S 7 KR 353/04 KO

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 353/04 KO
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Beschluss:

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.09.2005 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob der Klägerin ein Sonderkündigungsrecht zustand.

Die Klägerin war Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie hatte die Mitgliedschaft bei der Beklagten schriftlich zum 31.05.2004 gekündigt. Mit Bescheid vom 13.04.2004 entschied die Beklagte, dass der Klägerin ein Sonderkündigungsrecht nicht zustand. Der form- und fristgerecht hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 08.06.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die am 07.07.2004 bei Gericht eingegangene Klage. Nach Vorliegen der Entscheidungen des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 02.12.2004 zum Sonderkündigungsrecht (Az.: B 12 KR 23/04 u. a.) wies die Beklagte mit den Schriftsätzen vom 07.12.2004 und 02.02.2005 auf das Ergebnis der Musterverfahren hin und auf eine von ihr im Verfahren vor dem BSG abgegebene Erklärung. Diese Erklärung hatte zum Inhalt, dass die Beklagte bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Differenz zwischen den tatsächlich gezahlten Beiträgen und den aufgrund des Beitragssatzes der neu gewählten Krankenkasse geschuldeten Beiträge für die Zeit ab Wirksamkeit der Wahl erstatten werde. Mit der Abgabe dieser Erklärungen wurde darum gebeten "das Verfahren abzuschließen". In ihrem Schriftsatz vom 02.02.2005 vertrat die Beklagte die Auffassung, dass nach Ausstellung der Kündigungsbestätigung durch sie zum 30.11.2004 und dem vollzogenen Kassenwechsel kein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin mehr bestünde. An dieser Auffassung hielt die Beklagte auch in ihrem Schriftsatz vom 04.03.2005 fest. Mit Schriftsatz vom 15.03.2005 wurde seitens der Bevollmächtigten der Klägerin der Rechtsstreit für erledigt erklärt. Dieser Erledigungserklärung stimmte die Beklagte zu. Darüber hinaus erklärte sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 28.04.2005 bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin machte in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 22.06.2005 für das Widerspruchsverfahren eine Gebühr gemäß § 116 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) in Höhe von EUR 177,50 geltend. Für das Klageverfahren wurden im Kostenfestsetzungsantrag Gebühren nach der Nr. 1006 VV und Nr. 3102 VV geltend gemacht. Insgesamt ermittelte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter Einschluss der Auslagenpauschale und der gesetzlichen Mehrwertsteuer für das Widerspruchsverfahren einen Betrag von EUR 229,10 und für das Klageverfahren einen Betrag von EUR 533,60. Gegen diesen Kostenansatz wandte sich die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 28.07.2005. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes sei für das Widerspruchsverfahren, insbesondere im Hinblick auf die veröffentlichten Mustertexte, weder nötig noch notwendig gewesen. Im Klageverfahren sei eine Erledigungsgebühr nicht entstanden. Es sei nur eine Verfahrensgebühr angemessen, welche wesentlich unterhalb der Mittelgebühr liege. Für die Verfahrensgebühr wurde ein Betrag von EUR 200,00 genannt.

Im Beschluss vom 19.09.2005 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wurden die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf insgesamt EUR 669,90 festgesetzt. Dabei wurden die Gebühren für das Widerspruchsverfahren antragsgemäß festgesetzt. Für das Klageverfahren wurde auf der Basis der Mittelgebühr eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 berücksichtigt. Die Einigungs-/Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV wurde antragsgemäß auf der Basis der Mittelgebühr in Höhe von EUR 190,00 festgesetzt.

Hiergegen wurde seitens der Beklagten mit Schriftsatz vom 23.09.2005 Erinnerung erhoben. Diese bezog sich auf den Ansatz der Einigungs-/Erledigungsgebühr im Kostenfestsetzungsbeschluss. Für den Ansatz einer solchen Gebühr muss nach Auffassung der Beklagten der Anwalt bei der Erledigung mitwirken. Dabei genüge seine Mitwirkung bei der formellen Beendigung des Verfahrens z. B. durch eine Erledigterklärung oder eine Klagerücknahme nicht. Diese Tätigkeiten seien bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten. Mit Ausstellung der Kündigungsbestätigung zum 30.11.2004 habe das Verfahren sein Rechtsschutzbedürfnis verloren.

Dieser Auffassung trat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin entgegen, wobei er die Auffassung vertrat, dass man sich im Vergleichswege geeinigt habe.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab.

II.

Die mit Telefax vom 23.09.2005 erhobene Erinnerung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Das von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.04.2005 abgegebene Kostenanerkenntnis wurde mit dem vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin gestellten Kostenfestsetzungsantrag sinngemäß angenommen. Daraufhin waren nach Antragstellung die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens festzusetzen. Für die Bestimmung der Vergütung im gerichtlichen Verfahren ist im vorliegenden Fall das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) anzuwenden. Dabei sind Betragsrahmengebühren angefallen (§ 3 RVG). Bei den Betragsrahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Die Entstehung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Im Schriftsatz vom 23.09.2005, mit dem sie Erinnerung erhebt, wendet sie sich auch nicht gegen den Ansatz der Mittelgebühr für diese Verfahrensgebühr. Die Mittelgebühr umfasst die Fälle, in denen sämtliche vor allem nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind. Die Mittelgebühr errechnet sich durch die Addition von Mindest- und Höchstgebühr und die Division des Ergebnisses durch 2. Der Ansatz der Mittelgebühr für die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV ist ebenfalls angemessen. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Erinnerung aber dagegen, dass überhaupt eine Einigungs-/Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV angefallen ist. Ob der Gebührentatbestand der Nr. 1006 VV vorliegt, ist nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände dieses Falles zu beurteilen. Die kostenrechtliche Bewältigung dieses Rechtsstreites gestaltet sich deshalb schwierig, weil die Beklagte davon abgesehen hat, nach dem Vorliegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Grunde nach ein Anerkenntnis abzugeben. Wäre entsprechend verfahren worden und -regelhaft- von Seiten der Prozessbevollmächtigten der Versicherten das Anerkenntnis angenommen worden, wäre nach Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV eine Terminsgebühr angefallen. In den Rechtsstreitigkeiten zum Sonderkündigungsrecht ist allerdings eine Fachkammer des Sozialgerichtes Nürnberg davon ausgegangen, dass im -standardisierten- Schriftsatz vom 07.12.2004 der Beklagten ein Anerkenntnis zu sehen war und hat jeweils mit Beschluss festgestellt, dass sich das jeweilige Verfahren durch das angenommene Anerkenntnis erledigt habe. Da diese Beschlüsse nicht angefochten wurden, war von Seiten des Kostenrichters in diesen Fällen vom Anfall einer Gebühr nach Nr. 3106 VV ausgegangen worden. Im vorliegenden Fall ist dies nicht möglich. Richtig ist, dass mit einer Anerkenntniserklärung die Bezeichnung "Anerkenntnis" bzw. "anerkennen" nicht ausdrücklich enthalten sein muss. Ob ein Anerkenntnis vorliegt, ist, soweit Zweifel vorliegen, durch Auslegung zu ermitteln. Die Beklagte hat keine einseitige Erklärung abgegeben, die eine Prozess- und materiell-rechtliche Verfügung über den Streitgegenstand darstellten sollte. Sie war vielmehr der Auffassung, dass sich das Verfahren erledigt habe. Allerdings hätte die Anerkennung eines Sonderkündigungsrechtes dem Grunde nach ein klares und für die Klägerseite nachvollziehbares Vorgehen dargestellt. Mit den Schriftsätzen vom 07.12.2004 und 02.02.2005 sowie 04.03.2005 wurden seitens der Beklagten Erklärungen abgegeben, die in erheblichem Umfang auslegungsbedürftig waren. Die Beklagte hat eine Verfahrenssituation eintreten lassen, bei der der Erklärung eines Anerkenntnisses überflüssig wurde.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit seiner Erledigterklärung dieser besonderen prozessualen Lage Rechnung getragen. Insbesondere darin ist die erfordliche Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Sinne der Nr. 1006 VV zu sehen. Im vorliegenden Fall kann somit nicht von einer Erledigung ohne Zutun des Rechtsanwaltes ausgegangen werden. Andernfalls würde auch ein Wertungswiderspruch entstehen. Die Beklagte hätte nämlich ein Anerkenntnis abgeben können. Bei der von ihr auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes erkannten Rechtslage wäre die Abgabe einer solchen prozessualen Erklärung angezeigt gewesen. Wäre ein solches Anerkenntnis vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angenommen worden, wovon regelhaft auszugehen ist, wäre die Gebühr Nr. 3006 VV angefallen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat es aber nicht in der Hand, ob die Beklagte ein Anerkenntnis als prozessuale Erklärung abgibt oder nicht. Daher fällt zwar der Gebührentatbestand der Nr. 3006 VV in einem Fall wie dem Vorliegenden nicht an, wohl ab der Tatbestand der Nr. 1006 i. V. m. Nrn. 1005, 1002 VV. Die Mitwirkungshandlung ist dann in der ordnungsgemäßen Bewältigung der von der Beklagten geschaffenen außergewöhnlichen prozessualen Situation zu sehen, die durch die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits bzw. der Klagerücknahme erfolgt. Erst durch eine solche Erklärung hat sich auch im vorliegenden Fall der Rechtsstreit erledigt.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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