L 13 AL 5094/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 6357/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 5094/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 16. April 2006 und die Erstattung des Alg sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 16. April 2006 bis zum 31. August 2006 streitig.

Der 1981 geborene Kläger war seit dem Jahr 2002, nachdem er zuvor verschiedene ungelernte Tätigkeiten ausgeübt hatte, jeweils in den Saisonzeiten (August bis April des Folgejahres) als Berufseishockeyspieler für verschiedene Mannschaften tätig. Nach Ende der Saison meldete sich der Kläger jeweils arbeitslos und beantragte Alg.

Am 16. März 2006 meldete er sich wiederum nach Auslaufen seines bis zum 15. April 2006 beim ESV K. bestehenden Vertrages arbeitslos und beantragte bei der Agentur für Arbeit K. die Bewilligung von Alg. Hierbei hat er seine Anschrift mit "A. W. in K." angegeben. Das schriftliche Antragsformular reichte er am 29. Mai 2006 zurück, das unverändert die angegebene Anschrift enthielt. Er bestätigte ferner schriftlich den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1. Mit Bescheid vom 1. Juni 2010 bewilligte die Beklagte Alg ab 16. April 2006 bis 28. September 2006 in Höhe von täglich 34,17 EUR. Am 29. August 2006 erhielt die Beklagte von der Deutschen Post die Mitteilung, der Kläger sei in die O.-str. in R. verzogen. Die Beklagte befragte daraufhin den Kläger hierzu am 30. August 2006 telefonisch. Laut des hierüber erstellten Aktenvermerks hat der Kläger angegeben, am 10. August 2006 nach F. verzogen zu sein. Am 15. August 2006 beginne sein neuer Arbeitsvertrag. Mit Bescheid vom 31. August 2006 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Alg ab 10. August 2006 auf und forderte die Erstattung des bis zum 31. August 2006 gezahlten Alg sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (insgesamt 779,07 EUR). Hiergegen erhob der Kläger am 12. September 2006 Widerspruch und trug vor, der Wohnortwechsel nach F. sei am 6. August 2006 erfolgt. Er sei erst vom Arbeitsamt F. darauf aufmerksam gemacht worden, dass man sich nicht rückwirkend melden könne. Für ihn habe daher keine Möglichkeit bestanden, sich fristgerecht zu melden. Nach der in den Akten befindlichen Gesprächsnotiz über das Telefongespräch vom 27. September 2006 des Klägers mit dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn H., hat der Kläger angegeben, bei der Anschrift in K., W. , handele es sich um die Dienstwohnung seines ehemaligen Arbeitgebers, in welcher er nach Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewohnt habe. Vielmehr habe er bei seiner Freundin in K., A. G. gewohnt. Er habe einen Postnachsendeantrag gestellt. Im weiteren Verlauf des Vorverfahrens stellte der Kläger unter Vorlage des Postnachsendeantrags klar, den Postnachsendeauftrag nicht an die Anschrift seiner Freundin (A. G. in K.) sondern an die Anschrift seiner Eltern in R. gerichtet zu haben. Unter dieser Anschrift sei er auch lückenlos für das Arbeitsamt erreichbar gewesen und hätte auch Termine wahrnehmen können; er habe seine Freundin in K. immer wieder mal besucht. Ferner hat er Erklärungen der Freundin (der Kläger habe sich überwiegend in R. aufgehalten) und seiner Mutter (der Kläger habe zwischen Mitte April und Anfang August hauptsächlich zu Hause verweilt) vorgelegt. Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 28. September 2006) änderte die Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2006 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. August 2006 dahingehend ab, dass sie die Bewilligung von Alg ab 16. April 2006 aufhob und die Erstattung des im Zeitraum vom 16. April 2006 bis 31. August 2006 gezahlten Alg in Höhe von 4.612,95 EUR, der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 1.264,58 EUR sowie der sozialen Pflegeversicherung von 153,60 EUR, somit insgesamt von 6.031,13 EUR verlangte. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; der Kläger sei seit dem 16. April 2006 nicht unter der angegebenen Wohnanschrift "A. W., K." wohnhaft gewesen, sondern in R ... Der Kläger habe somit wegen fehlender Erreichbarkeit den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung gestanden und sei somit nicht arbeitslos gewesen.

Am 20. Dezember 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und diese u.a. damit begründet, er habe bei der Vorsprache am 16. März 2006 gegenüber der Sachbearbeiterin, Frau T., angegeben, dass er ab dem 16. April 2006 unter seiner neuen Adresse in der "O.-str. in R." postalisch zu erreichen und unter seiner Adresse in "K., A. W." bis zum 15. April 2006 anzutreffen sei. Die Sachbearbeiterin, Frau T., habe diesen Vorgang aufgenommen ohne dem Kläger zu erklären, dass er sich evtl. in R. bei der Agentur für Arbeit melden solle. Ferner hat er weiter vorgetragen, am 16. März 2006 habe bei der Beklagten eine Wartung bzw. Systemumstellung der Computeranlage stattgefunden, durch diese sei evtl. eine Eintragung in die Kundenkartei nicht erfolgt.

Dem hat sich die Beklagte entgegengestellt und u.a. vorgetragen, der Kläger habe nicht mitgeteilt, dass er beabsichtige nach R. zu verziehen. Im Übrigen habe der Kläger am 29. Mai 2006 den Antragsvordruck abgegeben und zwar ohne eine Änderung der im Antragsformular ausdrücklich vermerkten und als maßgeblich bezeichneten Wohnanschrift anzuzeigen. Das SG hat in der mündlichen Verhandlungen vom 15. Dezember 2008 und 30. Juli 2009 den Kläger befragt und in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2009 die Mitarbeiterin der Beklagten, E. T., als Zeugin vernommen. Hier hat die Zeugin u.a. ausgesagt, sie könne sich an das Gespräch vom 16. März 2006 nicht mehr erinnern. Auf die Frage, was sie unternehme, wenn jemand bei der Arbeitslosmeldung mitteile, dass ein Umzug bevorstehe, hat sie u.a angegeben, sie hätte dann die neue Adresse und den Umzugstag erfasst und hätte dieses Schreiben dann an die Leistungsabteilung weitergegeben, damit die Akte an das neue Amt verschickt werden könne. Wenn der Umzug noch nicht zu 100 Prozent festgestanden hätte, bzw. auch das Datum des Umzugs nicht, dann hätte sie den Kunden zur Vorsprache bei dem neuen Amt umgehend nach dem Umzug aufgefordert und ihn darauf hingewiesen, dass er einen neuen Antrag stellen müsse. Vor allem hätte sie das aber auch dokumentiert. Bezüglich weiterer Einzelheiten der Aussagen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Urteil vom 30. Juli 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es unter anderem ausgeführt, der Kläger sei seit dem 16. April 2006 nicht mehr unter der bei der Beklagten angegebenen Anschrift "A. W. in K." wohnhaft und damit postalisch nicht erreichbar gewesen. Somit sei zum 16. April 2006 die Erreichbarkeit und damit die für den Anspruch auf Alg erforderliche Verfügbarkeit nicht mehr gegeben gewesen. Nicht überzeugend sei, dass der Kläger der Beklagten seine Anschrift in der "O.-str. in R." am 16. März 2006 mitgeteilt habe. Die Beklagte habe die Bewilligung des Alg für den genannten Zeitraum zu Recht aufgehoben. Die Angaben des Klägers seien nicht glaubhaft.

Gegen das am 2. November 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. November 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung legt er dar, er sei postalisch erreichbar gewesen. Am 16. März 2006 habe er angegeben, er beabsichtige ab dem 15. April 2006 nach R. zu ziehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juli 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2006 in der Fassung des Bescheids vom 9. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die widersprüchlichen Aussagen des Klägers legten die Vermutung nahe, dass es sich bei der angeblichen Mitteilung des Umzuges ab 16. April 2006 am Tag der Arbeitslosmeldung um eine Schutzbehauptung handele.

Mit den Beteiligten ist der Sach- und Streitstand im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 26. Mai 2010 erörtert worden. Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand sind die mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) angefochtenen Bescheide vom 31. August 2006 und vom 9. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2006. Diese Bescheide erweisen sich als rechtmäßig. Die Beklagte hat die Bewilligung des Alg ab 16. April 2006 zu Recht aufgehoben und die Erstattung des gezahlten Alg im Zeitraum vom 16. April 2006 bis 31. August 2006 sowohl der Höhe, als auch dem Grunde nach, zu Recht begehrt. Die Tatsache, dass die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 9. November 2006, der gem. § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, den ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. August 2006 abgeändert und die Aufhebung und Erstattung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 16. April 2006 bis 31. August 2006 erweitert hat, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Mit Schreiben vom 28. September 2006 hat die Beklagte den Kläger hierzu ordnungsgemäß angehört. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Verböserungsverbots (Reformatio in peus) ist nicht gegeben, nachdem der Beklagten erst im Laufe des Widerspruchsverfahrens die Tatsachen bekannt geworden sind, die die erweiterte Aufhebung der Alg-Bewilligung gem. § 45 SGB X gerechtfertigt haben (vgl. Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG 9.Aufl., § 85 Rdnr. 5 m.w.N.).

Das SG hat seine materiell-rechtliche Prüfung zutreffend an § 45 SGB X ausgerichtet und die rechtlichen Grundlagen korrekt dargelegt, auch hinsichtlich der Beweiswürdigung folgt der Senat auf Grund eigener Prüfung dem SG: Der Senat nimmt insoweit auf die schlüssigen und zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat insbesondere unter Beachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung zutreffend dargestellt, dass die Voraussetzungen des Alg-Bezuges bereits ab 16. April 2006 nicht vorgelegen haben, weil die Erreichbarkeit des Arbeitslosen (§ 119 Abs. 5 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III] i.V.m. § 1 der Erreichbarkeitsanordnung [EAO]) nicht gegeben gewesen ist und damit die Tatbestandsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit, nämlich die Verfügbarkeit gem. § 119 Abs. 1 SGB III nicht gegeben war. Auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Entscheidung. Den Vortrag des Klägers, er habe bei der mündlichen Antragstellung am 16. März 2006 gegenüber der Sachbearbeiterin, der Zeugin T., angegeben, er beabsichtige am 16. April 2006 nach R. zu ziehen, hat das SG nach der Beweisaufnahme nach persönlicher Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugin T. und für den Senat schlüssig und nachvollziehbar als nicht glaubhaft angesehen. Auch im Termin zur Erörterung des Sachverhalts hat der Kläger nichts vorgetragen, die eine andere Wertung zulassen könnte. Das SG hat zu Recht berücksichtigt, dass Kläger während des gesamten Verwaltungs- und Vorverfahrensverfahrens auf die angebliche Mitteilung seines bevorstehenden Umzugs nicht hingewiesen hatte. Vielmehr hatte er zunächst wiederholt auf einen gestellten Postnachsendeauftrag hingewiesen. Obwohl der Kläger über die Erreichbarkeit belehrt und im Rahmen des Vorverfahrens über die tatsächlichen und rechtlichen Umstände aufgeklärt worden war, hat er zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, bereits bei der mündlichen Antragstellung am 15. März 2006 den beabsichtigten Umzug mitgeteilt zu haben. Auch bei der Abgabe des schriftlichen Antragsformulars am 29. Mai 2006 hat der Kläger auf die Unrichtigkeit der schriftlich aufgenommenen Anschrift nicht hingewiesen. Die Würdigung des SG ist daher nach Überzeugung des Senats in vollem Umfang zutreffend. Im Übrigen hat das SG die sonstigen Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung zutreffend als gegeben betrachtet. Die Höhe des Erstattungsbetrages ist zutreffend errechnet. Der Senat verweist hier auf die Berechnung der Beklagten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren (Bl. 169, 229 - 237).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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