Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 2903/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3958/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. August 2008 sowie das Schreiben vom 21. Dezember 2005, der Bescheid vom 26. Januar 2006 und das weitere Schreiben vom 26. Januar 2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2007 aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) im Rahmen der nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gewährten Eingliederungshilfe.
Die 1960 geborene Klägerin leidet aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung an einer infantilen Zerebralparese mit armbetonter Hemispastik links; sie ist leicht geistig behindert im Sinne einer Minderbegabung. Seit 15. August 1983 ist sie im Arbeitsbereich der Beschützenden Werkstätte der G.-W.-S. (jetzt Bruderhaus D. W. für behinderte Menschen) - einer anerkannten WfbM - in R. aufgenommen. Die Klägerin bezieht aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit Juni 1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sich ab 1. Oktober 2005 (nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) auf einen monatlichen Zahlbetrag von 714,34 Euro belief (Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 15. August 2005). Sie erhielt außerdem für ihre Tätigkeit in der WfbM ausweislich der Gehaltsmitteilungen für die Monate Juli 2005 und Januar 2006 monatliche Bezüge von (brutto) 140,00 Euro, die sich aus dem Grundbetrag (67,00 Euro), dem Steigerungsbetrag (47,00 Euro) und einem Arbeitsförderungsgeld in Höhe von 26,00 Euro zusammensetzten, sowie außerdem ab 1. September 2005 Wohngeld in Höhe von monatlich 44,00 Euro (Bescheid der Wohngeldstelle vom 8. Juli 2005). Für die ihr von der B. D. S. G. W. und H. am B. vermietete Wohnung (Gesamtfläche 46,32 m²) hatte sie ab 1. April 2004 eine monatliche Gesamtmiete (einschließlich Nebenkosten) von 381,43 Euro (Kaltmiete ohne Einbauküche 238,55 Euro, mit Einbauküche 243,66 Euro) zu zahlen. Die Klägerin arbeitet in der WfbM an fünf Tagen in der Woche (Montag bis Freitag) halbtags vier Stunden täglich von 7.45 bis 11.45 Uhr.
Die Klägerin lebte zunächst im Wohngruppenverbund der Stiftung und konnte ab 15. November 1987 in eine Mietwohnung umziehen. Die Maßnahmekosten für den Besuch der WfbM sowie für die Kosten der ambulanten Einzelbetreuung (begleitende Hilfe im ambulant betreuten Wohnen) im Rahmen der Eingliederungshilfe übernahm zunächst die Beklagte, ab Januar 2000 der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern (LWV) als seinerzeit überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Im Zuge der durch das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) in § 43 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) eingeführten Rechtsänderungen forderte der LWV von der Klägerin mit Schreiben vom 8. August 2001 zum Zweck der Prüfung, ob ein Kostenbeitrag für das in der WfbM eingenommene Mittagessen - derzeitiger Freibetrag "i.d.R. 1.124,00 DM" - zu bezahlen sei, einen Fragebogen an, welchen die Klägerin am 21. September 2001 einreichte. In diesem unter dem 12. September 2001 unterzeichneten Fragebogen, zu dem sie die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 sowie eine Bescheinigung der WfbM über die für Juli 2001 gezahlte Arbeitsprämie vorlegte, gab die Klägerin ein Arbeitsentgelt, bestehend aus dem Grundbetrag (130,00 DM), dem Steigerungsbetrag (93,00 DM) sowie einem Arbeitsförderungsgeld (50,00 DM) an, ferner eine Rente von 1.355,70 DM und ein Wohngeld von 62,00 DM; dem stünden monatliche Ausgaben u.a. in Form der Miete von 640,00 DM gegenüber. Mit Blick darauf ging der LWV ausweislich eines Vermerks auf dem vorgenannten Fragebogen von einer Unterschreitung des doppelten Regelsatzes "nach Abzug der Miete" aus. Mit einem - nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Schreiben vom 21. September 2001 teilte er der Klägerin darauf mit, aufgrund von deren Angaben im Fragebogen ergebe sich ab 1. Juli 2001 keine Kostenbeitragspflicht; die Mittagessen, die in der Einrichtung eingenommen würden, seien weiterhin kostenlos. Zugleich bat der LWV die Klägerin um Nachricht, falls sich in Zukunft in den wirtschaftlichen Verhältnissen Änderungen ergäben.
Nachdem im Zuge der Verwaltungsreform die Aufgaben der Eingliederungshilfe mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe übergegangen waren, wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 30. Mai 2005 an die Klägerin zum Zwecke der Überprüfung der Vermögensverhältnisse; die entsprechende Vermögenserklärung gab diese am 27. September 2005 ab (Sparbuch, derzeitiger Einlagebestand 101,68 Euro). Mit Schreiben vom 22. November 2005 übersandte ihr die Beklagte ferner einen "Fragebogen zur Feststellung des Bezuges von Unfallrente und Prüfung eines Kostenbeitrags zum Mittagessen bei teilstationärer Sozialhilfe in WfbM und Förder- und Betreuungsgruppe". Diesen reichte die Klägerin am 14. Dezember 2005 ausgefüllt und unterschrieben zurück.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse könne ihr gemäß "§ 92 bzw. § 85 SGB XII" zugemutet werden, ab 1. November 2005 die in der WfbM eingenommenen Mittagessen selbst zu bezahlen. Mit einem weiteren Schreiben vom 21. Dezember 2005 bat sie die WfbM, ab 1. November 2005 pro eingenommenem Mittagessen 3,00 Euro mit dem Arbeitsentgelt zu verrechnen und die Beträge an der Vergütungsabrechnung in Abzug zu bringen. Am 2. Januar 2006 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor, um mitzuteilen, dass sie ab 2006 das Mittagessen in der WfbM nicht mehr einnehme, weil es ihr zu teuer sei; davon wurde die WfbM mit Schreiben der Beklagten vom 2. Januar 2006 unterrichtet. Mit einem am 9. Januar 2006 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin die "Befreiung vom Kostenbeitrag" für das Mittagessen in der WfbM, weil es ihr nach § 85 SGB XII nicht zugemutet werden könne, ihr Mittagessen selbst zu zahlen. Die Kosten der Unterkunft lägen bei 346,87 Euro (Kaltmiete 243,66 Euro, Nebenkosten 112,21 Euro abzüglich Energiepauschale 9,00 Euro), sodass sich bei ihr eine Einkommensgrenze von 1.036,87 Euro (690,00 Euro + 346,87 Euro) ergebe; demgegenüber bestehe ihr Einkommen aus der Erwerbsunfähigkeitsrente von 714,34 Euro, dem Wohngeld von 44,00 Euro sowie der um das Arbeitsförderungsgeld, die Arbeitsmittel und den Freibetrag bereinigten Arbeitsprämie von 47,03 Euro, insgesamt also 805,37 Euro. Mit Bescheid vom 26. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil das Einkommen der Klägerin den nach § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII maßgeblichen doppelten Eckregelsatz von 690,00 Euro überschreite. Mit einem weiteren Schreiben vom 26. Januar 2006 teilte die Beklagte der Klägerin außerdem mit, dass der mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 festgesetzte Kostenbeitrag für das Mittagessen in der WfbM erst am 1. Dezember 2005 fällig werde, sie mithin für den November 2005 keinen Kostenbeitrag zahlen müsse. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des L. R. vom 6. Juni 2007 zurückgewiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 19. Juli 2007 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII sei auch im Rahmen des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII heranzuziehen. Folgte man der Auffassung der Beklagten, dass für Leistungen in der WfbM eine Einkommensgrenze in Höhe des doppelten Eckregelsatzes ohne Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft gelte, würde dies zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Personen führen, die keine Unterkunftskosten aufzuwenden hätten, etwa weil sie kostenfrei bei ihren Eltern zu Hause wohnen könnten. § 92 Abs. 2 SGB XII sei deshalb dahingehend auszulegen, dass vom Einkommen zunächst die angemessenen Kosten der Unterkunft abzusetzen seien; lediglich wenn das nach Abzug der Unterkunftskosten verbleibende Einkommen von Personen, die Leistungen in der WfbM erhielten, den doppelten Eckregelsatz übersteige, könne von diesen ein Kostenbeitrag verlangt werden. Nur in dieser Auslegung könne auch ein Wertungswiderspruch zwischen § 85 und § 92 SGB XII vermieden werden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; in § 92 Abs. 2 SGB XII sei bezogen auf die dort genannten Leistungen der Eingliederungshilfe eine Sonderregelung zu sehen, die eine Anwendung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII einschränke. Der Sozialhilfeträger sei angesichts der gesetzlichen Regelung gehalten, von der Klägerin einen Kostenbeitrag für das in der WfbM eingenommene Mittagessen zu erheben. Die Erhebung eines Kostenbeitrags von 3,00 Euro werde für angemessen erachtet und übersteige den tatsächlichen finanziellen Wert und Abgabepreis eines Mittagessens in der WfbM nicht. Dem Landkreis Reutlingen als Sozialhilfeträger lägen, basierend auf dem Jahr 2006, Nachweise zur Kalkulation eines Mittagessens vor, die unter Berücksichtigung des Wareneinsatzes, der Kosten der Herstellung sowie des Abgabepreises an externe Dritte den Betrag von 3,00 Euro überschritten. Mit Gerichtsbescheid vom 1. August 2008 hat das SG die Klage abgewiesen; in den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, der hier einschlägige § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII sei gegenüber § 85 Abs. 1 SGB XII spezieller und abschließend. Die Regelung sei zwingend, sodass bei einem den doppelten Eckregelsatz übersteigenden Einkommen der Sozialhilfeträger einen Kostenbeitrag fordern müsse, ohne dass ein Ermessensspielraum bestehe.
Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18. August 2008 beim Landesozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII nicht die gegenüber § 85 Abs. 1 SGB XII vorrangige, speziellere Regelung sei. § 92 Abs. 2 SGB XII könne nicht unabhängig von Abs. 1 a.a.O. gesehen werden, sondern setze voraus, das auch die dortigen Voraussetzungen vorlägen. Da sie die allgemeine Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII nicht überschreite, sei ihr die Aufbringung der Mittel nicht zumutbar. Das Bundessozialgericht (BSG) verweise in seinem Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8 SO 10/07 R - darauf, dass dem behinderten Menschen die Tragung der Kosten für das Mittagessen gerade nicht schon aus der Grundsicherungsleistung zugemutet werden solle. Dies wäre aber im Einzelfall die Folge, wenn beim Einkommen, unabhängig von den Kosten der Unterkunft, allein auf den Eckregelsatz abgestellt werde, da bei entsprechenden, die Höhe eines Eckregelsatzes übersteigenden Unterkunftskosten dem Behinderten gleichwohl ein Kostenbeitrag abverlangt werden könnte, obwohl ihm nach Abzug seiner Unterkunftskosten lediglich ein Betrag in Höhe der Grundsicherungsleistung verbleibe. Seitdem ein Kostenbeitrag für das Mittagessen in der WfbM gefordert werde, nehme sie nur noch gelegentlich am WfbM-Mittagessen teil, wobei sie dann die Kosten jeweils direkt bezahle; in der Regel gehe sie jedoch seither zum Mittagessen nach Hause und bereite sich dort selbst ein Essen zu. Bestritten werde die Behauptung der Beklagten, dass der Wareneinsatz sowie die Kosten der Herstellung eines Mittagessens den Betrag von 3,00 Euro übersteigen würden. Letztlich gehe das SG zu Unrecht davon aus, dass der Sozialhilfeträger einen Kostenbeitrag fordern müsse und ihm weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Ermessen eingeräumt sei. Die Klägerin hat verschiedene Bescheinigungen zur Höhe der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie zum Verdienst in der WfbM, ferner den Mietvertrag vom 12./15. September 1994, weitere Mietberechnungen der BruderhausDiakonie sowie Kopien ihres Sparbuchs zu den Akten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. August 2008 sowie das Schreiben vom 21. Dezember 2005, den Bescheid vom 26. Januar 2006 und das weitere Schreiben vom 26. Januar 2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Entscheidung des LWV vom 21. September 2001 habe sich auf die damaligen Verhältnisse der Klägerin bezogen und könne nach ihrer Auffassung angesichts sich immer wieder ändernder persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse keine dauerhafte Anwendung finden. Das Einkommen der Klägerin übersteige den doppelten Eckregelsatz deutlich; bei der Bemessung der Einkommensgrenze sei sie von § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII als spezieller und abschließender Regelung ausgegangen. Obwohl in dem Bescheid vom 26. Januar 2006 und im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2007 nicht ausdrücklich erwähnt, seien bei der Festsetzung des Kostenbeitrages in Höhe von 3,00 Euro/Mittagessen die tatsächlichen Herstellungskosten für ein in einer WfbM angebotenes Mittagessen berücksichtigt. Bei einer vom Landkreis Reutlingen veranlassten Umfrage vom 8. September 2006, in welche die Werkstätten der BruderhausDiakonie Reutlingen, der LWV-Eingliederungshilfe GmbH R., des Samariterstifts Grafenberg, der M. H., des F. G. sowie der H. E. eingebunden gewesen seien, sei aus den zurückgemeldeten Daten deutlich geworden, dass der Wareneinsatz sowie die Kosten der Herstellung und die Berücksichtigung des Abgabepreises, z.B. an Dritte, den Betrag von 3,00 Euro überstiegen. Angaben lägen außerdem vor von den Kreiskliniken Reutlingen, der Kantine der F.E. GmbH sowie zwei weiteren WfbM-Einrichtungen, außerdem von Reutlinger Schulen und Kindertageseinrichtungen; danach sei der Kostenbeitrag in Höhe von 3,00 Euro für ein Mittagessen gerechtfertigt. Soweit die Klägerin für das Mittagessen in der WfbM 3,00 Euro in bar entrichte, müsse sie mit Blick auf die von ihr übernommene "Werkstattpauschale" den Schluss ziehen, dass die Verpflegung sowohl vom Sozialhilfeträger als auch von jener und damit doppelt gezahlt werde. Dieser Barbetrag hätte ihr deshalb in Form des Kostenbeitrags zufließen müssen. Die Beklagte hat u.a. eine anonymisierte Aufstellung zu einer Erhebung des L. R. vom Juli 2008, eine anonymisierte Zusammenstellung der Verpflegungskosten für die Kindertagesverpflegung in gecaterten Kinderbetreuungseinrichtungen ihrer Kommune, eine Aufstellung ihrer Schulabteilung zum Mittagessensangebot in R. Schulen sowie zwei Gutschriften der BruderhausDiakonie vom 1. März und 15. April 2006 vorgelegt.
Der Senat hat von der B.D. Stiftung G. W. und H. am B. die Auskünfte vom 20. Juli 2009 und 18. Mai 2010 eingeholt. Diese hat dort mitgeteilt, dass die Klägerin "wahrscheinlich" weiterhin täglich am Mittagessen teilnehme, dies jedoch nicht belegt werden könne, weil die Klägerin den Betrag für das Essen in der Kantine - 3,00 Euro pro Vollessen, kleinere Gerichte entsprechend billiger - bar bezahle; die von der Beklagten vorgelegten Gutschriften beträfen die Rückerstattung von überwiesenen Essensbeiträgen für die Monate Dezember 2005 sowie Januar und Februar 2006 in Höhe von jeweils 45,00 Euro, da die Klägerin (aufgrund Eigenanteils) ab Dezember 2005 keine Essenmarken über die Einrichtung mehr bezogen habe.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Ihre Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG); Berufungsbeschränkungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Zutreffend verfolgt die Klägerin ihre Berufung gegen die Stadt Reutlingen; diese ist als Delegationsnehmerin des L. R. (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Delegationssatzung vom 16./22. März 2005 i.V.m. § 99 Abs. 1 SGB XII, § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII in der Fassung des Art. 122 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1. Juli 2004 - VRG - (GBl. S. 469, 534)) passivlegitimiert (vgl. hierzu BSGE 103, 178 = SozR 4-3500 § 25 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 9); BSG, Urteil vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 21/08 R - (juris; Rdnr. 11)).
Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) sind das - trotz fehlender Rechtsbehelfsbelehrung als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu qualifizierende - Schreiben der Beklagten vom 21. Dezember 2005, der Bescheid vom 26. Januar 2006 und das weitere - ebenfalls eine Regelung nach § 31 Satz 1 SGB X beinhaltende, einen Kostenbeitrag erst ab 1. Dezember 2005 fordernde - Schreiben der Beklagten vom 26. Januar 2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007. Das am 9. Januar 2006 bei der Beklagten eingegangene Schreiben der Klägerin ist - wie vom Senat bereits im Beschluss vom 29. Januar 2008 (L 7 SO 5389/07 PKH-B) ausgeführt - als Widerspruch gegen das vorbezeichnete Schreiben vom 21. Dezember 2005 auszulegen. Über alle vorgenannten Verwaltungsakte hat das Landratsamt Reutlingen sinngemäß im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2007 befunden; das Vorverfahren als Klagevoraussetzung (§ 78 Abs.1 Satz 1 SGG) ist mithin abgeschlossen. Zutreffende Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG).
Die streitbefangenen Verwaltungsakte sind rechtswidrig. Verfahrensrechtlich ist die Entscheidung der Beklagten an der Bestimmung des § 45 SGB X zu messen. Denn der LWV hatte mit seinem Schreiben vom 21. September 2001 auf der Grundlage der von der Klägerin unter dem 12. September 2001 gemachten Angaben auf dem ihm übermittelten Fragebogen verfügt, dass diese hinsichtlich der in der WfbM eingenommenen Mittagessen keine Kostenbeitragspflicht treffe und die Mittagessen weiterhin kostenlos seien. Dieses Schreiben ist aus der Sicht eines verständigen objektiven Erklärungsempfängers (vgl. hierzu etwa BSGE 89, 90, 100 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3; BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 12/08 R - (Rdnr. 11) = FEVS 62, 71) gleichfalls als Regelung eines Einzelfalls im Sinne der Bestimmung des § 31 Satz 1 SGB X, die über § 68 Nr. 11 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983)) auch für Verwaltungsakte aus dem Bereich des BSHG anzuwenden war, auszulegen, denn es konnte nur so verstanden werden, dass der LWV damit verbindlich festlegen wollte, die Klägerin werde aufgrund ihrer ihm mitgeteilten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen. Dass der LWV im Übrigen selbst hierüber durch Verwaltungsakt entscheiden wollte, lässt sich seinem Vermerk auf dem oben bezeichneten, am 21. September 2001 zurückgereichten Fragebogen entnehmen, dass wegen der Unterschreitung des doppelten Regelsatzes "nach Anteil Miete" ein Bescheid zu erteilen sei. An diese Verwaltungsentscheidung des LWV, dessen bis zum 31. Dezember 2004 wahrgenommene Aufgaben gemäß § 2 des Gesetzes zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände - LWV-AuflösungsG - (in der Fassung des Art. 177 VRG (GBl. 2004 S. 469, 570)) i.V.m. Art. 187 Abs. 1 VRG mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf die Stadt- und Landkreise übergegangen waren, ist die Beklagte als Delegationsnehmerin des gemäß §§ 97 Abs. 1, 98 SGB XII sachlich und örtlich zuständigen Landkreises Reutlingen gemäß der Übergangsregelung in § 12 Abs. 1 LWV-AuflösungsG gebunden. Dort ist bestimmt, dass der ab 1. Januar 2005 zuständige Stadt- und Landkreis in den übergangenen Leistungsfällen in die Rechte und Pflichten des bisher örtlich zuständigen Landeswohlfahrtsverbands eintritt, und weiter, dass Leistungszusagen des bis 31. Dezember 2004 örtlich zuständigen Landeswohlfahrtsverbands von dem ab 1. Januar 2005 zuständigen Träger nur nach den Vorschriften des SGB X zurückgenommen oder widerrufen werden können (vgl. Sätze 1 und 2 a.a.O.).
Die Bindungswirkung des Schreibens des LWV vom 21. September 2001 könnte nur durchbrochen werden, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen wäre und die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen des § 45 SGB X von der Beklagten beachtet worden wären. Das ist indessen nicht der Fall. Eine tatsächlich oder rechtlich wesentliche Änderung, welche die Beklagte zu einem Vorgehen nach § 48 SGB X berechtigt hätte, lag von vornherein nicht vor. Die genannte Vorschrift ist nur anzuwenden, wenn die Regelung in einem Dauerverwaltungsakt durch eine nachträgliche Entwicklung rechtswidrig wird, während auf § 45 SGB X in Abgrenzung hierzu zurückzugreifen ist, wenn der begünstigende Bescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R - (Rdnr. 16) FEVS 60, 546). Ebenso sind die Voraussetzungen für einen Widerruf (§ 47 SGB X) gegeben. Das zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein unanfechtbar gewordener rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 a.a.O. ganz oder teilweise zurückgenommen werden; aus dem Wort "darf" folgt, dass die Rücknahme eines solchen Verwaltungsakt grundsätzlich eine Ermessensausübung gebietet (vgl. BSGE 59, 157, 169 = SozR 1300 § 45 Nr.19; BSGE 66, 204, 206 f. = SozR 3-1300 § 45 Nr. 1). Hier ist von der Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden allerdings eine Rücknahme des Schreiben des LWV vom 21. September 2001 nicht ausgesprochen worden, weil sie offensichtlich gemeint hat, dieser Verwaltungsakt finde angesichts sich immer wieder ändernder persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse keine "dauerhafte Anwendung". Dies trifft freilich schon mit Blick auf dessen auch von ihr zu beachtende Bindungswirkung nicht zu. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des vorbezeichneten Verwaltungsakts sind damit auf jeden Fall nicht erfüllt. Denn wäre die Entscheidung des LWV, die Klägerin zu einem Kostenbeitrag nicht heranzuziehen, rechtswidrig, fehlt es an einer die Vorschrift des § 45 SGB X beachtenden Kassation dieses Verwaltungsakts durch die Beklagte. Wäre der Verwaltungsakt des LWV dagegen rechtmäßig, könnte § 45 SGB X ohnehin nicht durchgreifen, weil die Bestimmung nur rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte erfasst.
Die Kostenbeitragspflicht für die sog. erweiterten Hilfen war seinerzeit geregelt in § 43 BSHG in der ab 1. Juli 2001 geltenden Fassung des Art. 15 des SGB IX. § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 1. Halbs. BSHG bestimmten in der damaligen Fassung: Erfordert die Behinderung die Gewährung der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim, einer Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, ist die Hilfe hierfür auch dann in vollem Umfang zu gewähren, wenn den in § 28 BSHG genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist; in Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der Hilfe beizutragen. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG (in der Fassung des SGB IX) ist den in § 28 BSHG genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 SGB IX. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Regelsatzes nach § 22 Abs. 1 BSHG nicht übersteigt (Satz 3 a.a.O. (ebenfalls in der Fassung des SGB IX)). Die vorgenannten Bestimmungen sind in der Folgezeit ohne wesentliche Änderungen geblieben. Lediglich in § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG ist mit Wirkung vom 1. Mai 2002 durch Art. 27 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467) klarstellend bestimmt worden, dass vom Regelsatz eines Haushaltsvorstandes auszugehen sei (vgl. hierzu auch Meusinger in Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Auflage, § 43 Rdnr. 14). Auch die ab 1. Januar 2005 geltende Fassung des § 92 SGB XII (eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022)) hat insoweit keine rechtlich wesentlichen Änderungen gebracht. Erfordert die Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztlich oder ärztlich verordnete Maßnahmen, sind die Leistungen hierfür gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist; in Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen (Satz 2 1. Halbs. a.a.O.). Den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen ist die Aufbringung der Mittel bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 SGB IX nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten (§ 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII). Die in Satz 1 a.a.O. genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII ist die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes nicht übersteigt.
Die vorstehend zitierten Bestimmungen des § 43 BSHG und des § 92 SGB XII ergeben mithin inhaltsgleiche Regelungen für die Heranziehung des Leistungsberechtigten zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen in einer WfbM. Bereits im Jahr 2001 überschritt allerdings schon die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin, die sich ausweislich der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 auf einen monatlichen Zahlbetrag von 1.363,85 DM belief, den doppelten Regelsatz eines Haushaltsvorstands bei weitem, und zwar auch unter Abzug des Arbeitsmittelpauschbetrags von 10,00 DM (vgl. § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG vom 28. November 1962 - DVO - (BGBl. I S. 692)). Denn der Regelsatz für den Haushaltsvorstand und für allein stehende Personen betrug ab Juli 2001 in Baden-Württemberg monatlich 562,00 DM, der doppelte Regelsatz mithin 1.124,00 DM, wie bereits im Schreiben des LWV vom 8. August 2001 genannt. Auch zum Zeitpunkt des Ergehens der hier streitbefangenen Bescheide der Beklagten ist schon das Renteneinkommen der Klägerin mit einem monatlichen Zahlbetrag von 714,34 Euro - selbst nach Abzug des Arbeitsmittelpauschbetrags von 5,20 Euro (§ 3 Abs. 5 DVO in der Fassung des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21. März 2005 (BGBl. I S. 818)) - weit höher gewesen als der zweifache Eckregelsatz; dieser ist durch Verordnung der Landesregierung über die Festsetzung der Regelsätze in der Sozialhilfe vom 14. Juni 2005 (GBl. S. 409) ab 1. Juli 2005 für den Haushaltsvorstand und allein stehende Personen auf 345,00 Euro festgesetzt worden.
Unter den Beteiligten umstritten ist nun allerdings das Verhältnis der Regelungen zur Kostenbeitragspflicht in § 43 Abs. 2 BSHG/§ 92 Abs. 2 SGB XII zum jeweiligen Absatz 1 der Bestimmungen. Zwar stellt § 92 Abs. 2 SGB XII (§ 43 Abs. 2 BSHG) eine gegenüber § 92 Abs. 1 SGB XII (§ 43 Abs. 1 BSHG) eigenständige Regelung zur begrenzten Heranziehung des behinderten Menschen und seiner Angehörigen dar (vgl. Behrend in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage, § 92 Rdnr. 6 (Stand: 02.02.2011); zu § 43 BSHG schon Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 48, 228, 234). Daraus könnte der vom Senat in dem unter den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 29. Januar 2008 (L 7 SO 5389/07 PKH-B) dargestellte Schluss gezogen werden, dass es sich bei der beschränkten Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen in einer WfbM nach § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII (§ 43 Abs.2 Satz 3 BSHG) um eine spezielle abschließende Regelung handelt, die die allgemeinen Regelungen über die Anrechnung von Einkommen verdrängt (so zu § 43 BSHG auch Verwaltungsgericht Halle (Saale), Urteil vom 6. Oktober 2004 - 4 A 177/02 - (juris); Lippert in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 92 SGB XII Rdnr. 16 (Stand: August 2007); Conradis in LPK-BSHG, 6. Auflage, § 81 Rdnr. 4). Viel könnte allerdings auch für die Gegenmeinung sprechen, die - ausgehend vom Zumutbarkeitsbegriff in § 92 Abs. 1 SGB XII - eine ergänzende Heranziehung der Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen (§§ 82 ff. SGB XII) verlangt (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 24. September 2009 - L 8 SO 154/07 - FEVS 61, 321 und vom 25. Februar 2010 - L 8 SO 5/08 - (juris) (Revision anhängig beim BSG - B 8 SO 6/10 R -); Behrend, a.a.O., Rdnr. 6; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 92 Rdnr. 13). Möglicherweise hat der LWV diese Ansicht bereits im Jahr 2001 vertreten.
Wäre der letztgenannten Auffassung zuzustimmen, so wären die streitbefangenen Bescheide bereits deswegen rechtswidrig, weil der Klägerin unter Beachtung der besonderen Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB XII eine Mittelaufbringung nicht zumutbar wäre; denn ihr Einkommen (Nettorente, Werkstatteinkommen, Wohngeld) unterschreitet zu dem bei Anfechtungsklagen - wie hier - maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 (vgl. hierzu etwa BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 (jeweils Rdnr. 15)) bei einem Ansatz des doppelten Regelsatzes und der von ihr zu zahlenden, auch von der Beklagten als angemessen erachteten Kaltmiete die Einkommensgrenze deutlich (vgl. auch die im Juni 2006 angestellten Berechnungen der Beklagten zum - verneinten - Kostenbeitrag für das betreute Wohnen, Bl. 64, ferner Bl. 379 der Verwaltungsakten). Eine Ermessensentscheidung - wie sie § 88 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 a.a.O.) verlangt (vgl. etwa BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5 (jeweils Rdnr. 26); ferner BVerwG Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 7) - hat die Beklagte von ihrem Rechtsstandpunkt aus ohnehin nicht getroffen. Träfe dagegen die Ansicht der Beklagten zu, wäre der Verwaltungsakt des LWV vom 21. September 2001 zwar wegen der oben dargestellten Überschreitung des doppelten Regelsatzes von Anfang an rechtswidrig gewesen. Diesen Verwaltungsakt hätte die Beklagte aber nur über ein Vorgehen nach § 45 SGB X - was sie nicht erkannt hat - korrigieren können, wobei einer Rücknahmeentscheidung ohnehin bereits die Zweijahresfrist des Abs. 3 Satz 1 a.a.O. (und im Übrigen selbst die Frist des Satz 3 a.a.O.) entgegengestanden haben dürfte. Schon wegen der nach § 45 Abs.1 SGB X regelmäßig gebotenen Ermessenausübung käme auch eine Umdeutung (§ 43 SGB X; vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 43 Nr. 1) nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) im Rahmen der nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gewährten Eingliederungshilfe.
Die 1960 geborene Klägerin leidet aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung an einer infantilen Zerebralparese mit armbetonter Hemispastik links; sie ist leicht geistig behindert im Sinne einer Minderbegabung. Seit 15. August 1983 ist sie im Arbeitsbereich der Beschützenden Werkstätte der G.-W.-S. (jetzt Bruderhaus D. W. für behinderte Menschen) - einer anerkannten WfbM - in R. aufgenommen. Die Klägerin bezieht aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit Juni 1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sich ab 1. Oktober 2005 (nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) auf einen monatlichen Zahlbetrag von 714,34 Euro belief (Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 15. August 2005). Sie erhielt außerdem für ihre Tätigkeit in der WfbM ausweislich der Gehaltsmitteilungen für die Monate Juli 2005 und Januar 2006 monatliche Bezüge von (brutto) 140,00 Euro, die sich aus dem Grundbetrag (67,00 Euro), dem Steigerungsbetrag (47,00 Euro) und einem Arbeitsförderungsgeld in Höhe von 26,00 Euro zusammensetzten, sowie außerdem ab 1. September 2005 Wohngeld in Höhe von monatlich 44,00 Euro (Bescheid der Wohngeldstelle vom 8. Juli 2005). Für die ihr von der B. D. S. G. W. und H. am B. vermietete Wohnung (Gesamtfläche 46,32 m²) hatte sie ab 1. April 2004 eine monatliche Gesamtmiete (einschließlich Nebenkosten) von 381,43 Euro (Kaltmiete ohne Einbauküche 238,55 Euro, mit Einbauküche 243,66 Euro) zu zahlen. Die Klägerin arbeitet in der WfbM an fünf Tagen in der Woche (Montag bis Freitag) halbtags vier Stunden täglich von 7.45 bis 11.45 Uhr.
Die Klägerin lebte zunächst im Wohngruppenverbund der Stiftung und konnte ab 15. November 1987 in eine Mietwohnung umziehen. Die Maßnahmekosten für den Besuch der WfbM sowie für die Kosten der ambulanten Einzelbetreuung (begleitende Hilfe im ambulant betreuten Wohnen) im Rahmen der Eingliederungshilfe übernahm zunächst die Beklagte, ab Januar 2000 der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern (LWV) als seinerzeit überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Im Zuge der durch das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) in § 43 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) eingeführten Rechtsänderungen forderte der LWV von der Klägerin mit Schreiben vom 8. August 2001 zum Zweck der Prüfung, ob ein Kostenbeitrag für das in der WfbM eingenommene Mittagessen - derzeitiger Freibetrag "i.d.R. 1.124,00 DM" - zu bezahlen sei, einen Fragebogen an, welchen die Klägerin am 21. September 2001 einreichte. In diesem unter dem 12. September 2001 unterzeichneten Fragebogen, zu dem sie die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 sowie eine Bescheinigung der WfbM über die für Juli 2001 gezahlte Arbeitsprämie vorlegte, gab die Klägerin ein Arbeitsentgelt, bestehend aus dem Grundbetrag (130,00 DM), dem Steigerungsbetrag (93,00 DM) sowie einem Arbeitsförderungsgeld (50,00 DM) an, ferner eine Rente von 1.355,70 DM und ein Wohngeld von 62,00 DM; dem stünden monatliche Ausgaben u.a. in Form der Miete von 640,00 DM gegenüber. Mit Blick darauf ging der LWV ausweislich eines Vermerks auf dem vorgenannten Fragebogen von einer Unterschreitung des doppelten Regelsatzes "nach Abzug der Miete" aus. Mit einem - nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Schreiben vom 21. September 2001 teilte er der Klägerin darauf mit, aufgrund von deren Angaben im Fragebogen ergebe sich ab 1. Juli 2001 keine Kostenbeitragspflicht; die Mittagessen, die in der Einrichtung eingenommen würden, seien weiterhin kostenlos. Zugleich bat der LWV die Klägerin um Nachricht, falls sich in Zukunft in den wirtschaftlichen Verhältnissen Änderungen ergäben.
Nachdem im Zuge der Verwaltungsreform die Aufgaben der Eingliederungshilfe mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe übergegangen waren, wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 30. Mai 2005 an die Klägerin zum Zwecke der Überprüfung der Vermögensverhältnisse; die entsprechende Vermögenserklärung gab diese am 27. September 2005 ab (Sparbuch, derzeitiger Einlagebestand 101,68 Euro). Mit Schreiben vom 22. November 2005 übersandte ihr die Beklagte ferner einen "Fragebogen zur Feststellung des Bezuges von Unfallrente und Prüfung eines Kostenbeitrags zum Mittagessen bei teilstationärer Sozialhilfe in WfbM und Förder- und Betreuungsgruppe". Diesen reichte die Klägerin am 14. Dezember 2005 ausgefüllt und unterschrieben zurück.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse könne ihr gemäß "§ 92 bzw. § 85 SGB XII" zugemutet werden, ab 1. November 2005 die in der WfbM eingenommenen Mittagessen selbst zu bezahlen. Mit einem weiteren Schreiben vom 21. Dezember 2005 bat sie die WfbM, ab 1. November 2005 pro eingenommenem Mittagessen 3,00 Euro mit dem Arbeitsentgelt zu verrechnen und die Beträge an der Vergütungsabrechnung in Abzug zu bringen. Am 2. Januar 2006 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor, um mitzuteilen, dass sie ab 2006 das Mittagessen in der WfbM nicht mehr einnehme, weil es ihr zu teuer sei; davon wurde die WfbM mit Schreiben der Beklagten vom 2. Januar 2006 unterrichtet. Mit einem am 9. Januar 2006 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin die "Befreiung vom Kostenbeitrag" für das Mittagessen in der WfbM, weil es ihr nach § 85 SGB XII nicht zugemutet werden könne, ihr Mittagessen selbst zu zahlen. Die Kosten der Unterkunft lägen bei 346,87 Euro (Kaltmiete 243,66 Euro, Nebenkosten 112,21 Euro abzüglich Energiepauschale 9,00 Euro), sodass sich bei ihr eine Einkommensgrenze von 1.036,87 Euro (690,00 Euro + 346,87 Euro) ergebe; demgegenüber bestehe ihr Einkommen aus der Erwerbsunfähigkeitsrente von 714,34 Euro, dem Wohngeld von 44,00 Euro sowie der um das Arbeitsförderungsgeld, die Arbeitsmittel und den Freibetrag bereinigten Arbeitsprämie von 47,03 Euro, insgesamt also 805,37 Euro. Mit Bescheid vom 26. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil das Einkommen der Klägerin den nach § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII maßgeblichen doppelten Eckregelsatz von 690,00 Euro überschreite. Mit einem weiteren Schreiben vom 26. Januar 2006 teilte die Beklagte der Klägerin außerdem mit, dass der mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 festgesetzte Kostenbeitrag für das Mittagessen in der WfbM erst am 1. Dezember 2005 fällig werde, sie mithin für den November 2005 keinen Kostenbeitrag zahlen müsse. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des L. R. vom 6. Juni 2007 zurückgewiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 19. Juli 2007 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII sei auch im Rahmen des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII heranzuziehen. Folgte man der Auffassung der Beklagten, dass für Leistungen in der WfbM eine Einkommensgrenze in Höhe des doppelten Eckregelsatzes ohne Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft gelte, würde dies zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Personen führen, die keine Unterkunftskosten aufzuwenden hätten, etwa weil sie kostenfrei bei ihren Eltern zu Hause wohnen könnten. § 92 Abs. 2 SGB XII sei deshalb dahingehend auszulegen, dass vom Einkommen zunächst die angemessenen Kosten der Unterkunft abzusetzen seien; lediglich wenn das nach Abzug der Unterkunftskosten verbleibende Einkommen von Personen, die Leistungen in der WfbM erhielten, den doppelten Eckregelsatz übersteige, könne von diesen ein Kostenbeitrag verlangt werden. Nur in dieser Auslegung könne auch ein Wertungswiderspruch zwischen § 85 und § 92 SGB XII vermieden werden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; in § 92 Abs. 2 SGB XII sei bezogen auf die dort genannten Leistungen der Eingliederungshilfe eine Sonderregelung zu sehen, die eine Anwendung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII einschränke. Der Sozialhilfeträger sei angesichts der gesetzlichen Regelung gehalten, von der Klägerin einen Kostenbeitrag für das in der WfbM eingenommene Mittagessen zu erheben. Die Erhebung eines Kostenbeitrags von 3,00 Euro werde für angemessen erachtet und übersteige den tatsächlichen finanziellen Wert und Abgabepreis eines Mittagessens in der WfbM nicht. Dem Landkreis Reutlingen als Sozialhilfeträger lägen, basierend auf dem Jahr 2006, Nachweise zur Kalkulation eines Mittagessens vor, die unter Berücksichtigung des Wareneinsatzes, der Kosten der Herstellung sowie des Abgabepreises an externe Dritte den Betrag von 3,00 Euro überschritten. Mit Gerichtsbescheid vom 1. August 2008 hat das SG die Klage abgewiesen; in den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, der hier einschlägige § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII sei gegenüber § 85 Abs. 1 SGB XII spezieller und abschließend. Die Regelung sei zwingend, sodass bei einem den doppelten Eckregelsatz übersteigenden Einkommen der Sozialhilfeträger einen Kostenbeitrag fordern müsse, ohne dass ein Ermessensspielraum bestehe.
Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18. August 2008 beim Landesozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII nicht die gegenüber § 85 Abs. 1 SGB XII vorrangige, speziellere Regelung sei. § 92 Abs. 2 SGB XII könne nicht unabhängig von Abs. 1 a.a.O. gesehen werden, sondern setze voraus, das auch die dortigen Voraussetzungen vorlägen. Da sie die allgemeine Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII nicht überschreite, sei ihr die Aufbringung der Mittel nicht zumutbar. Das Bundessozialgericht (BSG) verweise in seinem Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8 SO 10/07 R - darauf, dass dem behinderten Menschen die Tragung der Kosten für das Mittagessen gerade nicht schon aus der Grundsicherungsleistung zugemutet werden solle. Dies wäre aber im Einzelfall die Folge, wenn beim Einkommen, unabhängig von den Kosten der Unterkunft, allein auf den Eckregelsatz abgestellt werde, da bei entsprechenden, die Höhe eines Eckregelsatzes übersteigenden Unterkunftskosten dem Behinderten gleichwohl ein Kostenbeitrag abverlangt werden könnte, obwohl ihm nach Abzug seiner Unterkunftskosten lediglich ein Betrag in Höhe der Grundsicherungsleistung verbleibe. Seitdem ein Kostenbeitrag für das Mittagessen in der WfbM gefordert werde, nehme sie nur noch gelegentlich am WfbM-Mittagessen teil, wobei sie dann die Kosten jeweils direkt bezahle; in der Regel gehe sie jedoch seither zum Mittagessen nach Hause und bereite sich dort selbst ein Essen zu. Bestritten werde die Behauptung der Beklagten, dass der Wareneinsatz sowie die Kosten der Herstellung eines Mittagessens den Betrag von 3,00 Euro übersteigen würden. Letztlich gehe das SG zu Unrecht davon aus, dass der Sozialhilfeträger einen Kostenbeitrag fordern müsse und ihm weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Ermessen eingeräumt sei. Die Klägerin hat verschiedene Bescheinigungen zur Höhe der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie zum Verdienst in der WfbM, ferner den Mietvertrag vom 12./15. September 1994, weitere Mietberechnungen der BruderhausDiakonie sowie Kopien ihres Sparbuchs zu den Akten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. August 2008 sowie das Schreiben vom 21. Dezember 2005, den Bescheid vom 26. Januar 2006 und das weitere Schreiben vom 26. Januar 2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Entscheidung des LWV vom 21. September 2001 habe sich auf die damaligen Verhältnisse der Klägerin bezogen und könne nach ihrer Auffassung angesichts sich immer wieder ändernder persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse keine dauerhafte Anwendung finden. Das Einkommen der Klägerin übersteige den doppelten Eckregelsatz deutlich; bei der Bemessung der Einkommensgrenze sei sie von § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII als spezieller und abschließender Regelung ausgegangen. Obwohl in dem Bescheid vom 26. Januar 2006 und im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2007 nicht ausdrücklich erwähnt, seien bei der Festsetzung des Kostenbeitrages in Höhe von 3,00 Euro/Mittagessen die tatsächlichen Herstellungskosten für ein in einer WfbM angebotenes Mittagessen berücksichtigt. Bei einer vom Landkreis Reutlingen veranlassten Umfrage vom 8. September 2006, in welche die Werkstätten der BruderhausDiakonie Reutlingen, der LWV-Eingliederungshilfe GmbH R., des Samariterstifts Grafenberg, der M. H., des F. G. sowie der H. E. eingebunden gewesen seien, sei aus den zurückgemeldeten Daten deutlich geworden, dass der Wareneinsatz sowie die Kosten der Herstellung und die Berücksichtigung des Abgabepreises, z.B. an Dritte, den Betrag von 3,00 Euro überstiegen. Angaben lägen außerdem vor von den Kreiskliniken Reutlingen, der Kantine der F.E. GmbH sowie zwei weiteren WfbM-Einrichtungen, außerdem von Reutlinger Schulen und Kindertageseinrichtungen; danach sei der Kostenbeitrag in Höhe von 3,00 Euro für ein Mittagessen gerechtfertigt. Soweit die Klägerin für das Mittagessen in der WfbM 3,00 Euro in bar entrichte, müsse sie mit Blick auf die von ihr übernommene "Werkstattpauschale" den Schluss ziehen, dass die Verpflegung sowohl vom Sozialhilfeträger als auch von jener und damit doppelt gezahlt werde. Dieser Barbetrag hätte ihr deshalb in Form des Kostenbeitrags zufließen müssen. Die Beklagte hat u.a. eine anonymisierte Aufstellung zu einer Erhebung des L. R. vom Juli 2008, eine anonymisierte Zusammenstellung der Verpflegungskosten für die Kindertagesverpflegung in gecaterten Kinderbetreuungseinrichtungen ihrer Kommune, eine Aufstellung ihrer Schulabteilung zum Mittagessensangebot in R. Schulen sowie zwei Gutschriften der BruderhausDiakonie vom 1. März und 15. April 2006 vorgelegt.
Der Senat hat von der B.D. Stiftung G. W. und H. am B. die Auskünfte vom 20. Juli 2009 und 18. Mai 2010 eingeholt. Diese hat dort mitgeteilt, dass die Klägerin "wahrscheinlich" weiterhin täglich am Mittagessen teilnehme, dies jedoch nicht belegt werden könne, weil die Klägerin den Betrag für das Essen in der Kantine - 3,00 Euro pro Vollessen, kleinere Gerichte entsprechend billiger - bar bezahle; die von der Beklagten vorgelegten Gutschriften beträfen die Rückerstattung von überwiesenen Essensbeiträgen für die Monate Dezember 2005 sowie Januar und Februar 2006 in Höhe von jeweils 45,00 Euro, da die Klägerin (aufgrund Eigenanteils) ab Dezember 2005 keine Essenmarken über die Einrichtung mehr bezogen habe.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Ihre Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG); Berufungsbeschränkungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Zutreffend verfolgt die Klägerin ihre Berufung gegen die Stadt Reutlingen; diese ist als Delegationsnehmerin des L. R. (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Delegationssatzung vom 16./22. März 2005 i.V.m. § 99 Abs. 1 SGB XII, § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII in der Fassung des Art. 122 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1. Juli 2004 - VRG - (GBl. S. 469, 534)) passivlegitimiert (vgl. hierzu BSGE 103, 178 = SozR 4-3500 § 25 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 9); BSG, Urteil vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 21/08 R - (juris; Rdnr. 11)).
Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) sind das - trotz fehlender Rechtsbehelfsbelehrung als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu qualifizierende - Schreiben der Beklagten vom 21. Dezember 2005, der Bescheid vom 26. Januar 2006 und das weitere - ebenfalls eine Regelung nach § 31 Satz 1 SGB X beinhaltende, einen Kostenbeitrag erst ab 1. Dezember 2005 fordernde - Schreiben der Beklagten vom 26. Januar 2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007. Das am 9. Januar 2006 bei der Beklagten eingegangene Schreiben der Klägerin ist - wie vom Senat bereits im Beschluss vom 29. Januar 2008 (L 7 SO 5389/07 PKH-B) ausgeführt - als Widerspruch gegen das vorbezeichnete Schreiben vom 21. Dezember 2005 auszulegen. Über alle vorgenannten Verwaltungsakte hat das Landratsamt Reutlingen sinngemäß im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2007 befunden; das Vorverfahren als Klagevoraussetzung (§ 78 Abs.1 Satz 1 SGG) ist mithin abgeschlossen. Zutreffende Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG).
Die streitbefangenen Verwaltungsakte sind rechtswidrig. Verfahrensrechtlich ist die Entscheidung der Beklagten an der Bestimmung des § 45 SGB X zu messen. Denn der LWV hatte mit seinem Schreiben vom 21. September 2001 auf der Grundlage der von der Klägerin unter dem 12. September 2001 gemachten Angaben auf dem ihm übermittelten Fragebogen verfügt, dass diese hinsichtlich der in der WfbM eingenommenen Mittagessen keine Kostenbeitragspflicht treffe und die Mittagessen weiterhin kostenlos seien. Dieses Schreiben ist aus der Sicht eines verständigen objektiven Erklärungsempfängers (vgl. hierzu etwa BSGE 89, 90, 100 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3; BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 12/08 R - (Rdnr. 11) = FEVS 62, 71) gleichfalls als Regelung eines Einzelfalls im Sinne der Bestimmung des § 31 Satz 1 SGB X, die über § 68 Nr. 11 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983)) auch für Verwaltungsakte aus dem Bereich des BSHG anzuwenden war, auszulegen, denn es konnte nur so verstanden werden, dass der LWV damit verbindlich festlegen wollte, die Klägerin werde aufgrund ihrer ihm mitgeteilten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen. Dass der LWV im Übrigen selbst hierüber durch Verwaltungsakt entscheiden wollte, lässt sich seinem Vermerk auf dem oben bezeichneten, am 21. September 2001 zurückgereichten Fragebogen entnehmen, dass wegen der Unterschreitung des doppelten Regelsatzes "nach Anteil Miete" ein Bescheid zu erteilen sei. An diese Verwaltungsentscheidung des LWV, dessen bis zum 31. Dezember 2004 wahrgenommene Aufgaben gemäß § 2 des Gesetzes zur Auflösung der Landeswohlfahrtsverbände - LWV-AuflösungsG - (in der Fassung des Art. 177 VRG (GBl. 2004 S. 469, 570)) i.V.m. Art. 187 Abs. 1 VRG mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf die Stadt- und Landkreise übergegangen waren, ist die Beklagte als Delegationsnehmerin des gemäß §§ 97 Abs. 1, 98 SGB XII sachlich und örtlich zuständigen Landkreises Reutlingen gemäß der Übergangsregelung in § 12 Abs. 1 LWV-AuflösungsG gebunden. Dort ist bestimmt, dass der ab 1. Januar 2005 zuständige Stadt- und Landkreis in den übergangenen Leistungsfällen in die Rechte und Pflichten des bisher örtlich zuständigen Landeswohlfahrtsverbands eintritt, und weiter, dass Leistungszusagen des bis 31. Dezember 2004 örtlich zuständigen Landeswohlfahrtsverbands von dem ab 1. Januar 2005 zuständigen Träger nur nach den Vorschriften des SGB X zurückgenommen oder widerrufen werden können (vgl. Sätze 1 und 2 a.a.O.).
Die Bindungswirkung des Schreibens des LWV vom 21. September 2001 könnte nur durchbrochen werden, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen wäre und die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen des § 45 SGB X von der Beklagten beachtet worden wären. Das ist indessen nicht der Fall. Eine tatsächlich oder rechtlich wesentliche Änderung, welche die Beklagte zu einem Vorgehen nach § 48 SGB X berechtigt hätte, lag von vornherein nicht vor. Die genannte Vorschrift ist nur anzuwenden, wenn die Regelung in einem Dauerverwaltungsakt durch eine nachträgliche Entwicklung rechtswidrig wird, während auf § 45 SGB X in Abgrenzung hierzu zurückzugreifen ist, wenn der begünstigende Bescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R - (Rdnr. 16) FEVS 60, 546). Ebenso sind die Voraussetzungen für einen Widerruf (§ 47 SGB X) gegeben. Das zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein unanfechtbar gewordener rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 a.a.O. ganz oder teilweise zurückgenommen werden; aus dem Wort "darf" folgt, dass die Rücknahme eines solchen Verwaltungsakt grundsätzlich eine Ermessensausübung gebietet (vgl. BSGE 59, 157, 169 = SozR 1300 § 45 Nr.19; BSGE 66, 204, 206 f. = SozR 3-1300 § 45 Nr. 1). Hier ist von der Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden allerdings eine Rücknahme des Schreiben des LWV vom 21. September 2001 nicht ausgesprochen worden, weil sie offensichtlich gemeint hat, dieser Verwaltungsakt finde angesichts sich immer wieder ändernder persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse keine "dauerhafte Anwendung". Dies trifft freilich schon mit Blick auf dessen auch von ihr zu beachtende Bindungswirkung nicht zu. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des vorbezeichneten Verwaltungsakts sind damit auf jeden Fall nicht erfüllt. Denn wäre die Entscheidung des LWV, die Klägerin zu einem Kostenbeitrag nicht heranzuziehen, rechtswidrig, fehlt es an einer die Vorschrift des § 45 SGB X beachtenden Kassation dieses Verwaltungsakts durch die Beklagte. Wäre der Verwaltungsakt des LWV dagegen rechtmäßig, könnte § 45 SGB X ohnehin nicht durchgreifen, weil die Bestimmung nur rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte erfasst.
Die Kostenbeitragspflicht für die sog. erweiterten Hilfen war seinerzeit geregelt in § 43 BSHG in der ab 1. Juli 2001 geltenden Fassung des Art. 15 des SGB IX. § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 1. Halbs. BSHG bestimmten in der damaligen Fassung: Erfordert die Behinderung die Gewährung der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim, einer Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, ist die Hilfe hierfür auch dann in vollem Umfang zu gewähren, wenn den in § 28 BSHG genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist; in Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der Hilfe beizutragen. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG (in der Fassung des SGB IX) ist den in § 28 BSHG genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 SGB IX. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Regelsatzes nach § 22 Abs. 1 BSHG nicht übersteigt (Satz 3 a.a.O. (ebenfalls in der Fassung des SGB IX)). Die vorgenannten Bestimmungen sind in der Folgezeit ohne wesentliche Änderungen geblieben. Lediglich in § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG ist mit Wirkung vom 1. Mai 2002 durch Art. 27 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467) klarstellend bestimmt worden, dass vom Regelsatz eines Haushaltsvorstandes auszugehen sei (vgl. hierzu auch Meusinger in Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Auflage, § 43 Rdnr. 14). Auch die ab 1. Januar 2005 geltende Fassung des § 92 SGB XII (eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022)) hat insoweit keine rechtlich wesentlichen Änderungen gebracht. Erfordert die Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztlich oder ärztlich verordnete Maßnahmen, sind die Leistungen hierfür gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist; in Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen (Satz 2 1. Halbs. a.a.O.). Den in § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen ist die Aufbringung der Mittel bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 SGB IX nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten (§ 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII). Die in Satz 1 a.a.O. genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII ist die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 a.a.O. aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes nicht übersteigt.
Die vorstehend zitierten Bestimmungen des § 43 BSHG und des § 92 SGB XII ergeben mithin inhaltsgleiche Regelungen für die Heranziehung des Leistungsberechtigten zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen in einer WfbM. Bereits im Jahr 2001 überschritt allerdings schon die Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin, die sich ausweislich der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 auf einen monatlichen Zahlbetrag von 1.363,85 DM belief, den doppelten Regelsatz eines Haushaltsvorstands bei weitem, und zwar auch unter Abzug des Arbeitsmittelpauschbetrags von 10,00 DM (vgl. § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG vom 28. November 1962 - DVO - (BGBl. I S. 692)). Denn der Regelsatz für den Haushaltsvorstand und für allein stehende Personen betrug ab Juli 2001 in Baden-Württemberg monatlich 562,00 DM, der doppelte Regelsatz mithin 1.124,00 DM, wie bereits im Schreiben des LWV vom 8. August 2001 genannt. Auch zum Zeitpunkt des Ergehens der hier streitbefangenen Bescheide der Beklagten ist schon das Renteneinkommen der Klägerin mit einem monatlichen Zahlbetrag von 714,34 Euro - selbst nach Abzug des Arbeitsmittelpauschbetrags von 5,20 Euro (§ 3 Abs. 5 DVO in der Fassung des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21. März 2005 (BGBl. I S. 818)) - weit höher gewesen als der zweifache Eckregelsatz; dieser ist durch Verordnung der Landesregierung über die Festsetzung der Regelsätze in der Sozialhilfe vom 14. Juni 2005 (GBl. S. 409) ab 1. Juli 2005 für den Haushaltsvorstand und allein stehende Personen auf 345,00 Euro festgesetzt worden.
Unter den Beteiligten umstritten ist nun allerdings das Verhältnis der Regelungen zur Kostenbeitragspflicht in § 43 Abs. 2 BSHG/§ 92 Abs. 2 SGB XII zum jeweiligen Absatz 1 der Bestimmungen. Zwar stellt § 92 Abs. 2 SGB XII (§ 43 Abs. 2 BSHG) eine gegenüber § 92 Abs. 1 SGB XII (§ 43 Abs. 1 BSHG) eigenständige Regelung zur begrenzten Heranziehung des behinderten Menschen und seiner Angehörigen dar (vgl. Behrend in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage, § 92 Rdnr. 6 (Stand: 02.02.2011); zu § 43 BSHG schon Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 48, 228, 234). Daraus könnte der vom Senat in dem unter den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 29. Januar 2008 (L 7 SO 5389/07 PKH-B) dargestellte Schluss gezogen werden, dass es sich bei der beschränkten Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für das Mittagessen in einer WfbM nach § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII (§ 43 Abs.2 Satz 3 BSHG) um eine spezielle abschließende Regelung handelt, die die allgemeinen Regelungen über die Anrechnung von Einkommen verdrängt (so zu § 43 BSHG auch Verwaltungsgericht Halle (Saale), Urteil vom 6. Oktober 2004 - 4 A 177/02 - (juris); Lippert in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 92 SGB XII Rdnr. 16 (Stand: August 2007); Conradis in LPK-BSHG, 6. Auflage, § 81 Rdnr. 4). Viel könnte allerdings auch für die Gegenmeinung sprechen, die - ausgehend vom Zumutbarkeitsbegriff in § 92 Abs. 1 SGB XII - eine ergänzende Heranziehung der Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen (§§ 82 ff. SGB XII) verlangt (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 24. September 2009 - L 8 SO 154/07 - FEVS 61, 321 und vom 25. Februar 2010 - L 8 SO 5/08 - (juris) (Revision anhängig beim BSG - B 8 SO 6/10 R -); Behrend, a.a.O., Rdnr. 6; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 92 Rdnr. 13). Möglicherweise hat der LWV diese Ansicht bereits im Jahr 2001 vertreten.
Wäre der letztgenannten Auffassung zuzustimmen, so wären die streitbefangenen Bescheide bereits deswegen rechtswidrig, weil der Klägerin unter Beachtung der besonderen Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB XII eine Mittelaufbringung nicht zumutbar wäre; denn ihr Einkommen (Nettorente, Werkstatteinkommen, Wohngeld) unterschreitet zu dem bei Anfechtungsklagen - wie hier - maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 (vgl. hierzu etwa BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 (jeweils Rdnr. 15)) bei einem Ansatz des doppelten Regelsatzes und der von ihr zu zahlenden, auch von der Beklagten als angemessen erachteten Kaltmiete die Einkommensgrenze deutlich (vgl. auch die im Juni 2006 angestellten Berechnungen der Beklagten zum - verneinten - Kostenbeitrag für das betreute Wohnen, Bl. 64, ferner Bl. 379 der Verwaltungsakten). Eine Ermessensentscheidung - wie sie § 88 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 a.a.O.) verlangt (vgl. etwa BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5 (jeweils Rdnr. 26); ferner BVerwG Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 7) - hat die Beklagte von ihrem Rechtsstandpunkt aus ohnehin nicht getroffen. Träfe dagegen die Ansicht der Beklagten zu, wäre der Verwaltungsakt des LWV vom 21. September 2001 zwar wegen der oben dargestellten Überschreitung des doppelten Regelsatzes von Anfang an rechtswidrig gewesen. Diesen Verwaltungsakt hätte die Beklagte aber nur über ein Vorgehen nach § 45 SGB X - was sie nicht erkannt hat - korrigieren können, wobei einer Rücknahmeentscheidung ohnehin bereits die Zweijahresfrist des Abs. 3 Satz 1 a.a.O. (und im Übrigen selbst die Frist des Satz 3 a.a.O.) entgegengestanden haben dürfte. Schon wegen der nach § 45 Abs.1 SGB X regelmäßig gebotenen Ermessenausübung käme auch eine Umdeutung (§ 43 SGB X; vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 43 Nr. 1) nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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