L 2 AS 3685/10 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 2901/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 3685/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 10. Juni 2010 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand aus § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand der vom Kläger am 2. September 2009 erhobenen Klage war der Bescheid vom 16. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2009, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, für den Zeitraum August 2009 bis Januar 2010 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren. Das SG hat mit Urteil vom 10. Juni 2010 unter Abänderung des Bescheids vom 16. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2009 die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger monatlich weitere 35,90 EUR zu bewilligen. Der sich hieraus für die Beklagte ergebende Beschwerdewert (6 x 35,90 EUR = 215,40 EUR) übersteigt nicht den Betrag von 750,00 EUR.

Da das SG die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, bedarf die Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. Insbesondere hat die Beklagte den - als einzigen von ihr angeführten - Zulassungsgrund der Abweichung von einer Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) weder in der nach § 145 Abs. 2, 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG gebotenen Weise dargelegt, noch ist ein solcher erkennbar.

Der Begriff des "Abweichens" in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist ebenso wie in § 160 Abs.2 Nr. 2 SGG auszulegen (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, §144 Rdnr. 30). Danach liegt eine Divergenz dann vor, wenn die tragfähigen abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde liegen, nicht übereinstimmen. Der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung muss also ein Rechtssatz zugrunde liegen, der mit der Rechtsprechung eines Landessozialgerichts oder des Bundessozialgerichts nicht übereinstimmt. Es genügt somit nicht, dass die Entscheidung z.B. lediglich fehlerhaft oder unrichtig ist, weil es nicht den Kriterien entspricht, die ein Landessozialgericht oder das Bundessozialgericht aufgestellt hat oder wenn es einem von diesen aufgestellten Rechtssatz folgen will, diesen aber missversteht oder sonst Vorgaben der obergerichtlichen bzw. höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelfall nicht übernimmt (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 160 Rdnr.13 m.w.N.).

In Anwendung dieser Grundsätze bezeichnet die Beklagte in ihrer Beschwerdebegründung eine Abweichung von den von ihr angeführten Entscheidungen des LSG vom 9. Dezember 2008 - L 13 AS 4463/07 - und vom 10. Juli 2009 - L 12 AS 3241/08 - nicht in der erforderlichen Art und Weise.

Zwar bemüht sich die Beklagte, im Hinblick auf die Entscheidung des LSG vom 9. Dezember 2008 einen tragfähigen abstrakten Rechtssatz anzuführen, in dem sie aus dieser Entscheidung wiedergibt, dass "selbst bei von ärztlichen Zeugen und Sachverständigen aus medizinischer Sicht empfohlener leichter Vollkost kein Ernährungsmehraufwand vorliege, da diese Kostform durch die Regelleistung gedeckt werde und auch aus einem Untergewicht entsprechend eines BMI von 19,5 sich noch keine Anhaltspunkte für einen erhöhten krankheitsbedingten Ernährungsbedarf ergäben; unverzichtbare Voraussetzung für einen krankheitsbedingten Mehrbedarf sei grundsätzlich, dass ein ärztliches Attest die Erforderlichkeit der besonderen verordneten Kostform darlege und nicht nur den Gesundheitsschaden benenne und darüber hinaus müsse der Kläger zudem substantiiert darlegen, welche verordnete Kostform er einhalte und welche Aufwändungen er insoweit habe". Auch aus der Entscheidung des LSG vom 10. Juli 2009 bemühte sich die Beklagte, einen tragfähigen abstrakten Rechtssatz insofern wiederzugeben, als "ein Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung nicht bestehe, wenn medizinisch eine Vollkost für erforderlich gehalten werde, da in diesem Fall keine über den Mehrbedarfszuschlag auszugleichenden Mehrkosten entstünden". Die Beklagte hat es jedoch versäumt, den abstrakten Rechtssatz der von ihr angefochtenen Entscheidung des SG zu benennen, der sich inhaltlich mit denen der von ihr angeführten Entscheidungen des SG in Divergenz befindet. Inhaltlich setzt eine Abweichung nämlich voraus, dass im angefochtenen Urteil die Rechtsprechung des LSG in Frage gestellt wird. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn die Rechtsprechung des LSG lediglich in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall verkannt worden sein sollte. Allein Letzteres könnte jedoch dem Beschwerdevorbringen der Beklagten entnommen werden, wenn sie vorträgt, dass das SG im angefochtenen Urteil allein aus der Liste der Erkrankung und der Zeugenaussage des behandelnden Arztes Dr. Weiger, wonach der Kläger sich streng cholesterinarm, gleichzeitig aber entsprechend den Erfordernissen einer Magenschonkost ausgewogenen ernähren müsse, geschlossen hat, dass ein krankheitsbedingter Mehrbedarf vorliege. In gleicher Weise darum geht es, wenn die Beklagte weiter ausführt, dass eine besondere Kostform jedoch ärztlich nicht verordnet worden sei und vom Kläger auch nicht dargelegt worden sei, welche Kostform er einhalte und welche Aufwendungen er diesbezüglich habe. Insoweit macht die Beklagte im Ergebnis somit nur die inhaltliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend, auf die es im Rahmen der Divergenz aber nicht ankommt.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei hier jedoch noch angemerkt, dass das SG in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich ausgeführt hat, dass der Beklagten zuzugeben sei, dass allein wegen der leichtgradigen Erhöhung des Cholesterins eine cholesterinarme Kost einen Kostenmehraufwand für die Ernährung nicht bedingen würde, jedoch die Besonderheiten dieses Einzelfalls, nämlich die Gesundheitsstörungen einer gemischten Hyperlipidämie und chronisches Untergewicht verbunden mit einer chronischen Magenerkrankung bei Verdacht auf Refluxkrankheit und der gestörten Nahrungsaufnahme (Malabsorption) sowie der schwerwiegenden Lungenerkrankung, wegen der der Kläger eine Dauersauerstofftherapie erhält und wegen der eine weitere Gewichtsreduktion zu einer akuten Exazerbation führen könne, zum Erfolg der Klage geführt haben. Das SG hat somit keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, den es seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sondern es hat seine Entscheidung ausschließlich ausgehend von den Besonderheiten des Einzelfalles begründet.

Im Übrigen kommt der Rechtssache vorliegend keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu und die Beklagte hat auch einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) nicht geltend gemacht; es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass ein solcher wesentlicher Verfahrensmangel vorliegen würde.

Die Beschwerde der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs.5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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