L 1 U 4843/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1175/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4843/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der vom Kläger geltend gemachten Verschlimmerung der Folgen des am 10. Dezember 1985 erlittenen Arbeitsunfalls.

Der 1940 geborene Kläger, der ab Juli 1968 als Ofenbediener bei der D. N. AG tätig war, erlitt am 10. Dezember 1985 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine starke Quetschung des rechten Mittelfingers mit Infraktion im Köpfchenbereich zuzog (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 31. Januar 1986; Durchgangsarztbericht Dr. S. vom 12. Dezember 1985). Ihm war bei Arbeiten an einer Abdeckung der schwere Deckel aus der Hand gerutscht und auf die rechte Hand geprallt. Ab 21. Januar 1986 war der Kläger wieder arbeitsfähig, stellte sich wegen starker Schmerzen jedoch noch am gleichen Tag wieder beim Durchgangsarzt vor. Dieser konnte außer einer ganz leichten Schwellung und leicht schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit im Mittelfinger keinen pathologischen Befund feststellen. Innerhalb kurzer Zeit stellte sich der Kläger mit den selben Klagen laufend beim Durchgangsarzt vor und machte insbesondere geltend, vor Schmerzen nicht arbeiten zu können, keine Kraft in der rechten Hand zu haben und in der Fingerbeweglichkeit eingeschränkt zu sein. Daraufhin wurde der Kläger am 25. Februar 1986 zur weiteren Klärung und Behandlung der Beschwerden stationär aufgenommen und während der Behandlung ein radiologisch und neurologisch unauffälliger Befund festgestellt. Nach intensiver physikalischer Therapie war die Beweglichkeit in allen Gelenken völlig frei mit Ausnahme einer geringgradigen Einschränkung der Beweglichkeit im Mittelgelenk und Endgelenk des Mittelfingers rechts. Die grobe Kraft war trotz beständiger Klagen über Schmerzen erhalten. Vor der Entlassung aus der stationären Behandlung gab der Kläger an, auch Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und des Rückens zu verspüren, die von der Hand bzw. bis in die Hand ziehen würden. Die daraufhin durchgeführte Röntgenuntersuchung der HWS ergab eine unfallunabhängige angedeutete Steilstellung mit leichter Osteochondrose, der Röntgenbefund der Brustwirbelsäule war unauffällig. Der Kläger wurde am 11. März 1986 aus der Behandlung entlassen und war ab 12. März 1986 wieder arbeitsfähig.

Bereits am 21. März 1986 hatte sich der Kläger wegen fortbestehender Schmerzen beim Arzt für Orthopädie Dr. Z. vorgestellt. Dieser fand bei der Untersuchung einen Druckschmerz über dem distalen Anteil des Carpaltunnels. Der Kläger habe berichtet, dass bei dem Unfall eine Quetschung der Hohlhand in diesem Bereich erfolgt sei. Eine zuvor veranlasste neurologische Untersuchung von Dr. W. vom 26. Februar 1986 ergab, dass der von Dr. Z. geäußerte Verdacht eines unfallbedingten Morbus Sudeck nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu bestätigen gewesen sei. Der neurologische Befund spreche eher für eine Schädigung sensibler Hautäste des N. medianus, die bei dem Unfallmechanismus allerdings auch möglich wäre. Mit Arztbrief vom 8. April 1986 äußerte sich Dr. Z. dergestalt, dass eine Kompression des N. medianus im Carpaltunnel vorliege mit einer Parese dessen, was als direkte Unfallfolge anzusehen sei. Eine operative Behandlung mit Dekompression des N. medianus sei vorgesehen. Diese erfolgte am 15. April 1986.

Die Beklagte zog weitere ärztliche Befundberichte und sonstige Unterlagen bei, u.a. vertrauensärztliche Gutachten der LVA Rheinprovinz (Diagnose 6. November 1986: neurotische Entwicklung mit psychogenen Körperstörungen, Zustand nach Handquetschung und Medianusläsion, Sinusitis max.; Diagnose 9. Januar 1987: Zustand nach Medianusläsion; neurotische Entwicklung mit Körperstörungen). Unter dem 13. April 1987 erstattete im Auftrag der Beklagten Dr. B. ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. Dieser diagnostizierte eine Bagatellverletzung der rechten Hand am 10. Dezember 1985, Tendenzverhalten und Bluthochdruck. Eine depressive Erkrankung sei nicht zu erkennen, vielmehr habe sich der Kläger über die Dauer des Gesprächs zunehmend temperamentvoll gezeigt. Der Kläger führe vielfältige körperliche Beschwerden auf den Unfall zurück, ohne dass objektive Anhaltspunkte für einen Zusammenhang sprächen. Auch die neurologische Untersuchung habe in allen objektivierbaren Anteilen einen durchgehend regelrechten Befund ergeben. Auffälligkeiten hätten sich nur ergeben, soweit die Mitarbeit des Klägers erforderlich gewesen sei, weshalb von einem Tendenzverhalten auszugehen sei. Im Übrigen spreche auch nichts für ein traumatisches Karpaltunnelsyndrom, was bereits durch den Durchgangsarztbericht deutlich werde. Eine Quetschung der Handwurzel, wie sie für ein traumatisches Karpaltunnelsyndrom erforderlich sei, wäre sicherlich aufgefallen. Auch seien knöcherne Verletzungen sicher ausgeschlossen worden. Die Verdickung des Retinaculum flexorum, wie es vom Operateur beschrieben worden sei, sei als Folge der hier zur Diskussion stehenden Verletzung nicht denkbar. Deshalb handle es sich auch beim praktisch folgenlos ausgeheilten Karpaltunnelsyndrom um eine unfallunabhängige Erkrankung, die rein zeitlich zufällig mit dem Unfall aufgetreten sei. Es bestehe auch keine unfallbedingte Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens.

Mit Bescheid vom 25. Juni 1987 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente ab. Der Arbeitsunfall habe lediglich eine starke Quetschung des rechten Mittelfingers mit Infraktion des rechten Fingermittelgelenks verursacht und Arbeitsunfähigkeit vom 10. Dezember 1985 bis 2. Februar 1986 bewirkt.

In dem gegen den ablehnenden Bescheid vor dem Sozialgericht Köln geführten Rechtsstreit (Az.: S 7 (4) U 75/88) erstellte unter dem 15. Januar 1990 der Nervenarzt Dr. M. ein psychiatrisches Gutachten, in dem er ausführte, die beim Kläger seit dem 12. März 1986 bestehende hysterische Neurose mit depressiv hypochondrischer Ausprägung sei wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 10. Dezember 1985 verursacht. Der Kläger sei bis zum Unfall körperlich und psychisch unauffällig gewesen, es gebe keine Hinweise auf eine Vorbelastung. Ein Alltagsereignis hätte diese Reaktion nicht hervorgerufen. Die abweichende Beurteilung durch Dr. B. beruhe auf dessen unterlassener Analyse der Persönlichkeitsstruktur und Psychodynamik des Geschehens. Die Erwerbsfähigkeit sei dauerhaft um 30 v.H. gemindert. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten nach Aktenlage des Prof. Dr. M. vom 9. Mai 1990 ein. Dieser führte aus, dass eine traumatische Verletzung des Karpaltunnels aufgrund der vorliegenden Befunde sicher verneint werden könne. Die psychopathologischen Auffälligkeiten könnten nicht mit dem Unfallgeschehen in Zusammenhang gebracht werden. Prof. Dr. M. gab unter dem 18. Juli 1990 eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme ab. Mit Urteil vom 23. Oktober 1990 hat das Sozialgericht Köln den Bescheid vom 25. Juni 1987 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine hysterische Neurose mit depressiv hypochondrischer Ausprägung als Arbeitsunfallfolge anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren (Az: L 15 U 2/91) vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vernahm das Gericht zwei ehemalige Kollegen als Zeugen und hörte den Kläger an. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagte rekonstruierte zusammen mit dem Kläger den Unfallhergang im Anschluss vor Ort. Das Gericht zog weitere ärztliche Befundberichte bei. Das LSG beauftragte sodann Prof. Dr. H. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 23. September 1992 führte er aus, beim Kläger liege ein leichtgradiges Karpaltunnelsyndrom links und in Zustand nach Operation eines rechtsseitigen Karpaltunnelsyndroms mit nicht mehr ins Gewicht fallenden Resterscheinungen, eine reaktive seelische Störung, im weitesten Sinn als Neurose zu bezeichnen, mit depressiven, hypochondrischen und hysterischen Zügen und psychogenen Körperstörungen vor. Die Karpaltunnelsyndrome seien nicht Unfallfolge. Hinsichtlich der psychischen Störungen seien die Persönlichkeitsstruktur des Klägers, das Bewusstsein vermeintlichen Unrechts (durch Kündigung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber, ohne eine leichtere Arbeit zugewiesen bekommen zu haben) und der Wunsch nach entsprechender Entschädigung als Wesentlich anzusehen. Dem Unfall komme verglichen damit keine gleichwertige Bedeutung zu und sei mit anderen alltäglichen Ereignissen, die der Kläger als vermeintliches Unrecht ansehen könne, gleichzusetzen. Vermeintliches Unrecht habe im Wesentlichen zur seelischen Reaktion des Klägers geführt. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das LSG Dipl.-Psych. L.-J. mit der Erstellung eines psychologischen Gutachtens beauftragt und den Arzt für Neurologie Dr. J. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens (erstellt unter dem 14. März 1994). Dieser kam zusammenfassend zum Schluss, beim Kläger liege eine unfallunabhängige Wurzelreizsymptomatik L 5 rechts vor sowie leichte mnestische Einschränkungen und eine psychomotorische Verlangsamung bei einfach strukturierter Primärpersönlichkeit als Ausdruck eines regressiven Rückzugs bei neurotischer Krankheitsbewältigung mit depressiven und hypochondrischen Zügen. Der Unfall sei nicht unmittelbare Ursache, entscheidend sei die Persönlichkeitsstruktur. Der Unfallvorgang spiele nur die Rolle eines Katalysators, wobei das Ereignis austauschbar sei. Durch Urteil vom 7. Juni 1994 hat das Landessozialgericht das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist insbesondere ausgeführt, dass das rechtsseitige Karpaltunnelsyndrom und dessen Folgen nach der Retinaculumspaltung in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Fingerquetschung stünden. Auch die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Unfallfolgen stünden in keinem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis oder dessen Folgen.

Im März 1999 übersandte der Kläger Arztbriefe und Atteste und machte geltend, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Mit Schreiben vom 3. Mai 1999 teilte ihm die Beklagte mit, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen eine Verschlimmerung nicht ersehen lasse.

Über die derzeit Bevollmächtigte wandte sich der Kläger im Oktober 2007 erneut an die Beklagte, nachdem mit Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim (SG, Az.: S 2 U 1222/07) vom 9. Oktober 2007 die Klage des Klägers auf Anerkennung eines Karpaltunnelsyndroms als Berufskrankheit nach Nr. 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung abgewiesen worden war. Arztbriefe, aus denen u.a. eine erneute Karpaltunneloperation 2003 hervorging, wurden ergänzend vorgelegt.

Nach Beteiligung des Beratungsarztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. Dezember 1985 ab, gestützt im Wesentlichen auf die Feststellungen im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 7. September 1994. Im Widerspruchsverfahren wies die Bevollmächtigte darauf hin, dass der Unfall nicht nur die rechte Hand des Klägers betroffen habe. Ihm sei auch der Deckel auf den Kopf gefallen bzw. er habe sich noch an einem Stahlrohr gestoßen und leide seit 1986 an multiplen körperlichen Beschwerden, die er bereits damals geäußert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Deswegen hat der Kläger am 11. April 2008 Klage zum SG erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, er leide seit dem Unfall unter einem davon hervorgerufenen Karpaltunnelsyndrom des rechten Armes, darüber hinaus unter psychischen Unfallfolgen. Deshalb stehe ihm Verletztenrente zu. Die Beklagte hat sich gegen das Vorbringen gewandt und darauf hingewiesen, dass bereits vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ein Anspruch auf Verletztenrente abgelehnt worden sei. Auch sei vom Sozialgericht Mannheim eine Berufskrankheit nach Nr. 2106 der Anlage zur BKV abgelehnt worden. Im Anschluss habe die Bevollmächtigte des Klägers dann eine Verletztenrente wegen des Karpaltunnelsyndroms beantragt und dieses auf den Arbeitsunfall vom 10. Dezember 1985 zurückgeführt. Die Bevollmächtigte hat vorgetragen, dass der vom LSG Nordrhein-Westfalen beauftragte Dr. B. in seinem Gutachten vom 13. April 1987 fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass das Karpaltunnelsyndrom ausgeheilt sei. Davon sei keine Rede, denn die fortlaufenden Behandlungen belegten das Gegenteil.

Mit Gerichtsbescheid vom 31. August 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG u.a. darauf hingewiesen, dass bereits das Karpaltunnelsyndrom keine Unfallfolge und daher auch eine mögliche Verschlimmerung für die Frage der Gewährung einer Verletztenrente unmaßgeblich sei. Weitere Verletzungen als die an der rechten Hand seien unfallnah nicht festgestellt worden, so dass abweichende Schilderungen des Unfallverlaufs für die Beurteilung nicht maßgeblich seien.

Gegen den der Bevollmächtigten des Klägers am 14. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 14. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Es sei keinesfalls so, dass bereits 1985 das Karpaltunnelsyndrom als unfallunabhängig bewertet worden sei. Vielmehr habe man es damals nur deshalb nicht weiter berücksichtigt, weil es angeblich abgeheilt gewesen sei. Doch treffe dies nicht zu. Darüber hinaus solle auch geprüft werden, welche psychischen Unfallfolgen geblieben seien.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Mannheim vom 31. August 2010 sowie den Bescheid vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, als Unfallfolgen ein Karpaltunnelsyndrom sowie eine psychische Erkrankung anzuerkennen und ihm deswegen Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Weder hat der Kläger Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen noch auf Gewährung einer Verletztenrente.

Dabei kann offen bleiben, ob geltend gemacht wird, bereits die ursprüngliche Ablehnung der Anerkennung eines Karpaltunnelsyndroms als Unfallfolge sei rechtswidrig (dann möglicherweise Antrag nach § 44 SGB X) oder zeitlich nach der - rechtmäßig erfolgten - Ablehnung sei eine Verschlimmerung eingetreten. Insoweit ist der Vortrag der Klägerbevollmächtigten nicht eindeutig. Denn in beiden Fällen kann der Kläger nicht mit seinem Begehren durchdringen. Weder ist von einer rechtwidrigen Entscheidung schon in dem ursprünglichen Bescheid vom 25. Juni 1987 auszugehen, noch von einer nachträglichen Verschlimmerung.

Ob deshalb im vorliegenden Fall die bis zum 31.12.1996 geltenden Rechtsvorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VII (BGBl. I 1996 S. 1254) anzuwenden sind, kann offen bleiben, da sowohl bei Anwendung der Vorschriften der RVO als auch des SGB VII der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Rente hat.

Gem. §§ 580, 581 RVO bzw. § 56 SGB VII wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls über die 13. bzw. (nach SGB VII) über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn dessen Folgen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Weder ist ein Zusammenhang des Karpaltunnelsyndrom noch der psychischen Erkrankungen des Klägers mit dem Unfallereignis hinreichend wahrscheinlich.

Wie bereits das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 7. Juni 1994 (Az.: L 15 U 2/91) mit ausführlicher Begründung, gestützt insbesondere auf das Gutachten des Dr. B. und des Prof. Dr. H., ausgeführt hat, ist weder das Karpaltunnelsyndrom rechts noch sind die psychischen Störungen Folge des Unfalls vom 10. Dezember 1985. Vom Unfall unmittelbar betroffen war nur der rechte Mittelfinger, nicht aber die Handwurzel, was aber wiederum Voraussetzung für die mögliche Entstehung eines traumatischen Karpaltunnelsyndroms wäre. Auch das vom Operateur beschriebene verdickte Retinaculum kann keine Unfallfolge sein. Was die psychischen Erkrankungen anbelangt, haben alle mit dem Gesundheitszustand des Klägers befassten Ärzte einen Zusammenhang der Erkrankungen (teilweise unterschiedlich bezeichnet, in der Beschreibung aber übereinstimmend) mit dem Unfallereignis abgelehnt, auch der nach § 109 SGG beauftragte Gutachter des Vertrauens.

Weder das Vorbringen im Berufungsverfahren noch die seit dieser Entscheidung aktenkundig gewordenen Arztbriefe und ärztlichen Stellungnahmen sowie die Ausführungen der Klägerbevollmächtigten lassen einen anderen Schluss zu. So ist bereits nicht zutreffend, dass in besagtem Urteil die Anerkennung des Karpaltunnelsyndroms als Unfallfolge nur deshalb nicht erfolgt sei, weil das Syndrom abgeheilt gewesen wäre. Die Ausführungen des LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. belegen das Gegenteil. Der Umstand, auch darauf wurde in diesem Urteil bereits hingewiesen, dass später an der unverletzten linken Hand ein Karpaltunnelsyndrom aufgetreten ist, macht den von den Ärzten gezogenen Schluss, dem sich das LSG angeschlossen hatte, auch für den erkennenden Senat nachvollziehbar und schlüssig. Da damit bereits ein Zusammenhang des Karpaltunnelsyndroms mit dem Unfall nicht nachgewiesen werden kann, kommt es nicht darauf an, ob die 2003 erfolgte Operation als Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens oder als vermeintlicher Nachweis dafür, dass bereits 1987 bzw. 1994 unzutreffend von einem Unfallzusammenhang ausgegangen worden ist, interpretiert werden soll.

Entsprechendes gilt für die psychische Gesundheit des Klägers. Die geklagten psychischen Störungen können, auch diesbezüglich hat das LSG Nordrhein-Westfalen umfassend ausgeführt, nicht auf den Unfall als wesentliche Ursache zurückgeführt werden. Möglicherweise kann der Unfall als Auslöser einer persönlichkeitsimmanenten Reaktion angesehen werden, nicht aber als wesentliche Bedingung für die aufgetretenen Störungen. Dies haben - bis auf Dr. M., dem das LSG jedoch mit zutreffenden Argumenten nicht gefolgt ist - auch alle mit dem Gesundheitszustand des Klägers insoweit befassten Ärzte ausgeführt. Unterlagen oder Nachweise, die den Schluss darauf zulassen können, dass damals die Sachlage unzutreffend beurteilt worden ist oder dass mittlerweile neue Erkenntnisse vorliegen, die möglicherweise als "Verschlimmerung" interpretiert werden könnten, wurden auch im vorliegenden Verfahren nicht vorgelegt.

Anlass zu weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen besteht deshalb nicht. Was die Möglichkeit der Antragstellung nach § 109 SGG und die Frage der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) hierfür anbelangt, wird auf die Ausführungen im PKH-Beschluss vom 11. Januar 2011 verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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