S 20 AL 109/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 AL 109/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Mit Wirkung zum 01.12.2003 meldete sich der Zeuge O.S. arbeitslos. Er gab an, vom 01.12.1980 zum 30.11.2003 als Omnibusfahrer bei der Klägerin gearbeitet zu haben. Sein Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 15.10.2003 zum 30.11.2003 beendet. Aufgrund eines Ruhenstatbestandes, weil der Zeuge 30.000,00 EUR Abfindung erhalten hatte, erhielt er erst vom 19.02. bis zum 30.11.2004 Arbeitslosengeld; seit 01.12.2004 nunmehr Altersrente.

In den Akten befindet sich ein ärztliches Attest des Arbeitsmediziners der N., Herr Dr. K. Dort wurde festgestellt, dass der Zeuge unter einem chronisch degenerativen Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule mit rezidivierenden Lumbalgien, an einem chronischen Schmerzsyndrom der übrigen Wirbelsäulenabschnitte mit Osteoporose, an chronischen Schlafstörungen mit vorwiegend Durchschlafstörungen und an Kniegelenksverschleiß mit rechtsseitiger Meniskopathie leidet. Da der Zeuge als Busfahrer in Wechselschicht tätig war und dort eine sitzende Zwangshaltung einnehmen mußte, er wiederholt Fehlzeiten in Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen und den genannten Gesundheitsstörungen nachgewiesen wurden, empfahl der Gutachter dem Zeugen, die gesundheitlich belastende Tätigkeit aus medizinischen Gründen aufzugeben. Es sei nämlich aus arbeitsmedizinischer Sicht zu befürchten, daß sich ansonsten die Gesundheitsstörungen weiter verschlechtern würden.

Am 26.07.2004 teilte der Zeuge der Beklagten mit, er sei vor Auflösung des Arbeitsvertrages nicht krankgeschrieben gewesen, habe aber im Jahr 2001
47 Tage, im Jahr 2002 83 Tage und im Jahr 2003 78 Tage krankheitsbedingt gefehlt.

Daraufhin schaltete die Beklagte den Ärztlichen Dienst ein, der durch gutachterliche Äußerung des Herrn Dr. Z. bestätigte, dass die Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne für mehr als sechs Monate nicht vorgelegen hätten.

Deswegen wurde die Klägerin mit Schreiben vom 15.11.2004 wegen der Erstattungspflicht nach § 147 a SGB III angehört. Hierbei führte sie aus, daß aufgrund der erheblichen Fehlzeiten des Zeugen eine krankheitsbedingte Kündigung möglich gewesen wäre. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Zeuge aus tarifrechtlichen Gründen nur noch außerordentlich kündbar sei. Er habe in den Jahren 2001 und 2002 erhebliche Fehlzeiten in Höhe von 37 bzw. 86 Tagen gehabt. Im Jahr 2003 sei er bis 30.11.2003 75 Tage krank gewesen. Die negative Gesundheitsprognose ergebe sich aus dem ärztlichen Attest vom 13.11.2004. Auch stehe fest, daß er aufgrund der bestehenden Gesundheitsstörungen nicht mehr voll leistungsfähig sei. Es sei der Klägerin deshalb nicht zuzumuten, ihn weiterhin mit der Beförderung von Personen im Straßenverkehr zu betrauen. Einen anderen Arbeitsplatz könne man nicht anbieten.

Am 02.12.2004 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid in Höhe von insgesamt 12.262,88 EUR gemäß § 147 a SGB III. Am 25.01.2005 folgte ein weiterer Erstattungsbescheid in Höhe von 6.192,32 EUR.

Gegen beide Bescheide wurde jeweils Widerspruch eingelegt. Zur Begründung wurde im wesentlichen vorgetragen, der ehemalige Arbeitnehmer habe seine Anerkennung als Schwerbehinderter beantragt. Somit liege der Befreiungstatbestand des § 147 a Abs. 1 Nr. 5 SGB III vor. Des weiteren wurde eingewendet, daß die Beklagte nicht ausreichend ermittelt hätte, denn die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens sei notwendig. Im übrigen fehle die Prüfung, ob dem ehemaligen Arbeitnehmer möglicherweise Anspruch auf alternative Sozialleistungen zustünden.

Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheiden der Beklagten vom 11.01.2005 und 25.02.2005 jeweils als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß ein Arbeitgeber günstiger Befreiungstatbestand nicht habe festgestellt werden können. Die sozial gerechtfertigte Kündigung sei im vorliegenden Fall nicht zulässig gewesen, sondern es habe sich der Arbeitgeber durch den Abschluß des Aufhebungsvertrages eines älteren Arbeitnehmers entledigen wollen. Da auch keine dauernde Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe werden können, sei auch kein außerordentliches Kündigungsrecht gegeben gewesen. Da auch ansonsten die Voraussetzungen des § 147 a SGB III vorlägen, waren die Widersprüche zurückzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 14.02.2005. Diese wurde im wesentlichen damit begründet, daß beim Arbeitnehmer erhebliche Fehlzeiten vorgelegen hätten und aufgrund bestehender Gesundheitsstörungen die Leistungsfähigkeit so beeinträchtigt gewesen sei, daß eine Fortsetzung der Tätigkeit als Busfahrer nicht in Frage gekommen sei. Immerhin sei er als Busfahrer mit der Beförderung von Personen im Straßenverkehr betraut.

In der mündlichen Verhandlung am 03.05.2005 übergab der Klägervertreter noch diverse Unterlagen und trug vor, daß eine krankheitsbedingte Kündigung eines unkündbaren Angestellten möglich sei.

Der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge gehörte Arbeitnehmer trug vor, er habe niemals einen Antrag auf Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente gestellt und habe zum Zeitpunkt des Auflösungsvertrages einen vom Versorgungsamt festgestellten GdB von 30 gehabt. Er habe sich durch den Schichtdienst gestreßt gefühlt und es wäre ihm durchaus recht gewesen, wenn er in Altersteilzeit oder in den Innendienst hätte gehen können. Er sei dann auf Anordnung seines Arbeitgebers das erste Mal zum Betriebsarzt gegangen, der nichts weiter zu ihm gesagt habe, sondern das Attest ausgestellt habe.

Die Klägerin beantragte: Der Bescheid der Beklagten vom 02.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2005 und der Bescheid vom 25.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2005 wird jeweils aufgehoben.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Niederschrift über die mündlichen Verhandlung, die Behörden- und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 147 a Abs. 1 SGB III sind vorliegend offensichtlich erfüllt. Damit sind die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Gericht nimmt gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die Begründungen der Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 11.01.2005 und 25.02.2005 Bezug und folgt den Ausführungen dieser Entscheidungen. Dort sind die Voraussetzungen der Rückforderung in allen Punkten ausreichend und richtig begründet, so daß das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung absieht.

Die Klägerin bezieht sich im Klageverfahren im wesentlichen auf den Vorrang der alternativen Sozialleistungen gemäß § 147 a Abs. 1 Satz 2 SGB III und auf die Behauptung, daß sie berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Diesbezüglich ist ergänzend auszuführen, daß beides vorliegend offensichtlich nicht einschlägig ist.

Der vormalige Arbeitnehmer der Klägerin erfüllt weder die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 genannten Leistungen noch die für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung hat ergeben, daß der Zeuge keinen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt hatte. Diesbezüglich bestand aber auch kein Anlaß. Sowohl aus dem ärztlichen Attest des Arbeitsmediziners der N. vom 13.10.2003 als auch aus den gutachterlichen Äußereungen des Ärztlichen Dienstes vom 18.08.2004 sowie 30.11.2004 ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt auf eine mögliche Berufsunfähigkeit des Zeugen. Nach letzteren Äußerungen liegen nicht einmal die Voraussetzungen für eine Arbeitsunfähigkeit in krankenversicherungsrechtlichem Sinne für mehr als sechs Monate vor. Selbst das ärztliche Attest vom 13.10.2003, auf das sich die Klägerin beruft und das sie auch im Klageverfahren wieder vorlegt, gibt keinen Anhaltspunkt diesbezüglich. Zum einen stellt es nur ein Attest dar, zum anderen wurde darin dem Zeugen nur geraten, seine Tätigkeit aus medizinischen Gründen aufzugeben. Daß er sie nicht mehr ausüben könne, davon ist nicht die Rede. Der Verweis auf eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit geht daher fehl. Selbst wenn die Klägerin vorträgt, der Zeuge trage als Busfahrer eine besondere Verantwortung im Straßenverkehr und für seine Fahrgäste, kann dies offensichtlich nicht zum Erfolg der Klage führen. Zum einen war -wie oben dargelegt- der Zeuge grundsätzlich arbeitsfähig, zum anderen beinhalten die attestierten Krankheiten des Zeugen vor allem Schmerzsyndrome, die aber nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht urplötzlich im verkehrsrechtlichen Sinne auftreten, sondern eben mehr oder minder dauernd vorhanden sind und somit keine solche überhöhte Gefahr darstellen, daß der Zeuge keinen Bus mehr führen könnte. Aus offensichtlichen Gründen konnte die Klägerin daher weder darlegen noch beweisen, daß der Zeuge nicht mehr zum Führen von entsprechenden Kraftfahrzeugen geeignet ist. Auch andere alternative Leistungen gemäß § 142 Nr. 2 bis 4 konnte der Zeuge nicht wahrnehmen; erst seit 01.12.2004, also außerhalb des streitbefangenen Zeitraums, erhält der Zeuge Altersrente. Für diesen Zeitraum stehen ihm auch keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mehr zu.

Aber auch die Voraussetzungen des § 147 a Abs. 1 Nr. 5 SGB III liegen offensichtlich nicht vor. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen (BVerfG, Urteil vom 23.01.1990, Az. 1 BVL 44/86) wäre eine Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers nur dann unzumutbar und damit ein wichtiger Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitnehmer wegen gesundheitlicher Einschränkungen die von ihm vertraglich übernommene Arbeit auf Dauer nicht mehr verrichten kann. Dies gilt auch ohne Rücksicht auf die Länge der konkreten Kündigungsfrist und ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher, betrieblicher oder arbeitsvertraglicher Regelungen unkündbar ist (BVerfG a. a. O.). Allerdings muß davon ausgegangen werden, daß die Erstattungspflicht des § 128 AFG (jetzt § 147 a SGB III) weitgehend dann entwertet wird, wenn sie bereits dann entfiele, wenn der Arbeitgeber sich nur ein entsprechendes ärztliches Attest über die gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers hätte vorlegen lassen. Um jede Manipulationsgefahr auszuschließen, müssen gesundheitliche Einschränkungen, die zu einer Kündigung führen können, objektivierbar sein. Nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte ist dies dann von der Arbeitsverwaltung festzustellen (BVerfG a. a. O.). Damit kann die Klägerin nicht mit dem Argument durchdringen, die Beklagte habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt. Zur Überzeugung des Gerichts liegt nämlich für eine solch drastische Gesundheitseinschränkung beim Zeugen keinerlei Anhaltspunkt vor. Wie oben bereits ausgeführt, wird nur empfohlen, die Tätigkeit aufzugeben, während der Ärztliche Dienst diesbezüglich schon überhaupt keine Anhaltspunkte sieht.

Da der Zeuge als vormaliger Arbeitnehmer der Klägerin zwar eingeschränkt leistungsfähig ist, doch nach den vorliegenden Attesten und Stellungnahmen nicht annähernd berufs- oder gar erwerbsunfähig, war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 197 a SGG i. V. m. 154 Abs. 1 VwGO. Weder Klägerin noch Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen, so daß der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Rechtskraft
Aus
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