Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 1101/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 240/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Urteil:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich im Wege einer Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG gegen einen rechtsaufsichtlichen Verwaltungsakt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 5.12.2006, mit dem der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 393 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) untersagt wurde, ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages nach § 46 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu vergeben.
In der Sitzung des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit vom 16. Dezember 2004 beantragte die Gruppe der Arbeitgeber, die Verfassungsmäßigkeit des "Aussteuerungsbetrags" nach § 46 Abs. 4 SGB II zu überprüfen. Der Verwaltungsrat erteilte daraufhin mehrheitlich (15 Ja-, 4 Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen) den Auftrag an das Präsidium des Verwaltungsrats, die Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrags mit Experten vorzusondieren und zu prüfen, ob die Erstellung eines Gutachtens erfolgversprechend sei.
Nachdem das Justitiariat des BA-Service-Hauses zu dem Ergebnis gekommen war, es sei rechtlich vertretbar, wenn der Verwaltungsrat ein Sachverständigengutachten zur Rechtmäßigkeit und damit zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrags in Auftrag gebe, war das Vorhaben Gegenstand einer rechtlichen Prüfung innerhalb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Mit Schreiben vom 3.11.2005 teilte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit der Klägerin mit, eine rechtliche Prüfung habe ergeben, dass unter Zugrundelegung sämtlicher Auslegungsmethoden die Vergabe eines solchen Gutachtens nicht zulässig sei (Blatt 134 ff. der Akten).
Mit Schreiben vom 13.12.2005 teilte der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales R. A. dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Herrn F.-J. W., mit, die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung sei von der Überwachungs- und Beratungsfunktion des Verwaltungsrates gemäß § 373 Abs. 1, 371 Abs. 2 SGB III nicht umfasst, was bereits vorab dem Zentralbereichsleiter Controlling und Finanzen der Klägerin mitgeteilt worden sei. Er werde deshalb gebeten, im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass die Vergabe eines entsprechenden Gutachtens vom Verwaltungsrat nicht beschlossen werde. Im Falle eines entsprechenden Beschlusses des Verwaltungsrates über die Gutachtensvergabe erachte er es für erforderlich, dies im Rahmen der Rechtsaufsicht zu beanstanden.
In seiner Sitzung vom 10.11.2006 beschloss der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit unter Ziffer 3 der Tagesordnung mit 15 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und einer Enthaltung folgendes: Der Verwaltungsrat holt ein Gutachten eines Sachverständigen über die Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages ein. Er beauftragt das Präsidium, das von der Verwaltung administrativ unterstützt werden kann, mit der Umsetzung des Beschlusses.
Mit Schreiben vom 5.12.2006 an den Vorsitzenden des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, Herrn F.-J. W., verfügte der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales R. A. folgendes:
"Sehr geehrter Herr W.,
wie Ihnen bereits auf Grund des bisherigen Schriftverkehrs bekannt ist, vertritt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Auffassung, dass die Vergabe eines Rechtsgutachtens zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages durch die Bundesagentur für Arbeit nicht zulässig ist.
Es gehört gemäß § 368 Drittes Buch Sozialgesetzbuch nicht zu den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, die Rechtmäßigkeit bestehender Gesetze zu überprüfen. Aus diesem Grund untersage ich der Bundesagentur gemäß § 393 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, ein solches Gutachten in Autrag zu geben."
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 22.12.2006 erhob die Klägerin am 27.12.2006 im Autrag des Verwaltungsrates der Klägerin Klage.
Sie beantragt:
1. Der rechtsaufsichtliche Verwaltungsakt des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 5.12.2006, durch den der Klägerin untersagt wurde, in Umsetzung des Beschlusses des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit vom 10.11.2006 ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages gemäß § 46 Abs.4 SGB II in Auftrag zu geben, wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Zur Begründung wurde vorgetragen, § 393 Abs.1 Satz 2 SGB III könne die aufsichtliche Maßnahmen nicht stützen, weil der Beschluss des Verwaltungsrates vom 10.11.2006 keinen Rechtsverstoß der Bundesagentur für Arbeit darstelle. Die Gutachtenvergabe sei durch § 368 SGB III gerechtfertigt. Gemäß § 371 Abs. 2 SGB III habe der Verwaltungsrat die Verwaltung zu überwachen und in aktuellen Fragen des Arbeitsmarktes zu beraten. Hierfür erhalte er nach Satz 2 der Vorschrift für die Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen. Nach § 373 Abs.1 SGB III überwache der Verwaltungsrat den Vorstand und die Verwaltung und könne vom Vorstand die Durchführung von Prüfungen durch die Innenrevision verlangen und Sachverständige mit einzelnen Aufgaben der Überwachung beauftragen. Die Gutachtenvergabe diene der Überwachung des Vorstands und der Verwaltung. Nach Ansicht des Verwaltungsrates würden durch den Aussteuerungsbetrag mehr als zehn Prozent der Beitragsmittel zweckentfremdet. Die Beantwortung der Frage, ob § 46 Abs. 4 SGB II gegen das Grundgesetz verstoße, sei für die Kontrolle der effizienten Verwendung der Beitragsmittel unverzichtbar.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 26.01.2007 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unzulässig. Eine Beschwer im Sinn des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG könne nur geltendgemacht werden, soweit die Klägerin denkbar in ihren Rechten verletzt sein könnte. Eine subjektive Beschwer sei auch für die Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG erforderlich. Es handle sich nicht um eine Angelegenheit der Selbstverwaltung der Klägerin. Soweit selbstverwaltete Körperschaften oder Anstalten staatliche Aufgaben wahrnähmen und einer Fachaufsicht unterlägen, bestehe mangels subjektiver Rechte keine Klagebefugnis für Klagen gegen Aufsichtsmaßnahmen. Im Bereich des SGB II werde die Klägerin nicht im Rahmen ihrer Selbstverwaltung nach § 367 Abs. 1 SGB III tätig, sondern i. S. des § 371 Abs. 4 SGB III ohne Selbstverwaltung, da sie hier der Fachaufsicht unterliege. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB II führe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in diesem Bereich die Rechtsaufsicht und die Fachaufsicht. Die Reichweite der Fachaufsicht erstreckt sich auf den gesamten Vollzug des SGB II.
Die Bundesagentur werde beim Vollzug des SGB II gleichsam als Dienstleister des Bundes tätig, nicht als Sozialversicherungsträger und daher auch anders als nach dem SGB III ohne Selbstverwaltung. Die Aufsichtsvorschriften für Sozialversicherungsträger (§§ 88, 89 SGB IV) seien insoweit ebenfalls nicht anwendbar. Diese Grundsätze griffen insbesondere auch für die gesamte Finanzierungsregelungen des § 46 SGB II. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 23.4.2007 Bezug genommen.
Die Klägerin entgegnete hierauf durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2.5.2007, das Konstrukt der fachaufsichtlichen Weisung zur Umsetzung des SGB II sei fehlerhaft.
Es widerspreche im Übrigen auch den im Ministerium intern erarbeiteten Stellungnahmen.
Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7.5.2007, die Fachaufsicht umfasse auch die Rechtsaufsicht. Im Übrigen sei die Bezeichnung der Maßnahme im Rahmen der internen Verwaltungsvorgänge der Beklagten für die gerichtliche Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich. Selbst wenn die Beklagte ihr Vorgehen irrtümlich als Maßnahme der reinen Rechtsaufsicht eingestuft hätte, würde dies nichts daran ändern, dass tatsächlich vorliegend ein Fachaufsichtsverhältnis bestehe. Dies sei in der Klagebegründung im Einzelnen dargelegt worden.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift, sowie die beigezogenen Behördenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Für die vorliegende Streitsache ist gemäß § 51 Abs. 1 Nrn. 4 und 4a SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Wie sich mittelbar aus § 54 Abs. 3 SGG ergibt, wollte der Gesetzgeber die von § 40 VwGO abweichende Sonderzuweisung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art nicht nur für Streitigkeiten zwischen Versicherten und Versicherungsträgern bzw. Leistungsempfängern und zuständigen Trägern nach dem SGB II, sondern auch für aufsichtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Vollzug des SGB II und des SGB III vornehmen.
Das Sozialgericht Nürnberg ist zur Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 8 SGG sachlich und funktionell zuständig, da die Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG nicht durch anderweitige Gesetze den höheren Instanzen zugewiesen ist.
Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG, da die Beklagte weder eine natürliche Person noch eine juristische Person des Privatrechts ist.
Die Zuordnung der Streitigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan des Sozialgerichts Nürnberg zu dem Rechtsgebiet "Angelegenheiten nach dem SGB II" ergibt sich daraus, dass die Reichweite des Selbstverwaltungsrecht der Klägerin anhand der ihr durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu bestimmen ist und vorliegend durch die Klägerin ein Selbstverwaltungsrecht in engem Zusammenhang mit dem Vollzug des § 46 Abs. 4 SGB II geltendgemacht wird.
Die Aufsichtsklage ist als eigene Klageart nach § 54 Abs. 3 SGG statthaft, ohne dass es darauf ankäme, ob die aufsichtliche Maßnahme einen Verwaltungsakt darstellt, was jedoch vorliegend der Fall ist. Da die Klägerin gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) eine bundesunmittelbare Körperschaft (dieser Begriff umfasst sowohl Körperschaften als auch Anstalten) des öffentlichen Rechts ist und, wie § 367 Abs. 1 SGB III deklaratorisch bestimmt, rechtsfähig ist, haben aufsichtliche Maßnahmen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ihr gegenüber Außenwirkung. Das gilt unabhängig davon, ob die Klägerin in Angelegenheiten der Selbstverwaltung oder gemäß § 371 Abs. 4 SGB III ohne Selbstverwaltung tätig wird.
Die Klage ist auch zulässig. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass für eine Klage nach § 54 Abs. 3 SGG ein Rechtsschutzbedürfnis Zulässigkeitsvoraussetzung ist. Hierfür genügt jedoch die bloße Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte, die mit Blick auf das durch § 367 Abs. 1 SGB III eingeräumte Selbstverwaltungsrecht denkbar erscheint.
Die Aufsichtsklage ist indes nicht begründet. Die aufsichtliche Weisung vom 5.12.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Zu Recht hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit die Weisung auf § 393 SGB III gestützt.
Der Bundesagentur für Arbeit sind zwar durch eine Vielzahl von Bundesgesetzen und untergesetzliche Rechtsnormen (derzeit ca. 450 Einzelnormen in den unterschiedlichsten Gesetzen und Verordnungen) Aufgaben zugewiesen. Ihre Errichtung ist jedoch ausschließlich im Elften Kapitel des SGB III geregelt, das in seinem Zweiten Abschnitt Regelungen über die Verfassung und das Selbstverwaltungsrecht enthält. Die Vorschriften des Elften Kapitels des SGB III, zu dem auch § 393 SGB III zählt, gelten folgerichtig für jegliche Tätigkeit der Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht spezialgesetzlich etwas anderes bestimmt ist.
Die Weisung durfte nach § 393 ABs.1 1 Sätze 1 und 2 SGB III als Maßnahme der Rechtsaufsicht (nicht der Fachaufsicht) ergehen. Während § 224 AFG in seiner bis einschließlich 31.12.1997 geltenden Fassung noch detaillierte Regelungen über das Weisungsrecht des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung getroffen hatte, hat der Gesetzgeber in der durch Art. 1 AFRG zum 1.1.1998 als § 401 eingeführten Fassung und der geltenden durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) redaktionell geänderten Fassung auf detaillierte Regeln verzichtet. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass diese Befugnisse entfallen sind.Sie wurden vielmehr stillschweigend vorausgesetzt, was mittelbar aus § 371 Abs. 4 SGB III erhellt. Es spricht viel dafür, dass eine detaillierte Regelung schon deshalb nicht für erforderlich gehalten wurde, weil - soweit ersichtlich - noch nie ein Rechtsstreit über aufsichtliche Maßnahmen geführt wurde.
Damit sind rechts- und fachaufsichtliche Weisungen unter Geltung des § 393 SGB III weiterhin möglich, vorliegend ist die Maßnahme allerdings richtigerweise der Rechtsaufsicht zuzuordnen.
Soweit der Verwaltungsrat der Klägerin in seiner Sitzung vom 10.11.2006 beschlossen hat, ein Gutachten eines Sachverständigen über die Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages einzuholen, geht es fehl, diesen Vorgang einer Tätigkeit zuzuordnen, bei der die Klägerin der Fachaufsicht unterliegt und demzufolge gemäß § 371 Abs. 4 SGB III ohne Selbstverwaltung tätig wird. Vorliegend geht es nämlich nicht um den Vollzug von § 46 Abs. 4 SGB II, der der Klägerin keinerlei Ermessen oder Gestaltungsmöglichkeit einräumt und hinsichtlich dessen die Klägerin daher ganz offensichtlich der Fachaufsicht unterliegt, sondern darum, dass der Verwaltungsrat sich Informationen beschafft, die er für seine Tätigkeit für erforderlich hält. Ob er insoweit die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten hat, ist eine hiervon zu unterscheidende Frage.
Als Maßnahme der Rechtsaufsicht war die aufsichtliche Weisung vom 5.12.2006 formell rechtmäßig.
Hierzu war das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 SGB III und nach dessen Geschäftsordnung Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales R. A. zuständig.
Die Beklagte hat hinsichtlich des Verfahrensablaufs § 89 SGB IV beachtet, nach dem sich die Ausübung der Aufsicht nach § 393 SGB III richtet (Niesel SGB III, 3. Auflage 2005, RdNr. 1 zum § 393), insbesondere hat sie versucht, gemäß § 89 Abs. 1 SGB IV durch Beratung auf ein rechtskonformes Verhalten der Klägerin hinzuwirken.
Die Weisung war auch materiell rechtmäßig, denn der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit hat durch seinen Beschluss vom 10.11.2006 unter Ziffer 3 der Tagesordnung gegen § 368 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB III und den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung verstoßen.
Gemäß § 368 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist die Bundesagentur der für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch zuständige Versicherungsträger. Hierdurch sind die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nicht hinreichend beschrieben, zumal ihr auch durch andere förmliche Gesetze Aufgaben zugewiesen wurden. § 368 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 SGB III lässt jedoch den Schluss zu, dass das Selbstverwaltungsrecht nach §§ 367 Abs. 1 i. V. m. 371 SGB III sich ausschließlich auf Aufgaben nach dem SGB III bezieht.
Gemäß § 368 Abs. 1 Satz 2 SGB III darf die Bundesagentur für Arbeit ihre Mittel nur die gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Zwecke verwenden.
Die Inauftraggabe eines externen Gutachtens erfordert den Einsatz finanzieller Mittel, die zwar im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Bundesagentur für Arbeit verschwindend sind, deren Erforderlichkeit jedoch an der vorgenannten Vorschrift gemessen werden muss.
Die Klägerin hat geltendgemacht, sie benötige das in Auftrag zu gebende Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs. 4 SGB II, um gemäß § 373 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Tätigkeit von Vorstand und Verwaltung zu überwachen, da für die Beurteilung, ob deren Handlungsweise rechtmäßig ist, nicht allein auf das förmliche Gesetz abgestellt werden könne, sondern auch die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zu prüfen sei.
Das trifft zur Überzeugung des Gerichts nicht zu. Auf Grund der Funktion der öffentlichen Verwaltung in der durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland bestimmten Staatsform des demokratischen Rechtsstaats, insbesondere dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, kommt den öffentlichen Verwaltungen keine Normverwerfungskompetenz hinsichtlich förmlicher Gesetze zu. Diese ist gemäß Art. 100 GG allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten, soweit es wie hier um Gesetze des Bundes geht (so schon BVerfG vom 9.11.1955 Az.: 1 BvL13/52, 1 BvL 21/52 BVerfGE 4, 331). Anders als für Gerichte sieht Art. 100 GG für Behörden keine Möglichkeit vor, die Frage, ob ein Gesetz verfassungsmäßig ist, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hält ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst ein Gesetz, dass er auszuführen hat, für verfassungswidrig, so besteht für ihn lediglich die Möglichkeit, dem Gesetzesbefehl den Gehorsam zu verweigern, wenn er ein Widerstandsrecht geltend machen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat hieran folgende Anforderungen gestellt (BVerfG vom 17.08.1956 Az.: 1 BvB 2/51 BVerfGE 5, 85): Wenn es angesichts des grundgesetzlichen Systems der gegenseitigen Hemmung und des Gleichgewichts staatlicher Gewalten und des wirksamen Rechtsschutzes gegen Verfassungsverstöße und -verfälschungen von Staatsorganen ein dem Grundgesetz immanentes Widerstandsrecht gegen einzelne Rechtswidrigkeiten gibt, so sind an seine Ausübung jedenfalls folgende Anforderungen zu stellen:
Das Widerstandsrecht kann nur im konservierenden Sinne benutzt werden, d. h. als Notrecht zur Bewahrung oder Wiederherstellung der Rechtsordnung. Das mit Widerstand bekämpfte Unrecht muss offenkundig sein. Alle von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe müssen so wenig Aussicht auf wirksame Abhilfe bieten, dass die Ausübung des Widerstandes das letzte verbleibende Mittel zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Rechts ist.
Das ist bei der lediglich haushaltsrechtlich relevanten Vorschrift des § 46 Abs. 4 SGB II so offensichtlich nicht der Fall, dass für den Vorstand und Verwaltung der Bundesagentur für Arbeit keine andere Möglichkeit besteht, als den "Aussteuerungsbetrag" an den Bundeshaushalt abzuführen.
Die Rechtsmäßigkeit des Handelns von Vorstand und Verwaltung ist deshalb unabhängig von der Frage zu beurteilen, ob § 46 Abs. 4 SGB II gegen Verfassungsrecht verstößt oder nicht.
Der Verwaltungsrat der Klägerin benötigt das Gutachten auch nicht, um gemäß § 371 Abs. 2 SGB III die Verwaltungen zu überwachen und in aktuellen Fragen des Arbeitsmarktes zu beraten. Bei der Frage, ob § 46 Abs. 4 SGB II verfassungsgemäß ist, handelt es sich nicht um eine Frage des Arbeitsmarktes. Zwar wird mit der gesetzlichen Regelung der Zweck verfolgt, auf die Arbeitsvermittlungstätigkeit der Klägerin Einfluss zu nehmen.
Der Verwaltungsrat hat jedoch durch § 371 Abs. 2 Satz 1 SGB III die Aufgabe zugewiesen bekommen, die Verwaltung der Bundesagentur für Arbeit und nicht die Bundesregierung oder das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik zu beraten.
Vernünftigerweise greift die Bundesregierung in der Praxis auf den Verwaltungsrat verkörperten Sachverstand der Bundesagentur für Arbeit zurück. Diese Aufgabe ergibt sich jedoch nicht aus dem Gesetz.
Ebenso wenig kann durch § 46 ABs. 4 SGB II das Selbstverwaltungsrecht der Bundesagentur für Arbeit beeinträchtigt sein. Das Selbstverwaltungsrecht wurde der Bundesagentur für Arbeit durch einfaches Gesetz, nämlich die §§ 367 ff SGB III eingeräumt. Nach den gesetzlichen Regelungen ist für die Bundesagentur für Arbeit nicht das Recht vorgesehen, frei über ihren Haushalt zu bestimmen. Vielmehr regelt der Gesetzgeber sowohl die Einnahmen als auch die Pflichtausgaben der Bundesagentur für Arbeit. Ihr Selbstverwaltungsrecht kann nur insoweit tangiert sein, als ihr durch das Gesetz ein Ermessen hinsichtlich ausgabenrelevanter Handlungen eingeräumt wird. Das ist beim Vollzug des § 46 Abs. 4 SGB II nicht der Fall. Soweit dadurch mittelbar auf das Ermessen bzw. den Gestaltungsspielraum im Rahmen des Selbstverwaltungsrecht eingewirkt wird, als ein Anreiz geschaffen wird, Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose einzusetzen, kann das Selbstverwaltungsrecht ebenfalls nicht tangiert sein.
Das Selbstverwaltungsrecht ist nämlich durch einfaches Gesetz eingeräumt. Weder aus Art. 33 Abs. 5 GG noch aus Art. 87 Abs. 2 GG noch aus dem Recht auf Selbstverwaltung folgt eine Grundrechtsfähigkeit der Klägerin (BVerfG vom 1.9.2000 Az.: 1 BvR 178/00 SozR 3-2007 § 147 Nr. 1 = DVBl 2001, 63 = NVwZ-RR 2001, 93). Dem Gesetzgeber ist es daher unbenommen, jederzeit das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin durch ein Gesetz einzuschränken, das mit dem das Selbstverwaltungsrecht begründenden Gesetz gleichrangig ist, was vorliegend der Fall ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Artikel 3 des Gesetzes vom 23.03.2002 zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat (BGBl I 2002, 1130).
Zwar findet sich im Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 14.3.2002 (BT-Drs. 14/8546, S. 8) die von Klägerseite angeführte Aussage, dass "die Bundesanstalt für Arbeit aus einer Behördenorganisation in einen Dienstleister mit privatwirtschaftlichen Führungsstrukturen überführt wird". Über den Vorstand wurde folgende Aussage getroffen: "Die Mitglieder des Vorstands der Bundesanstalt werden nicht als Beamte, sondern auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Amtsverhältnisse tätig. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis lässt eine flexible, den Aufgaben der Bundesanstalt als Dienstleister angepasste Ausgestaltung und Entwicklung der Rechtsverhältnisse zu. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis wird in besonderem Maße den hoheitlichen Aufgaben der Bundesanstalt sowie der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Bedeutung der Bundesanstalt gerecht. Es schafft bessere Voraussetzungen, um erfahrene Führungskräfte aus den Bereichen Politik, Verwaltung oder Wirtschaft gewinnen zu können. Im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses können zum Beispiel die Gehalts- und Versorgungsansprüche in einer auf den Einzelfall abgestimmten Weise vertraglich geregelt werden".
Hieraus folgt jedoch nicht, dass der historische Gesetzgeber beabsichtigte, die Bundesagentur für Arbeit rechtlich aus der öffentlichen Verwaltung herauszulösen, denn nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG werden als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Dass als sozialer Versicherungsträger im Sinne des Grundgesetzes auch die Bundesagentur für Arbeit anzusehen ist, unterliegt keinem Zweifel. Es kann nicht angenommen werden, der historische Gesetzgeber habe gegen Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen wollen. Selbst wenn dieser Punkt übersehen worden wäre, wäre das Elfte Kapitel des SGB III im Einklang mit Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungskonform auszulegen, was ohne Verstoß gegen den Wortlaut des Gesetzes möglich ist. Ungeachtet der Intention des Gesetzgebers, aus der Privatwirtschaft entlehnte Organisationsprinzipien auf die Bundesagentur für Arbeit zu übertragen, kann deshalb keine Rede davon sein, durch das Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat seinen der Bundesagentur für Arbeit weitergehende Rechte eingeräumt worden, als die einer Anstalt des öffentlichen Rechts, nämlich einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungseinrichtung, die einem bestimmten Nutzungszweck dienst und nicht mitgliedschaftlich organisiert ist.
Insbesondere ist dem einfachen Gesetzgeber im Anwendungsbereich des Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG die Möglichkeit verwehrt, neue demokratische Institutionen mit originären Rechten zu errichten, die nicht der Verantwortung der Bundesregierung unterliegen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit eine demokratische Legitimation verschafft (so Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, Duncker & Humblot Berlin 1991, Seite 187 ff zur Funktion des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit nach den §§ 190 ff AFG). Aufgrund der durch das Grundgesetz vorgegebenen Rechtsnatur der Bundesagentur für Arbeit besteht nicht die Möglichekit anzunehmen, dass ihr durch Artikel 3 des Gesetzes vom 23.03.2002 zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat Grundrechtspositionen verliehen worden wären.
Demzufolge benötigt der Verwaltungsrat das Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit von § 46 Abs. 4 SGB II nicht zur Erfüllung seiner Aufgaben, mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 368 Abs. 1 Satz 2 SGB III keine Mittel für die Beschaffung eines externen Gutachtens zu dieser Frage verwenden darf. Die geplante gesetzwidrige Mittelverwendung durfte das zuständige Ministerium gemäß § 393 Abs. 1 SGB III durch rechtsaufsichtliche Weisung untersagen.
Da eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten durch die angegriffene aufsichtliche Weisung vom 5.12.2006 wie oben ausgeführt ausgeschlossen werden kann, war die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich im Wege einer Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG gegen einen rechtsaufsichtlichen Verwaltungsakt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 5.12.2006, mit dem der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 393 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) untersagt wurde, ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages nach § 46 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu vergeben.
In der Sitzung des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit vom 16. Dezember 2004 beantragte die Gruppe der Arbeitgeber, die Verfassungsmäßigkeit des "Aussteuerungsbetrags" nach § 46 Abs. 4 SGB II zu überprüfen. Der Verwaltungsrat erteilte daraufhin mehrheitlich (15 Ja-, 4 Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen) den Auftrag an das Präsidium des Verwaltungsrats, die Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrags mit Experten vorzusondieren und zu prüfen, ob die Erstellung eines Gutachtens erfolgversprechend sei.
Nachdem das Justitiariat des BA-Service-Hauses zu dem Ergebnis gekommen war, es sei rechtlich vertretbar, wenn der Verwaltungsrat ein Sachverständigengutachten zur Rechtmäßigkeit und damit zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrags in Auftrag gebe, war das Vorhaben Gegenstand einer rechtlichen Prüfung innerhalb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Mit Schreiben vom 3.11.2005 teilte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit der Klägerin mit, eine rechtliche Prüfung habe ergeben, dass unter Zugrundelegung sämtlicher Auslegungsmethoden die Vergabe eines solchen Gutachtens nicht zulässig sei (Blatt 134 ff. der Akten).
Mit Schreiben vom 13.12.2005 teilte der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales R. A. dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Herrn F.-J. W., mit, die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung sei von der Überwachungs- und Beratungsfunktion des Verwaltungsrates gemäß § 373 Abs. 1, 371 Abs. 2 SGB III nicht umfasst, was bereits vorab dem Zentralbereichsleiter Controlling und Finanzen der Klägerin mitgeteilt worden sei. Er werde deshalb gebeten, im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass die Vergabe eines entsprechenden Gutachtens vom Verwaltungsrat nicht beschlossen werde. Im Falle eines entsprechenden Beschlusses des Verwaltungsrates über die Gutachtensvergabe erachte er es für erforderlich, dies im Rahmen der Rechtsaufsicht zu beanstanden.
In seiner Sitzung vom 10.11.2006 beschloss der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit unter Ziffer 3 der Tagesordnung mit 15 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und einer Enthaltung folgendes: Der Verwaltungsrat holt ein Gutachten eines Sachverständigen über die Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages ein. Er beauftragt das Präsidium, das von der Verwaltung administrativ unterstützt werden kann, mit der Umsetzung des Beschlusses.
Mit Schreiben vom 5.12.2006 an den Vorsitzenden des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, Herrn F.-J. W., verfügte der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales R. A. folgendes:
"Sehr geehrter Herr W.,
wie Ihnen bereits auf Grund des bisherigen Schriftverkehrs bekannt ist, vertritt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Auffassung, dass die Vergabe eines Rechtsgutachtens zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages durch die Bundesagentur für Arbeit nicht zulässig ist.
Es gehört gemäß § 368 Drittes Buch Sozialgesetzbuch nicht zu den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, die Rechtmäßigkeit bestehender Gesetze zu überprüfen. Aus diesem Grund untersage ich der Bundesagentur gemäß § 393 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, ein solches Gutachten in Autrag zu geben."
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 22.12.2006 erhob die Klägerin am 27.12.2006 im Autrag des Verwaltungsrates der Klägerin Klage.
Sie beantragt:
1. Der rechtsaufsichtliche Verwaltungsakt des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 5.12.2006, durch den der Klägerin untersagt wurde, in Umsetzung des Beschlusses des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit vom 10.11.2006 ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages gemäß § 46 Abs.4 SGB II in Auftrag zu geben, wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Zur Begründung wurde vorgetragen, § 393 Abs.1 Satz 2 SGB III könne die aufsichtliche Maßnahmen nicht stützen, weil der Beschluss des Verwaltungsrates vom 10.11.2006 keinen Rechtsverstoß der Bundesagentur für Arbeit darstelle. Die Gutachtenvergabe sei durch § 368 SGB III gerechtfertigt. Gemäß § 371 Abs. 2 SGB III habe der Verwaltungsrat die Verwaltung zu überwachen und in aktuellen Fragen des Arbeitsmarktes zu beraten. Hierfür erhalte er nach Satz 2 der Vorschrift für die Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen. Nach § 373 Abs.1 SGB III überwache der Verwaltungsrat den Vorstand und die Verwaltung und könne vom Vorstand die Durchführung von Prüfungen durch die Innenrevision verlangen und Sachverständige mit einzelnen Aufgaben der Überwachung beauftragen. Die Gutachtenvergabe diene der Überwachung des Vorstands und der Verwaltung. Nach Ansicht des Verwaltungsrates würden durch den Aussteuerungsbetrag mehr als zehn Prozent der Beitragsmittel zweckentfremdet. Die Beantwortung der Frage, ob § 46 Abs. 4 SGB II gegen das Grundgesetz verstoße, sei für die Kontrolle der effizienten Verwendung der Beitragsmittel unverzichtbar.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 26.01.2007 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unzulässig. Eine Beschwer im Sinn des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG könne nur geltendgemacht werden, soweit die Klägerin denkbar in ihren Rechten verletzt sein könnte. Eine subjektive Beschwer sei auch für die Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG erforderlich. Es handle sich nicht um eine Angelegenheit der Selbstverwaltung der Klägerin. Soweit selbstverwaltete Körperschaften oder Anstalten staatliche Aufgaben wahrnähmen und einer Fachaufsicht unterlägen, bestehe mangels subjektiver Rechte keine Klagebefugnis für Klagen gegen Aufsichtsmaßnahmen. Im Bereich des SGB II werde die Klägerin nicht im Rahmen ihrer Selbstverwaltung nach § 367 Abs. 1 SGB III tätig, sondern i. S. des § 371 Abs. 4 SGB III ohne Selbstverwaltung, da sie hier der Fachaufsicht unterliege. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB II führe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in diesem Bereich die Rechtsaufsicht und die Fachaufsicht. Die Reichweite der Fachaufsicht erstreckt sich auf den gesamten Vollzug des SGB II.
Die Bundesagentur werde beim Vollzug des SGB II gleichsam als Dienstleister des Bundes tätig, nicht als Sozialversicherungsträger und daher auch anders als nach dem SGB III ohne Selbstverwaltung. Die Aufsichtsvorschriften für Sozialversicherungsträger (§§ 88, 89 SGB IV) seien insoweit ebenfalls nicht anwendbar. Diese Grundsätze griffen insbesondere auch für die gesamte Finanzierungsregelungen des § 46 SGB II. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 23.4.2007 Bezug genommen.
Die Klägerin entgegnete hierauf durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2.5.2007, das Konstrukt der fachaufsichtlichen Weisung zur Umsetzung des SGB II sei fehlerhaft.
Es widerspreche im Übrigen auch den im Ministerium intern erarbeiteten Stellungnahmen.
Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7.5.2007, die Fachaufsicht umfasse auch die Rechtsaufsicht. Im Übrigen sei die Bezeichnung der Maßnahme im Rahmen der internen Verwaltungsvorgänge der Beklagten für die gerichtliche Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich. Selbst wenn die Beklagte ihr Vorgehen irrtümlich als Maßnahme der reinen Rechtsaufsicht eingestuft hätte, würde dies nichts daran ändern, dass tatsächlich vorliegend ein Fachaufsichtsverhältnis bestehe. Dies sei in der Klagebegründung im Einzelnen dargelegt worden.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift, sowie die beigezogenen Behördenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Für die vorliegende Streitsache ist gemäß § 51 Abs. 1 Nrn. 4 und 4a SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Wie sich mittelbar aus § 54 Abs. 3 SGG ergibt, wollte der Gesetzgeber die von § 40 VwGO abweichende Sonderzuweisung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art nicht nur für Streitigkeiten zwischen Versicherten und Versicherungsträgern bzw. Leistungsempfängern und zuständigen Trägern nach dem SGB II, sondern auch für aufsichtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Vollzug des SGB II und des SGB III vornehmen.
Das Sozialgericht Nürnberg ist zur Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 8 SGG sachlich und funktionell zuständig, da die Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG nicht durch anderweitige Gesetze den höheren Instanzen zugewiesen ist.
Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG, da die Beklagte weder eine natürliche Person noch eine juristische Person des Privatrechts ist.
Die Zuordnung der Streitigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan des Sozialgerichts Nürnberg zu dem Rechtsgebiet "Angelegenheiten nach dem SGB II" ergibt sich daraus, dass die Reichweite des Selbstverwaltungsrecht der Klägerin anhand der ihr durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu bestimmen ist und vorliegend durch die Klägerin ein Selbstverwaltungsrecht in engem Zusammenhang mit dem Vollzug des § 46 Abs. 4 SGB II geltendgemacht wird.
Die Aufsichtsklage ist als eigene Klageart nach § 54 Abs. 3 SGG statthaft, ohne dass es darauf ankäme, ob die aufsichtliche Maßnahme einen Verwaltungsakt darstellt, was jedoch vorliegend der Fall ist. Da die Klägerin gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) eine bundesunmittelbare Körperschaft (dieser Begriff umfasst sowohl Körperschaften als auch Anstalten) des öffentlichen Rechts ist und, wie § 367 Abs. 1 SGB III deklaratorisch bestimmt, rechtsfähig ist, haben aufsichtliche Maßnahmen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ihr gegenüber Außenwirkung. Das gilt unabhängig davon, ob die Klägerin in Angelegenheiten der Selbstverwaltung oder gemäß § 371 Abs. 4 SGB III ohne Selbstverwaltung tätig wird.
Die Klage ist auch zulässig. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass für eine Klage nach § 54 Abs. 3 SGG ein Rechtsschutzbedürfnis Zulässigkeitsvoraussetzung ist. Hierfür genügt jedoch die bloße Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte, die mit Blick auf das durch § 367 Abs. 1 SGB III eingeräumte Selbstverwaltungsrecht denkbar erscheint.
Die Aufsichtsklage ist indes nicht begründet. Die aufsichtliche Weisung vom 5.12.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Zu Recht hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit die Weisung auf § 393 SGB III gestützt.
Der Bundesagentur für Arbeit sind zwar durch eine Vielzahl von Bundesgesetzen und untergesetzliche Rechtsnormen (derzeit ca. 450 Einzelnormen in den unterschiedlichsten Gesetzen und Verordnungen) Aufgaben zugewiesen. Ihre Errichtung ist jedoch ausschließlich im Elften Kapitel des SGB III geregelt, das in seinem Zweiten Abschnitt Regelungen über die Verfassung und das Selbstverwaltungsrecht enthält. Die Vorschriften des Elften Kapitels des SGB III, zu dem auch § 393 SGB III zählt, gelten folgerichtig für jegliche Tätigkeit der Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht spezialgesetzlich etwas anderes bestimmt ist.
Die Weisung durfte nach § 393 ABs.1 1 Sätze 1 und 2 SGB III als Maßnahme der Rechtsaufsicht (nicht der Fachaufsicht) ergehen. Während § 224 AFG in seiner bis einschließlich 31.12.1997 geltenden Fassung noch detaillierte Regelungen über das Weisungsrecht des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung getroffen hatte, hat der Gesetzgeber in der durch Art. 1 AFRG zum 1.1.1998 als § 401 eingeführten Fassung und der geltenden durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) redaktionell geänderten Fassung auf detaillierte Regeln verzichtet. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass diese Befugnisse entfallen sind.Sie wurden vielmehr stillschweigend vorausgesetzt, was mittelbar aus § 371 Abs. 4 SGB III erhellt. Es spricht viel dafür, dass eine detaillierte Regelung schon deshalb nicht für erforderlich gehalten wurde, weil - soweit ersichtlich - noch nie ein Rechtsstreit über aufsichtliche Maßnahmen geführt wurde.
Damit sind rechts- und fachaufsichtliche Weisungen unter Geltung des § 393 SGB III weiterhin möglich, vorliegend ist die Maßnahme allerdings richtigerweise der Rechtsaufsicht zuzuordnen.
Soweit der Verwaltungsrat der Klägerin in seiner Sitzung vom 10.11.2006 beschlossen hat, ein Gutachten eines Sachverständigen über die Verfassungsmäßigkeit des Aussteuerungsbetrages einzuholen, geht es fehl, diesen Vorgang einer Tätigkeit zuzuordnen, bei der die Klägerin der Fachaufsicht unterliegt und demzufolge gemäß § 371 Abs. 4 SGB III ohne Selbstverwaltung tätig wird. Vorliegend geht es nämlich nicht um den Vollzug von § 46 Abs. 4 SGB II, der der Klägerin keinerlei Ermessen oder Gestaltungsmöglichkeit einräumt und hinsichtlich dessen die Klägerin daher ganz offensichtlich der Fachaufsicht unterliegt, sondern darum, dass der Verwaltungsrat sich Informationen beschafft, die er für seine Tätigkeit für erforderlich hält. Ob er insoweit die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten hat, ist eine hiervon zu unterscheidende Frage.
Als Maßnahme der Rechtsaufsicht war die aufsichtliche Weisung vom 5.12.2006 formell rechtmäßig.
Hierzu war das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gemäß § 393 Abs. 1 Satz 1 SGB III und nach dessen Geschäftsordnung Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales R. A. zuständig.
Die Beklagte hat hinsichtlich des Verfahrensablaufs § 89 SGB IV beachtet, nach dem sich die Ausübung der Aufsicht nach § 393 SGB III richtet (Niesel SGB III, 3. Auflage 2005, RdNr. 1 zum § 393), insbesondere hat sie versucht, gemäß § 89 Abs. 1 SGB IV durch Beratung auf ein rechtskonformes Verhalten der Klägerin hinzuwirken.
Die Weisung war auch materiell rechtmäßig, denn der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit hat durch seinen Beschluss vom 10.11.2006 unter Ziffer 3 der Tagesordnung gegen § 368 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB III und den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung verstoßen.
Gemäß § 368 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist die Bundesagentur der für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch zuständige Versicherungsträger. Hierdurch sind die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nicht hinreichend beschrieben, zumal ihr auch durch andere förmliche Gesetze Aufgaben zugewiesen wurden. § 368 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 SGB III lässt jedoch den Schluss zu, dass das Selbstverwaltungsrecht nach §§ 367 Abs. 1 i. V. m. 371 SGB III sich ausschließlich auf Aufgaben nach dem SGB III bezieht.
Gemäß § 368 Abs. 1 Satz 2 SGB III darf die Bundesagentur für Arbeit ihre Mittel nur die gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Zwecke verwenden.
Die Inauftraggabe eines externen Gutachtens erfordert den Einsatz finanzieller Mittel, die zwar im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Bundesagentur für Arbeit verschwindend sind, deren Erforderlichkeit jedoch an der vorgenannten Vorschrift gemessen werden muss.
Die Klägerin hat geltendgemacht, sie benötige das in Auftrag zu gebende Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs. 4 SGB II, um gemäß § 373 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Tätigkeit von Vorstand und Verwaltung zu überwachen, da für die Beurteilung, ob deren Handlungsweise rechtmäßig ist, nicht allein auf das förmliche Gesetz abgestellt werden könne, sondern auch die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zu prüfen sei.
Das trifft zur Überzeugung des Gerichts nicht zu. Auf Grund der Funktion der öffentlichen Verwaltung in der durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland bestimmten Staatsform des demokratischen Rechtsstaats, insbesondere dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, kommt den öffentlichen Verwaltungen keine Normverwerfungskompetenz hinsichtlich förmlicher Gesetze zu. Diese ist gemäß Art. 100 GG allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten, soweit es wie hier um Gesetze des Bundes geht (so schon BVerfG vom 9.11.1955 Az.: 1 BvL13/52, 1 BvL 21/52 BVerfGE 4, 331). Anders als für Gerichte sieht Art. 100 GG für Behörden keine Möglichkeit vor, die Frage, ob ein Gesetz verfassungsmäßig ist, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hält ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst ein Gesetz, dass er auszuführen hat, für verfassungswidrig, so besteht für ihn lediglich die Möglichkeit, dem Gesetzesbefehl den Gehorsam zu verweigern, wenn er ein Widerstandsrecht geltend machen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat hieran folgende Anforderungen gestellt (BVerfG vom 17.08.1956 Az.: 1 BvB 2/51 BVerfGE 5, 85): Wenn es angesichts des grundgesetzlichen Systems der gegenseitigen Hemmung und des Gleichgewichts staatlicher Gewalten und des wirksamen Rechtsschutzes gegen Verfassungsverstöße und -verfälschungen von Staatsorganen ein dem Grundgesetz immanentes Widerstandsrecht gegen einzelne Rechtswidrigkeiten gibt, so sind an seine Ausübung jedenfalls folgende Anforderungen zu stellen:
Das Widerstandsrecht kann nur im konservierenden Sinne benutzt werden, d. h. als Notrecht zur Bewahrung oder Wiederherstellung der Rechtsordnung. Das mit Widerstand bekämpfte Unrecht muss offenkundig sein. Alle von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe müssen so wenig Aussicht auf wirksame Abhilfe bieten, dass die Ausübung des Widerstandes das letzte verbleibende Mittel zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Rechts ist.
Das ist bei der lediglich haushaltsrechtlich relevanten Vorschrift des § 46 Abs. 4 SGB II so offensichtlich nicht der Fall, dass für den Vorstand und Verwaltung der Bundesagentur für Arbeit keine andere Möglichkeit besteht, als den "Aussteuerungsbetrag" an den Bundeshaushalt abzuführen.
Die Rechtsmäßigkeit des Handelns von Vorstand und Verwaltung ist deshalb unabhängig von der Frage zu beurteilen, ob § 46 Abs. 4 SGB II gegen Verfassungsrecht verstößt oder nicht.
Der Verwaltungsrat der Klägerin benötigt das Gutachten auch nicht, um gemäß § 371 Abs. 2 SGB III die Verwaltungen zu überwachen und in aktuellen Fragen des Arbeitsmarktes zu beraten. Bei der Frage, ob § 46 Abs. 4 SGB II verfassungsgemäß ist, handelt es sich nicht um eine Frage des Arbeitsmarktes. Zwar wird mit der gesetzlichen Regelung der Zweck verfolgt, auf die Arbeitsvermittlungstätigkeit der Klägerin Einfluss zu nehmen.
Der Verwaltungsrat hat jedoch durch § 371 Abs. 2 Satz 1 SGB III die Aufgabe zugewiesen bekommen, die Verwaltung der Bundesagentur für Arbeit und nicht die Bundesregierung oder das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik zu beraten.
Vernünftigerweise greift die Bundesregierung in der Praxis auf den Verwaltungsrat verkörperten Sachverstand der Bundesagentur für Arbeit zurück. Diese Aufgabe ergibt sich jedoch nicht aus dem Gesetz.
Ebenso wenig kann durch § 46 ABs. 4 SGB II das Selbstverwaltungsrecht der Bundesagentur für Arbeit beeinträchtigt sein. Das Selbstverwaltungsrecht wurde der Bundesagentur für Arbeit durch einfaches Gesetz, nämlich die §§ 367 ff SGB III eingeräumt. Nach den gesetzlichen Regelungen ist für die Bundesagentur für Arbeit nicht das Recht vorgesehen, frei über ihren Haushalt zu bestimmen. Vielmehr regelt der Gesetzgeber sowohl die Einnahmen als auch die Pflichtausgaben der Bundesagentur für Arbeit. Ihr Selbstverwaltungsrecht kann nur insoweit tangiert sein, als ihr durch das Gesetz ein Ermessen hinsichtlich ausgabenrelevanter Handlungen eingeräumt wird. Das ist beim Vollzug des § 46 Abs. 4 SGB II nicht der Fall. Soweit dadurch mittelbar auf das Ermessen bzw. den Gestaltungsspielraum im Rahmen des Selbstverwaltungsrecht eingewirkt wird, als ein Anreiz geschaffen wird, Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose einzusetzen, kann das Selbstverwaltungsrecht ebenfalls nicht tangiert sein.
Das Selbstverwaltungsrecht ist nämlich durch einfaches Gesetz eingeräumt. Weder aus Art. 33 Abs. 5 GG noch aus Art. 87 Abs. 2 GG noch aus dem Recht auf Selbstverwaltung folgt eine Grundrechtsfähigkeit der Klägerin (BVerfG vom 1.9.2000 Az.: 1 BvR 178/00 SozR 3-2007 § 147 Nr. 1 = DVBl 2001, 63 = NVwZ-RR 2001, 93). Dem Gesetzgeber ist es daher unbenommen, jederzeit das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin durch ein Gesetz einzuschränken, das mit dem das Selbstverwaltungsrecht begründenden Gesetz gleichrangig ist, was vorliegend der Fall ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Artikel 3 des Gesetzes vom 23.03.2002 zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat (BGBl I 2002, 1130).
Zwar findet sich im Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 14.3.2002 (BT-Drs. 14/8546, S. 8) die von Klägerseite angeführte Aussage, dass "die Bundesanstalt für Arbeit aus einer Behördenorganisation in einen Dienstleister mit privatwirtschaftlichen Führungsstrukturen überführt wird". Über den Vorstand wurde folgende Aussage getroffen: "Die Mitglieder des Vorstands der Bundesanstalt werden nicht als Beamte, sondern auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Amtsverhältnisse tätig. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis lässt eine flexible, den Aufgaben der Bundesanstalt als Dienstleister angepasste Ausgestaltung und Entwicklung der Rechtsverhältnisse zu. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis wird in besonderem Maße den hoheitlichen Aufgaben der Bundesanstalt sowie der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Bedeutung der Bundesanstalt gerecht. Es schafft bessere Voraussetzungen, um erfahrene Führungskräfte aus den Bereichen Politik, Verwaltung oder Wirtschaft gewinnen zu können. Im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses können zum Beispiel die Gehalts- und Versorgungsansprüche in einer auf den Einzelfall abgestimmten Weise vertraglich geregelt werden".
Hieraus folgt jedoch nicht, dass der historische Gesetzgeber beabsichtigte, die Bundesagentur für Arbeit rechtlich aus der öffentlichen Verwaltung herauszulösen, denn nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG werden als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Dass als sozialer Versicherungsträger im Sinne des Grundgesetzes auch die Bundesagentur für Arbeit anzusehen ist, unterliegt keinem Zweifel. Es kann nicht angenommen werden, der historische Gesetzgeber habe gegen Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen wollen. Selbst wenn dieser Punkt übersehen worden wäre, wäre das Elfte Kapitel des SGB III im Einklang mit Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungskonform auszulegen, was ohne Verstoß gegen den Wortlaut des Gesetzes möglich ist. Ungeachtet der Intention des Gesetzgebers, aus der Privatwirtschaft entlehnte Organisationsprinzipien auf die Bundesagentur für Arbeit zu übertragen, kann deshalb keine Rede davon sein, durch das Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat seinen der Bundesagentur für Arbeit weitergehende Rechte eingeräumt worden, als die einer Anstalt des öffentlichen Rechts, nämlich einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungseinrichtung, die einem bestimmten Nutzungszweck dienst und nicht mitgliedschaftlich organisiert ist.
Insbesondere ist dem einfachen Gesetzgeber im Anwendungsbereich des Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG die Möglichkeit verwehrt, neue demokratische Institutionen mit originären Rechten zu errichten, die nicht der Verantwortung der Bundesregierung unterliegen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit eine demokratische Legitimation verschafft (so Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, Duncker & Humblot Berlin 1991, Seite 187 ff zur Funktion des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit nach den §§ 190 ff AFG). Aufgrund der durch das Grundgesetz vorgegebenen Rechtsnatur der Bundesagentur für Arbeit besteht nicht die Möglichekit anzunehmen, dass ihr durch Artikel 3 des Gesetzes vom 23.03.2002 zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat Grundrechtspositionen verliehen worden wären.
Demzufolge benötigt der Verwaltungsrat das Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit von § 46 Abs. 4 SGB II nicht zur Erfüllung seiner Aufgaben, mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 368 Abs. 1 Satz 2 SGB III keine Mittel für die Beschaffung eines externen Gutachtens zu dieser Frage verwenden darf. Die geplante gesetzwidrige Mittelverwendung durfte das zuständige Ministerium gemäß § 393 Abs. 1 SGB III durch rechtsaufsichtliche Weisung untersagen.
Da eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten durch die angegriffene aufsichtliche Weisung vom 5.12.2006 wie oben ausgeführt ausgeschlossen werden kann, war die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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