Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AL 332/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 17/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (KV, RV, PV) für die Zeit vom 19.06.2000 - 18.06.2002.
Der am 00.00.1942 geborene H.E. (E) war seit dem 01.04.1978 - 31.01.2000 bei der Klägerin als Verkaufsrepräsentant beschäftigt. Laut Angaben in der Arbeitsbescheinigung der Fa. U.T. GmbH in O., einer Tochtergesellschaft der Klägerin, wurde das Beschäftigungsverhältnis mit F am 27.10.1999 zum 31.01.2000 arbeitgeberseitig beendet. Es sei eine Abfindung für 21-jährige Betriebszugehörigkeit in Höhe von 430.000,- DM gezahlt worden, die maßgebliche Kündigungsfrist habe 7 Monate zum Monatsende betragen. Am 29.10.1999 wurde zwischen der Fa. U.T. GmbH und E u. a. folgende Vereinbarung geschlossen: Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis ende aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers vom 27.10.1999 wegen der beabsichtigten Umstrukturierung der bisherigen Verkaufsgebiete (Neueinteilung der Verkaufsgebiete) unter Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2000. E erhalte als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 355.000,- DM brutto. E habe die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis jederzeit durch einseitige Erklärung zu einem früheren Termin als zum 30.06.2000 zu beenden. Für jeden Monat, den das Arbeitsverhältnis früher als zum 30.06.2000 ende, erhöhe sich die Abfindungssumme um jeweils 15.000,- DM. Eine vorzeitige Beendigung liege ausdrücklich im Interesse des Arbeitgebers und entspreche dessen Wunsch. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vereinbarung Bl. 18 - 19 LA Bezug genommen.
Die Beklagte bewilligte E Alg ab 01.06.2000 in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 732,27 DM. Ab 01.01.2001 belief sich der wöchentliche Leistungssatz auf 754,25 DM und ab 01.02.2001 auf 760,27 DM. Ab 01.01.2002 erhielt E Alg in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 388,92 Euro und ab 01.02.2002 in Höhe von 391,79 Euro. Mit Schreiben vom 26.03.2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei zur Erstattung des an E geleisteten Alg sowie der auf diese Leistung entfallenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung verpflichtet, wenn nicht eine solche Erstattungspflicht durch das Vorliegen eines der Befreiungstatbestände des § 147 a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 - 7 SGB III entfallen sei. Es meldete sich sodann die Klägerin als Rechtsvorgängerin der U. GmbH und führte aus, eine Erstattungspflicht trete nicht ein, da das Beschäftigungsverhältnis mit E durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden wäre, wenn es nicht zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gekommen wäre. Das arbeitge¬berseitige sozial gerechtfertigte Kündigungsverfahren wäre zweifelsfrei und rechtlich zu¬lässig eingeleitet worden und hätte das Arbeitsverhältnis zum selben Termin beendet, wenn nicht der Aufhebungsvertrag zustande gekommen wäre (Bl. 139 - 140 LA). Mit Bescheid vom 27.05.2004 stellte die Beklagte die Erstattungspflicht der Klägerin für den Zeitraum vom 19.06. - 30.09.2000 hinsichtlich des Alg in Höhe von 10.879,44 DM, hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 2.486,43 DM, hinsichtlich der PV-Beiträge in Höhe von 304,10 DM und hinsichtlich der RV-Beiträge in Höhe von 4.603,20 DM fest.
Die Klägerin widersprach dem unter Wiederholung ihres Vorbringens im Rahmen der Anhörung. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung wurde dargelegt, der Befreiungstatbestand des § 124 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 greife bereits deshalb nicht ein, da ein Aufhebungsvertrag ge¬schlossen worden sei. Allein die Möglichkeit, dass die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung vorgelegen hätten, reiche nicht aus.
Hiergegen richtet sich die am 11.10.2004 vor dem Sozialgericht erhobene Klage. Zur Begründung wird zunächst vorgetragen, die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass in dem Gespräch zwischen E und dem Vertreter der Klägerin am 15.09.1999 das Anstellungsverhältnis mündlich gekündigt worden sei. Dieser Vortrag ist dann nicht weiter aufrechterhalten worden. Die Klägerin macht nunmehr geltend, es sei am 15.09.1999 nur eine Kündigung in Aussicht gestellt worden. Bei dem Gespräch im September 1999 sei E von dem Personalleiter der Klägerin, Herrn I.-X. T. über die beabsichtigten Umstrukturierungsmaßnahmen der Klägerin und Neueinteilung der Verkaufsgebiete informiert worden. E habe sich mit seinem neuen aus der Umstrukturierung folgenden Arbeitsplatz nicht einverstanden erklärt. Sein bisheriger Arbeitsplatz sei weggefallen. Aufgrund des Umstandes, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für E im Unternehmen der Klägerin nicht bestanden habe und mit E vergleichbare, sozial weniger schutzbedürftige Mitarbeiter der Klägerin nicht vorhanden gewesen seien, habe der Personalleiter T. E verdeutlicht, dass dieser mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müsse. Als Folge des Gesprächs vom 15.09. habe am 27.10.1999 ein Besprechungstermin in der Kanzlei des Anwalts von E, Herrn Rechtsanwalt Dr. S.in L., stattgefunden, in dessen Verlauf der Personalleiter der Klägerin gegenüber E mündlich eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 30.06.2000 ausgesprochen habe. Am 29.10.1999 sei dann die Vereinbarung getroffen worden, mit der lediglich die Folgen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geregelt worden seien. Diese Vereinbarung nehme ausdrücklich auf eine am 27.10.1999 mündlich ausgesprochene Kündigung Bezug und bestätige diese auch.
Mit weiterem Bescheid vom 05.10.2004 stellte die Beklagte eine Erstattungspflicht hinsichtlich des geleisteten Alg für die Zeit vom 01.10.2000 - 31.01.2002 in Höhe von 26.898,42 Euro, hinsichtlich der KV-Beiträge in Höhe von 6.042,79 Euro, der PV-Beiträge in Höhe von 737,- Euro und der RV-Beiträge in Höhe von 11.062,11 Euro, insgesamt also in Höhe von 44.740,32 Euro fest. Schließlich wurde mit Bescheid vom 05.10.2004 für den Zeitraum vom 01.02. - 18.06.2002 eine Erstattungspflicht hinsichtlich des geleisteten Alg in Höhe von 7.723,86 Euro, der KV-Beiträge in Höhe von 1.800,90 Euro, der PV-Beiträge in Höhe von 211,14 Euro und der RV-Beiträge in Höhe von 3.162,96 Euro, insgesamt in Höhe von 12.898,86 Euro festgestellt. Die Erstattungsforderung der Beklagten beläuft sich damit auf insgesamt 66.982,10 Euro für den Zeitraum vom 19.06.2000 - 18.06.2002.
Die Beklagte bezweifelt, ob tatsächlich eine Kündigung des Arbeitsvertrages mit E erfolgt und ob diese überhaupt mündlich möglich gewesen sei. Letztlich entscheidend sei aber die Beendigungsvereinbarung vom 29.10.1999. In diesem Zusammenhang weist sie auf die Erklärung von E in seiner Stellungnahme vom 30.06.2000 (Bl. 15 LA) hin, wonach "mit Zustandekommen dieser Vereinbarung ein Vorgehen gegen die Kündigung nicht mehr er-forderlich gewesen sei". Damit werde deutlich, dass diese Vereinbarung auch zur Vermeidung einer Kündigungsschutzklage getroffen worden sei. Damit sei aber letztlich von beiden Parteien bewirkt worden, sich einer Prüfung der die Kündigung sozialrechtfertigenden Gründe nicht mehr unterziehen zu müssen. Nach der streng an die Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Austauschbarkeit von sozial gerechtfertigter Kündigung und Aufhebungsvertrag nicht möglich.
Das Gericht hat über die Gründe, die zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Beklagten und E zum 30.06.2000 und die Form der Beendigung durch Vertrag vom 29.10.1999 führten, Beweis erhoben durch Vernehmung des früheren Personalleiters der Klägerin Herrn X.T. und den früheren Arbeitnehmer H.E ... Wegen des Inhalts der Aussagen der Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift, Bl. 177 - 180, Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 27.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 sowie die nachfolgenden Bescheide vom 05.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- sowie der Leistungsakte von E, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, bezugnehmend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 sowie die nachfolgenden Bescheide vom 05.10.2004, die gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfah¬rens geworden sind, nicht beschwert, da diese nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG sind. Die Beklagte hat zu Recht die Erstattungspflicht der Klägerin hinsichtlich des an den früheren Mitarbeiter E geleisteten Alg sowie der entrichteten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 19.06.2000 - 18.06.2002 festgestellt.
Rechtsgrundlage hierfür ist die Regelung in § 147 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) i. d. F. des EEÄndG vom 24.03.1999 (BGBl. I S. 396), in Kraft ab 01.04.1999. Danach er¬stattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis ge¬standen hat, der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. E hat sein 58. Lebensjahr am 00.00.2000 vollendet und war bei der Klägerin in der Zeit vom 01.04.1978 - 31.01.2000 beschäftigt. E hat auch während des streitigen Leistungszeitraums keine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 - 4 SGB III genannten Sozialleistungen oder aber eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen für den Befreiungstatbestand gemäß § 147 a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 berufen. Danach entfällt die Erstattungspflicht, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat.
Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht. Vielmehr steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis mit E einvernehmlich durch Abschluss der Abwicklungsvereinbarung vom 29.10.1999, d. h. in Form eines Aufhebungsvertrages beendet hat. Nach der Aussage des Zeugen E wurde er im September 1999 anlässlich eines mit dem Zeugen T. im N.-Restaurant in N. geführten Gesprächs mit den Umstrukturierungsmaßnahmen der Klägerin konfrontiert. Ihm wurde eine Aufhebungsvereinbarung vorgelegt, die die Zuweisung eines neuen Verkaufsgebietes Deutschland Nord beinhaltete. Mit dieser Umsetzung wäre nach Angaben von E die Halbierung seiner bisherigen Einkünfte verbunden gewesen. Es war nach diesem Gespräch für beide Seiten klar, dass das Beschäftigungsverhältnis beendet werden sollte und E Gelegenheit gegeben wurde, die Modalitäten seines Ausscheidens mit einem Rechtsanwalt zu klären. In dem 1. Gespräch in der Kanzlei Dr. S. in L., dem Anwalt von E, wurden die Bedingungen ausgehandelt, unter denen E ausscheiden sollte. Die Verhandlungen haben in der 2 Tage später unterschriebenen Abwicklungsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden.
Der Ausspruch einer Kündigung ist nach Angaben von E nicht erfolgt, auch nicht am 27.10.1999, dem vorg. 1. Gespräch in der Kanzlei Dr. S. in L ... Es widerspräche nicht nur der allgemeinen Lebenserfahrung sondern auch logischen Denkgesetzen, wenn bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation, bei der klar war, dass das Beschäftigungsverhältnis mit E beendet werden sollte, der Personalleiter der Klägerin nach L. in die Kanzleiräume des Anwalts eines Mitarbeiters reist, um dort eine Kündigung auszusprechen. Auch der Zeuge T. musste letztlich nach Vorhalt der Aussage von E über den Zweck des 1. Gespräches in L. einräumen, es sei für ihn klar gewesen, dass E die Änderungskündigung, d. h. die Umsetzung, nicht akzeptieren wollte. Die Aussage des Zeugen T. war deutlich von seinem Bemühen geprägt, der Klägerin nicht zu schaden, auch wenn er zwischenzeitlich bei der Klägerin als Personalleiter ausgeschieden ist und sich mit einer Firma für Personalmanagement selbständig gemacht hat. Seine Einlassung, sich nicht daran erinnern zu können, ob das Umsetzungsangebot gegenüber E mit einer finanziellen Einbuße für diesen verbunden war - nach Angaben von E handelte es sich, wie bereits dargelegt, um die Halbierung seiner Einkünfte -, war jedenfalls nicht glaubhaft.
Ungeachtet dessen ist die Klägerin selbst, allerdings auch zu einem Zeitpunkt, wo sie noch frei von irgendwelchen prozesstaktischen Überlegungen war, davon ausgegangen, dass E gegenüber keine Kündigung ausgesprochen wurde. Denn in ihrer Widerspruchsbegründung vom 16.06.2004 heißt es: "Die Kündigung wäre auch ausgesprochen worden, wenn der Aufhebungsvertrag nicht zustande gekommen wäre".
Das Bundessozialgericht hat aber bereits mehrfach entschieden, dass die Regelung in § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG, die der Regelung in § 147 a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III entspricht, nicht auf Fälle einer einvernehmlichen (sozial gerechtfertigten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder ähnliches erstreckt werden kann (BSG in SozR 3-4100, § 128 Nr. 5 m. w. N.). Hierdurch wird auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, da die Beschränkung des § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG auf Kündigungen bewirke, dass nur solche Beendigungsakte geeignet sind, die Erstattungspflicht zu beseitigen, die zumindest dem Grunde nach von den für die Beurteilung der dabei aufgeworfenen arbeitsrechtlichen Fragen zuständigen und kompetenten Gerichten überprüft werden können (vgl. BverfG, Beschluss vom 09.09.2005, 1 BvR 620/01). Ein Aufhebungsvertrag lässt sich mithin nicht als sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung werten, selbst wenn materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung vorgelegen haben (vgl. Urt. des BSG v. 13.07.2006, Az.: B 7a AL 32/05 R). Mit der Aushandlung der Konditionen am 27.10. und der Unterzeichnung der Vereinbarung am 29.10.1999 ist ein solcher Aufhebungsvertrag zur Vermeidung letztlich einer Kündigung und der Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch E geschlossen worden, der der Erstattungspflicht der Klägerin damit nicht entgegensteht. Die Klägerin ist daher verpflichtet, für den streitigen Zeitraum das an E gezahlte Alg sowie die entrichteten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erstatten.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197 a Abs. 1 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (KV, RV, PV) für die Zeit vom 19.06.2000 - 18.06.2002.
Der am 00.00.1942 geborene H.E. (E) war seit dem 01.04.1978 - 31.01.2000 bei der Klägerin als Verkaufsrepräsentant beschäftigt. Laut Angaben in der Arbeitsbescheinigung der Fa. U.T. GmbH in O., einer Tochtergesellschaft der Klägerin, wurde das Beschäftigungsverhältnis mit F am 27.10.1999 zum 31.01.2000 arbeitgeberseitig beendet. Es sei eine Abfindung für 21-jährige Betriebszugehörigkeit in Höhe von 430.000,- DM gezahlt worden, die maßgebliche Kündigungsfrist habe 7 Monate zum Monatsende betragen. Am 29.10.1999 wurde zwischen der Fa. U.T. GmbH und E u. a. folgende Vereinbarung geschlossen: Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis ende aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers vom 27.10.1999 wegen der beabsichtigten Umstrukturierung der bisherigen Verkaufsgebiete (Neueinteilung der Verkaufsgebiete) unter Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2000. E erhalte als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 355.000,- DM brutto. E habe die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis jederzeit durch einseitige Erklärung zu einem früheren Termin als zum 30.06.2000 zu beenden. Für jeden Monat, den das Arbeitsverhältnis früher als zum 30.06.2000 ende, erhöhe sich die Abfindungssumme um jeweils 15.000,- DM. Eine vorzeitige Beendigung liege ausdrücklich im Interesse des Arbeitgebers und entspreche dessen Wunsch. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vereinbarung Bl. 18 - 19 LA Bezug genommen.
Die Beklagte bewilligte E Alg ab 01.06.2000 in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 732,27 DM. Ab 01.01.2001 belief sich der wöchentliche Leistungssatz auf 754,25 DM und ab 01.02.2001 auf 760,27 DM. Ab 01.01.2002 erhielt E Alg in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 388,92 Euro und ab 01.02.2002 in Höhe von 391,79 Euro. Mit Schreiben vom 26.03.2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei zur Erstattung des an E geleisteten Alg sowie der auf diese Leistung entfallenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung verpflichtet, wenn nicht eine solche Erstattungspflicht durch das Vorliegen eines der Befreiungstatbestände des § 147 a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 - 7 SGB III entfallen sei. Es meldete sich sodann die Klägerin als Rechtsvorgängerin der U. GmbH und führte aus, eine Erstattungspflicht trete nicht ein, da das Beschäftigungsverhältnis mit E durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden wäre, wenn es nicht zum Abschluss des Aufhebungsvertrages gekommen wäre. Das arbeitge¬berseitige sozial gerechtfertigte Kündigungsverfahren wäre zweifelsfrei und rechtlich zu¬lässig eingeleitet worden und hätte das Arbeitsverhältnis zum selben Termin beendet, wenn nicht der Aufhebungsvertrag zustande gekommen wäre (Bl. 139 - 140 LA). Mit Bescheid vom 27.05.2004 stellte die Beklagte die Erstattungspflicht der Klägerin für den Zeitraum vom 19.06. - 30.09.2000 hinsichtlich des Alg in Höhe von 10.879,44 DM, hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 2.486,43 DM, hinsichtlich der PV-Beiträge in Höhe von 304,10 DM und hinsichtlich der RV-Beiträge in Höhe von 4.603,20 DM fest.
Die Klägerin widersprach dem unter Wiederholung ihres Vorbringens im Rahmen der Anhörung. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung wurde dargelegt, der Befreiungstatbestand des § 124 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 greife bereits deshalb nicht ein, da ein Aufhebungsvertrag ge¬schlossen worden sei. Allein die Möglichkeit, dass die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung vorgelegen hätten, reiche nicht aus.
Hiergegen richtet sich die am 11.10.2004 vor dem Sozialgericht erhobene Klage. Zur Begründung wird zunächst vorgetragen, die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass in dem Gespräch zwischen E und dem Vertreter der Klägerin am 15.09.1999 das Anstellungsverhältnis mündlich gekündigt worden sei. Dieser Vortrag ist dann nicht weiter aufrechterhalten worden. Die Klägerin macht nunmehr geltend, es sei am 15.09.1999 nur eine Kündigung in Aussicht gestellt worden. Bei dem Gespräch im September 1999 sei E von dem Personalleiter der Klägerin, Herrn I.-X. T. über die beabsichtigten Umstrukturierungsmaßnahmen der Klägerin und Neueinteilung der Verkaufsgebiete informiert worden. E habe sich mit seinem neuen aus der Umstrukturierung folgenden Arbeitsplatz nicht einverstanden erklärt. Sein bisheriger Arbeitsplatz sei weggefallen. Aufgrund des Umstandes, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für E im Unternehmen der Klägerin nicht bestanden habe und mit E vergleichbare, sozial weniger schutzbedürftige Mitarbeiter der Klägerin nicht vorhanden gewesen seien, habe der Personalleiter T. E verdeutlicht, dass dieser mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müsse. Als Folge des Gesprächs vom 15.09. habe am 27.10.1999 ein Besprechungstermin in der Kanzlei des Anwalts von E, Herrn Rechtsanwalt Dr. S.in L., stattgefunden, in dessen Verlauf der Personalleiter der Klägerin gegenüber E mündlich eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 30.06.2000 ausgesprochen habe. Am 29.10.1999 sei dann die Vereinbarung getroffen worden, mit der lediglich die Folgen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geregelt worden seien. Diese Vereinbarung nehme ausdrücklich auf eine am 27.10.1999 mündlich ausgesprochene Kündigung Bezug und bestätige diese auch.
Mit weiterem Bescheid vom 05.10.2004 stellte die Beklagte eine Erstattungspflicht hinsichtlich des geleisteten Alg für die Zeit vom 01.10.2000 - 31.01.2002 in Höhe von 26.898,42 Euro, hinsichtlich der KV-Beiträge in Höhe von 6.042,79 Euro, der PV-Beiträge in Höhe von 737,- Euro und der RV-Beiträge in Höhe von 11.062,11 Euro, insgesamt also in Höhe von 44.740,32 Euro fest. Schließlich wurde mit Bescheid vom 05.10.2004 für den Zeitraum vom 01.02. - 18.06.2002 eine Erstattungspflicht hinsichtlich des geleisteten Alg in Höhe von 7.723,86 Euro, der KV-Beiträge in Höhe von 1.800,90 Euro, der PV-Beiträge in Höhe von 211,14 Euro und der RV-Beiträge in Höhe von 3.162,96 Euro, insgesamt in Höhe von 12.898,86 Euro festgestellt. Die Erstattungsforderung der Beklagten beläuft sich damit auf insgesamt 66.982,10 Euro für den Zeitraum vom 19.06.2000 - 18.06.2002.
Die Beklagte bezweifelt, ob tatsächlich eine Kündigung des Arbeitsvertrages mit E erfolgt und ob diese überhaupt mündlich möglich gewesen sei. Letztlich entscheidend sei aber die Beendigungsvereinbarung vom 29.10.1999. In diesem Zusammenhang weist sie auf die Erklärung von E in seiner Stellungnahme vom 30.06.2000 (Bl. 15 LA) hin, wonach "mit Zustandekommen dieser Vereinbarung ein Vorgehen gegen die Kündigung nicht mehr er-forderlich gewesen sei". Damit werde deutlich, dass diese Vereinbarung auch zur Vermeidung einer Kündigungsschutzklage getroffen worden sei. Damit sei aber letztlich von beiden Parteien bewirkt worden, sich einer Prüfung der die Kündigung sozialrechtfertigenden Gründe nicht mehr unterziehen zu müssen. Nach der streng an die Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Austauschbarkeit von sozial gerechtfertigter Kündigung und Aufhebungsvertrag nicht möglich.
Das Gericht hat über die Gründe, die zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Beklagten und E zum 30.06.2000 und die Form der Beendigung durch Vertrag vom 29.10.1999 führten, Beweis erhoben durch Vernehmung des früheren Personalleiters der Klägerin Herrn X.T. und den früheren Arbeitnehmer H.E ... Wegen des Inhalts der Aussagen der Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift, Bl. 177 - 180, Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 27.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 sowie die nachfolgenden Bescheide vom 05.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- sowie der Leistungsakte von E, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, bezugnehmend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 sowie die nachfolgenden Bescheide vom 05.10.2004, die gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfah¬rens geworden sind, nicht beschwert, da diese nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG sind. Die Beklagte hat zu Recht die Erstattungspflicht der Klägerin hinsichtlich des an den früheren Mitarbeiter E geleisteten Alg sowie der entrichteten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 19.06.2000 - 18.06.2002 festgestellt.
Rechtsgrundlage hierfür ist die Regelung in § 147 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) i. d. F. des EEÄndG vom 24.03.1999 (BGBl. I S. 396), in Kraft ab 01.04.1999. Danach er¬stattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis ge¬standen hat, der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. E hat sein 58. Lebensjahr am 00.00.2000 vollendet und war bei der Klägerin in der Zeit vom 01.04.1978 - 31.01.2000 beschäftigt. E hat auch während des streitigen Leistungszeitraums keine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 - 4 SGB III genannten Sozialleistungen oder aber eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhalten.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen für den Befreiungstatbestand gemäß § 147 a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 berufen. Danach entfällt die Erstattungspflicht, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat.
Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht. Vielmehr steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis mit E einvernehmlich durch Abschluss der Abwicklungsvereinbarung vom 29.10.1999, d. h. in Form eines Aufhebungsvertrages beendet hat. Nach der Aussage des Zeugen E wurde er im September 1999 anlässlich eines mit dem Zeugen T. im N.-Restaurant in N. geführten Gesprächs mit den Umstrukturierungsmaßnahmen der Klägerin konfrontiert. Ihm wurde eine Aufhebungsvereinbarung vorgelegt, die die Zuweisung eines neuen Verkaufsgebietes Deutschland Nord beinhaltete. Mit dieser Umsetzung wäre nach Angaben von E die Halbierung seiner bisherigen Einkünfte verbunden gewesen. Es war nach diesem Gespräch für beide Seiten klar, dass das Beschäftigungsverhältnis beendet werden sollte und E Gelegenheit gegeben wurde, die Modalitäten seines Ausscheidens mit einem Rechtsanwalt zu klären. In dem 1. Gespräch in der Kanzlei Dr. S. in L., dem Anwalt von E, wurden die Bedingungen ausgehandelt, unter denen E ausscheiden sollte. Die Verhandlungen haben in der 2 Tage später unterschriebenen Abwicklungsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden.
Der Ausspruch einer Kündigung ist nach Angaben von E nicht erfolgt, auch nicht am 27.10.1999, dem vorg. 1. Gespräch in der Kanzlei Dr. S. in L ... Es widerspräche nicht nur der allgemeinen Lebenserfahrung sondern auch logischen Denkgesetzen, wenn bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation, bei der klar war, dass das Beschäftigungsverhältnis mit E beendet werden sollte, der Personalleiter der Klägerin nach L. in die Kanzleiräume des Anwalts eines Mitarbeiters reist, um dort eine Kündigung auszusprechen. Auch der Zeuge T. musste letztlich nach Vorhalt der Aussage von E über den Zweck des 1. Gespräches in L. einräumen, es sei für ihn klar gewesen, dass E die Änderungskündigung, d. h. die Umsetzung, nicht akzeptieren wollte. Die Aussage des Zeugen T. war deutlich von seinem Bemühen geprägt, der Klägerin nicht zu schaden, auch wenn er zwischenzeitlich bei der Klägerin als Personalleiter ausgeschieden ist und sich mit einer Firma für Personalmanagement selbständig gemacht hat. Seine Einlassung, sich nicht daran erinnern zu können, ob das Umsetzungsangebot gegenüber E mit einer finanziellen Einbuße für diesen verbunden war - nach Angaben von E handelte es sich, wie bereits dargelegt, um die Halbierung seiner Einkünfte -, war jedenfalls nicht glaubhaft.
Ungeachtet dessen ist die Klägerin selbst, allerdings auch zu einem Zeitpunkt, wo sie noch frei von irgendwelchen prozesstaktischen Überlegungen war, davon ausgegangen, dass E gegenüber keine Kündigung ausgesprochen wurde. Denn in ihrer Widerspruchsbegründung vom 16.06.2004 heißt es: "Die Kündigung wäre auch ausgesprochen worden, wenn der Aufhebungsvertrag nicht zustande gekommen wäre".
Das Bundessozialgericht hat aber bereits mehrfach entschieden, dass die Regelung in § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG, die der Regelung in § 147 a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III entspricht, nicht auf Fälle einer einvernehmlichen (sozial gerechtfertigten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder ähnliches erstreckt werden kann (BSG in SozR 3-4100, § 128 Nr. 5 m. w. N.). Hierdurch wird auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, da die Beschränkung des § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG auf Kündigungen bewirke, dass nur solche Beendigungsakte geeignet sind, die Erstattungspflicht zu beseitigen, die zumindest dem Grunde nach von den für die Beurteilung der dabei aufgeworfenen arbeitsrechtlichen Fragen zuständigen und kompetenten Gerichten überprüft werden können (vgl. BverfG, Beschluss vom 09.09.2005, 1 BvR 620/01). Ein Aufhebungsvertrag lässt sich mithin nicht als sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung werten, selbst wenn materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte ordentliche Kündigung vorgelegen haben (vgl. Urt. des BSG v. 13.07.2006, Az.: B 7a AL 32/05 R). Mit der Aushandlung der Konditionen am 27.10. und der Unterzeichnung der Vereinbarung am 29.10.1999 ist ein solcher Aufhebungsvertrag zur Vermeidung letztlich einer Kündigung und der Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch E geschlossen worden, der der Erstattungspflicht der Klägerin damit nicht entgegensteht. Die Klägerin ist daher verpflichtet, für den streitigen Zeitraum das an E gezahlte Alg sowie die entrichteten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erstatten.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197 a Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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