L 1 U 2433/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1672/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2433/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufungen der Klägerin gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 16.04.2010 und vom 02.05.2011 werden zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 4103 (Asbeststaublungenerkrankung [Asbestose] oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie die Entfernung ärztlicher Stellungnahmen aus den Verfahrensakten im Streit.

Der am 21.12.1915 geborene und am 22.09.2007 verstorbene Versicherte, dessen Verfahren von seiner Witwe als Rechtsnachfolgerin fortgesetzt wird, war von April 1950 bis 1983 als Dachdecker, zuletzt als selbständiger Dachdeckermeister, beschäftigt, und hierbei im Laufe seines Berufslebens Asbeststäuben ausgesetzt.

Am 14.02.2005 teilte der vom Versicherten bevollmächtigte Schwiegersohn Dr. A. den Verdacht des Vorliegens einer BK mit. Da der Verdacht auf Asbestose geäußert worden und der Versicherte beruflich als Dachdecker tätig gewesen sei, seien die Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK gegeben. Dr. A. teilte zudem mit, dass er früher als Oberarzt an der berufsgenossenschaftlichen Klinik Bergmannsheil in Bochum tätig gewesen und seit vielen Jahren als Gutachter für Asbestose und Silikose anerkannt sei.

Im Verwaltungsverfahren wurde neben zahlreichen Aufnahmen der Lunge des Versicherten zunächst ein Bericht des Prof. Dr. B.-C. vom Universitätsklinikum Freiburg vom 02.02.2005 vorgelegt, bei dem der Versicherte sich in regelmäßiger Behandlung befand. Danach seien bei stattgehabter Asbestexposition als Dachdecker und einem Zustand nach Nikotinmissbrauch (80 pack years [1 pack year = 1 Packungsjahr, d.h. ein Jahr mit einem Nikotinkonsum von 1 Zigarettenpackung pro Tag]) ein Verdacht auf Lungenfibrose (Erkrankung des Lungengewebes mit verstärkter Bildung von Bindegewebe zwischen den Lungenbläschen [Alveolen] und den sie umgebenden Blutgefäßen) und ein beginnender dementieller Abbau festgestellt worden. Ein Computertomogramm (CT) des Thorax vom 14.01.2005 zeigte nach Auskunft von Dr. D. Zeichen einer deutlichen Lungenfibrose sowie ein klein-bullöses Emphysem (übermäßiges oder an ungewohnter Stelle aufgetretenes Vorkommen von Luft) in sämtlichen Abschnitten, ohne akute Veränderungen und ohne Metastasen (Absiedlungen eines bösartigen Tumors oder eines Infektionsherdes). In einem Arztbericht vom 16.02.2005 teilte Prof. Dr. B.-C. mit, dass sich im CT keine asbest-typischen Veränderungen hätten feststellen lassen. Die CT-Befunde sprächen am ehesten für eine nicht spezifische interstitielle Pneumonie (NSIP) oder eine idiopathische pulmonale Fibrose vom Typ der Usual interstitial pneumonia (UIP). Am 24.02.2005 vertrat Prof. Dr. B.-C. die Auffassung, dass vier Differentialdiagnosen in Betracht kämen, nämlich neben der genannten NSIP und UIP/IFP auch noch eine Asbestose und eine Arzneimittel-toxische Alveolitis. Die beiden letztgenannten Diagnosen seien möglich, aber deutlich nachgeordnet. Asbestfasern fänden sich in der bronchoalveolären Lage recht häufig, sie seien von den Berufsgenossenschaften nicht als Nachweis akzeptiert. In den Empfehlungen der bronchoalveolären Lage der European Respiratory Society seien bis zu fünf Asbestfasern als Normalbefund akzeptiert, da in der industrialisierten Welt die Inhalation von Asbest auch durch Personen erfolge, die nicht am Arbeitsplatz belastet seien. Aus einem beigezogenen Röntgenbefund des Loretto-Krankenhauses vom 19.08.1998 ergab sich nach Dr. E. eine auffallend verstärkte Lungengerüstvermehrung, die möglicherweise Folge eines jahrelangen Nikotinabusus sei.

Demgegenüber vertraten die Dres. F. und G. sowie Prof. Dr. H., denen Dr. A. die aktuellen Aufnahmen übersandt hatte, die Auffassung eines Verdachts auf Asbestose, wobei jedoch nach Prof. Dr. H. Differentialdiagnosen zu berücksichtigen seien.

Untersuchungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) ergaben, dass der Kläger von Beginn seiner Ausbildung zum Dachdecker im Jahr 1950 bis zur Aufgabe seines Betriebs im Jahr 1983 regelmäßig Asbeststäuben ausgesetzt war. Insbesondere seit Beginn der 60er Jahre habe die überwiegende Arbeitszeit darin bestanden, Fassaden und Dächer mit Asbestplatten ab- bzw. einzudecken. Seit Aufgabe seines Betriebs im Jahr 1983 war der Kläger nach eigenen Angaben nur noch beratend tätig und deswegen nur noch unwesentlich gegenüber Asbeststäuben exponiert.

In einem Gutachten vom 26.07.2005 für die Beklagte kam Dr. I. zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine fortgeschrittene und progrediente interstitielle Lungenerkrankung mit kleinzystischem Lungenumbau vor, welche zu einer Ventilationsstörung und pulmonalen Gasaustauschstörung geführt habe. Auf den Aufnahmen seien insbesondere keine pleuralen Veränderungen zu erkennen. Unter Berücksichtigung des Verlaufs und der Befunde der bildgebenden Verfahren sei nicht mit der hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer BK auszugehen. Zwar lägen die beruflichen Voraussetzungen für die BK im Sinne einer ausreichenden Asbestexposition vor, doch müsse der Höhepunkt der Asbestexposition in den 50er Jahren angenommen werden. Da im Mittel asbeststaubbedingte Erkrankungen etwa 20 Jahre nach der Exposition aufträten, sei es nicht wahrscheinlich, dass bei einer noch 1995 unauffälligen Thoraxaufnahme - als der Versicherte bereits fast 80 Jahre alt gewesen sei - erst 1998 und damit 30-45 Jahre nach Exposition bzw. im Alter von über 80 Jahren noch eine Asbeststaublungenerkrankung eintrete. Eine beruflich bedingte Erkrankung sei unwahrscheinlich.

Ebenso vertraten der Beratungsarzt Dr. K. (09.08.2005), die Gewerbeärztin Dr. L. (31.08.2005) und der fachradiologische Zusatzgutachter Dr. M. (19.12.2005) die Auffassung, dass die geltend gemachte BK Nr. 4103 nicht nachgewiesen worden sei. In einem weiteren Gutachten nach Aktenlage vertrat der Arbeits-, Sozial- und Umweltmediziner Dr. N. am 16.01.2006 die Auffassung, dass nicht mehr für eine asbestbedingte Verursachung der Erkrankung des Versicherten als dagegen spreche. Die Diagnose einer Asbestfibrose der Lungen könne nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit gestellt werden.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 07.02.2006 die Anerkennung der Erkrankung als BK nach der Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) (Asbeststaub-Lungenerkrankung oder durch Asbeststaub verursachte Pleuraerkrankung) ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Den Widerspruch des Versicherten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2006 als unbegründet zurück.

Am 07.04.2006 hat der Versicherte Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (Aktenzeichen S 7 U 1672/06). Das SG hat mehrere Gutachten eingeholt. Prof. Dr. O. hat in seinem Gutachten vom 03.10.2006 angenommen, dass beim Versicherten eine atypische Lungenasbestose vorliege. Insbesondere seien die genannte Differentialdiagnosen nicht im Wege des Vollbeweises gesichert (mit Hinweis auf BSG vom 24.02.1988 - 2 RU 30/87 -), wohingegen die Lungenasbestose hinreichend wahrscheinlich sei.

Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahmen Ihres TAD (zuletzt vom 14.12.2006 durch Dipl.-Ing. P.) vorgelegt, wonach bei dem Versicherten von einer Faserbelastung mit 8,3 Faserjahren auszugehen sei.

Dem Gutachten von Prof. Dr. O. hat die Beklagte eine Stellungnahme Ihres Beratungsarztes Dr. K. vom 09.11.2006 entgegengehalten, der insbesondere auf die in den Aufnahmen nicht nachgewiesenen asbesttypischen Veränderungen und die verhältnismäßig geringe nachgewiesene Asbestexposition hinwies.

Prof. Dr. O. hat hierzu am 19.03.2007 ergänzend unter anderem dahingehend Stellung genommen, dass er von einer wesentlich höheren Asbestexposition als die Beklagte ausgehe, weil diese als realistisch anzusehen sei, was insbesondere auf Spitzenbelastungen durch Flexarbeiten zurückzuführen sei; diese seien bisher nicht ausreichend ermittelt worden. Das Krankheitsbild des Versicherten sei mit einer Spätasbestose vereinbar, welche auch nach mehreren bzw. auch noch - wie beim Versicherten - nach 5 Jahrzehnten auftreten könne. Zwar habe der Versicherte unstreitig 50-60 oder gar 80 pack years an Nikotingenuss aufzuweisen, doch sei dies gegenüber der ebenfalls nachgewiesenen erheblichen Asbestexposition nachrangig. Die Argumentation des Dr. K. sei nicht nachvollziehbar und verstoße zudem gegen die Vorgaben in § 200 Abs. 2 SGB VII.

Die Beklagte hat am 23.05.2007 eine Stellungnahme nach Aktenlage des Prof. Dr. R. vom 09.05.2007 mit 82 Seiten Länge vorgelegt, welche sie - entsprechend der Prof. Dr. R. gewählten Überschrift - als "beratende Stellungnahme" bezeichnet und zum Gegenstand ihres Sachvortrags erklärt hat. In der Stellungnahme wird unter ausführlicher Auswertung einschlägiger Literatur zunächst das Argument einer Dosis-Wirkungsbeziehung ("Spitzenbelastung") von Prof. Dr. O. in Frage gestellt. Maßgeblich gegen eine beruflich bedingte Erkrankung spreche zunächst das Fehlen pleuraler Veränderungen. Die Progredienz der Erkrankung binnen lediglich drei Jahren sei ebenfalls ungewöhnlich. Zumal wenn man die von Prof. Dr. O. genannten Höchstwerte zugrunde legen wolle, wäre eine Latenzzeit von 46 Jahren sehr unwahrscheinlich. Auch das Verteilungsmuster der Beschädigungen der Lunge sei untypisch für eine Asbestose. Zudem sei es eine unumstößliche Erfahrung, das bei Rauchern idiopathische Lungenfibrosen deutlich häufiger als bei Nichtrauchern seien.

Am 15.06.2007 hat Dr. A. den Ausführungen des Prof. Dr. R. in dessen "Gutachten" inhaltlich detailliert widersprochen, ohne indes zu diesem Zeitpunkt bereits eine Verwendung von dessen Ausführungen im Gerichtsverfahren zu beanstanden.

Am 17.07.2007 ist im SG ein Erörterungstermin mit Dr. A. für den Kläger und Dr. K. für die Beklagte durchgeführt worden, in welchem ausweislich der Niederschrift die Sach- und Rechtslage ausführlich erörtert worden ist. Eine Rüge der Einbeziehung der Stellungnahme des Prof. Dr. R. in das Klageverfahren ist auch hier nicht ausgesprochen worden; im Gegenteil ist zum Ende des Termins vereinbart worden, nach einer aktuellen schriftlichen Einlassung von Dr. A. eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. R. einzuholen.

In der daraufhin angeforderten weiteren Stellungnahme vom 01.09.2007 hat Prof. Dr. R. seinen Standpunkt bekräftigt, dass eine beruflich bedingte Asbestose eher unwahrscheinlich sei.

Der Versicherte ist am 22.09.2007 verstorben, woraufhin der Bevollmächtigte die Fortführung des Rechtsstreits durch die Witwe des Versicherten erklärt hat. In dem von der Beklagten veranlassten Obduktionsbericht vom 30.01.2008 geben Prof. Dr. Riede und Dr. Wiech als Diagnosen eine sytemische Amyloidose (Anreicherung von abnorm veränderten Proteinen zwischen den Zellen), eine Lungenfibrose, eine Myokardfibrose (Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes im Herzmuskel als Folge länger andauernden Sauerstoffmangels durch eingeschränkte Durchblutung o. abgelaufene interstitielle Myokarditis), eine hochgradige Arteriosklerose und eine Pulmonalarteriensklerose an. Die Lungenfibrose sei formalpathogenetisch am ehesten dem UIP-Typ zuzuordnen, bei dem kausal u.a. eine Nikotinexposition angenommen werde. Todesursache seien die Folgen einer systemischen Amyloidose, insbesondere an der kardial bedingten peripheren Lungenembolie. Ein Zusammenhang einer Asbestexposition mit einer Amyloidose sei nicht bekannt. Hinweise für eine Asbestbelastung hätten pathologisch-anatomisch nicht vorgelegen.

Aus einer vom Bevollmächtigten der Klägerin veranlassten Lungenstaubanalyse durch Prof. Dr. S. vom Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum vom 07.01.2008 geht hervor, dass beim Kläger zwei Krankheitsbilder erkennbar seien, eine deutliche Lungenfibrose (Typ UIP) und eine Amyloidose mit vaskulärer Akzentuierung. Eine erhöhte Asbestbelastung sei licht- und elektronenmikroskopisch nachgewiesen, erreiche aber nicht das Ausmaß, das in der Regel in histomorphologisch nachweisbaren asbestassoziierten Lungenfibrosen zu finden sei. Sowohl die maximale Asbestkörperzahl als auch die Anzahlkonzentrationen seien deutlich geringer. Ein Zusammenhang zwischen der pulmonalen Asbestbelastung und der Lungenfibrose sei daher nicht wahrscheinlich zu machen. Die Amyloidose sei weder mit der festgestellten Lungenfibrose noch mit der diskutierten Asbestose in Verbindung zu bringen. Hinweise für eine beruflich bedingte Erkrankung hätten sich nicht ergeben.

Am 10.04.2008 haben sich für die Klägerin erstmalig ihre aktuellen Bevollmächtigten in das Verfahren eingeschaltet und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen beantragt.

Mit Bescheid vom 12.06.2008, bestätigt durch Widerspruchbescheid vom 15.10.2008, hat die Beklagte sowohl die Gewährung von Leistungen im Rahmen der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) als auch die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen abgelehnt. Die deswegen beim SG erhobene weitere Klage (S 8 U 5702/08) ruht derzeit.

Im Auftrag des SG hat der Arbeits- und Sozialmediziner Prof. Dr. T. ausgehend von einer Untersuchung des Lungengewebes des Versicherten am 03.07.2008 ein weiteres Gutachten erstellt. Danach sei zwar nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ein Nachweis einer beruflichen Asbeststaubgefährdung erbracht, die Grenze für eine Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos (Äquivalenz zu den 25 Faserjahren) sei jedoch nicht erreicht. Diese Hinweise betrafen die sog. Amphibolfasern (Blauasbest, Braunasbest und Anthophyllit); betreffend die überwiegend in Baustoffen verwendeten weißen Asbestfasern (Chrysotil) hat der Gutachter darauf hingewiesen, dass diese wegen ihrer verkürzten Halbwertzeit bzw. Biobeständigkeit nach einiger Zeit nicht mehr vollständig im Körper nachweisbar seien.

Am 25.08.2008 hat Klägerin über ihre neuen Bevollmächtigten erstmalig gerügt, dass die Stellungnahme des Prof. Dr. R. einen Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII darstelle, und die Entfernung dieses "Gutachtens" aus den Akten beantragt.

Die Beklagte ist der Entfernung der Stellungnahme von Prof. Dr. R. mit der Begründung entgegengetreten, dass die Stellungnahme aufgrund eines Beratungsvertrages erfolgt sei. Eine Übermittlung von Daten an Dritte im Sinne von § 76 SGB X i.V.m. § 200 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB VII liege daher nicht vor (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.02.2008 – B 2 U 8/07 R -). Die Beklagte hat eine Kopie eines Beratungsvertrags mit Prof. Dr. R. vom 16.03.2007 vorgelegt. In dem Vertrag werden regelmäßige Beratungsleistungen für den Bereich Arbeitsmedizin vereinbart, deren Vergütung geregelt und auch Hinweise zum Datenschutz aufgeführt.

Mit Bescheid vom 01.12.2008 hat die Beklagte den Antrag auf Löschung der Stellungnahme von Prof. Dr. R. abgelehnt, wozu sie ihre bereits geäußerte Rechtsauffassung wiederholt hat. Den deswegen eingelegten Widerspruch hat sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2009 zurückgewiesen, weswegen die Klägerin am 16.03.2009 eine dritte Klage beim SG erhoben hat (S 8 U 1356/09).

Das SG hat am 02.12.2008 in der Sache S 7 U 1672/06 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, die zum Ergebnis hatte, dass weitere Ermittlungen durchgeführt werden sollten.

Im Rahmen neuen Sachvortrags hat der Klägerbevollmächtigte dann erstmalig am 21.01.2009 auch die Einbeziehung der Äußerungen von Dr. I. (wegen vorgeblich eigenmächtiger Weiterleitung von Untersuchungsbefunden an den Gutachter Dr. N.) und von Dr. K. als einen Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII beanstandet. Insofern ist indes hinsichtlich Dr. I. nicht ausdrücklich die Entfernung der Äußerungen aus den Akten beantragt worden, sondern lediglich die Auffassung vorgetragen worden, dass diese Äußerungen nicht verwertbar seien. Bezüglich Dr. K. ist am 15.03.2009 ausdrücklich die Entfernung der Äußerungen nach § 84 SGB X beantragt worden.

Die Beklagte hat dazu mitgeteilt, dass Dr. K. in einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis bei ihr stehe. Zu der Einbeziehung von Dr. N. durch Dr. I. habe Dr. A. zuvor sein Einverständnis erklärt.

Im Auftrag des SG hat der Arbeits- und Sozialmediziner Prof. Dr. U. des Universitätsklinikums Aachen am 12.02.2010 ein weiteres Gutachten erstellt, welcher die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten BK verneint hat. Weder konventionell radiologisch, computertomographisch noch pathologisch-anatomisch sei ein Nachweis charakteristischer asbestbedingter pleurabedingter Veränderungen erbracht worden. Frühere gegenteilige Äußerungen seien dadurch nachvollziehbar, dass sich die Untersuchungsmethoden im Laufe des Verfahrens verfeinert hätten und lediglich auf dem Boden der konventionellen Röntgendiagnostik - nicht mehr indes nach der CT-Befunderhebung und den pathologischen Untersuchungen - noch habe angenommen werden können, dass ausreichende pleurale Verdickungen vorgelegen hätten. Neuere Studien hätten gezeigt, dass auf Basis von CT-Auswertungen in 98,2 % der Fälle, in denen eine Lungenfibrose bestanden habe, auch pleurale Verdickungen nachweisbar gewesen seien. Eine Asbestgenese werde in den verbleibenden 1,8 % der Fälle dadurch zwar nicht ausgeschlossen, sei aber unwahrscheinlich. Insofern sei zusätzlich noch zu beachten, dass die CT-Aufnahmen der Lunge des Klägers sehr ähnlich solchen CT-Aufnahmen von Lungen seien, in denen eine Lungenfibrose unklarer Genese vom UIP-Typ vorgelegen habe. Entscheidend für die Verneinung der geltend gemachten BK sei in diesem Zusammenhang, dass der histopathologische Befund eine Asbestose nicht belegt habe, sondern das charakteristische Bild einer UIP bestätigt habe. Im Übrigen sei es nach neueren Studien nicht wahrscheinlich, dass die nachgewiesene Amyloidose durch eine Asbestose verursacht worden sei. Demgegenüber sei die Frage nach einer ausreichenden Asbestexposition nachrangig, weil abgesehen von den hiermit verbundenen Unsicherheiten (ungenaues Erinnerungsvermögen, schneller Abbau des überwiegend auf Baustellen verwendeten weißen Asbests in der Lunge) ein unterer Dosis-Schwellenwert für die Manifestation von asbestbedingten Veränderungen beim Menschen nicht angegeben werden könne. Es müsse vorliegend davon ausgegangen werden, dass eine für die Entstehung der BK ausreichende Exposition gegenüber Asbest stattgefunden habe, wenngleich die ermittelten 8,3 Faserjahre nicht außergewöhnlich hoch gewesen seien.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.04.2010 als unbegründet abgewiesen. Zwar komme Prof. Dr. O. in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 03.10.2006 und 19.03.2007 zu dem Ergebnis, der Versicherte habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit an einer als BK anzuerkennenden Lungenasbestose gelitten. Dem sei jedoch Prof. Dr. R. mit Stellungnahmen vom 09.05.2007 und 01.09.2007 entgegengetreten. Die Aussagen von Prof. Dr. R. seien auch angesichts der Regelung in § 200 Abs. 2 SGB VII grundsätzlich verwertbar, da es sich hierbei nicht um Gutachten, sondern um beratungsärztliche Stellungnahmen handele. Letztlich komme es jedoch hierauf nicht an, weil die Kammer ihre Entscheidung insbesondere auf das fachpathologische Gutachten von Prof. Dr. S. vom 07.01.2008 und das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. U. vom 12.02.2010 stütze. Nach den Ausführungen Prof. Dr. S.s habe der Versicherte an einer Lungenfibrose mit charakteristischen Veränderungen einer UIP sowie an einer Amyloidose mit vaskulärer Akzentuierung gelitten, welche nicht beruflich verursacht seien. Eine erhöhte pulmonale Asbestbelastung sei zwar lichtmikroskopisch als auch elektronenmikroskopisch nachgewiesen, jedoch erreiche diese nicht das Ausmaß, welches in der Regel in histomorphologisch nachweisbaren asbestassoziierten Lungenfibrosen zu finden sei. Sowohl die vorliegend ermittelte maximale Asbestkörperzahl als auch die elektronenmikroskopisch nachgewiesenen Faserkonzentrationen (6 x 10 hoch 4) blieben deutlich unter den Anzahlkonzentrationen (mindestens 10 hoch 6), die in Fällen mit fortgeschrittenen Astbestosen nachzuweisen seien. Aus pathologisch-anatomischer Sicht sei daher weder vor dem Hintergrund des lichtmikroskopischen Zählergebnisses noch vor demjenigen der elektronenmikroskopisch ermittelten Faserkonzentration ein Zusammenhang zwischen der pulmonalen Asbestbelastung und der Erkrankung der fortgeschrittenen Lungenfibrose des Klägers wahrscheinlich zu machen. Die Aussagen von Prof. Dr. S. seien schlüssig und überzeugend, zumal diese sich auf einen gesicherten Tatbestand, nämlich das Lungenmaterial, und auf ein gesichertes Zählergebnis hinsichtlich der stattgehabten Asbestbelastung stützten. Dementsprechend habe auch Prof. Dr. U. eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des Vorliegens einer BK nach der Ziffer 4103 der Anlage zur BKV nicht für gegeben gehalten. Bei Prof. Dr. U. handele es sich um einen wissenschaftlich besonders ausgewiesenen Gutachter, und sein Gutachten sei ebenfalls schlüssig und widerspruchsfrei. Die Ausführungen von Prof. Dr. S. und Dr. U. würden zudem durch die zu Lebzeiten des Klägers vorgenommenen Untersuchungen von Dr. I. und Dr. N. gestützt. Demnach gehe das SG davon aus, dass der Sachverhalt nunmehr aufgeklärt sei und keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen bestehe. Der Gerichtsbescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 21.04.2010 zugestellt.

Diese haben am 21.05.2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung (zu dem früheren Aktenzeichen L 10 U 2433/10) eingelegt. Die Entscheidung des SG kranke insbesondere daran, dass dem Asbestexperten und führenden Arbeitsmediziner Prof. Dr. O. nicht gefolgt worden sei, der vom Vorliegen einer Lungenasbestose ausgehe und an dessen Kompetenz die anderen Gutachter nicht heranreichten. Durch die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. R. seitens des SG sei zudem ein faires Sozialgerichtsverfahren nicht mehr gewährleistet gewesen, da das SG den Berater der beklagten Berufsgenossenschaft im Gerichtsverfahren zum Gutachter gemacht habe und diesem dann gefolgt sei. Nach der Rechtsprechung des BSG könne auch eine verhältnismäßig niedriger zu bewertende Belastung beruflicher Art sehr wohl wesentlich im Sinne der Kausalität für die Entstehung einer Berufskrankheit sein (mit Hinweis auf BSG in NJW 1964, 2222). Das SG habe auch die pathologischen Befunde überbewertet, da diese nur eingeschränkte Beweiskraft hätten und insbesondere beim Weissasbest ein sog. "Fahrerfluchtphänomen" bestehe. Außerdem sei nicht mitgeteilt worden, mit welcher Messmethode und mit welchem Vergrößerungsgrad gearbeitet worden sei. Es werde angeregt, das Protokoll über die Falkensteiner Tagung im Vogtland von Oktober 2008 beizuziehen, bei der die Problematik der Begutachtung bei Asbestosen diskutiert worden sei. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob 8,3 Asbestfaserjahre für die Anerkennung der geltend gemachten BK ausreichten, werde im Übrigen die Zulassung der Revision beantragt, ebenfalls wegen des Übergehens des Beweisantrags, Prof. Dr. O. zu den neuen Gutachten von Prof. S. und Prof. Dr. U. zu hören.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2011 in der Sache S 8 U 1356/09 auch die auf die Entfernung der Stellungnahme Prof. Dr. R.s aus den Akten gerichtete Klage abgewiesen. Durch die Entscheidung des BSG vom 05.02.2008 (B 2 U 8/07 R) sei geklärt, dass § 200 Abs. 2 SGB VII auch im Klageverfahren von den Berufsgenossenschaften zu beachten sei. Trotz des Umfangs handele es sich bei der Äußerung von Prof. Dr. R. indes nicht um ein Gutachten im Sinne dieser Rechtsprechung, sondern um eine beratungsärztliche Stellungnahme. Dies folge daraus, dass Bezugspunkt der Stellungnahme das Gutachten von Prof. Dr. O. sei, das ebenso wie die anderen vorliegenden medizinischen Unterlagen auf seine Plausibilität habe überprüft werden sollen. Da eine Belehrung über das Widerspruchsrecht demnach nicht erforderlich gewesen sei, komme auch ein Verwertungsverbot nicht in Betracht (mit Hinweis auf BSG vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R -). Der Gerichtsbescheid ist den Bevollmächtigten der Klägerin am 05.05.2011 zugestellt worden.

Am 06.06.2011 (Montag) haben die Bevollmächtigten der Klägerin auch gegen diesen Gerichtsbescheid beim LSG Berufung eingelegt (L 1 U 2299/11). Entgegen den Ausführungen des SG handele es sich bei den Ausführungen Prof. Dr. R.s um ein Gutachten, welches wegen Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII nicht verwertbar und aus den Akten zu entfernen sei. Auch in diesem Verfahren liege ein Revisionszulassungsgrund vor, weil mehr als 90 % der beratungsärztlichen Stellungnahmen, welche Berufsgenossenschaften einholen, von Befangenheit geprägt seien.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2009 und unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Freiburg vom 02.05.2011 zu verurteilen, die Stellungnahme von Prof. Dr. R. vom 09.05.2007 aus den Verwaltungsakten und den Gerichtsakten zu entfernen, 2. unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 16.04.2010 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2006 festzustellen, dass bei dem Versicherten eine Berufskrankheit nach der Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV vorlag, 3. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 12.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2008 zur Zahlung von Entschädigungsleistungen aufgrund der Sonderrechtsnachfolge der Klägerin im gesetzlichen Umfang zu verurteilen, 4. hilfsweise entsprechend den erstinstanzlich gestellten Beweisanträgen weitere Ermittlungen durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtenen Gerichtsbescheide vollumfänglich für zutreffend. Die Einlassungen von Prof. Dr. R. vom 09.05.2007 seien, selbst wenn man sie als Gutachten qualifizieren wolle, nicht durch einen Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII zu den Akten gelangt. Die Feststellung und Entschädigung einer BK komme nach dem Ermittlungsergebnis nicht in Betracht.

Zum 01.01.2011 ist die Berufung in der Sache L 10 U 2433/10 der Zuständigkeit des 1. Senats zugewiesen worden (neues Aktenzeichen: L 1 U 2433/10). Mit Beschluss des Senats vom 08.08.2011 sind die beiden Berufungssachen L 1 U 2433/10 und L 1 U 2299/11 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Im Berufungsverfahren ist die von den Klägerbevollmächtigten begehrte ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. O. zu den vorausgegangenen ärztlichen Stellungnahmen eingeholt und am 03.05.2011 vorgelegt worden. Prof. Dr. O. setzt sich in seiner Stellungnahme insbesondere mit dem Gutachten Prof. Dr. U. auseinander und vertritt hierzu die Auffassung, dass dieser in seiner Argumentation einen zu strengen Maßstab an den Nachweis einer BK-relevanten Erkrankung anlege.

Der Klägerbevollmächtigte hat eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters Prof. Dr. T. vom 09.02.2011 zu den Akten gegeben, nach der sein Gutachten nicht so zu verstehen sei, dass er das Vorliegen einer BK Nr. 4103 ausgeschlossen habe. Schließlich hat die Beklagte noch Stellungnahmen ihres Beratungsarztes PD Dr. Korn vom 08.07.2011 und vom 12.01.2012 vorgelegt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig.

Die Klage auf Feststellung und Entschädigung einer BK ist als kombinierte Feststellungs-, Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig und konnte von der Klägerin als Witwe des Versicherten als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) fortgeführt werden. Hierbei ist der Bescheid vom 12.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2008, soweit er eine Entscheidung über die Ablehnung von Leistungen an die Klägerin in ihrer Stellung als Sonderrechtsnachfolgerin beinhaltet, nach § 96 SGG Gegenstand der Klage vor dem SG geworden. Zutreffend hat der Klägerbevollmächtigte indes am 18.07.2008 darauf hingewiesen, dass die Klage auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen einen anderen Streitgegenstand darstellt und die zugrundeliegenden Bescheide mit diesem Teil ihrer Regelung nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind, weil insoweit keine Änderung oder Ersetzung der angegriffenen Ausgangsbescheide im Sinne von § 96 SGG vorliegt (vgl. insoweit das derzeit beim SG ruhende Verfahren S 8 U 5702/08). Die Klage auf Entfernung der Stellungnahme ist grundsätzlich als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (BSG, Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 24/04 R - SozR 4-1300 § 84 Nr. 1).

Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG vorlagen. Zwar bestehen hieran angesichts der Komplexität der aufgeworfenen sachlichen und rechtlichen Fragen gewisse Zweifel. Insbesondere angesichts der bisher schon langen Verfahrensdauer hat es der Senat indes für unangemessen gegenüber den Beteiligten gehalten, die Sache aus diesem Grund nach § 159 SGG an das SG zurückzuverweisen. Seit der Neufassung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zum 01.01.2012 ist eine Zurückverweisung an das SG wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels zudem nur noch zulässig, wenn auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Da der Sachverhalt vorliegend ausermittelt ist, scheidet eine Zurückverweisung nunmehr schon aus diesem Grund aus. Insoweit kann auch die Entscheidung des SG, über das Vorliegen der BK unter Berücksichtigung der Ausführungen von Prof. Dr. R. zu entscheiden, obwohl insoweit noch die Rechtshängigkeit des Klageverfahrens S 8 U 1356/09 vorlag, nicht zu einer Zurückverweisung der Sache an das SG führen.

Die Klage auf Entfernung der Stellungnahme(n) des Prof. Dr. R. aus den Akten ist unbegründet, weil der behauptete Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII nicht vorliegt. Nach dieser Vorschrift soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrages der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Das gegenüber dem Unfallversicherungsträger bestehende Gutachterauswahlrecht des Versicherten und die Pflicht des Unfallversicherungsträgers, auf das Widerspruchsrecht des Versicherten gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hinzuweisen, gelten auch im Gerichtsverfahren. Ein unter Verstoß gegen diese Hinweispflicht vom Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens eingeholtes Gutachten unterliegt einem Beweisverwertungsverbot (BSG, Urteile vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 und - B 2 U 10/07 R - UV-Recht Aktuell 2008, 917). Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind zudem Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Der vom Informationseingriff Betroffene hat das Recht, vom Träger die Unkenntlichmachung seiner unzulässig gespeicherten Sozialdaten zu verlangen. Die Norm des § 84 Abs. 2 SGB X ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Anspruchsgrundlage (BSG, Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 24/04 R - SozR 4-1300 § 84 Nr. 1).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist zwischen einem Verstoß gegen die Gutachterauswahl und einem Verstoß gegen die Belehrung über das Widerspruchsrecht zu unterscheiden. Beide Schutznormen haben indes zur Voraussetzung, dass es sich bei den beanstandeten Einlassungen überhaupt um ein Gutachten im Sinne von § 200 Abs. 2 SGB VII handelt. Der Senat geht ebenso wie das SG davon aus, dass es sich bei den Einlassungen von Prof. Dr. R. um beratende Stellungnahmen handelt, weil diese sich offensichtlich im Wesentlichen – im Sinne einer Reaktion – auf die Argumentation von Prof. Dr. O. beziehen. Hierbei ergibt sich aus der Länge der Ausführungen von Prof. Dr. O. in dessen Gutachten und der vorgebrachten vielschichtigen Argumentation, dass eine qualifizierte Gegenstellungnahme hierzu ebenfalls eine gewisse Tiefe und deswegen auch Länge erfordert. Der Grundsatz der Waffengleichheit erlaubt es nach Ansicht des Senats nicht, beratungsärztliche Stellungnahmen in ihrer Länge einzuschränken. Auch gibt es keinen Grundsatz, dass ab einer gewissen Länge stets von einem Gutachten auszugehen ist. Die Beklagte hat Prof. Dr. R. nicht zum Sachverständigen bestellt, sondern nur seine fachliche Bewertung des Gutachtens von Prof. Dr. O. eingeholt. Prof. Dr. R. hat seine Stellungnahme auch selbst als beratungsärztliche Äußerung bezeichnet. Auch ihrem Inhalt nach hat er den – damals noch lebenden – Versicherten nicht untersucht und kein Gutachten nach Aktenlage abgegeben. Jeder Beteiligte ist nach dem SGG vielmehr berechtigt, sein Vorbringen auch auf Äußerungen von Beratungsärzten, Hausärzten oder behandelnden Fachärzten zu stützen (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R - NZS 2011, 910, juris Rn. 38).

Selbst wenn die Ausführungen von Prof. Dr. R. als Gutachten zu bewerten wären, läge hierin kein Verstoß gegen das Widerspruchsrecht nach § 200 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB VII, denn vor der Einbeziehung von Prof. Dr. R. hatte die Beklagte mit diesem am 16.03.2007 den dem SG vorgelegten Beratungsvertrag abgeschlossen. Nach diesem Vertrag war Prof. Dr. R. als freier externer Mitarbeiter der Beklagten anzusehen, der ebenso wie Mitarbeiter der Beklagten den datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterlag. Insbesondere ein Verstoß gegen § 76 Abs. 2 SGB X konnte daher nicht erfolgen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25, juris Rn. 40 f.).

Aber auch ein Verstoß gegen das Gutachterauswahlrecht nach § 200 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB VII würde bei Vorliegen eines Gutachtens nicht zu einem Beweisverwertungsverbot und einer Entfernung aus den Akten führen, weil der Versicherte, die Klägerin und ihre Bevollmächtigten einen eventuellen Verstoß entgegen § 202 SGG i.V.m. § 295 ZPO nicht rechtzeitig gerügt haben (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R - NZS 2011, 910, juris Rn. 42 m.w.N.). Auf eine Unkenntnis des Rügerechts kann sich die Klägerin nicht berufen, weil bereits Prof. Dr. O. am 19.03.2007 – im Hinblick auf Dr. K. – auf die entsprechenden Rechte verwiesen hatte, Dr. A. zudem als Gutachter selber auf das Gutachterauswahlrecht hingewiesen hatte (im Zusammenhang mit der seiner Meinung nach fraglichen Qualifikation einiger Ärzte), und dennoch erstmalig am 25.08.2008 über die Bevollmächtigten der Klägerin eine Rüge der Verwertung Prof. Dr. R.s Äußerungen erfolgt ist. Nachdem bereits zuvor am 17.07.2007 ein Erörterungstermin durchgeführt worden und darin einvernehmlich vereinbart worden war, nach einer aktuellen schriftlichen Einlassung von Dr. A. eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. R. einzuholen, war die spätere Rüge nach § 295 Abs. 1 ZPO verspätet und auch treuwidrig.

Nach den voranstehend aufgeführten Grundsätzen ist auch eine Verwertung der Stellungnahmen von Dr. K., Dr. I. und Dr. N. nicht zu beanstanden. Für Dr. K. gilt zunächst, dass dieser keine Gutachten erstellt hat, sondern jeweils ebenfalls beratungsärztliche Stellungnahmen in Reaktion auf vorgelegte andere Arztmeinungen. Da Dr. K. zudem in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Beklagten und damit in ihre Organisation eingegliedert ist, liegt in der Weitergabe von Informationen an ihn kein datenschutzrechtlich relevanter Vorgang.

Eine Entfernung bzw. ein Ausschluss der Verwertung der Äußerungen von Dr. I. aus den Akten kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil dieser Gutachter von Dr. A. als damaligem Bevollmächtigtem des Versicherten nach einem Vorschlag der Beklagten entsprechend § 200 SGB VII ausgewählt worden ist, wie Dr. A. in seinem Schriftsatz vom 29.03.2010 eingeräumt hat; zumal war Dr. A. bei der Begutachtung durch Dr. I. sogar persönlich anwesend, wodurch er als Bevollmächtigter alleine schon sein Einverständnis mit der Begutachtung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Blatt 71, 102 der Verwaltungsakte und Bl. 604 der SG-Akte). Hinsichtlich Dr. N. gilt, dass auch dieser auf Wunsch des zunächst bevollmächtigen Dr. A. hinzugezogen worden ist, nachdem die Beklagte ihm ausdrücklich drei Gutachter benannt hatte und die Einholung eines Gutachtens insgesamt von der Zustimmung Dr. A.s abhängig gemacht hatte (vgl. Bl. 133-137 der Verwaltungsakte). Im Übrigen wäre sowohl hinsichtlich des Gutachtens von Dr. I. als auch des Gutachtens von Dr. N. keine rechtzeitige Rüge ersichtlich.

Auch die Klage auf Anerkennung und Entschädigung einer BK ist unbegründet. Die geltend gemachte BK nach der Nr. 4103 konnte nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, weswegen eine Anerkennung und Entschädigung dieser BK nicht in Betracht kommt. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 63 SGB VII kann ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen und insbesondere auf Hinterbliebenenrente nach Witwenrente gemäß § 65 SGB VII bestehen, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

Nach der Nr. 4103 der Anlage 1 zur BKV sind Berufskrankheiten auch eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK), im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten:

Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haf-tungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (unter Hinweis auf BSG vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 09. 05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff.).

Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich für die Entstehung einer Berufskrankheit nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu deren Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R -, BSGE 94, 269). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen der schädigenden Belastung und ihren gesundheitlichen Folgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit des Versicherten bei seinen Tätigkeiten ist gegeben. Auch das Vorliegen einer im Sinne der BK Nr. 4103 ausreichenden Belastung mit Asbeststäuben bei der beruflichen Tätigkeit des Versicherten ist nach den schlüssigen Ausführungen des TAD zu bejahen. Demgegenüber lässt sich nach dem Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen nicht mit der hinreichenden Sicherheit feststellen, dass bei dem Kläger das Krankheitsbild einer Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura im Wege des erforderlichen Vollbeweises nachgewiesen ist. "Vollbeweis" bedeutet, dass das Krankheitsbild mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteile vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45, und - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59; Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R – für SozR 4-0000 vorgesehen). Weitere Ermittlungsmöglichkeiten, die den Nachweis der geltend gemachten Grunderkrankung erwarten lassen, sind nicht ersichtlich, zumal der Versicherte inzwischen verstorben ist und umfangreiche, auch pathologische, Untersuchungen bereits erfolgt sind. Der Senat verweist hierzu insbesondere auf die Stellungnahme des zuletzt angehörten Gutachters Prof. Dr. U., der nachvollziehbar die Auffassung vertritt, dass die diagnostischen Möglichkeiten im vorliegenden Verfahren komplett ausgeschöpft worden sind (S. 23 des Gutachtens vom 12.02.2010).

Das Merkblatt zur BK Nr. 4103 (Bek. d. BMA v. 13.05.1991, BArbBl. 7-8 / 1991 S.74) enthält unter anderem die folgenden Hinweise: "Als erstes Zeichen einer Asbestose treten nach langsam progredientem Reizhusten Kurzatmigkeit, besonders bei Belastung und tiefer Inspiration, und Brustschmerzen auf. Später kommen nicht selten die Symptome einer chronischen Bronchitis, emphysematöse Lungenveränderungen und Rechtsherzhypertrophie (Cor pulmonale) hinzu. Auch der auskultatorische und perkutorische Befund ist uncharakteristisch. Er kann selbst bei fortgeschrittener Asbestose geringfügig sein. Als Hinweis auf eine Lungenfibrose gilt feines Knisterrasseln, besonders am Ende des Inspiriums, über den seitlichen und unteren Lungenpartien. Im Auswurf können sich Asbestkörperchen finden. Das Ergebnis der Röntgenfilmaufnahme ist für die Diagnose entscheidend. Vornehmlich subpleural in den unteren zwei Dritteln der Lunge, mit meist zunehmender Intensität zu Basis und Hilus hin, finden sich kleine unregelmäßige (oder lineare) Schatten (ILO-Klassifikation: s-t-u). Sie können zunächst nebelschwadenförmig mit haarfeinen Randfiguren auftreten und sich später zu einer netzförmigen Zeichnungsvermehrung (ILO-Klassifikation: 1-2-3) bis zu diffusen fibrozystischen Veränderungen verdichten. Auch horizontal verlaufende Strichschatten (sog. KERLEY sche "B"-Linien) nahe der lateralen Brustwand kommen vor. Mitunter erscheint die Fibrose entlang der Grenze des Herzschattens besonders ausgeprägt. In späteren Stadien können Herzgrenzen und die Zwerchfellkuppen verwaschen erscheinen und die Oberfelder vermehrt strahlendurchlässig werden. Als besondere, durch Asbeststaub verursachte, nicht bösartige Erkrankungen der Pleura sind bei geeigneter Röntgentechnik (Hartstrahl-Filmaufnahmen) anzusehen (vgl. auch Anhang "Hinweise zur Erstattung der ärztlichen Anzeige ...") - die bindegewebigen (hyalinen) Pleuraplaques, - die verkalkten Pleuraplaques, - die diffuse Pleuraverdickung der seitlichen Brustwand (diffuse Pleurafibrose), - der Pleuraerguss, auch ohne Lungenasbestose, insbesondere mit bindegewebigen-schwartigen, postpleuritischen Folgezuständen (Hyalinosis complicata). Differentialdiagnostisch setzt die Annahme einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura voraus, dass eine entsprechende Exposition bestand, die in der Regel zehn oder mehr Jahre zurückliegt und dass Hinweise auf andere, insbesondere tuberkulöse, traumatisch-entzündliche oder tumoröse Pleuraveränderungen nicht vorliegen. Bei starkem Übergewicht (Broca-Index 120 %) sind als Differentialdiagnose der asbestverursachten diffusen Pleurafibrose beidseitige, subpleurale Fetteinlagerungen zu erwägen. Hyaline und/oder verkalkte Pleuraplaques finden sich bevorzugt im Bereich der dorsalen Pleura. Charakteristisch sind Plaques der Pleura diaphragmatica, auch wenn sie einseitig vorkommen. Ihre Nachweismöglichkeit wird oftmals mittels zusätzlicher seitlicher Thoraxaufnahme verbessert. Noch häufiger als am Lebenden lassen sich Pleuraplaques autoptisch nachweisen. Durch Asbeststaub verursachte diffuse, plaqueförmige oder postpleuritische Pleuraveränderungen können allein oder nebeneinander vorkommen."

Der Gutachter Prof. Dr. U. hat in seinem Gutachten vom 12.02.2010 schlüssig und überzeugend in Anwendung der Grundsätze des Merkblattes – an dessen Erstellung der Gutachter Prof. Dr. O. beteiligt war – und der seitdem erreichten neuen medizinischen Erkenntnisse dargelegt, dass eine durch Asbest verursachte Erkrankung des Versicherten nicht als nachgewiesen angesehen werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in dem Gutachten, wie sie dem Tatbestand zu entnehmen sind, verwiesen.

Die entgegenstehende Argumentation des Prof. Dr. O. läuft darauf hinaus, dass für eine bestimmte Fallkonstellation unter bestimmten Prämissen dennoch die Möglichkeit bestünde, dass die Erkrankung des Versicherten asbestinduziert gewesen sei. Insofern spricht Prof. Dr. O. von einer "atypischen Lungenasbestose", weil er selbst darauf hinweist, dass die Befunde beim Versicherten nicht einer typischen Lungenasbestose entsprechen. Insoweit ist etwa darauf hinzuweisen, dass bereits nach dem oben zitierten Merkblatt eine Erkrankung durch eine Lungenasbestose typischerweise subpleural in den unteren zwei Dritteln der Lunge feststellbar ist, was beim Kläger nicht festzustellen war. Insoweit hat selbst Dr. A. mit Schriftsatz vom 29.03.2010 darauf hingewiesen, dass der CT-Befund des Versicherten aus dem Jahr 2005 vielfältige Interpretationen ermöglicht und keine eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Noxe zulässt. Außerdem konnten laut Prof. Dr. S. Asbestfasern gerade in den betroffenen Bereichen nur in relativ geringer Zahl festgestellt werden.

Nachdem weitere Ermittlungsmöglichkeiten nicht mehr bestehen, und nicht BK-relevante Erkrankungen gemäß der Gegenargumentation - insbesondere von Prof. Dr. U., Prof. Dr. S., Prof. Dr. R., Prof. Dr. T., Prof. Dr. B.-C. und Dr. M. – ebenso vertretbar erscheinen, erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens die erforderliche Grunderkrankung als nicht nachgewiesen. Der Argumentation des Prof. Dr. O. ist damit im Wesentlichen mit den anderslautenden ärztlichen Stellungnahmen entgegenzuhalten, dass er die Anforderungen an den erforderlichen Vollbeweis der von ihm für wahrscheinlich gehaltenen Erkrankung nicht hinreichend beachtet.

Insbesondere von Bedeutung erscheint dem Senat hierbei, dass der Gutachter Prof. Dr. U. in Übereinstimmung mit dem Merkblatt wesentlich auf den CT-Nachweis von Veränderungen der Pleura abstellt. Weder konventionell radiologisch, computertomographisch noch pathologisch-anatomisch ist indes entsprechend den Ausführungen von Prof. Dr. U. ein Nachweis charakteristischer asbestbedingter pleurabedingter Veränderungen erbracht worden. Auch die Argumentation, dass sich frühere gegenteilige Äußerungen durch die sich erst im zeitlichen Verlauf verfeinerten Untersuchungsmethoden erklären ließen, ist schlüssig. Im Übrigen sei aber auch über die Ausführungen von Prof. Dr. U. hinaus darauf hingewiesen, dass bereits Dr. I. in den Röntgenaufnahmen von 1995 – bevor diese in Verlust geraten sind – keine verdickten Pleurabereiche festgestellt hat. Nachdem neuere Studien gezeigt haben, dass auf Basis von CT-Auswertungen in 98,2 % der Fälle, in denen eine Lungenfibrose bestanden hat, auch pleurale Verdickungen nachweisbar gewesen sind, und bei dem Versicherten solche Veränderungen nicht feststellbar waren, ist die geltend gemachte BK bereits fraglich. Zwar ist eine Asbestgenese dadurch nicht ausgeschlossen, aber auch schon nicht mehr sehr wahrscheinlich.

Schließlich ist auch zu beachten, dass die CT-Aufnahmen der Lunge des Klägers sehr ähnlich solchen CT-Aufnahmen von Lungen sind, in denen eine Lungenfibrose unklarer Genese vom UIP-Typ vorgelegen hat; insofern kann auf den erwiesenen erheblichen Nikotinkonsum des Versicherten hingewiesen werden, der eine mögliche Alternativursache für die Lungenprobleme des Versicherten darstellt. Letztlich erscheint mit Prof. Dr. U. entscheidend für die Verneinung der geltend gemachten BK, dass die histopathologischen Befunde nicht eine Asbestose, sondern das charakteristische Bild einer UIP bestätigt haben. Schließlich ist es auch unwahrscheinlich, dass die nachgewiesene Amyloidose durch eine Asbestose verursacht worden ist.

Der Senat weist darauf hin, dass die besondere Kompetenz von Prof. Dr. O. als Gutachter für asbestbezogene Erkrankungen für ihn außer Frage steht. Es sind aber auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, Prof. Dr. S., Dr. M. und Prof. Dr. U. eine diesbezügliche Kompetenz abzusprechen. Die Gutachter Prof. Dr. U., Dr. M. und Prof. Dr. S. sind ausgewiesene Experten für die vorliegend aufgeworfenen Fragen, was sich unter anderem darin zeigt, dass sie zentrale Beiträge für die Falkensteiner Tage 2008 (Forum für Arbeitsmedizin und Rehabilitation von Berufskrankheiten – Die Begutachtung der asbestbedingten Berufskrankheiten, Tagungsband hrsg. von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. [DGUV], abrufbar im Internet unter http://www.klinik-falkenstein.com/upload/fckeditor/file/PDF/TB-FST-2008.pdf), auf die sich auch Dr. A. und Prof. Dr. O. bezogen haben, erarbeitet haben. Auch bei den Falkensteiner Tagen 2010 haben diese drei Gutachter wieder wesentliche Beiträge beigesteuert (vgl. http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/falkensteinertage2010.pdf).

Der Senat hat indes keine Entscheidung über die Rangordnung der Kompetenz von Gutachtern zu treffen, sondern über die Schlüssigkeit und Überzeugungskraft von Argumentationslinien in einem konkreten Rechtsstreit. In diesem Zusammenhang sei dennoch darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. O. in seiner abschließenden Stellungnahme vom 03.05.2011 nicht nur auf die besondere Bedeutung der CT-Aufnahmen für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hinweist, sondern auch Dr. M. als national und international ausgewiesenen und anerkannten Radiologen bezeichnet hat und sogar ausführlich dargelegt hat, auf welchen wissenschaftlichen Leistungen diese herausgehobene Reputation beruht (S. 23 f. der Stellungnahme). Gerade Dr. M. hat jedoch bereits am 19.12.2005 als radiologischer Zusatzgutachter nach Auswertung der CT-Aufnahmen die Auffassung vertreten, dass die geltend gemachte BK Nr. 4103 nicht nachgewiesen worden ist.

Sofern mehrfach darauf verwiesen worden ist, dass für konkurrierende Ursachen immer der Vollbeweis zu erbringen sei (mit Hinweis auf BSG vom 24.02.1988 – 2 RU 30/87 –), ist dies in dieser Verallgemeinerung nicht zutreffend. Denn dieser Grundsatz ist explizit zu Recht nur für die Fälle aufgestellt worden, bei denen beim Fehlen einer konkurrierenden Ursache die versicherte Ursache als nachgewiesen anzusehen ist. Da vorliegend unabhängig vom Vorliegen konkurrierender Ursachen bereits eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 4103 nicht nachgewiesen ist, kann auch der Nachweis von diese ausschließenden konkurrierenden Ursachen nicht verlangt werden (BSG a.a.O., juris Rn. 19 f.).

Der zutreffende Hinweis des Klägerbevollmächtigten und insbesondere von Prof. Dr. O. auf die langjährige erhebliche Asbestexposition des Klägers allein vermag nicht für die Annahme einer BK auszureichen. Der Schluss von einer ggf. ausreichenden beruflichen Belastung auf die Verursachung durch die berufliche Belastung ist ohne das Hinzutreten weiterer Indizien für eine berufliche Belastung unzulässig. Das BSG hat zutreffend entschieden, dass selbst beim Fehlen konkurrierender Ursachen die Schlussfolgerung der Kausalität aus den erfüllten arbeitstechnischen Ursachen nicht zulässig ist (BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, vom 27.06.2006 - B 2 U 13/05 R - und vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R -). Dementsprechend ist auch der hilfsweise erfolgte Hinweis des Klägerbevollmächtigten, dass drei andere Beschäftigte aus dem Betrieb des Klägers an Asbest erkrankt seien, nicht geeignet, die für eine Beweisführung vorliegend bestehenden Lücken zu schließen.

Sofern der Klägerbevollmächtigte auf die ergänzende Stellungnahme des Gutachters Prof. Dr. T. vom 09.02.2011 verweist, wonach dieser das Vorliegen einer BK Nr. 4103 in seinem Gutachten nicht ausgeschlossen habe, vermag auch diese Äußerung nicht den fehlenden Vollbeweis der erforderlichen Grunderkrankung zu ersetzen. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht angezeigt, wozu auf die Aussage von Prof. Dr. U. verwiesen wird, dass die diagnostischen Möglichkeiten im vorliegenden Verfahren ausgeschöpft worden sind. Die erstinstanzlich und auch mit der Berufung geltend gemachte erneute Anhörung von Prof. Dr. O. ist antragsgemäß im Berufungsverfahren durchgeführt worden, ohne dass hierdurch der Nachweis der geltend gemachten BK erbracht werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor. Da vorliegend bereits der Nachweis der erforderlichen Grunderkrankung nicht erfolgen konnte, wobei es sich um eine medizinische Sachfrage handelte, sind Gründe für die Zulassung hinsichtlich der Feststellung und Entschädigung einer BK weder ersichtlich noch in überzeugender Weise geltend gemacht worden. Auch hinsichtlich der Verwertung der Äußerungen Prof. Dr. R.s ist ein Grund für die Zulassung der Revision nicht ersichtlich. Die für die Entfernung von Äußerungen aufgrund eines Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII geltenden Grundsätze sind in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl. die o.g. Urteile des BSG zu dieser Vorschrift). Die für die Zulassung der Revision angeführte Begründung, dass mehr als 90 % der beratungsärztlichen Stellungnahmen von Berufsgenossenschaften von Befangenheit geprägt seien, hat zudem ersichtlich keinen Bezug zu den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen.
Rechtskraft
Aus
Saved