Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 12/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Übergangsgeld für die Zeit vom 05.09.2016 bis 04.03.2017 zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Übergangsgeld während der vom 05.09.2016 bis 04.03.2017 durchgeführten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Der Kläger bezog vom 08.07.2014 bis 17.07.2015 Arbeitslosengeld I. Mit Bescheid des Jobcenters A-Stadt vom 29.07.2015 wurde dem 1971 geborenen Kläger im Zeitraum vom 01.08.2015 bis 31.12.2015 Arbeitslosengeld II bewilligt. In der Folge bezog der Kläger laufend bis 04.09.2016 Arbeitslosengeld II. Für die Zeit vom 18.07.2015 bis 31.07.2015 wurde das Arbeitslosengeld II nicht bewilligt, da sich aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld I während der Zeit vom 01.07.2015 bis 17.07.2015 keine Leistungen errechneten. Auf Antrag des Klägers vom 07.06.2016 hin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2016 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Der Kläger wurde am 05.09.2016 in eine Einrichtung der E. A-Stadt aufgenommen und am 04.03.2017 entlassen. Im Bescheid vom 12.09.2016 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Übergangsgeld für die Dauer der gewährten Maßnahme in dieser Einrichtung ab, da der Kläger nicht durchgehend bis zum Beginn der Leistung zur medizinischen Rehabilitation Arbeitslosengeld II bezogen habe. Hiergegen legte der Kläger am 08.10.2016 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass er sich rechtzeitig am 17.07.2015 beim Jobcenter gemeldet habe. Er habe alle Unterlagen vorgelegt und Arbeitslosengeld II beantragt. Er habe für Juli 2015 nur deshalb kein Arbeitslosengeld II bekommen, weil sich wegen des Arbeitslosengeld I-Bezugs bis 17.07.2015 für Juli 2015 keine Leistungen errechnet hätten. Schließlich habe der Kläger die Lücke, die sich hier gebildet habe, nicht zu verschulden, er habe sich rechtzeitig arbeitslos gemeldet. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 06.12.2016 zurück mit der Begründung, dass nach der Vorschrift des § 20 SGB VI nur für diejenigen Versicherten Anspruch auf Übergangsgeld bestehe, die vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II rentenversicherungspflichtig waren oder eine Entgeltersatzleistung bezogen haben. Die einzelnen in § 20 SGB VI genannten Perioden (Beschäftigung, Entgeltersatzleistung, Arbeitsunfähigkeit, Leistung) müssten nahtlos ineinander übergehen. Der Kläger habe vor Beginn der Leistung zur Rehabilitation kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe nur bis zum 27.08.2013 bestanden. Danach habe er nicht ununterbrochen bis zum Beginn der Leistung zur Rehabilitation Arbeitslosengeld II oder eine andere Sozialleistung bezogen. Es bestehe u.a. eine Lücke vom 26.10.2014 bis 24.04.2015. In der am 05.01.2017 erhobenen Klage hat der Bevollmächtigte des Klägers unter anderem vorgetragen, dass keine Lücke vorliege und daher ein Anspruch bestehe. Hierzu wurde ein Bescheid vom 05.11.2014 über den Bezug von Arbeitslosengeld I vom 26.10.2014 bis 24.04.2015 vorgelegt. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II nach § 20 SGB VI zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sein müssten. Es hätten damit nur diejenigen Versicherten Anspruch auf Übergangsgeld, die vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II rentenversicherungspflichtig beschäftigt oder selbständig tätig waren, bzw. bei anschließendem nahtlosem Bezug von Entgeltersatzleistungen (z.B. Arbeitslosengeld I oder Krankengeld). Der Kläger habe bis zum 27.08.2013 gearbeitet. Danach habe er nicht ununterbrochen bis zum Beginn der Leistung zur Rehabilitation Arbeitslosengeld II oder eine der in § 20 Nr. 3 SGB VI genannten Sozialleistungen bezogen. Es bestünden Lücken vom 03.07.2014 bis 07.07.2014, vom 26.10.2014 bis 24.04.2015 und vom 18.07.2015 bis 31.07.2015. Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2016 zu verpflichten, ihm Übergangsgeld während der Reha-Maßnahme für die Zeit vom 05.09.2016 bis 04.03.2017 zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, insbesondere das Vorbringen der Parteien in den eingereichten Schriftsätzen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger gemäß den §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind zu Unrecht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2016 ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld während der medizinischen Reha-Maßnahme. Die gesetzlichen Vorausetzungen sind erfüllt. Der Anspruch ergibt sich aus § 20 Nr. 3b SGB VI. Dieser lautet: Anspruch auf Übergangsgeld haben Versicherte, die 1. ( ...) 2. ( ...) 3. bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen a) ( ...) b) Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.
Streitig ist vorliegend allein die Rechtsfrage, ob der unbestimmte Rechtsbegriff des "zuvor" als Tatbestandsvoraussetzung des Übergangsgeldanspruches gem. § 20 Nr.3 b SGB VI vorliegend gegeben ist, d.h. ob hier ein nahtloser Übergang zwischen vorheriger Pflichtbeitragsleistung zur Rentenversicherung und dem Arbeitslosengeld II-Bezug zu fordern ist oder nicht. Dies ist nach Auffassung der Kammer der Fall.
Unstreitig wurde Arbeitslosengeld von der Arbeitsagentur bis 17.07.2015 gewährt und Arbeitslosengeld II vom 01.08.2015 bis zum 04.09.2016; die Maßnahme zur Rehabilitation begann am 05.09.2016. Zwischen dem Ende des Arbeitslosengeld I-Bezuges und dem Beginn des Arbeitslosengeld II-Bezuges liegt damit zwar eine Lücke vom 18.07.2015 bis 31.07.2015, die aber unschädlich ist, so dass nach Auffassung der Kammer das Tatbestandsmerkmal des "zuvor" gemäß § 20 Nr. 3b SGB VI erfüllt ist.
Die Beklagte vertritt hingegen die Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal und der unbestimmte Rechtsbegriff "zuvor" mit einem nahtlosen Übergang gleichzusetzen sei und insoweit keine Ausnahme möglich ist.
Da nach der ursprünglich ab 01.01.2005 geltenden Fassung des § 20 Nr. 3b SGB VI idF des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) Versicherte, die vor Beginn der Maßnahme Arbeitslosengeld II bezogen hatten, vom Übergangsgeld-Bezug gänzlich ausgeschlossen gewesen wären, weil dem vor Beginn der Maßnahme bezogenen Arbeitslosengeld II kein rentenversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde lag, sondern nach § 166 Abs. 1 Nr. 2a SGB VI in der seinerzeit geltenden Fassung ein monatlicher Pauschalbetrag von 400,- EUR, hat der Gesetzgeber die Vorschrift mWv 01.01.2005 unter Verweis auf ein "redaktionelles Versehen" (vgl. BT-Drucks 15/2816 S. 16) dahingehend geändert, dass im Falle des Arbeitslosengeld II-Bezugs "zuvor" Beiträge zur Rentenversicherung aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gezahlt worden sein müssen.
Über den Wortlaut hinaus erfüllt auch eine Sozialleistung, die den Anforderungen der Nr. 3 Buchst. b genügt, die Voraussetzung des Vorbezugs (Rechtshandbuch der DRV Bund, SGB VI, Stand 2. 1. 2013, § 20 4.1.4). Eine entsprechende Anwendung ist gerechtfertigt, da die Regelungslücke als planwidrig anzusehen ist. So würden anderenfalls beispielsweise Arbeitslosengeld II-Empfänger schlechter gestellt, die nach Verlust einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zunächst Arbeitslosengeld I beziehen , während diejenigen, die etwa mangels Anwartschaft (und damit i. d. R. mit geringerem Beitrag zur Solidargemeinschaft insgesamt) sogleich auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, einen Anspruch auf Übergangsgeld erlangen könnten. Diese unterschiedliche Behandlung wäre nicht zu rechtfertigen (siehe Jüttner in Hauck/Noftz § 20 SGB VI, Stand 2/16).
Umstritten ist, ob sich aus der Formulierung "zuvor" in § 20 Nr. 3b SGB VI ergibt, dass ein nahtloser Übergang zwischen vorheriger Pflichtbeitragsleistung zur Rentenversicherung und dem Arbeitslosengeld II-Bezug zu fordern ist (so Lilge, SGB VI, § 20 Nr. 6.2; Kreikebohm, SGB VI, 3. Auflage 2008, § 20 Rn. 4; Oberscheven in Lueg/von Maydell/Ruland, GK-SGB VI, § 20 Rn. 67) oder nicht (so Haack in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 20 Rn. 6; Hirsch in LPK-SGB VI, 2. Auflage 2010, § 20 Rn. 6; Kater in KassKomm SGB VI, Stand Mai 2014, § 20 Rn. 11; KomGRV, SGB VI, Stand Oktober 2006, § 20 Rn. 3, Jüttner in Hauck/Noftz § 20 SGB VI Rn. 26, Stand 2/16, BSG SozR 2200 § 1240 Nr. 11).
Zunächst ist zu beachten, dass ein vom Gesetzgeber gewählter unbestimmter Rechtsbegriff nicht unter Vernachlässigung des Einzelfalls und des Normzwecks durch ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal ersetzt werden kann (vgl. BSG vom 07.09.2010, B 5 R 104/08 R, Rn. 19). Aus der Zielrichtung des Übergangsgelds als fortlaufende Sicherung nach Entfall von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen ergibt sich, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zu fordern ist. Hierfür ist analog § 19 Abs. 2 SGB V ein Zeitraum bis zu einem Monat anzusetzen. Andere Auslegungen würden zu unbilligen Ergebnissen führen, was folgende Beispiele aufzeigen: Hätte der Kläger nur für wenige Tage im Juli Arbeitslosengeld I bezogen, hätte er im Juli noch Arbeitslosengeld II bezogen und damit nach Ansicht der engen Auslegung einen Anspruch auf Übergangsgeld. Das gleiche wäre der Fall, wenn der Arbeitslosengeld I-Anspruch bis zum 17.07.2017 so niedrig gewesen wäre, dass der Kläger im ganzen Juli Anspruch auf Arbeitslosengeld II gehabt hätte. Einer Auslegung, die den Anspruch von Übergangsgeld von solchen Zufälligkeiten abhängig macht, kann nach Ansicht der Kammer nicht gefolgt werden.
Der angefochtene Bescheid ist daher materiell rechtswidrig, der Kläger hat einen materiellen Anspruch auf Leistung des Übergangsgeldes gemäß § 20 Nr. 3b SGB VI. Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Übergangsgeld während der vom 05.09.2016 bis 04.03.2017 durchgeführten Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Der Kläger bezog vom 08.07.2014 bis 17.07.2015 Arbeitslosengeld I. Mit Bescheid des Jobcenters A-Stadt vom 29.07.2015 wurde dem 1971 geborenen Kläger im Zeitraum vom 01.08.2015 bis 31.12.2015 Arbeitslosengeld II bewilligt. In der Folge bezog der Kläger laufend bis 04.09.2016 Arbeitslosengeld II. Für die Zeit vom 18.07.2015 bis 31.07.2015 wurde das Arbeitslosengeld II nicht bewilligt, da sich aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld I während der Zeit vom 01.07.2015 bis 17.07.2015 keine Leistungen errechneten. Auf Antrag des Klägers vom 07.06.2016 hin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2016 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Der Kläger wurde am 05.09.2016 in eine Einrichtung der E. A-Stadt aufgenommen und am 04.03.2017 entlassen. Im Bescheid vom 12.09.2016 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Übergangsgeld für die Dauer der gewährten Maßnahme in dieser Einrichtung ab, da der Kläger nicht durchgehend bis zum Beginn der Leistung zur medizinischen Rehabilitation Arbeitslosengeld II bezogen habe. Hiergegen legte der Kläger am 08.10.2016 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass er sich rechtzeitig am 17.07.2015 beim Jobcenter gemeldet habe. Er habe alle Unterlagen vorgelegt und Arbeitslosengeld II beantragt. Er habe für Juli 2015 nur deshalb kein Arbeitslosengeld II bekommen, weil sich wegen des Arbeitslosengeld I-Bezugs bis 17.07.2015 für Juli 2015 keine Leistungen errechnet hätten. Schließlich habe der Kläger die Lücke, die sich hier gebildet habe, nicht zu verschulden, er habe sich rechtzeitig arbeitslos gemeldet. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 06.12.2016 zurück mit der Begründung, dass nach der Vorschrift des § 20 SGB VI nur für diejenigen Versicherten Anspruch auf Übergangsgeld bestehe, die vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II rentenversicherungspflichtig waren oder eine Entgeltersatzleistung bezogen haben. Die einzelnen in § 20 SGB VI genannten Perioden (Beschäftigung, Entgeltersatzleistung, Arbeitsunfähigkeit, Leistung) müssten nahtlos ineinander übergehen. Der Kläger habe vor Beginn der Leistung zur Rehabilitation kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe nur bis zum 27.08.2013 bestanden. Danach habe er nicht ununterbrochen bis zum Beginn der Leistung zur Rehabilitation Arbeitslosengeld II oder eine andere Sozialleistung bezogen. Es bestehe u.a. eine Lücke vom 26.10.2014 bis 24.04.2015. In der am 05.01.2017 erhobenen Klage hat der Bevollmächtigte des Klägers unter anderem vorgetragen, dass keine Lücke vorliege und daher ein Anspruch bestehe. Hierzu wurde ein Bescheid vom 05.11.2014 über den Bezug von Arbeitslosengeld I vom 26.10.2014 bis 24.04.2015 vorgelegt. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II nach § 20 SGB VI zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sein müssten. Es hätten damit nur diejenigen Versicherten Anspruch auf Übergangsgeld, die vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II rentenversicherungspflichtig beschäftigt oder selbständig tätig waren, bzw. bei anschließendem nahtlosem Bezug von Entgeltersatzleistungen (z.B. Arbeitslosengeld I oder Krankengeld). Der Kläger habe bis zum 27.08.2013 gearbeitet. Danach habe er nicht ununterbrochen bis zum Beginn der Leistung zur Rehabilitation Arbeitslosengeld II oder eine der in § 20 Nr. 3 SGB VI genannten Sozialleistungen bezogen. Es bestünden Lücken vom 03.07.2014 bis 07.07.2014, vom 26.10.2014 bis 24.04.2015 und vom 18.07.2015 bis 31.07.2015. Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2016 zu verpflichten, ihm Übergangsgeld während der Reha-Maßnahme für die Zeit vom 05.09.2016 bis 04.03.2017 zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, insbesondere das Vorbringen der Parteien in den eingereichten Schriftsätzen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger gemäß den §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind zu Unrecht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2016 ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld während der medizinischen Reha-Maßnahme. Die gesetzlichen Vorausetzungen sind erfüllt. Der Anspruch ergibt sich aus § 20 Nr. 3b SGB VI. Dieser lautet: Anspruch auf Übergangsgeld haben Versicherte, die 1. ( ...) 2. ( ...) 3. bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen a) ( ...) b) Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.
Streitig ist vorliegend allein die Rechtsfrage, ob der unbestimmte Rechtsbegriff des "zuvor" als Tatbestandsvoraussetzung des Übergangsgeldanspruches gem. § 20 Nr.3 b SGB VI vorliegend gegeben ist, d.h. ob hier ein nahtloser Übergang zwischen vorheriger Pflichtbeitragsleistung zur Rentenversicherung und dem Arbeitslosengeld II-Bezug zu fordern ist oder nicht. Dies ist nach Auffassung der Kammer der Fall.
Unstreitig wurde Arbeitslosengeld von der Arbeitsagentur bis 17.07.2015 gewährt und Arbeitslosengeld II vom 01.08.2015 bis zum 04.09.2016; die Maßnahme zur Rehabilitation begann am 05.09.2016. Zwischen dem Ende des Arbeitslosengeld I-Bezuges und dem Beginn des Arbeitslosengeld II-Bezuges liegt damit zwar eine Lücke vom 18.07.2015 bis 31.07.2015, die aber unschädlich ist, so dass nach Auffassung der Kammer das Tatbestandsmerkmal des "zuvor" gemäß § 20 Nr. 3b SGB VI erfüllt ist.
Die Beklagte vertritt hingegen die Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal und der unbestimmte Rechtsbegriff "zuvor" mit einem nahtlosen Übergang gleichzusetzen sei und insoweit keine Ausnahme möglich ist.
Da nach der ursprünglich ab 01.01.2005 geltenden Fassung des § 20 Nr. 3b SGB VI idF des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) Versicherte, die vor Beginn der Maßnahme Arbeitslosengeld II bezogen hatten, vom Übergangsgeld-Bezug gänzlich ausgeschlossen gewesen wären, weil dem vor Beginn der Maßnahme bezogenen Arbeitslosengeld II kein rentenversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde lag, sondern nach § 166 Abs. 1 Nr. 2a SGB VI in der seinerzeit geltenden Fassung ein monatlicher Pauschalbetrag von 400,- EUR, hat der Gesetzgeber die Vorschrift mWv 01.01.2005 unter Verweis auf ein "redaktionelles Versehen" (vgl. BT-Drucks 15/2816 S. 16) dahingehend geändert, dass im Falle des Arbeitslosengeld II-Bezugs "zuvor" Beiträge zur Rentenversicherung aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gezahlt worden sein müssen.
Über den Wortlaut hinaus erfüllt auch eine Sozialleistung, die den Anforderungen der Nr. 3 Buchst. b genügt, die Voraussetzung des Vorbezugs (Rechtshandbuch der DRV Bund, SGB VI, Stand 2. 1. 2013, § 20 4.1.4). Eine entsprechende Anwendung ist gerechtfertigt, da die Regelungslücke als planwidrig anzusehen ist. So würden anderenfalls beispielsweise Arbeitslosengeld II-Empfänger schlechter gestellt, die nach Verlust einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zunächst Arbeitslosengeld I beziehen , während diejenigen, die etwa mangels Anwartschaft (und damit i. d. R. mit geringerem Beitrag zur Solidargemeinschaft insgesamt) sogleich auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, einen Anspruch auf Übergangsgeld erlangen könnten. Diese unterschiedliche Behandlung wäre nicht zu rechtfertigen (siehe Jüttner in Hauck/Noftz § 20 SGB VI, Stand 2/16).
Umstritten ist, ob sich aus der Formulierung "zuvor" in § 20 Nr. 3b SGB VI ergibt, dass ein nahtloser Übergang zwischen vorheriger Pflichtbeitragsleistung zur Rentenversicherung und dem Arbeitslosengeld II-Bezug zu fordern ist (so Lilge, SGB VI, § 20 Nr. 6.2; Kreikebohm, SGB VI, 3. Auflage 2008, § 20 Rn. 4; Oberscheven in Lueg/von Maydell/Ruland, GK-SGB VI, § 20 Rn. 67) oder nicht (so Haack in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 20 Rn. 6; Hirsch in LPK-SGB VI, 2. Auflage 2010, § 20 Rn. 6; Kater in KassKomm SGB VI, Stand Mai 2014, § 20 Rn. 11; KomGRV, SGB VI, Stand Oktober 2006, § 20 Rn. 3, Jüttner in Hauck/Noftz § 20 SGB VI Rn. 26, Stand 2/16, BSG SozR 2200 § 1240 Nr. 11).
Zunächst ist zu beachten, dass ein vom Gesetzgeber gewählter unbestimmter Rechtsbegriff nicht unter Vernachlässigung des Einzelfalls und des Normzwecks durch ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal ersetzt werden kann (vgl. BSG vom 07.09.2010, B 5 R 104/08 R, Rn. 19). Aus der Zielrichtung des Übergangsgelds als fortlaufende Sicherung nach Entfall von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen ergibt sich, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zu fordern ist. Hierfür ist analog § 19 Abs. 2 SGB V ein Zeitraum bis zu einem Monat anzusetzen. Andere Auslegungen würden zu unbilligen Ergebnissen führen, was folgende Beispiele aufzeigen: Hätte der Kläger nur für wenige Tage im Juli Arbeitslosengeld I bezogen, hätte er im Juli noch Arbeitslosengeld II bezogen und damit nach Ansicht der engen Auslegung einen Anspruch auf Übergangsgeld. Das gleiche wäre der Fall, wenn der Arbeitslosengeld I-Anspruch bis zum 17.07.2017 so niedrig gewesen wäre, dass der Kläger im ganzen Juli Anspruch auf Arbeitslosengeld II gehabt hätte. Einer Auslegung, die den Anspruch von Übergangsgeld von solchen Zufälligkeiten abhängig macht, kann nach Ansicht der Kammer nicht gefolgt werden.
Der angefochtene Bescheid ist daher materiell rechtswidrig, der Kläger hat einen materiellen Anspruch auf Leistung des Übergangsgeldes gemäß § 20 Nr. 3b SGB VI. Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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