S 45 AS 4249/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
45
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 45 AS 4249/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 37/16
Datum
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 26.06.2014 bis 30.11.2014 weitere Leistungen nach SGB II in Höhe von monatlich 38,00 Euro zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des bei dem Kläger zu berücksichtigenden Regelbedarfs im Rahmen der zu erbringenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] für die Zeit vom 26.06.2014 bis 30.11.2014.

Der 19xx geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und bezog bis 31.07.2012 laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz [AsylbLG]. Im Jahr 2012 erhielt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz [AufenthG]. Seit dem 01.08.2012 bezieht er laufende Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Ehefrau sowie die gemeinsamen Tochter haben zumindest in dem hier streitigen Zeitraum laufende Leistungen nach dem AsylbLG bezogen. Die Ehefrau des Klägers erhielt in der Zeit vom 01.07.2014 bis 31.10.2014 monatliche Leistungen iHv. insgesamt 496,97 EUR (326,00 EUR Grundleistungen zzgl. Unterkunftsanteil iHv. 170,97 EUR) und vom 01.11.2014 bis 30.11.2014 iHv. 385,97 EUR (326,00 EUR Grundleistungen zzgl. Unterkunftsanteil iHv. 170,97 EUR abzgl. bereinigtes Erwerbseinkommen iHv. 111,00 EUR), wobei ein Teilbetrag in Wertgutscheinen ausgezahlt wurde.

Mit Bescheid vom 10.07.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger laufende Leistungen für die Zeit vom 26.06.2014 bis 30.11.2014, für die Zeit vom 26.06.2014 bis 30.06.2014 iHv. 75,38 EUR bzw. für die Zeit vom 01.07.2014 bis 30.11.2014 iHv. 452,38 EUR monatlich. Hierbei berücksichtigte die Beklagte u.a. einen monatlichen Regelbedarf iHv. 353,00 EUR. Hiergegen erhob der Kläger am 28.07.2014 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, die Berücksichtigung von Regelleistungen in Höhe von nur 90 % des Regelbedarfes für Alleinstehende sei rechtswidrig, da er einen Anspruch auf den Regelbedarf für volljährige Alleinstehende habe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gelte im Falle einer Bedarfsgemeinschaft, in der ein Partner Leistungen nach dem SGB II und der andere Leistungen nach dem AsylbLG beziehe, die Kürzungsregelung in § 20 Abs. 3 S. 1 SGB II a.F. nicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R). Eine Vergleichbarkeit zwischen SGB II-Leistungen und den Grundleistungen nach dem AsylbLG, die die Anwendung des § 20 Abs. 3 S. 1 SGB II rechtfertigen würde, bestehe ungeachtet der jeweiligen Höhe nicht, weil nur Leistungen miteinander vergleichbar seien, die von dem Konzept pauschalierter, also abstrakter Bedarfsdeckung ausgehen, während dem AsylbLG das Sachleistungsprinzip zugrunde liege. Seine Ehefrau erhalte zudem nach wie vor die Leistungen nach dem AsylbLG überwiegend in Form von Wertgutscheinen, weshalb sich nach der Rechtsprechung des BSG erst recht die Gleichbehandlung mit Bedarfsgemeinschaften, in denen beide Partner SGB II-Leistungen erhalten, verbiete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte ist der Ansicht, bei erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen, die mit einer nach § 3 AsylbLG leistungsberechtigten – ausgeschlossenen – Person als Partner bzw. Partnerin in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenleben, sei ebenfalls der Regelbedarf für volljährige Partner anzuerkennen. Ausgelöst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (Az: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) haben Asylbewerber bzw. Asylbewerberinnen für Zeiträume ab 01.01.2011 Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG, die sich der Höhe nach nur unwesentlich von den Leistungen für den Regelbedarf nach dem SGB II/SGB XII unterscheide. Die übergangsweise angeordneten Leistungen bemessen sich nach den Vorschriften des § 28 SGB XII.

Der Kläger hat am 22.10.2014 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben. Er führt aus, er habe einen Anspruch auf Leistungen in Höhe des vollen Regelsatzes nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II, da die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau Leistungen nach dem AsylbLG beziehe und insoweit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Kürzungsregelung des § 20 Abs. 4 SGB II nicht gelte. Die Argumentation der Beklagten sei nicht geeignet, die Entscheidung zu tragen. Sie verkenne, dass es nicht allein um die Höhe der Leistungen gehe, weshalb die Rechtsprechung des BSG zu dieser Frage nach wie vor Gültigkeit beanspruchen könne. Ungeachtet dessen, dass eine Differenz noch insoweit existiere, als nach der vorläufigen Festlegung durch das BVerfG die Leistungen nach dem AsylbLG den Leistungen nach dem SGB II/SGB XII nur angenähert, die selbe Höhe jedoch nicht festgelegt wurde, sei das Bundessozialgericht in dem Urteil vom 06.10.2011 vielmehr aus rechtssystematischen Gründen zu seiner Entscheidung gelangt, die ungeachtet der Erhöhung der Leistungen nach dem AsylbLG gelten. Auf gemischte Bedarfsgemeinschaften, in denen kein Anspruch auf jeweils 90 % der Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 SGB II bestehe, wie dies vorliegend der Fall sei, sei § 20 Abs. 3 S. 1 (neu Abs. 4) SGB II nicht anwendbar. Systemprägend im AsylbLG sei die konkret-individuelle Bedarfsdeckung durch Sachleistungen. Wegen der Abhängigkeit vom konkreten Bedarf des Leistungsberechtigten lasse sich ein der pauschalierten Regelleistung vergleichbare monatliche Wert der Leistungen nicht feststellen. Eine Gleichbehandlung von zwei nach dem SGB II leistungsberechtigten Partnern mit zwei Partnern, von denen einer nach dem AsylbLG anspruchsberechtigt sei, entspreche dem gesetzgeberischen Gesamtkonzept erkennbar nicht (vgl. BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R). Nach alledem komme es nicht darauf an, ob durch das Urteil des BVerfG eine Annäherung bzgl. der Höhe der Leistungen erfolgt sei, sondern darauf, dass aus rechtssystematischen Gründen weder eine direkte Anwendung des § 20 Abs. 4 SGB II noch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift möglich sei. Eine Vergleichbarkeit zwischen SGB II-Leistungen und den Grundleistungen nach dem AsylbLG, die die Anwendung des § 20 Abs. 4 SGB II rechtfertigen würde, bestehe ungeachtet der jeweiligen Höhe nicht, weil nur Leistungen miteinander vergleichbar seien, die von dem Konzept pauschalierter, also abstrakter Bedarfsdeckung ausgehen, während dem AsylbLG das Sachleistungsprinzip zugrunde liege.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 26.06.2014 bis 30.11.2014 Leistungen nach dem SGB II in Höhe des vollen Regelsatzes nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II iVm. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in der jeweils gültigen Fassung zu gewähren und den Differenzbetrag nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen, 2. die Zulassung der Berufung.

Die Beklagte hält demgegenüber an ihrer Ansicht fest. Ergänzend führt die Beklagte aus, Personen erhalten nicht den vollen Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II, die als Partner in einer sog. gemischten Bedarfsgemeinschaft leben. Dies sei auch der Fall, wenn der Partner der Bedarfsgemeinschaft als solcher von der Leistung nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Auch dann liege bei dem Partner nicht das Merkmal "alleinstehend" vor, so lange eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II bestehe. Der Leistungsempfänger habe dann nur Anspruch auf den Regelbedarf für volljährige Partner nach § 20 Abs. 4 SGB II. Aus dem von dem Kläger zitierten BSG-Urteil können durch die spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 – B 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 keine Ansprüche mehr hergeleitet werden. Zwar liege das finanzielle Niveau der Leistungen nach dem AsylbLG weiterhin unter dem Regelbedarf für Partner nach § 20 Abs. 4 SGB II. Dies sei jedoch gerechtfertigt, da Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG zudem Sachleistungen erhalten, die in den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben teilweise enthalten seien. Der Leistungsberechtigte, der mit einem Partner zusammenlebe, der Leistungen nach dem AsylbLG beziehe, könne nicht mehr als alleinstehend angesehen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG] ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bewilligungsbescheid vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung weiterer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 26.06.2014 bis 30.11.2014 in Höhe von monatlich 38,00 EUR. Streitgegenstand des zugrundeliegenden Verfahrens ist die Höhe des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II, über den die Beklagte mit Bescheid vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2014 entschieden hat.

Der Kläger ist in dem streitbefangenen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt, da er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind und die Altersgrenze aus § 7a SGB II nicht überschritten haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Der 19xx geborene Kläger ist älter als 15 Jahre und hat die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht überschritten. Er ist erwerbsfähig iSd. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II iVm. § 8 Abs. 1 SGB II und hilfebedürftig iSd. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II iVm. § 9 SGB II, da er seinen Lebensunterhalt nicht bzw. nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen decken kann. Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in H. und damit der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger ist zudem nicht von der Gewährung von Leistungen nach § 7 Abs. 1 S. 2 und S. 3, Abs. 4 bis 6 SGB II ausgeschlossen.

Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung des Regelbedarfs für Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II analog iHv. monatlich 391,00 EUR.

Vorliegend ist die Vorschrift des § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht direkt anzuwenden. Nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II iVm. § 20 Abs. 5 S. 2 SGB II, § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII] iVm. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch fu&776;r die Zeit ab 1. Januar 2014 werden als Regelbedarf bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich 391,00 EUR anerkannt. Alleinstehend in diesem Sinne ist jeder Hilfebedürftige, der keiner Bedarfsgemeinschaft mit anderen Hilfebedürftigen angehört, bzw. allein für seine Person "eine Bedarfsgemeinschaft" bildet (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 6/06). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Kläger mit seiner Ehefrau sowie den gemeinsamen Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 lit. a), Nr. 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft iSd. SGB II der erwerbsfähige Leistungsberechtigte, als Partnerin des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte und die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Da die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft zwischen Partnern unabhängig davon bestimmt wird, ob die einbezogene Person selbst leistungsberechtigt nach dem SGB II ist (vgl. BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R), ist es unerheblich, dass seine Ehefrau nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.

Dem Kläger ist jedoch weder in direkter noch analoger Anwendung des § 20 Abs. 4 SGB II der Regelbedarf zu gewähren. Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen ein Betrag in Höhe von monatlich 353,00 EUR anzuerkennen (§ 20 Abs. 4 SGB II iVm. der Bekanntmachung über die Ho&776;he der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch fu&776;r die Zeit ab 1. Januar 2014). Zwar lebt der Kläger in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau. Durch § 20 Abs. 4 SGB II – der § 20 Abs. 3 SGB II a.F. sinngemäß entspricht – soll jedoch sichergestellt werden, dass Partner einer Bedarfsgemeinschaft statt (zwei) vollumfänglichen SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von rechnerisch 200 Prozent zusammen bei der Bedarfsermittlung in Höhe von insgesamt 180 Prozent berücksichtigt werden. Hintergrund sind Einsparpotentiale und Synergieeffekte, die sich aus dem gemeinsamen Zusammenleben und Wirtschaften ergeben und sich entsprechend bedarfsmindernd auswirken. Diese Bedarfsänderung rechtfertigt die über § 20 Abs. 4 SGB II umgesetzte Einschränkung der jeweiligen Leistungsansprüche. Hierbei soll jedem Partner jeweils ein gleichberechtigter, eigener Leistungsanspruch in Höhe von 90 Prozent zustehen, unabhängig von Geschlecht oder Eigenschaft als Haushaltsvorstand (vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 56 zur Vorgängervorschrift des § 20 Abs. 3 SGB II). § 20 Abs. 4 SGB II soll aber gerade keine Regelung zu der Situation treffen, dass der Partner gar keine Leistungen nach dem SGB II erhält, sondern bspw. Leistungen nach dem SGB XII oder dem AsylbLG (sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft). Die Vorschrift geht vielmehr davon aus, dass beide Partner über das SGB II leistungsberechtigt sind (so zu § 20 Abs. 3 SGB II a.F.: BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R). Das Bundessozialgericht, dem sich die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung anschließt, hat zur Vorgängervorschrift des § 20 Abs. 4 SGB II (in dem zu entscheidenden Fall zu § 20 Abs. 3 SGB II in der Fassung vom 24.3.2006) hierzu folgendes ausgeführt:

"Ziel des SGB II ist aber nur die Sicherung des Lebensunterhalts für nach dem SGB II leistungsberechtigte Personen. Dementsprechend kann § 20 Abs 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich nur Konstellationen erfassen, in denen beide volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft dem Leistungssystem des SGB II unterfallen. Eine analoge Anwendung von § 20 Abs 3 Satz 1 SGB II auf nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die mit Partnern in einer Bedarfsgemeinschaft leben, kommt jedoch, wie das BSG bereits entschieden hat (vgl BSG Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 2/06 R - BSGE 99, 131 = SozR 4-3500 § 28 Nr 1, RdNr 19), bei einer Anspruchsberechtigung nach dem SGB XII in Betracht. Im Fall einer "gemischten Bedarfsgemeinschaft" zwischen einem Leistungsberechtigten nach dem SGB II mit einem nach dem SGB XII leistungsberechtigten Partner sind die Regelungen nach dem SGB XII lückenhaft. Auf gemischte Bedarfsgemeinschaften, in denen kein Anspruch auf jeweils 90 vH der Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II besteht, wie dies bei der hier vorliegenden Bedarfsgemeinschaft zwischen einem nach SGB II Leistungsberechtigten und einem Leistungsberechtigten nach § 3 AsylbLG der Fall ist, ist dagegen § 20 Abs 3 Satz 1 SGB II nicht anwendbar." (BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R)

Vorliegend ist § 20 Abs. 4 SGB II auch nicht entsprechend heranzuziehen. Eine analoge Anwendung eines Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte kommt nur in Betracht, wenn die gesetzlich geregelte Rechtsfolge eines geregelten Sachverhaltes auf einen vergleichbaren Sachverhalt übertragen werden kann, weil dieser planwidrig nicht entsprechend geregelt worden ist; die gesetzliche Vorschrift muss insofern lückenhaft erscheinen (allgemein zur Analogie: Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 889 ff). Wegen der Vorrangigkeit des gesetzgeberischen Willens gegenüber der richterlichen Rechtsetzung ist für eine Analogie schon dann kein Raum, wenn es nur zweifelhaft erscheint, ob die verglichenen Sachverhalte nicht doch derart unterschiedlich sind, dass durch eine Gleichstellung die gesetzliche Wertung in Frage gestellt würde (BSG, Urteil vom 27.01.1987 - 6 RKa 28/86). Vorliegend ist der Sachverhalt einer gemischten Bedarfsgemeinschaft, in den ein Partner Leistungen nach dem AsylbLG und der andere nach dem SGB II bezieht, mit einem solchen, in dem beide Partner SGB II-Leistungen erhalten, auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2014 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 weiterhin nicht vergleichbar, so dass eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 4 SGB II ausscheidet (so auch Sozialgericht [SG] Dortmund, Beschluss vom 05.02.2014 – S 32 AS 5467/13 ER). Nach der Konzeption des SGB II sollen Asylbewerber und ausreisepflichtige geduldete Personen als Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten. Der Gesetzgeber hat mit dem AsylbLG für den betroffenen Personenkreis ein besonderes Sicherungssystem geschaffen, das eigenständige und abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts enthält (vgl. BT-Drucks 15/1516 S. 52). Systemprägend im Asylbewerberleistungsrecht ist die konkret-individuelle Bedarfsdeckung durch Sachleistungen (§ 3 Abs. 1 S. 1 AsylbLG in der Fassung vom 31.10.2006; vgl. Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG i.d.F. v. 23.12.2014, Rn. 45). Wegen der Abhängigkeit vom konkreten Bedarf des Leistungsberechtigten lässt sich ein der pauschalierten Regelleistung vergleichbarer monatlicher Wert der Leistungen nicht feststellen (BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R). Selbst wenn die Hilfe nach dem AsylbLG als Geldleistung oder in Wertgutscheinen gewährt wird, führt dies nicht zu einer Vergleichbarkeit der Regelungen des SGB II und des AsylbLG, da die Beträge des § 3 AsylbLG weder mit noch ohne Taschengeld einen im Vergleich zum SGB II identischen Prozentsatz abbilden (BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R). Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 18.07.2014 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 hat sich hieran grundlegend nichts verändert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zwar festgestellt, dass die Geldleistungen für Asylbewerber, die seit 1993 unverändert geblieben sind, evident zu niedrig seien und gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstießen. Bis der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Neuregelung erlassen habe, seien die fraglichen Geldleistungen daher ab dem 01.01.2011 in ihrer Höhe orientiert anhand der jeweiligen Regelsätze des SGB II und SGB XII zu berechnen, gekürzt um den Bedarf für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und –gegenstände (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 104 ff.). Hierdurch sind jedoch die dargestellten Bedenken gegen eine (analoge) Anwendung des § 20 Abs. 4 SGB II auf gemischte Bedarfsgemeinschaften, in denen ein Partner Leistungen nach dem AsylbLG erhält, nicht entfallen. Die Übergangsregelung und nun auch die gesetzliche Neuregelung des § 3 AsylbLG führen zwar zu einer gewissen Angleichung der Leistungen nach § 3 AsylbLG an das allgemeine Grundsicherungsrecht (SGB II, SGB XII) im Bereich der passiven Leistungen, insbesondere bei der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums. Gleichwohl bleibt die grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers unberührt, Bedarfe des physischen Existenzminimums durch Sachleistungen zu decken (vgl. etwa § 3 Abs. 1 S. 2 AsylbLG und § 3 Abs. 2 S. 3 AsylbLG; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 3 AsylbLG i.d.F. v. 23.12.2014, Rn. 45). Diesen Grundsatz hat auch das Bundesverfassungsgericht nicht in Frage gestellt (BVerfG, Urteil 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 109). Eine Gleichbehandlung von zwei nach dem SGB II leistungsberechtigten Partnern mit zwei Partnern, von denen einer nach dem AsylbLG anspruchsberechtigt ist, entspricht dem gesetzgeberischen Gesamtkonzept damit erkennbar nicht.

Im Ergebnis folgt der Anspruch des Klägers auf die Berücksichtigung der vollen Regelbedarfs aus der analogen Anwendung des § 20 Abs. 2 SGB II, denn die wirtschaftliche Situation des Leistungsberechtigten nach dem SGB II, der mit einem Leistungsberechtigten nach § 3 AsylbLG zusammenlebt, ist mit derjenigen eines Leistungsberechtigten vergleichbar, der alleinstehend ist oder dessen Partner jedenfalls nicht in den Genuss des vollen Regelbedarfs für Erwachsene kommt (BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 171/10 R). Der Leistungsberechtigte ist leistungsrechtlich nicht schlechter zu stellen als ein Alleinstehender, nur weil er mit einer anderen Person zusammenlebt, die ihrerseits Leistungen nach dem AsylbLG erhält.

Nach alledem hat die Beklagte bei dem Kläger den vollen Regelbedarf für Alleinstehende zu berücksichtigen. Dieser beträgt in dem hier streitigen Zeitraum 391,00 EUR, so dass der Kläger einen Anspruch auf Auszahlung des Differenzbetrages zwischen dem bisher berücksichtigten Regelbedarfs iHv. 353,00 EUR und des zu berücksichtigenden Regelbedarfs iHv. 391,00 EUR von monatlich 38,00 EUR hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Berufung ist nicht zugelassen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt die erforderliche Berufungssumme von 750,00 EUR gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht (38,00 EUR monatlich für die Zeit vom 26.06.2014 bis 30.11.2014). Die Kammer hat die Berufung gem. § 144 Abs. 2 SGG auch nicht zugelassen, da nach Ansicht der Kammer insbesondere die hier im Streit stehende Rechtsfrage nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 06.10.2011 - B 14 AS 171/10 R) ausreichend beantwortet ist.
Rechtskraft
Aus
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