Auch auf das vorgetragene Argument des Vertrauensschutzes kann ein Anspruch nicht gestützt werden. Die Bewilligungen wurden wohl jeweils für einzelne Versorgungen ausgesprochen. Dies gilt jedenfalls auch für die Bewilligung im Jahr 1999. Sie enthält zwar den Hinweis, dass sie für die Dauer der Mitglieschaft bei der Beklagten gelte, ist aber auch auf den einzelnen Versorgungsfall bezogen. Das ergibt sich aus der Zusage der Versorgung durch ein konkretes Unternehmen. Eine solche Zusage passt nicht zu einer Bewilligung wiederkehrender Versorgungen für einen nicht befristeten Zeitraum. Jedenfalls mit der Bewilligung im Jahr 2010 hat die Beklagte den Bezug auf den einzelnen Versorgungsfall deutlich zum Ausdruck gebracht und ebenfalls mitgeteilt, dass in der Zukunft eine Versorgung aufgrund der nun gefestigten Rechtsprechung nicht mehr erfolgen könne. Aus einzelnen Bewilligungen kann kein grundsätzlicher Anspruch für die Zukunft abgeleitet werden. Bei jeder einzelnen Bewilligung ist zu prüfen, ob das begehrte Hilfsmittel notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.4.2014 - B 3 KR 3/14 R -, juris).
Statthafte Klageart bezüglich des Feststellungsantrags ist die Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wobei sich dies auch auf einzelne Rechte im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses bezieht
(Bundessozialgericht, Urteil vom 6.3.2003 - Az. B 11 AL 27/02 R -). Auch dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Aus dem nicht gegebenen konkreten Anspruch auf Versorgung mit einer Herrenperücke folgt, dass ein solcher Anspruch auch nicht abstrakt alle zwei Jahre besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für die Beschaffung einer Herrenperücke und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung des Klägers mit maßgefertigten Herrenperücken alle zwei Jahre.
Der 1950 geborene Kläger ist seit seinem 18. Lebensjahr von krankheitsbedingtem Haarausfall, einer Alopecia fere totalis, betroffen. Seitdem ist er alle zwei Jahre aufgrund ärztlicher Atteste durch die Krankenkasse mit einer Perücke versorgt worden. Die letzten Bewilligungen hat die Beklagte im November 2005, Juni 2008 sowie im November 2010 ausgesprochen. Sie hat im letzten Bewilligungsbescheid vom 27.11.2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der Rechtsprechung eine Kostenübernahme für Perücken bei männlichen Versicherten nicht mehr erfolgen könne. Anders als bei Frauen sei der Verlust des Kopfhaares bei Männern nicht als besonders auffälliger Zustand anzusehen und entfalte keine generell entstellende Wirkung. Die Bewilligung erfolge letztmalig im Rahmen eines Vertrauensschutzes. Für die Zukunft sei keine weitere Kostenübernahme mehr möglich.
Aufgrund ärztlicher Verordnung vom 16.7.2013 und eines Kostenvoranschlags über eine Perücke zum Preis von 930 EUR beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2013 die Kostenübernahme für eine neue Perücke.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2013 ab. Eine Kostenübernahme für eine Herrenperücke sei nur möglich, wenn die äußere Erscheinung einer haarlosen Kopfpartie durch narbig deformierte Kopfhaut erheblich beeinträchtigt werde. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.
Nach der Ablehnung durch die Beklagte beschaffte sich der Kläger am 27.12.2013 selbst eine Perücke zum Preis von 880 EUR.
Den gegen die Ablehnung eingelegten Widerspruch begründete der Bevollmächtigte des Klägers damit, dass anders als bei den der bisherigen Rechtsprechung zu Grunde liegenden Sachverhalten beim Kläger nicht lediglich eine psychische Beeinträchtigung zu verzeichnen sei, sondern der Haarausfall selbst Krankheitswert habe. Insbesondere sei aber zu berücksichtigen, dass er seit mehr als 40 Jahren mit Perücken versorgt worden und er damit auch im beruflichen und privaten Umfeld mit Perücke bekannt sei. Es sei ihm nicht zuzumuten, auf diese nunmehr zu verzichten.
Nach Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses vom 27.1.2014 den Widerspruch zurück. Ein totaler oder teilweiser Verlust des Haupthaares bei Männern entfalte keine entstellende Wirkung. Anders als bei Frauen werde bei Männern in der Gesellschaft Haupthaarlosigkeit nicht als ein besonders auffälliger Zustand angesehen. Besonderheiten wie eine die Deformationen oder Narbenbildung im Bereich der Kopfhaut seien nicht vorgetragen worden. Es könne auch nicht von einem Vertrauensschutz ausgegangen werden. Jedenfalls im Bewilligungsbescheid vom 27.11.2010 sei darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine letztmalige Kostenbeteiligung handele.
Hiergegen richtet sich die am 29.12.2014 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt den Bescheid der Beklagten vom 8.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 880 EUR zzgl. fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2013 zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem Jahr 2013 alle zwei Jahre die Kosten für eine maßgefertigte Herrenperücke aus 100 % KS-Haar zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Statthafte Klageart bezüglich des Antrags auf Übernahme der Kosten für die selbstbeschaffte Perücke ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes kann nach § 54 Abs. 1 SGG beantragt werden, wenn dieser rechtswidrig ist. Die Ablehnung der Versorgung mit einer Herrenperücke durch die Beklagte war nicht rechtswidrig und der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Selbstbeschaffung.
Der Kläger hat keinen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V). Danach sind von der Krankenkasse die Kosten zu erstatten, die zur Selbstbeschaffung notwendig waren, weil sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zu Unrecht ist eine Leistung nur abgelehnt, wenn ein Sachleistungsanspruch auf sie bestand. Einen solchen hatte der Kläger aber nicht.
Ein Anspruch auf Versorgung mit einer Herrenperücke kommt nur nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V in Betracht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Bei einer Perücke handelt es sich weder um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, noch ist sie nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen.
Der Kläger hatte dennoch keinen Anspruch auf die Versorgung mit der Perücke.
Die Versorgung mit einer solchen Perücke dient nicht einer Krankenbehandlung nach § 27 Absatz 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern. Unter Krankheit wird ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht verstanden. Dies ist nicht bei jeder körperlichen Unregelmäßigkeit der Fall. Erforderlich ist, dass der Versicherte in einer Körperfunktion beeinträchtigt wird oder an einer entstellenden Abweichung vom Regelfall leidet (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.9.2010 - B 1 KR 5/10 R -, juris).
Unabhängig vom medizinischen Vorliegen einer Erkrankung kann die begehrte Herrenperücke jedenfalls nicht der Behandlung einer gestörten Körperfunktion dienen, da mit einer Perücke die gestörte Körperfunktion nicht wiederhergestellt werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.4.2014 - B 3 KR 3/14 R -, juris).
Ein Anspruch kann auch nicht darauf gestützt werden, dass ein Krankheitswert durch eine Entstellung vorliege oder die Perücke zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich sei.
Unter Entstellung versteht die Rechtsprechung eine objektiv erhebliche Auffälligkeit, die naheliegende Reaktion der Mitmenschen wie Neugierde oder Betroffenheit hervorruft und erwarten lässt, dass der Betroffene ständig Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht. Die körperliche Auffälligkeit muss dabei in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im vorbeigehen" bemerkbar macht und zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (Bundesssozialgericht, Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R -, juris).
Unter Behinderung ist nach § 2 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) eine länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichende körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit zu verstehen, die die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt.
Der Ausfall des Kopfhaares ist bei Männern allerdings zumindest im Erwachsenenalter eine häufiger auftretende Erscheinung. Anders als bei Frauen ist damit keine soziale Stigmatisierung oder eine besondere Auffälligkeit verbunden. Eine Beeinträchtigung des Lebens in der Gemeinschaft tritt dadurch nicht auf. Tatsächlich wird zum Teil sogar aus modischen oder anderen Gründen von Männern mit Haarwachstum gelegentlich eine freiwillig rasierte Glatze getragen (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.4.2014 - B 3 KR 3/14 R -, juris). Jedenfalls im Alter des Klägers ist nicht von einer besonderen sozialen Auffälligkeit bei Fehlen des Haupthaares auszugehen.
Daran ändert auch eine möglicherweise drohende psychische Belastung nichts. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht bei psychischen Beeinträchtigungen ein Anspruch auf unmittelbare Behandlung der psychischen Beeinträchtigung, z.B. mit Psychotherapie. Es besteht kein Anspruch auf mittelbare Behandlung, zumal nicht sicher festgestellt werden kann, ob eine mittelbare Behandlung tatsächlich die psychische Beeinträchtigung beseitigen würde (Bundesssozialgericht, Urteil vom 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -, juris).
Auch auf das vorgetragene Argument des Vertrauensschutzes kann ein Anspruch nicht gestützt werden. Die Bewilligungen wurden wohl jeweils für einzelne Versorgungen ausgesprochen. Dies gilt jedenfalls auch für die Bewilligung im Jahr 1999. Sie enthält zwar den Hinweis, dass sie für die Dauer der Mitglieschaft bei der Beklagten gelte, ist aber auch auf den einzelnen Versorgungsfall bezogen. Das ergibt sich aus der Zusage der Versorgung durch ein konkretes Unternehmen. Eine solche Zusage passt nicht zu einer Bewilligung wiederkehrender Versorgungen für einen nicht befristeten Zeitraum. Jedenfalls mit der Bewilligung im Jahr 2010 hat die Beklagte den Bezug auf den einzelnen Versorgungsfall deutlich zum Ausdruck gebracht und ebenfalls mitgeteilt, dass in der Zukunft eine Versorgung aufgrund der nun gefestigten Rechtsprechung nicht mehr erfolgen könne. Aus einzelnen Bewilligungen kann kein grundsätzlicher Anspruch für die Zukunft abgeleitet werden. Bei jeder einzelnen Bewilligung ist zu prüfen, ob das begehrte Hilfsmittel notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 22.4.2014 - B 3 KR 3/14 R -, juris).
Statthafte Klageart bezüglich des Feststellungsantrags ist die Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wobei sich dies auch auf einzelne Rechte im Rahmen eines bestehenden Rechtsverhältnisses bezieht
(Bundessozialgericht, Urteil vom 6.3.2003 - Az. B 11 AL 27/02 R -). Auch dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Aus dem nicht gegebenen konkreten Anspruch auf Versorgung mit einer Herrenperücke folgt, dass ein solcher Anspruch auch nicht abstrakt alle zwei Jahre besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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