L 3 AL 872/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AL 2991/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 872/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin ihres am 09.04.2009 verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Versicherter) Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 29.11.2005.

Der am 17.06.1947 geborene Versicherte war bei der DaimlerChrysler AG versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als freigestellter Betriebsrat mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt Ende 2004/Anfang 2005 sprach der Versicherte bei der Beklagten vor und bat um eine Zusicherung, nach dem Ende seiner Beschäftigung Alg zu erhalten. Bereits hier teilte er mit, er sei - neben seiner abhängigen Beschäftigung - seit 1990 als Selbstständiger mit einer Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig. Er sei Inhaber bzw. Gesellschafter zweier Unternehmen (Autohaus A. B. bzw. Autohaus C. B. e.K. [im Folgenden: Autohaus e.K.] sowie C. B. PS Service Systems GmbH [im Folgenden PS GmbH]). Er beschäftige zwei Geschäftsführer und sieben Mitarbeiter, er selbst arbeite für die Unternehmen auf 400-EUR-Basis. Ihr Umsatz betrage EUR 500.000,00 jährlich. Die Unternehmen expandierten, er selbst wolle aber kürzer treten. Zu seiner Tätigkeit gab er an, er schwebe praktisch als Oberaufsicht, er habe "die Zügel in der Hand" und wolle dies auch künftig noch einige Jahre so beibehalten. Der Kläger legte mehrere Aufstellungen über die Mitarbeiter und die Tätigkeitsbereiche in den Unternehmen vor, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 25.01.2005 eine Zusicherung über die Bewilligung von Alg ab. Art und Umfang der selbstständigen Tätigkeit des Versicherten führten zu dem Schluss, dass Arbeitgebereigenschaft vorliege. Dies schließe den Bezug von Alg aus.

Mit Vertrag vom 17.08.2005 hoben der Versicherte und die DaimlerChrysler AG das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von EUR 85.000,00 zum 30.09.2005 auf.

Am 29.11.2005 meldete sich der Versicherte arbeitslos und beantragte Alg. In dem Antrag gab er wiederum an, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von unter 15 Stunden selbstständig tätig zu sein. Er gab auch die Erklärung nach § 428 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab. Die Beklagte zog Auszüge aus dem Gewerberegister und dem Handelsregister bei. Aus ihnen ergab sich, dass der Versicherte einzelkaufmännischer Inhaber des Autohauses war und dass Alleingeschäftsführerin der PS seine Ehefrau Renate B., die jetzige Klägerin, war. Ferner ergab sich, dass der Kläger Gesellschafter und auch Alleingeschäftsführer eines weiteren Unternehmens war, nämlich der zuletzt zum 01.07.2005 zum Handelsregister angemeldeten mtec motorsystems GmbH (im Folgenden: mtec). Die Beklagte stellte zudem fest, dass der Versicherte als Arbeitgeber bei der Beklagten mehrfach Vermittlungsaufträge gestellt bzw. Stellengesuche mitgeteilt hatte, darunter am 29.11.2005 und am 09.12.2005 insgesamt vier Gesuche für Hardware-Entwickler, Datentypisten und Bürokaufleute. Auch hatte er im Herbst 2005 gegenüber der Dienststelle der Beklagten in Görlitz nach zahlreichen (50 bzw. 150) freien Mitarbeitern gesucht. Im Sommer 2005 hatte er persönlich mündliche und telefonische Gespräche mit der Beklagten geführt, als seine Unternehmen mit der Beklagten um Wirtschaftsförderung bei Neugründung des Unternehmens in Görlitz und um Eingliederungszuschüsse (EGZ) für drei Mitarbeiter am Stammsitz verhandelten.

Mit Bescheid vom 09.01.2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Alg ab. Der Versicherte sei nicht arbeitslos, da er als Selbstständiger zugleich Arbeitgeber sei.

Der Versicherte erhob Widerspruch. Er sei aus seiner Beschäftigung bei DaimlerChrysler ausgeschieden. Sollte kein Leistungsanspruch bestehen, so hätte er seit 1989 seine Arbeitslosenversicherungsbeiträge fälschlicherweise abgeführt. Seine Nebenbeschäftigung in seinen Unternehmen übe er mit 12 Stunden wöchentlich aus.

Die Beklagte stellte fest, dass in ihrem Arbeitgebersystem durchgängig der Versicherte als Ansprechpartner seiner Unternehmen eingetragen war und dass durchgängig auch er die Gespräche mit der Beklagten geführt hatte. Ferner wurde festgestellt, dass der Versicherte noch am 03.02.2006 ein Stellengesuch (Bilanzbuchhalter) bei der Beklagten eingestellt hatte.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 18.04.2006 ohne weitergehende Begründung zurück.

Der Versicherte hat am 26.04.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat vor-ge¬tragen, die mtec habe 2005 einen Jahresumsatz von EUR 44.000,00 erzielt und seine Tätigkeit als ihr Geschäftsführer sei äußerst geringfügig und bereits Bestandteil der 12 Stunden je Woche gewesen, die er für das Unternehmen Autoglas aufwende. Später hat er zur Art und zum Umfang seiner Tätigkeiten eine detaillierte Aufstellung zur Akte gereicht, auf die verwiesen wird. Auf eine Nachfrage der Beklagten hat er weiter vorgetragen, die Verringerung seiner Arbeitszeit bei DaimlerChrysler von 35 auf 25 Stunden im Mai 2004 habe nichts mit seinen Unternehmen zu tun gehabt, sondern mit der Pflege seiner jetzt 84 Jahre alten, im Hause lebenden Eltern.

Am 09.04.2009 ist der Versicherte verstorben. Er wurde zur Hälfte von seiner Ehefrau, der Klägerin, und zu je 1/14 von seinen sieben Kindern beerbt. Die Klägerin hatte mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft gelebt und wurde von ihm überwiegend unterhalten, nachdem sie selbst nur geringfügig erwerbstätig war. Mit Schriftsatz vom 24.08.2009 hat die Klägerin sodann - zunächst als Testamentsvollstreckerin - den Rechtsstreit wieder aufgerufen.

Auf weitere Nachfrage des SG hat die Klägerin vorgetragen, zwar sei der Versicherte als Ansprechpartner gegenüber der Beklagten aufgetreten und habe die Vermittlungsvorschläge entgegengenommen, jedoch hätten seine Söhne D. und E. B. entschieden, welche Bewerber eingeladen und eingestellt worden seien. Dies gelte auch für die PS GmbH, für die er im Übrigen eine Geschäftstätigkeit nicht entfaltet habe.

Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung dreier Kinder des Versicherten, E. B., D. B. und F. G., als Zeugen. Die Zeugin G. hat bekundet, der Versicherte habe seine Arbeitszeit bei DaimlerChrysler verringert, um seine gehbehinderten und demenzkranken Eltern zu pflegen. Er habe sich die Pflege mit seiner Ehefrau, der Klägerin, geteilt. Der Vater des Versicherten sei 2006 in ein Altenheim gezogen, die Mutter des Versicherten im April 2010 verstorben. Der Versicherte selbst habe im November 2006 einen Schlaganfall erlitten, dieser sei mit einer Sprachstörung und einer Lähmung einhergegangen. 2007 habe er außerdem zwei Thrombosen erlitten. Der Ver¬sicher¬te habe kein Büro in den Unternehmensräumen unterhalten, sondern nur eines zu Hause. Don-nerstags habe er die Überweisungen angewiesen. Ansonsten seien seine Söhne E. und D., die die Unternehmen sehr selbstständig geführt hätten, bei Bedarf auf ihn zugekommen. Der Zeuge E. B. hat angegeben, er habe etwa 2007 die Klägerin als Geschäftsführer der PS GmbH abgelöst. Er selbst habe seit 2000 in dem Unternehmen gearbeitet. Der Versicherte habe dort lediglich unter¬stüt¬zen¬de Tätigkeiten wahrgenommen. Die Klägerin sei zeichnungsberechtigt gewesen, habe aber ebenfalls nur unterstützt. Der Versicherte habe ab 2004/2005 eher weniger gearbeitet, was mit der Erkrankung seiner Eltern zu tun gehabt habe. Nach dem Schlaganfall 2006 und den Thrombosen 2007 habe sich die Tätigkeit des Versicherten für die PS GmbH fast auf Null verringert. Auch für die mtec GmbH habe der Versicherte nicht viel gearbeitet. Dieses Unternehmen habe maximal EUR 50.000,00 abgeworfen. Das Unternehmen in Görlitz, für das der Versicherte Mitarbeiter gesucht habe, habe ein weiterer Sohn, Thorsten B., gegründet. Der Versicherte habe auch dort höchstens unterstützende Tätigkeit geleistet. Der Zeuge D. B. hat mitgeteilt, er habe bis 2008 in der Autoglas e.K., der PS GmbH, der mtec GmbH und in dem Unternehmen in Görlitz Geschäftsführertätigkeiten ausgeübt. Im Prinzip sei alles über seinen Tisch gelaufen. Insbesondere sei er für die Buchhaltung, das Marketing, die Werkstatt und auch für Personalangelegenheiten zuständig gewesen. Der Versicherte habe den Kontakt zum Steuerberater gehalten und Entscheidungen, die er - der Zeuge - vorbereitet habe, genehmigt und abgezeichnet. Der Versicherte habe hierfür ein bis zwei Stunden täglich gearbeitet. Auch die Pflege seiner Eltern habe ihn stark beansprucht. Er habe sich ihretwegen bereits bei der Verringerung seiner Arbeitszeit bei DaimlerChrysler aus der Firma weiter zurückgezogen. Er sei in strategische Entscheidungen wie Investitionen und Geschäftsstrategien einbezogen worden, am operativen Geschäft habe er sich nicht mehr beteiligt. Ein eigenes Büro habe er nicht gehabt. Wenn er den PC benötigt habe, habe er an seinem - des Zeugen - Schreibtisch gearbeitet. Wegen der weiteren Aussagen der Zeugen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG am 21.12.2010 verwiesen.

Mit Urteil vom 21.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe den Prozess als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten fortführen können. Jedoch stehe ihr kein Anspruch auf Alg zu. Der Versicherte sei nach seinem Ausscheiden bei der DaimlerChrysler AG nicht arbeitslos gewesen. Unter Würdigung der Zeugenaussagen und unter Berücksichtigung der Beweislastverteilung stehe fest, dass der Versicherte den Vermittlungsbemühungen der Beklagten weder objektiv noch subjektiv zur Verfügung gestanden habe. Die objektive Verfügbarkeit habe gefehlt, weil der Versicherte wegen der Ganztagspflege seiner Eltern nicht an jedem Tag, für den er Alg begehrt habe, in der Lage gewesen sei, ohne Verzug eine mindestens 15 Stunden wöchentlich währende Beschäftigung aufzunehmen. Er hätte eine solche Beschäftigung organisatorisch nicht mit den Pflegeleistungen abstimmen können. Die Zeugen hätten bekundet, dass die Eltern des Versicherten praktisch rund um die Uhr hätten überwacht und betreut werden müssen. Es sei der ausdrückliche Wunsch der Eltern gewesen, von dem Versicherten gepflegt zu werden. Auch die Berufstätigkeit der Klägerin und die Tatsache, dass sich der Versicherte wegen der Pflege aus den von ihm geleiteten Unternehmen zurückgezogen habe, sprächen gegen eine ausreichende Verfügbarkeit. Der Versicherte habe neben der Pflege auch noch ein bis zwei Stunden täglich für die Unternehmen gearbeitet, insbesondere strategische Entscheidungen getroffen. Hiernach habe organisatorisch und zeitlich kein Raum für eine Verfügbarkeit bestanden. Etwaige verbleibende Zweifel gingen zu Lasten der Klägerin. Auf die objektive Verfügbarkeit des Versicherten habe auch nach § 428 Abs. 1 SGB III a.F. nicht verzichtet werden können. Nach dieser Vorschrift stehe dem Alg-Anspruch über 58 Jahre alter Arbeitsloser nicht entgegen, dass sie nicht arbeitsbereit seien. Die objektive Verfügbarkeit müsse dagegen fortbestehen. Ferner hege das SG ernsthafte Zweifel an der subjektiven Verfügbarkeit. Es sei nicht erkennbar, dass der Versicherte bereit gewesen sei, eine Beschäftigung aufzunehmen. Hiergegen spreche bereits, dass er 2004 seine Arbeitszeit bei der DaimlerChrysler AG verringert habe, um seine Eltern zu pflegen. Auch habe er sich wegen der Pflege zunehmend aus seinen eigenen Firmen zurückziehen müssen. Die Zeugin G. habe bekundet, es sei für den Versicherten nicht in Frage gekommen, die Pflege der Eltern einem ambulanten Unternehmen zu überlassen, lediglich die Wundversorgung habe ein Pflegedienst durchgeführt. Schließlich dürften der subjektiven Verfügbarkeit auch die schweren Erkrankungen des Versicherten ab 2006 entgegengestanden haben. Diese hätten auch bedingt, dass er seine selbstständige Tätigkeit ab 2007 praktisch auf Null habe verringern müssen.

Gegen dieses Urteil, das ihrer Prozessbevollmächtigten am 02.02.2011 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 01.03.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, der Versicherte hätte eine von der Beklagten angebotene Stelle trotz der ganztätigen Pflege seiner Eltern unverzüglich antreten können. In einem solchen Falle hätte die Klägerin einen Teil der Pflege übernommen und es wäre Pflegepersonal eingestellt worden. Der Versicherte habe seine Eltern deshalb gepflegt, weil ihm die Beklagte keine Beschäftigung angeboten habe. Der Versicherte habe bis 2004 neben der Pflege eine 25-stündige Beschäftigung bei der DaimlerChrysler AG ausüben können. Auch die Erkrankungen des Versicherten hätten einer Beschäftigung nicht entgegengestanden. Der Versicherte sei nach dem Schlaganfall und den Thrombosen nicht erwerbsunfähig gewesen und habe sich recht schnell erholt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2006 zu verurteilen, ihr für den Versicherten C. B. Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe und in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Sie trägt vor, nach den Angaben der Zeugen sei es für den Versicherten nicht in Frage gekommen, einen Pflegedienst zu beauftragen. Zumindest lasse sich die nunmehr vorgetragene objektive Verfügbarkeit nicht belegen.

Der Berichterstatter des Senats hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und Hinweise zur Rechtslage und zur Beweislast gegeben. Hierzu wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 14.07.2011 verwiesen.

Die Klägerin hat den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Schorndorf vom 17.06.2008 für das Jahr 2006 vorgelegt. Aus diesem ergibt sich, dass der Versicherte Einkünfte aus Gewerbebetrieb von EUR 113.846,00, aus Beteiligungen von - (minus) EUR 20.195,00, aus nicht¬selbst-ständiger Arbeit von brutto EUR 77.091,00 und aus Kapitalvermögen von brutto EUR 2.863,00 bezogen hat, insgesamt im Jahre 2006 vor Steuern EUR 172.684,00.

Die Beklagte hat sich unter dem 20.09.2011, die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.12.2011 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung im Einverständnis beider Beteiligter nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen.

Die Klage war allerdings auch nach dem Tode des Versicherten zulässig. Die Klägerin konnte als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]) den vermeintlichen Anspruch auf Alg als eigenes Recht weiterverfolgen und war daher allein Rechtsnachfolgerin im Sinne von § 202 SGG i.V.m. § 239 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Klage ist allerdings nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Alg für den Streitzeitraum gegen die Beklagte zu. Die angegriffenen Bescheide sind nicht zu beanstanden.

Zwar wäre ein etwaiger Anspruch des Versicherten auf Alg nicht mit seinem Tode erloschen (§§ 56 Abs. 1 Satz 1, 59 Satz 2 SGB I).

Jedoch stand bereits dem Versicherten kein Anspruch auf Alg zu. Dies folgt zwar nicht aus dem nicht angefochtenen Bescheid vom 25.01.2005, denn darin hatte die Beklagte nur die Erteilung einer Zusicherung (§ 34 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) abgelehnt, nicht aber einen Anspruch auf Alg selbst verneint. Auch nach materiellem Recht bestand jedoch ab dem 29.11.2005 kein Anspruch auf Alg und ist auch später nicht entstanden, weil der Kläger nicht im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) arbeitslos war.

a) Der Senat lässt an dieser Stelle offen, ob der Versicherte wegen der Pflege seiner Eltern nicht arbeitslos war:

Der Beschäftigungslosigkeit, die nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine Voraussetzung der Arbeitslosigkeit ist, steht eine unentgeltliche Pflege Familienangehöriger nicht entgegen. Eine familien¬angehörige Pflegeperson übt keine Beschäftigung im Sinne von § 119 Abs. 3 Satz 1 Var. 1 SGB III aus, weil sie in Bezug auf Zeit, Ort und Art ihrer Tätigkeit nicht der Weisungsbefugnis des Pflegebedürftigen unterworfen ist und zu ihren Gunsten die Vermutung greift, dass sie nicht erwerbsmäßig tätig ist, sogar wenn der Pflegebedürftige das Pflegegeld nach § 37 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) an sie weiterleitet (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 25.05.2004, L 7 AL 231/02, Juris Rn. 24). Auch eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger nach § 119 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 SGB III ist eine solche Pflege nicht. Diese Norm erfasst eine solche Tätigkeit nur, wenn sie einem Erwerbsgeschäft des Familienangehörigen gilt, wie sich aus dem für alle drei Varianten geltenden Klammerzusatz in § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III ergibt. Bestärkt wird diese Einschränkung durch die Regelung in § 119 Abs. 2 SGB III, wonach ehrenamtliche Tätigkeiten der Arbeitslosigkeit nicht automatisch entgegenstehen. Insofern ist die familienhafte Mitarbeit im Arbeitsförderungsrecht enger als die womöglich bürgerlich-rechtlich geschuldete Familienarbeit (§ 1353 Abs. 1 Satz 2, §§ 1618a, 1619 BGB).

Dagegen kann die Pflegetätigkeit des Versicherten seine Verfügbarkeit ausgeschlossen haben, die nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III weitere Voraussetzung der Arbeitslosigkeit ist. Das SG hat letztlich angenommen, der Versicherte sei sowohl objektiv als auch subjektiv nicht verfügbar gewesen (§ 119 Abs. 5 SGB III), weil er durch die Pflege gehindert gewesen sei, jederzeit eine Berufstätigkeit von mindestens 15 Stunden Dauer aufzunehmen und hierzu ggfs. auch nicht bereit gewesen wäre. Es trifft zwar zu, dass das BSG entschieden hat, dass eine Betätigung, die auf längere Dauer angelegt und planvoll gestaltet ist, sowie derart betrieben wird, dass sie die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch nimmt, die mithin für jeden Tag, an dem sie stattfindet, die Möglichkeit ausschließt, berufstätig zu sein, die objektive Verfügbarkeit auch dann ausschließt, wenn der Arbeitslose jederzeit bereit war, im Falle eines Arbeitsangebots diese Tätigkeit aufzugeben (BSG, Urt. v. 29.09.1987, 7 RAr 15/86, Rn. 26 f.). Hingegen muss einem Versicherten - auch wegen des Rechtsgedankens aus § 119 Abs. 2 SGB III - im Bereich der kulturellen, karitativen, sportlichen oder gesundheitlichen Interessen, insbesondere bei längerer Arbeitslosigkeit, auch eine planvoll gestaltete, auf längere Dauer angelegte Tätigkeit während der üblichen Arbeitszeit erlaubt sein. In solchen Fällen ist es nicht ausgeschlossen, dass die Verfügbarkeit auch, ggfs. allein, durch den Willen hergestellt werden kann, die karitative Tätigkeit im Falle eines Arbeitsangebots aufzugeben, wenngleich an die Feststellung dieses Willens hohe Anforderungen zu stellen sind (BSG, Urt. v. 27.07.1989, 11 RAr 7/88, Juris Rn. 15 f.). Hierzu hat das BSG auch entschieden, dass zu derartigen karitativen Tätigkeiten im weiteren Sinne auch die Führung des Familienhaushalts mit Kindern und die Pflege eines Angehörigen (Hervorhebung nur hier) gehören. Zumindest in diesem Bereich kann der Aufgabewille, sofern auch die Verhältnisse die Aufgabe der Tätigkeit und die Aufnahme einer Arbeit zulassen, die Verfügbarkeit begründen (BSG, Urt. v. 12.12.1990, 11 RAr 137/89, Juris Rn. 20). Ob der Versicherte hier einen solchen Aufgabewillen hatte, wie die Klägerin nunmehr in der Berufungsinstanz vorträgt, und ob es tatsächlich möglich gewesen wäre, die häusliche Pflege der Eltern kurzfristig auf andere Beine zu stellen, bleibt hier offen.

b) Der Versicherte war jedoch wegen seiner Tätigkeiten für die im Familienverband stehenden Unternehmen nicht beschäftigungslos und damit nicht arbeitslos. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese beruflichen Tätigkeiten weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassten und damit der Beschäftigungslosigkeit nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht entgegenstanden. Hierbei sind nach § 119 Abs. 3 Satz 2 SGB III alle Arbeitszeiten des Versicherten für alle Unternehmen zusammenzuzählen, unabhängig davon, ob der Versicherte das jeweilige Unternehmen als einzelkaufmännischer Inhaber und damit im Rechtssinne selbstständig, als Geschäftsführer und damit je nach Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses beschäftigt oder selbstständig oder aber als Angestellter "auf 400-EUR-Basis" und damit als (geringfügig) Beschäftigter gearbeitet hat (dazu unten unter bb). Die materielle Beweislast zu diesem Punkt trägt jedoch die Klägerin, weswegen die Unaufklärbarkeit zu ihren Lasten geht (dazu sogleich unter aa).

aa) Auch im Rahmen der Amtsermittlung trägt derjenige Beteiligte, der sich auf ihm günstige Umstände beruft, die materielle Beweislast. Bleiben nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten Zweifel, kann der fragliche Umstand nicht angenommen werden. In diesem Sinne sind hier schon geringe Zweifel schädlich, weil ein Versicherter für seine Arbeitslosigkeit den Vollbeweis führen muss, also allen vernünftigen Zweifeln Schweigen gebieten muss. Nicht etwa reicht hier eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Aus diesem Grunde liegt die materielle Beweislast für die Arbeitslosigkeit beim Versicherten. Dies gilt in jedem Falle hier, wo noch um den Anspruch auf Alg selbst gestritten wird und nicht etwa eine bereits bindende Bewilligung wieder aufgehoben worden ist.

bb) Bei dem Senat verbleiben nach einer Würdigung des Beteiligtenvorbringens und der Ergebnisse der Beweisaufnahme in diesem Verfahren erhebliche Zweifel daran, dass die Tätigkeiten des Versicherten für die verschiedenen Unternehmen zusammen, wie die Klägerin vorträgt, weniger als 15 Stunden umfassten.

Die Aussagen der in erster Instanz gehörten Kinder als Zeugen waren zu diesem Punkt bereits unergiebig. Der Senat zweifelt aber nicht an der Glaubhaftigkeit der Aussagen oder der Glaubwürdigkeit der Zeugen, weswegen eine erneute Vernehmung nicht notwendig war. Alle Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, die Söhne seien regelmäßig immer dann auf den Versicherten zugekommen bzw. herangetreten, wenn Beratungsbedarf bestanden habe. Nach ihren Aussagen hat der Versicherte regelmäßig die Bankgeschäfte erledigt, anscheinend überwiegend donnerstags vom Büro aus. Auch hat er den Kontakt zum Steuerberater unterhalten und hierzu die notwendigen Unterlagen vorbereitet. Daneben hat er nach den Aussagen der Zeugen die beiden Söhne bei der (faktischen) Geschäftsleitung der Unternehmen beraten und unterstützt. Genauere Angaben hierzu hat nur der Zeuge D. Scholz gemacht. Er hat bekundet, der Versicherte habe - dies nur gelegentlich - an Vorstellungsgesprächen teilgenommen und sei - dies dann regelmäßig - in die Personalentscheidungen selbst einbezogen gewesen. Auch habe der Versicherte von den Söhnen vorbereitete Entscheidungen "abgezeichnet", da er offiziell Geschäftsführer (bzw. Inhaber) gewesen sei. Nur dieser Zeuge hat auch konkrete Angaben zum zeitlichen Umfang der Tätigkeiten des Versicherten machen können, er hat diese mit ein bis zwei Stunden täglich angegeben. Nachdem sich diese Angabe aber auf die unterstützenden, beratenden und mitentscheidenden Tätigkeiten des Versicherten und die Zusammenarbeit mit seinem Sohn bezog und z.B. die Bezahlung der Rechnungen donnerstags noch hinzukam, ergibt diese Aussage nicht, dass die Gesamttätigkeit des Versicherten für alle Unternehmen unter 15 Stunden wöchentlich lag.

Außerdem liegen neben den Zeugenaussagen weitere Umstände vor, die dafür sprechen, dass der Versicherte zumindest zu Beginn des hier streitigen Zeitraums Ende 2005, Anfang 2006 noch mehr als 15 Stunden wöchentlich für seine Unternehmen aufgewandt hat. Allein der Versicherte war in dieser Zeit Ansprechpartner der Beklagten bei der Vermittlung von Bewerbern und auch bei der Gewährung arbeitgeberbezogener Leistungen. Gerade in diesem Zeitraum hatte der Versicherte für seine Unternehmen am Stammsitz und für die geplante Neugründung in Görlitz mehrfach Stellengesuche bei der Beklagten eingestellt und sich hierbei als Ansprechpartner benannt. Der Versicherte stand in dieser Eigenschaft nicht nur im System der Beklagten, sondern hat z.B. auch konkret an dem Investorengespräch am 30.06.2005 teilgenommen und hatte im Rahmen des EGZ-Verfahrens für drei Mitarbeiter im Juli 2005 mehrmals Kontakt mit der Beklagten. Der Versicherte hatte bereits im Rahmen des Zusicherungsverfahrens Anfang 2005 ausgeführt, er wolle "die Zügel in der Hand behalten". Zumindest für die "Hauptfirma", das Autohaus, und auch für die mtec GmbH war allein der Versicherte - als einzelkaufmännischer Inhaber bzw. als Geschäftsführer - zeichnungsberechtigt, nachdem in der GmbH kein Mitgeschäftsführer und in beiden Unternehmen auch keine Prokuristen bestellt waren. Der Versicherte musste daher jegliches Geschäft der beiden Unternehmen abschließen. Der Senat zweifelt daher an der Aussage der Klägerin, der Versicherte sei in den Unternehmen (bzw. in einem Unternehmen, womit nur die PS GmbH gemeint sein kann, in dem die Klägerin Geschäftsführerin war) auf "400-EUR-Basis" beschäftigt gewesen. Der von der Klägerin zuletzt eingereichte Einkommensteuerbescheid für 2006 weist für den Versicherten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit von EUR 77.091,00 aus. Dies muss das Entgelt für die Tätigkeiten als Angestellter der PS und allenfalls noch als (angestellter) Geschäftsführer der mtec GmbH gewesen sein, denn die Einkünfte des Versicherten aus dem einzelkaufmännisch geführten Unternehmen Autoglas sind in dem Steuerbescheid mit weiteren EUR 113.845,00 veranschlagt. Zumindest für den genannten Zeitraum Ende 2005/Anfang 2006 sprechen diese Einkünfte stark gegen eine derart geringfügige Tätigkeit, wie sie die Versicherte vorgetragen hat, wobei einem Anspruch auf Alg ab dem 29.11.2005 ohnehin die Abfindung entgegenstand, die der Kläger von DaimlerChrysler erhalten hatte (§ 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III).

cc) Weitere Ermittlungsansätze zum zeitlichen Umfang der beruflichen Tätigkeiten des Versicherten sieht der Senat nicht. Auch die Klägerin kann zur Aufklärung nicht mehr beitragen, nachdem sie erklärt hat, aus gesundheitlichen Gründen auf unabsehbare Zeit nicht mündlich angehört werden zu können. Stundenzettel oder sonstige schriftliche Nachweise über die Tätigkeit, auf die der Senat auch in dem Erörterungstermin am 14.07.2011 hingewiesen hatte, können nicht vorgelegt werden.

c) Nachdem der Versicherte hiernach zu Beginn des streitigen Zeitraums nicht arbeitslos war, konnte seine ursprüngliche Arbeitslosmeldung zum 29.11.2005 nicht wirksam werden (vgl. § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Sie war von Anfang an unwirksam. Nicht etwa ist ihre Wirkung erst nach sechs Wochen erloschen (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III), weil der Versicherte seine Erwerbstätigkeiten nicht während bestehender Arbeitslosigkeit neu aufgenommen hat. Dies bedeutet, dass er sich erneut hätte arbeitslos melden müssen, sollte er im späteren Verlauf, z. B. durch eine Verringerung seiner beruflichen Tätigkeiten, arbeitslos geworden sein. Da er dies nicht getan hat, kann auch während des gesamten weiteren streitigen Zeitraums kein Anspruch auf Alg entstanden sein.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin das Verfahren als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten weiterführt, war auch in der Berufungsinstanz nicht über Gerichtskosten zu entscheiden, da solche nicht angefallen sind (§ 183 Satz 1 SGG).

3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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