Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4198/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 4421/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Zugunstenverfahren die Gewährung einer höheren Witwenrente nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die am 1929 in der damaligen Sowjetunion geborene Klägerin war verheiratet mit dem am 1934 ebenfalls in der Sowjetunion geborenen V. Sch., der während des Aussiedlungsverfahrens am 15. Dezember 1996 in Kasachstan verstorben ist. Beiden Ehegatten war ein Aufnahmeschein als Spätaussiedler i.S.d. § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) ausgestellt worden. Die Klägerin siedelte am 19. Mai 1997 in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie ist deutsche Staatsangehörige und als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt. Weder sie noch ihr verstorbener Ehegatte hatten rentenrechtliche Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt.
Am 3. Juni 1997 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden die Gewährung von Alters- und Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 11. November 1997 bewilligte die LVA eine Altersrente ab dem 19. Mai 1997, der zunächst 19,9519 nach dem FRG ermittelte persönliche Entgeltpunkte zugrunde gelegt wurden. Für die ebenfalls ab 19. Mai 1997 gewährte große Witwenrente wurden nach dem FRG 24,9962 persönliche Entgeltpunkte ermittelt. Diese wurden jedoch im Bewilligungsbescheid vom 12. August 1998 gem. § 22b Abs. 1 FRG auf 5,0481 Entgeltpunkte begrenzt, so dass sich für die Alters- und Hinterbliebenenrente insgesamt 25 Entgeltpunkte ergaben.
Auf einen Überprüfungsantrag stellte die LVA die Altersrente der Klägerin unter geänderter Berücksichtigung ihrer Versicherungszeiten als Kolchosearbeiterin mit Bescheid vom 26. April 2002 neu fest; zugrunde gelegt wurden nunmehr 24,5918 Entgeltpunkte. Mit Bescheid vom 2. Mai 2002 wurde daraufhin die große Witwenrente neu berechnet; wegen der Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte wurden nur noch 0,4082 Entgeltpunkte berücksichtigt. Die Bescheide wurden nicht angefochten.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2004 beantragte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Überprüfung und Aufhebung des Bescheides vom "5. Juni 2002", soweit er die teilweise Nichtauszahlung der großen Witwenrente betreffe, und die rückwirkende Auszahlung dieser Rente in voller Höhe ab dem 1. Juli 2002. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 22b Abs. 1 FRG sei die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte beim Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten nicht zulässig.
Diesen Antrag lehnte die LVA Baden-Württemberg, Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit Bescheid vom 3. August 2004 und Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2004 unter Hinweis auf die Fassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz (RVNG) ab, die rückwirkend zum 7. Mai 1996 klarstelle, dass die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte auch für das Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und Hinterbliebenenrenten gelte.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. November 2004 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und unter Abänderung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide die Gewährung der großen Witwenrente aufgrund der ungekürzten Entgeltpunkte, hilfsweise auf der Basis von bis zu 15 Entgeltpunkten begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, an der vor dem RVNG ergangenen Rechtsprechung des BSG zur Nichtanwendbarkeit des § 22b Abs. 1 FRG bei Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten sei weiter festzuhalten. Die vom Gesetzgeber angestrebte Rückwirkung der Neufassung sei verfassungswidrig. Auch aus § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ergebe sich, dass im Falle der Klägerin noch § 22b Abs. 1 FRG in seiner alten Fassung anzuwenden sei. Außerdem habe die Beklagte die Entscheidung über den Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in rechtswidriger Weise bis zum Beschluss über das RVNG verzögert. Die Klägerin sei daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als ob die Beklagte bereits vor der Gesetzesänderung die Rente neu festgestellt habe.
Mit Urteil vom 11. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Dabei ist es im Hinblick auf die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X von einem Klagebegehren ausgegangen, das auf die Gewährung der höheren Witwenrente ab dem 1. Januar 2000 gerichtet sei. Die Beklagte sei jedoch nicht verpflichtet, den Bescheid über die große Witwenrente abzuändern, da dieser dem geltenden Recht entspreche. Die vom Rentenversicherungsträger vorgenommene Berechnung, dass für Renten aus eigener Versicherung und Hinterbliebenenrenten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, entspreche dem zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung geltenden Gesetzesrecht des § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG vom 31. Juli 2004. Diese Norm sei nach Art. 15 Abs. 3 RVNG rückwirkend zum 7. Mai 1996 in Kraft getreten. Da beide Renten der Klägerin erst mit ihrem Zuzug ins Bundesgebiet am 19. Mai 1997 begonnen hätten, sei diese Gesetzesfassung für die gesamte Zeit des Rentenbezuges maßgeblich. Der Rechtsprechung des BSG folgend, ergebe sich aus § 300 SGB VI nichts anderes. Nach dessen Abs. 1 seien die Vorschriften des SGB VI von ihrem Inkrafttreten an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn dieser bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden habe. Abweichend hierzu bestimme § 300 Abs. 2 SGB VI, dass aufgehobene Vorschriften des SGB VI auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden seien, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht werde. Der Begriff der Aufhebung in diesem Sinne bezeichne nicht den Akt der Aufhebung i.S.d. Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt des Außerkrafttretens des alten Rechts, z.B. durch die ausdrückliche Bestimmung im Änderungsgesetz. Der Rentenanspruch der Klägerin habe daher nicht bereits vor der Änderung des § 22b Abs. 1 FRG bestanden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses rückwirkende Inkrafttreten sehe das Gericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BSG vom 5. Oktober 2005 (B 5 RJ 57/03 R) nicht. Insbesondere habe ein schutzwürdiges Vertrauen auf die von der Klägerin angeführte Auslegung aufgrund der Fassung der Vorgängernorm, der hierzu ergangenen Rechtsprechung der Instanzgerichte der Sozialgerichtsbarkeit, der erstmaligen abweichenden Auslegung durch das BSG, des Widerspruches gegen diese durch die Rentenversicherungsträger und Teile der Instanzgerichte nicht entstehen können.
Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 15. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. Mai 2007 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zu deren Begründung die Verletzung von Verfassungsrecht geltend gemacht. Das SG habe seine Entscheidung auf eine gesetzliche Norm gestützt, die unter Verstoß gegen das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes rückwirkend in Kraft getreten sei. Des Weiteren ziehe die Klägerin vorliegend Nachteile daraus, dass sie den Rechtsweg beschritten habe; das Änderungsgesetz hätte zumindest eine Übergangsregelung vorsehen müssen. Schließlich verstoße die Regelung gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG), indem Personen, die Hinterbliebenenrenten nach dem FRG bezögen, anders behandelt würden als solche, deren Renten nach dem SGB VI gewährt würden. Im FRG habe der Gesetzgeber Versicherungszeiten im Herkunftsland als solche geregelt, die Entgeltpunkte begründeten. Dann müssten sie auch versicherungsmathematisch mit "echten" Versicherungszeiten gleichgestellt werden. Da es keine Rolle spiele, ob die dem Versicherten zustehende Rente auf eigenen Beitragszeiten oder auf fiktiv anzurechnenden Beitrags- und Beschäftigungszeiten beruhe, sei die Diskriminierung im vorliegenden Verfahren allein personenbezogen und damit unzulässig. Schließlich sei zu beachten, dass die vom Gesetzgeber an den Rentenversicherungsträger gerichtete Aufgabenzuweisung der rückwirkenden Begrenzung der Entgeltpunkte von Alters- und Hinterbliebenenrente auf insgesamt 25 Entgeltpunkte der Umsetzung im Verwaltungsverfahren bedürfe. Hätte die Beklagte die Rechtsprechung des BSG auf den entsprechenden Antrag der Klägerin vom 4. Juni 2004 umgesetzt, wäre die Klägerin vor der rückwirkenden Rechtsänderung durch die Sicherungen des § 48 SGB X geschützt gewesen. Jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten der streitigen Norm müsse es daher bei der Anwendung und Auslegung der alten Fassung bleiben.
Nachdem das Verfahren zwischenzeitlich geruht hatte, ist es nach Wiederanruf unter dem neuen Geschäftszeichen L 7 R 4421/10 fortgeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 zu verpflichten, den Bescheid vom 2. Mai 2002 abzuändern und die anerkannte Hinterbliebenenrente ungekürzt in voller Höhe, hilfsweise auf der Basis von 15 Entgeltpunkten, rückwirkend ab dem 1. Januar 2000 zur Auszahlung zu bringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass ihre Rechtsauffassung durch die mittlerweile ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) bestätigt worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten der Beklagten, des SG sowie des Senats (L 7 R 2752/07 und L 7 R 4421/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gem. §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Soweit die Klägerin die Gewährung höherer Witwenrente für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 30. Juni 2002 begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Ihr steht der bestandskräftige Bewilligungsbescheid vom 2. Mai 2002 entgegen, der von der Klägerin nicht mit Widerspruch angefochten wurde, so dass er in der Sache bindend geworden ist (§ 77 SGG). Zwar bietet § 44 SGB X die Möglichkeit der - auch rückwirkenden - Korrektur bestandskräftiger Entscheidungen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Überprüfungsantrages durch ihren rechtskundigen Bevollmächtigten vom 2. Juni 2004 war das Überprüfungsbegehren der Klägerin auf die Zeit ab dem 1. Juli 2002 begrenzt. Der davor liegende Zeitraum war mithin nicht Regelungsgegenstand der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheide. Dies begrenzt auch den Gegenstand, über den im gerichtlichen Verfahren zulässig in der Sache entschieden werden kann.
Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin, die bereits bestandskräftige Bewilligungsentscheidung abändern zu lassen, kommt vorliegend nur § 44 Abs. 1 SGB X in Betracht: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Für die Beurteilung, ob das Recht unrichtig angewandt wurde, ist grundsätzlich die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend (BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 18). Entscheidend ist also das Recht, das zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Verwaltungsaktes galt oder für den von diesem Bescheid geregelten Zeitraum Geltung beanspruchte.
Danach ist für den hier streitigen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente, der erstmals am Tag des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland entstehen konnte (§ 30 FRG), das am 19. Mai 1997 und in der Folgezeit geltende Recht entscheidend. Bei Entstehung des Rentenanspruches und für die Dauer des weiteren Rentenbezuges gilt § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791). Wenn auch der Beschluss über das RVNG und dessen Verkündung erst im Jahr 2004 erfolgte, beansprucht die durch dieses Gesetz geschaffene Fassung aufgrund des ausdrücklich angeordneten Inkrafttretens zum 7. Mai 1996 (Art. 15 Abs. 3 RVNG) bereits Geltung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt und -raum. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt diese Rückwirkung des Gesetzes nicht gegen Verfassungsrecht. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11-13/06 und 1 BvR 2530/05 - BGBl. I S. 1358) bestätigt, dass § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG und dessen rückwirkende Inkraftsetzung zum 7. Mai 1996 mit dem Grundgesetz vereinbar sind, soweit hierdurch die Höhe von Hinterbliebenenrenten beschränkt wird. Dies gilt jedenfalls für solche Hinterbliebenenrenten, die allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RVNG vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind. Bei der Klägerin sind diese zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt. Versicherungszeiten wurden sowohl von ihr als auch von ihrem verstorbenen Ehegatten nur nach dem FRG zurückgelegt. Eine bestandskräftige Zuerkennung einer Hinterbliebenenrente ohne die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte war nicht erfolgt. Vielmehr war es gerade Ziel der Klägerin in dem hier zugrundeliegenden Zugunstenverfahren, die bestandskräftige Bewilligung der aufgrund der begrenzten Entgeltpunkte errechneten Hinterbliebenenrente abändern zu lassen. Das BVerfG hat klargestellt, dass eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung nicht vorliegt, da ein schutzwürdiges Vertrauen aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung zu § 22b Abs. 1 FRG und der damit verbundenen unklaren Rechtslage in der vor dem RVNG geltenden Fassung nicht entstehen konnte. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, insbesondere dessen Abs. 3 (Unzulässigkeit einer an die Heimat oder Herkunft anknüpfenden Diskriminierung), kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Regelung allein an die Versicherungsbiographie anknüpft. Soweit die nach dem FRG Berechtigten oder deren Hinterbliebene anders behandelt werden als die Versicherten, die ihr Versicherungsleben in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verbracht haben, ist die Ungleichbehandlung nach der Entscheidung des BVerfG dadurch gerechtfertigt, dass sie im Gegensatz zu Letzteren keine eigenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben. Der Umstand, dass die eine Personengruppe eigene Beiträge gezahlt hat, die andere Personengruppe aber nicht, rechtfertigt indessen die unterschiedliche Höhe der Leistungsgewährung. Die durch das FRG gewährte Begünstigung muss keine volle Gleichstellung mit denjenigen bewirken, die ein Versicherungsverhältnis zu einem Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland begründet hatten und haben (vgl. a. BVerfGE 116, 96). Schließlich ist auch der gewählte Stichtag - 7. Mai 1996 - nicht beanstandet worden. Die Frage der unrichtigen Rechtsanwendung bestimmt sich daher nach § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 300 Abs. 2 SGB VI. Unabhängig von der Frage, ob diese Norm überhaupt für das FRG Anwendung findet, sind jedenfalls deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Senat nimmt nach eigener Prüfung insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die danach maßgebliche gesetzliche Regelung hat der Rentenversicherungsträger in der bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung korrekt umgesetzt. Die Hinterbliebenenrente wird nach den 0,4082 Entgeltpunkten berechnet, die nach Berücksichtigung der Entgeltpunkte, die der Altersrente aus eigener Versicherung zugrundeliegen, bis zur Obergrenze von insgesamt 25 Entgeltpunkten verbleiben. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
Die Klägerin kann schließlich nicht erfolgreich geltend machen, ihr sei die höhere Witwenrente deshalb zu gewähren, weil die Beklagte ihren Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht zeitnah bearbeitet, sondern die gesetzliche Neufassung des § 22b FRG durch das RVNG abgewartet habe. Sie führt aus, bei rechtzeitiger Korrektur der Bewilligungsentscheidung entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 FRG a.F. hätte sie bei Erlass des RVNG eine formelle Rechtsposition innegehabt, die nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X rückwirkend hätte beseitigt werden können. Der Vorschrift des § 44 SGB X liegt zwar der Restitutionsgedanke zu Grunde (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 15). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Betroffene auch in tatsächlicher Hinsicht so zu stellen wäre, als hätte die Verwaltung von vornherein richtig entschieden (im vorliegenden Fall also im Bescheid vom 2. Mai 2002 die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 FRG a.F. unterlassen, sodass erst auf Grund des RVNG ein Verfahren nach § 48 Abs. 1 SGB X hätte eingeleitet werden müssen). Vielmehr zielt § 44 SGB X auf eine rechtliche Restitution ab, also darauf, dem Berechtigten das zukommen zu lassen, was ihm bei richtiger Sachbehandlung nach materiellem Recht zusteht. Es muss also kein neues Verwaltungsverfahren (d.h. kein gesondertes Neufeststellungsverfahren nach § 48 SGB X innerhalb eines ohnehin laufenden Verfahrens nach § 44 SGB X) eingeleitet und durchgeführt werden (BSG, Beschluss vom 18. August 2004 - B 8 KN 18/03 B - (juris)). Entfällt also während eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X die rechtliche Regelung, aufgrund derer die Abänderung begehrt wird, ist diese Rechtsänderung von Verwaltung und Gerichten unmittelbar zu beachten, ohne dass die Einschränkungen des § 48 SGB X zu beachten wären. Der Zeitpunkt, ab dem eine solche Rechtsänderung zu beachten ist, bestimmt sich allein nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes. Anderes ergibt sich daher auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 31. März 1998 (B 4 RA 59/96 R - SozR 3-2600 § 93 Nr. 8). Zwar geht das BSG dort davon aus, dass der Korrekturanspruch aus § 44 SGB X selbständig neben das Abwehrrecht nach materiellem Recht (i.S.e. isolierten Anfechtung der belastenden Regelung) trete und bereits entstehe, wenn ein Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses nicht mit dem damals objektiv gültigen Recht in Einklang stand. Im dort entschiedenen Fall lag bei der fraglichen Rechtsänderung jedoch eine nach Ansicht des BSG unzulässige Rückwirkung vor, so dass das bei Erlass des Verwaltungsaktes objektiv gültige Recht gerade nicht das des Änderungsgesetzes war. Anders stellt sich die Lage im vorliegenden Fall dar. Wie oben bereits ausgeführt, war das rückwirkende Inkrafttreten des § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG zulässig, so dass diese Fassung das im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides objektiv geltende Recht war. Da diese Norm korrekt umgesetzt wurde, kommt ein Korrekturanspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht in Betracht. Andernfalls würde über § 44 SGB X eine formelle Rechtsposition geschaffen, die der materiellen Rechtslage gerade widerspricht. Dies liefe dem Sinn des § 44 SGB X entgegen.
Auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann die Klägerin ihr Begehren aus demselben Grund nicht stützen, weil die von ihr begehrte Rechtsfolge dem materiellen Recht widersprechen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Zugunstenverfahren die Gewährung einer höheren Witwenrente nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die am 1929 in der damaligen Sowjetunion geborene Klägerin war verheiratet mit dem am 1934 ebenfalls in der Sowjetunion geborenen V. Sch., der während des Aussiedlungsverfahrens am 15. Dezember 1996 in Kasachstan verstorben ist. Beiden Ehegatten war ein Aufnahmeschein als Spätaussiedler i.S.d. § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) ausgestellt worden. Die Klägerin siedelte am 19. Mai 1997 in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie ist deutsche Staatsangehörige und als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt. Weder sie noch ihr verstorbener Ehegatte hatten rentenrechtliche Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt.
Am 3. Juni 1997 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden die Gewährung von Alters- und Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 11. November 1997 bewilligte die LVA eine Altersrente ab dem 19. Mai 1997, der zunächst 19,9519 nach dem FRG ermittelte persönliche Entgeltpunkte zugrunde gelegt wurden. Für die ebenfalls ab 19. Mai 1997 gewährte große Witwenrente wurden nach dem FRG 24,9962 persönliche Entgeltpunkte ermittelt. Diese wurden jedoch im Bewilligungsbescheid vom 12. August 1998 gem. § 22b Abs. 1 FRG auf 5,0481 Entgeltpunkte begrenzt, so dass sich für die Alters- und Hinterbliebenenrente insgesamt 25 Entgeltpunkte ergaben.
Auf einen Überprüfungsantrag stellte die LVA die Altersrente der Klägerin unter geänderter Berücksichtigung ihrer Versicherungszeiten als Kolchosearbeiterin mit Bescheid vom 26. April 2002 neu fest; zugrunde gelegt wurden nunmehr 24,5918 Entgeltpunkte. Mit Bescheid vom 2. Mai 2002 wurde daraufhin die große Witwenrente neu berechnet; wegen der Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte wurden nur noch 0,4082 Entgeltpunkte berücksichtigt. Die Bescheide wurden nicht angefochten.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2004 beantragte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Überprüfung und Aufhebung des Bescheides vom "5. Juni 2002", soweit er die teilweise Nichtauszahlung der großen Witwenrente betreffe, und die rückwirkende Auszahlung dieser Rente in voller Höhe ab dem 1. Juli 2002. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 22b Abs. 1 FRG sei die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte beim Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten nicht zulässig.
Diesen Antrag lehnte die LVA Baden-Württemberg, Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit Bescheid vom 3. August 2004 und Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2004 unter Hinweis auf die Fassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz (RVNG) ab, die rückwirkend zum 7. Mai 1996 klarstelle, dass die Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte auch für das Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und Hinterbliebenenrenten gelte.
Hiergegen hat die Klägerin am 26. November 2004 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und unter Abänderung der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide die Gewährung der großen Witwenrente aufgrund der ungekürzten Entgeltpunkte, hilfsweise auf der Basis von bis zu 15 Entgeltpunkten begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, an der vor dem RVNG ergangenen Rechtsprechung des BSG zur Nichtanwendbarkeit des § 22b Abs. 1 FRG bei Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten sei weiter festzuhalten. Die vom Gesetzgeber angestrebte Rückwirkung der Neufassung sei verfassungswidrig. Auch aus § 300 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ergebe sich, dass im Falle der Klägerin noch § 22b Abs. 1 FRG in seiner alten Fassung anzuwenden sei. Außerdem habe die Beklagte die Entscheidung über den Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in rechtswidriger Weise bis zum Beschluss über das RVNG verzögert. Die Klägerin sei daher im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als ob die Beklagte bereits vor der Gesetzesänderung die Rente neu festgestellt habe.
Mit Urteil vom 11. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Dabei ist es im Hinblick auf die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X von einem Klagebegehren ausgegangen, das auf die Gewährung der höheren Witwenrente ab dem 1. Januar 2000 gerichtet sei. Die Beklagte sei jedoch nicht verpflichtet, den Bescheid über die große Witwenrente abzuändern, da dieser dem geltenden Recht entspreche. Die vom Rentenversicherungsträger vorgenommene Berechnung, dass für Renten aus eigener Versicherung und Hinterbliebenenrenten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, entspreche dem zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung geltenden Gesetzesrecht des § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG vom 31. Juli 2004. Diese Norm sei nach Art. 15 Abs. 3 RVNG rückwirkend zum 7. Mai 1996 in Kraft getreten. Da beide Renten der Klägerin erst mit ihrem Zuzug ins Bundesgebiet am 19. Mai 1997 begonnen hätten, sei diese Gesetzesfassung für die gesamte Zeit des Rentenbezuges maßgeblich. Der Rechtsprechung des BSG folgend, ergebe sich aus § 300 SGB VI nichts anderes. Nach dessen Abs. 1 seien die Vorschriften des SGB VI von ihrem Inkrafttreten an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn dieser bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden habe. Abweichend hierzu bestimme § 300 Abs. 2 SGB VI, dass aufgehobene Vorschriften des SGB VI auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden seien, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht werde. Der Begriff der Aufhebung in diesem Sinne bezeichne nicht den Akt der Aufhebung i.S.d. Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt des Außerkrafttretens des alten Rechts, z.B. durch die ausdrückliche Bestimmung im Änderungsgesetz. Der Rentenanspruch der Klägerin habe daher nicht bereits vor der Änderung des § 22b Abs. 1 FRG bestanden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses rückwirkende Inkrafttreten sehe das Gericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BSG vom 5. Oktober 2005 (B 5 RJ 57/03 R) nicht. Insbesondere habe ein schutzwürdiges Vertrauen auf die von der Klägerin angeführte Auslegung aufgrund der Fassung der Vorgängernorm, der hierzu ergangenen Rechtsprechung der Instanzgerichte der Sozialgerichtsbarkeit, der erstmaligen abweichenden Auslegung durch das BSG, des Widerspruches gegen diese durch die Rentenversicherungsträger und Teile der Instanzgerichte nicht entstehen können.
Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 15. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. Mai 2007 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zu deren Begründung die Verletzung von Verfassungsrecht geltend gemacht. Das SG habe seine Entscheidung auf eine gesetzliche Norm gestützt, die unter Verstoß gegen das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes rückwirkend in Kraft getreten sei. Des Weiteren ziehe die Klägerin vorliegend Nachteile daraus, dass sie den Rechtsweg beschritten habe; das Änderungsgesetz hätte zumindest eine Übergangsregelung vorsehen müssen. Schließlich verstoße die Regelung gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG), indem Personen, die Hinterbliebenenrenten nach dem FRG bezögen, anders behandelt würden als solche, deren Renten nach dem SGB VI gewährt würden. Im FRG habe der Gesetzgeber Versicherungszeiten im Herkunftsland als solche geregelt, die Entgeltpunkte begründeten. Dann müssten sie auch versicherungsmathematisch mit "echten" Versicherungszeiten gleichgestellt werden. Da es keine Rolle spiele, ob die dem Versicherten zustehende Rente auf eigenen Beitragszeiten oder auf fiktiv anzurechnenden Beitrags- und Beschäftigungszeiten beruhe, sei die Diskriminierung im vorliegenden Verfahren allein personenbezogen und damit unzulässig. Schließlich sei zu beachten, dass die vom Gesetzgeber an den Rentenversicherungsträger gerichtete Aufgabenzuweisung der rückwirkenden Begrenzung der Entgeltpunkte von Alters- und Hinterbliebenenrente auf insgesamt 25 Entgeltpunkte der Umsetzung im Verwaltungsverfahren bedürfe. Hätte die Beklagte die Rechtsprechung des BSG auf den entsprechenden Antrag der Klägerin vom 4. Juni 2004 umgesetzt, wäre die Klägerin vor der rückwirkenden Rechtsänderung durch die Sicherungen des § 48 SGB X geschützt gewesen. Jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten der streitigen Norm müsse es daher bei der Anwendung und Auslegung der alten Fassung bleiben.
Nachdem das Verfahren zwischenzeitlich geruht hatte, ist es nach Wiederanruf unter dem neuen Geschäftszeichen L 7 R 4421/10 fortgeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 zu verpflichten, den Bescheid vom 2. Mai 2002 abzuändern und die anerkannte Hinterbliebenenrente ungekürzt in voller Höhe, hilfsweise auf der Basis von 15 Entgeltpunkten, rückwirkend ab dem 1. Januar 2000 zur Auszahlung zu bringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass ihre Rechtsauffassung durch die mittlerweile ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) bestätigt worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten der Beklagten, des SG sowie des Senats (L 7 R 2752/07 und L 7 R 4421/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gem. §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Soweit die Klägerin die Gewährung höherer Witwenrente für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 30. Juni 2002 begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Ihr steht der bestandskräftige Bewilligungsbescheid vom 2. Mai 2002 entgegen, der von der Klägerin nicht mit Widerspruch angefochten wurde, so dass er in der Sache bindend geworden ist (§ 77 SGG). Zwar bietet § 44 SGB X die Möglichkeit der - auch rückwirkenden - Korrektur bestandskräftiger Entscheidungen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Überprüfungsantrages durch ihren rechtskundigen Bevollmächtigten vom 2. Juni 2004 war das Überprüfungsbegehren der Klägerin auf die Zeit ab dem 1. Juli 2002 begrenzt. Der davor liegende Zeitraum war mithin nicht Regelungsgegenstand der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheide. Dies begrenzt auch den Gegenstand, über den im gerichtlichen Verfahren zulässig in der Sache entschieden werden kann.
Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin, die bereits bestandskräftige Bewilligungsentscheidung abändern zu lassen, kommt vorliegend nur § 44 Abs. 1 SGB X in Betracht: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Für die Beurteilung, ob das Recht unrichtig angewandt wurde, ist grundsätzlich die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend (BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 18). Entscheidend ist also das Recht, das zum Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Verwaltungsaktes galt oder für den von diesem Bescheid geregelten Zeitraum Geltung beanspruchte.
Danach ist für den hier streitigen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente, der erstmals am Tag des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland entstehen konnte (§ 30 FRG), das am 19. Mai 1997 und in der Folgezeit geltende Recht entscheidend. Bei Entstehung des Rentenanspruches und für die Dauer des weiteren Rentenbezuges gilt § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791). Wenn auch der Beschluss über das RVNG und dessen Verkündung erst im Jahr 2004 erfolgte, beansprucht die durch dieses Gesetz geschaffene Fassung aufgrund des ausdrücklich angeordneten Inkrafttretens zum 7. Mai 1996 (Art. 15 Abs. 3 RVNG) bereits Geltung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt und -raum. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt diese Rückwirkung des Gesetzes nicht gegen Verfassungsrecht. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11-13/06 und 1 BvR 2530/05 - BGBl. I S. 1358) bestätigt, dass § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG und dessen rückwirkende Inkraftsetzung zum 7. Mai 1996 mit dem Grundgesetz vereinbar sind, soweit hierdurch die Höhe von Hinterbliebenenrenten beschränkt wird. Dies gilt jedenfalls für solche Hinterbliebenenrenten, die allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RVNG vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind. Bei der Klägerin sind diese zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt. Versicherungszeiten wurden sowohl von ihr als auch von ihrem verstorbenen Ehegatten nur nach dem FRG zurückgelegt. Eine bestandskräftige Zuerkennung einer Hinterbliebenenrente ohne die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte war nicht erfolgt. Vielmehr war es gerade Ziel der Klägerin in dem hier zugrundeliegenden Zugunstenverfahren, die bestandskräftige Bewilligung der aufgrund der begrenzten Entgeltpunkte errechneten Hinterbliebenenrente abändern zu lassen. Das BVerfG hat klargestellt, dass eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung nicht vorliegt, da ein schutzwürdiges Vertrauen aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung zu § 22b Abs. 1 FRG und der damit verbundenen unklaren Rechtslage in der vor dem RVNG geltenden Fassung nicht entstehen konnte. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, insbesondere dessen Abs. 3 (Unzulässigkeit einer an die Heimat oder Herkunft anknüpfenden Diskriminierung), kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Regelung allein an die Versicherungsbiographie anknüpft. Soweit die nach dem FRG Berechtigten oder deren Hinterbliebene anders behandelt werden als die Versicherten, die ihr Versicherungsleben in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verbracht haben, ist die Ungleichbehandlung nach der Entscheidung des BVerfG dadurch gerechtfertigt, dass sie im Gegensatz zu Letzteren keine eigenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben. Der Umstand, dass die eine Personengruppe eigene Beiträge gezahlt hat, die andere Personengruppe aber nicht, rechtfertigt indessen die unterschiedliche Höhe der Leistungsgewährung. Die durch das FRG gewährte Begünstigung muss keine volle Gleichstellung mit denjenigen bewirken, die ein Versicherungsverhältnis zu einem Versicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland begründet hatten und haben (vgl. a. BVerfGE 116, 96). Schließlich ist auch der gewählte Stichtag - 7. Mai 1996 - nicht beanstandet worden. Die Frage der unrichtigen Rechtsanwendung bestimmt sich daher nach § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 300 Abs. 2 SGB VI. Unabhängig von der Frage, ob diese Norm überhaupt für das FRG Anwendung findet, sind jedenfalls deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Senat nimmt nach eigener Prüfung insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die danach maßgebliche gesetzliche Regelung hat der Rentenversicherungsträger in der bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung korrekt umgesetzt. Die Hinterbliebenenrente wird nach den 0,4082 Entgeltpunkten berechnet, die nach Berücksichtigung der Entgeltpunkte, die der Altersrente aus eigener Versicherung zugrundeliegen, bis zur Obergrenze von insgesamt 25 Entgeltpunkten verbleiben. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
Die Klägerin kann schließlich nicht erfolgreich geltend machen, ihr sei die höhere Witwenrente deshalb zu gewähren, weil die Beklagte ihren Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht zeitnah bearbeitet, sondern die gesetzliche Neufassung des § 22b FRG durch das RVNG abgewartet habe. Sie führt aus, bei rechtzeitiger Korrektur der Bewilligungsentscheidung entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 FRG a.F. hätte sie bei Erlass des RVNG eine formelle Rechtsposition innegehabt, die nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X rückwirkend hätte beseitigt werden können. Der Vorschrift des § 44 SGB X liegt zwar der Restitutionsgedanke zu Grunde (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 15). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Betroffene auch in tatsächlicher Hinsicht so zu stellen wäre, als hätte die Verwaltung von vornherein richtig entschieden (im vorliegenden Fall also im Bescheid vom 2. Mai 2002 die Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs. 1 FRG a.F. unterlassen, sodass erst auf Grund des RVNG ein Verfahren nach § 48 Abs. 1 SGB X hätte eingeleitet werden müssen). Vielmehr zielt § 44 SGB X auf eine rechtliche Restitution ab, also darauf, dem Berechtigten das zukommen zu lassen, was ihm bei richtiger Sachbehandlung nach materiellem Recht zusteht. Es muss also kein neues Verwaltungsverfahren (d.h. kein gesondertes Neufeststellungsverfahren nach § 48 SGB X innerhalb eines ohnehin laufenden Verfahrens nach § 44 SGB X) eingeleitet und durchgeführt werden (BSG, Beschluss vom 18. August 2004 - B 8 KN 18/03 B - (juris)). Entfällt also während eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X die rechtliche Regelung, aufgrund derer die Abänderung begehrt wird, ist diese Rechtsänderung von Verwaltung und Gerichten unmittelbar zu beachten, ohne dass die Einschränkungen des § 48 SGB X zu beachten wären. Der Zeitpunkt, ab dem eine solche Rechtsänderung zu beachten ist, bestimmt sich allein nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes. Anderes ergibt sich daher auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 31. März 1998 (B 4 RA 59/96 R - SozR 3-2600 § 93 Nr. 8). Zwar geht das BSG dort davon aus, dass der Korrekturanspruch aus § 44 SGB X selbständig neben das Abwehrrecht nach materiellem Recht (i.S.e. isolierten Anfechtung der belastenden Regelung) trete und bereits entstehe, wenn ein Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses nicht mit dem damals objektiv gültigen Recht in Einklang stand. Im dort entschiedenen Fall lag bei der fraglichen Rechtsänderung jedoch eine nach Ansicht des BSG unzulässige Rückwirkung vor, so dass das bei Erlass des Verwaltungsaktes objektiv gültige Recht gerade nicht das des Änderungsgesetzes war. Anders stellt sich die Lage im vorliegenden Fall dar. Wie oben bereits ausgeführt, war das rückwirkende Inkrafttreten des § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RVNG zulässig, so dass diese Fassung das im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides objektiv geltende Recht war. Da diese Norm korrekt umgesetzt wurde, kommt ein Korrekturanspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht in Betracht. Andernfalls würde über § 44 SGB X eine formelle Rechtsposition geschaffen, die der materiellen Rechtslage gerade widerspricht. Dies liefe dem Sinn des § 44 SGB X entgegen.
Auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann die Klägerin ihr Begehren aus demselben Grund nicht stützen, weil die von ihr begehrte Rechtsfolge dem materiellen Recht widersprechen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
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