Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AY 2619/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 3291/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. August 2011 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die rückwirkende Bewilligung sog. Analogleistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).
Der am 1954 geborene Kläger Ziff. 1, seine am 1956 geborene Ehefrau, die Klägerin Ziff. 2, deren am 1977, 1980, 1983, 1986 und 1989 geborene Kinder sowie die am 1991 geborene Tochter, die Klägerin Ziff. 3, reisten als jugoslawische Staatsangehörige im Oktober 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie sich zunächst nach erfolglosen Asyl- und Asylfolgeverfahren aufgrund von Duldungen (Aussetzung der Abschiebung), zuletzt verlängert bis zum 17. Oktober 2007, aufhielten. Den Klägern Ziff. 1 und 2 wurde am 13. Juli 2007, der Klägerin Ziff. 3 am 14. Juli 2007 eine zunächst bis zum 12. Juli 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt. Seit Oktober 1991 bezogen die Kläger Grundleistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG. Nachdem die Ausländerbehörde der Beklagten am 18. Januar 2001 mitgeteilt hatte, die Kläger hätten die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich dadurch beeinflusst, dass sie der bestehenden Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen seien, hatte die Beklagte auch in der Folgezeit keine Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, sondern weiterhin nur Grundleistungen gewährt. Schriftliche, mit Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheide über die jeweilige Leistungshöhe sind nach dem Inhalt der Verwaltungsakte nur "für" einzelne Monate ergangen, jeweils bei eingetretenen Änderungen. In den übrigen Zeiträumen wurden Leistungen jeweils in der Höhe der letzten schriftlichen Bewilligung monatlich gewährt. Die in einer städtischen Unterkunft wohnenden Kläger hatten für die Kosten der Unterkunft und Heizung in 2007 eine Gebühr i.H.v. EUR 360.- zu zahlen.
Zum 1. April 2007 nahm die Klägerin Ziff. 2 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf, aus der sie ein monatliches Nettoentgelt i.H.v. EUR 805,29 bezog. Die Beklagte erbrachte ab dem 1. Mai 2007 tatsächlich keine Leistungen mehr, sondern forderte Einkommensnachweise einschließlich Kindergeld an. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 stellte sie die Leistungen nach dem AsylbLG "mit Wirkung vom" 1. Mai bis 31. Juli 2007 ein. Unter Berücksichtigung des der Klägerin Ziff. 2 gewährten Kindergeldes i.H.v. EUR 308.- und deren Nettoarbeitsentgelts übersteige das Einkommen den monatlichen Gesamtbedarf der Kläger um ca. 40.-. Bereits mit Bescheid vom 24. Juli 2007 hatte sie die "Einstellung" der Leistungen nach AsylbLG mit Wirkung vom 1. August 2007 verfügt, da die Kläger aufgrund der Aufenthaltserlaubnisse, die nicht "wegen des Krieges" erteilt worden seien, nicht mehr zu dem nach dem AsylbLG berechtigten Personenkreis gehörten, sondern Leistungen unmittelbar nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) in Anspruch nehmen könnten.
Die Kläger beziehen seit dem 24. September 2007 durchgehend die am 30. August 2007 beantragten Leistungen nach dem SGB II, zeitweise aufstockend zu den Erwerbseinkünften. Der am 1. März 1983 geborene, bei den Klägern wohnende Sohn bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.
Mit Schriftsatz vom 23. September 2009 - Eingang bei der Beklagten am 25. September 2009 - beantragten die Kläger durch ihre Bevollmächtigte die rückwirkende Überprüfung und gegebenenfalls Aufhebung bereits bestandskräftiger Entscheidungen über die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG für die vergangenen vier Jahre gem. § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X); ihnen stünden Analogleistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung bereits erbrachter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu. Auf Anfrage, wie der Lebensunterhalt bestritten werde, legten die Kläger Entgeltnachweise für August und Oktober 2009 sowie den aktuellen Bewilligungsbescheid des Jobcenters (Bewilligungszeitraum 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010) vor. Die Ausländerbehörde verneinte unter dem 7. Oktober 2009 Tatbestände der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer.
Mit Bescheid vom 1. April 2011 lehnte die Beklagte die Anträge auf teilweise Rücknahme bestandskräftiger Bescheide und Nachgewährung von Analogleistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 ab, da die Kläger in der Zeit vom 1. Mai bis 23. September 2007 ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen ohne existenzsichernde Sozialleistungen nach dem SGB II oder SGB XII hätten decken können. Mangels fortbestehender Bedürftigkeit fehle es an einem gem. § 44 Abs. 4 SGB X erforderlichen aktuellen sozialhilferechtlichen Bedarf. Zur Begründung der dagegen eingelegten Widersprüche führten die Kläger im Wesentlichen aus, das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) stütze die getroffene Entscheidung nicht, denn ein Bedarf bestehe aktuell fort, da die Kläger weiterhin Sozialleistungen nach dem SGB II erhielten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2011 wies die Beklagte die Widersprüche unter Hinweis auf die Lücke im Leistungsbezug aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 18. Mai 2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte könne sich auf den sog. Aktualitätsgrundsatz im Sozialhilferecht, also den Wegfall der Hilfebedürftigkeit, nicht berufen. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des BSG habe keine Leistungen zur laufenden Bedarfsdeckung betroffen. Außerdem sei auch dort ausgeführt worden, dass ausnahmsweise bei zwischenzeitlichem Bedarfswegfall zu Unrecht vorenthaltene Sozialleistungen nicht nachträglich verweigert werden dürften, wenn dies schlechthin unbillig wäre. Dies sei der Fall, wenn die Behörde Leistungen wider besseren Wissens verweigere. Durch die Berufung auf den Aktualitätsgrundsatz dürfe die rechtswidrig handelnde Behörde nicht gegenüber der rechtmäßig handelnden privilegiert werden. Es stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von aktuellen und ehemaligen Sozialleistungsempfängern dar. Die pauschalierten Leistungen dienten dem zukünftigen und rückwirkenden Bedarf, an der Integration in diesem Staat teilzunehmen. Die Beseitigung von Armut könne nicht in kurzer Zeit erreicht werden, zumal die Betroffenen wie die Kläger jahrelang am Rande des Existenzminimums gelebt hätten.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. August 2011 hat das SG "die Klage" abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass die Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrten, unter Abänderung entgegenstehender Bescheide Leistungen nach § 2 AsylbLG i.H.d. des Differenzbetrages zu den gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 zu gewähren. Der geltend gemachte Anspruch scheitere bereits daran, dass bei den Klägern kein ununterbrochener sozialhilferechtlicher Bedarf bestehe. Deren fehlende Hilfebedürftigkeit i.S.d. SGB II oder SGB XII in der Zeit vom 1. Mai bis 23. September 2007 werde durch die korrespondierende Unterbrechung des Leistungsbezuges indiziert und von den Klägern selbst auch nicht bestritten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diesen ihrer Bevollmächtigten am 4. August 2011 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 4. August 2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt, mit der sie außerdem die Verzinsung der Nachzahlungsbeträge begehren. Über ihr erstinstanzliches Vorbringen hinaus haben sie im Wesentlichen ausgeführt, der Nachholung von Geldleistungen könne nicht entgegengehalten werden, normativ bestehe kein Bedarf mehr aus der Vergangenheit. Der Ausschluss der Rechte aus § 44 SGB X unter Hinweis auf nicht genutzte Rechtsschutzmöglichkeiten sei nicht möglich, da in diesem ein entsprechender Ausschlusstatbestand nicht angelegt sei. Rechtsschutzmöglichkeiten seien für den Betroffenen in der Regel nicht erkennbar gewesen; die Beklagte habe ihrer Beratungspflicht nicht genügt. Die Beklagte räume selbst ein, im streitbefangenen Zeitraum zu geringe Leistungen gewährt zu haben. In die Abwägung der materiellen Gerechtigkeit müsse einfließen, dass es sich um die Kürzung von ohnehin schon die Grenze des Lebensnotwendigen unterschreitenden Leistungen gem. § 3 AsylbLG handle. Auch bei zwischenzeitlichem Wegfall der Hilfebedürftigkeit könnten die begehrten Leistungen ihren Zweck noch erfüllen, da an die Stelle des ursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten sei. Denn wegen des in Zeiten des Bezuges von Grundleistungen entstandenen Rückstandes könne nicht sofort ein angemessener wirtschaftlicher und sozialer Standard erreicht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 29/44 und 49/50 der Senatsakten Bezug genommen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. August 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2011 zu verurteilen, ihnen unter teilweiser Rücknahme entgegenstehender früherer Verwaltungsakte für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Anrechnung gewährter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren und die Nachzahlungsbeträge mit 4 vom Hundert ab dem der ursprünglichen Fälligkeit folgenden Monat zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gem. §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Kläger auf teilweise Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 und die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen den höheren Analog- gegenüber den bezogenen Grundleistungen einschließlich Verzinsung. Nur dieser Zeitraum war Regelungsgegenstand des angefochtenen Bescheides vom 1. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2011 und Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung, wie sich aus dem vom SG im Tatbestand formulierten Antrag ergibt. Leistungen für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2007, für den die Beklagte auch Grundleistungen abgelehnt hatte, sind danach nicht Gegenstand des Verfahrens. Abweichendes wird auch in der Berufungsschrift und -begründung nicht vorgetragen. Die den Leistungen in diesem Zeitraum zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide sind alle bestandskräftig geworden. Dies gilt auch für die in der tatsächlichen Leistungsgewährung liegenden konkludenten Bescheide, die nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sind. Für diese gilt zwar nicht die einmonatige Widerspruchsfrist des § 84 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 1 SGG. Auch diese war aber bei Eingang des Antragsschriftsatzes am 25. September 2009 bereits abgelaufen. Eine Korrektur kommt daher nur über § 44 SGB X in Betracht. Soweit die Kläger erstmals im Berufungsverfahren eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen beanspruchen, handelt es sich um eine Nebenforderung i.S.d. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG, deren Geltendmachung nicht als Klageänderung bzw. -erweiterung zu sehen ist (BSG SozR 4-4100 § 119 Nr. 1).
Die Beklagte ist richtiger Klagegegner (Stadtkreis; § 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 3, Abs. 4 FlüAG sowie § 13 Abs. 1 Nr. 2, ab 14. Oktober 2008 § 15 Abs. 1 Nr. 2 Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg; vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R - (juris)).
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Abs. 4).
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in der hier maßgeblichen, vom 1. Januar 2005 bis 27. August 2007 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Diese Vorbezugszeit haben alle drei Kläger erfüllt.
Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Wegfall der Hilfebedürftigkeit einem Anspruch auf rückwirkende Zuerkennung von Analogleistungen für davor liegende Zeiträume im Rahmen des § 44 SGB X entgegensteht. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid an und nimmt auf diese Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des § 44 SGB X im Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht nach dem SGB XII ist auch im Bereich der Leistungen nach dem AsylbLG zu beachten, da auch insoweit das Gegenwärtigkeitsprinzip gilt (vgl. a. zum Folgenden BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - (juris)). Daher muss insbesondere berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen. Für einen zurückliegenden Zeitraum sind sie mithin nur dann zu erbringen, wenn sie ihren Zweck noch erfüllen können. Sind Leistungen rechtswidrig abgelehnt worden und hat der Hilfebedürftige den (nicht entfallenen) Bedarf in der Folgezeit im Wege der Selbsthilfe (etwa unter Rückgriff auf Schonvermögen oder durch Aufnahme von Schulden) oder Hilfe Dritter gedeckt, die die fehlende Unterstützung durch den Hilfeträger substituiert hat, kann, soweit Hilfebedürftigkeit noch aktuell besteht, die Leistung ihren Zweck noch erfüllen, weil an die Stelle des ursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten ist. Die nachträgliche Erbringung von Leistungen setzt allerdings voraus, dass bei den Klägern Bedürftigkeit i.S.d. AsylbLG oder des SGB XII bzw. des SGB II ununterbrochen fortbesteht; ist die Bedürftigkeit nur temporär oder auf Dauer entfallen, scheidet eine Nachzahlung in der Regel aus. Wie im Sozialhilferecht allgemein ist im Hinblick auf § 44 Abs. 4 SGB X also nicht nur darauf abzustellen, ob die Ablehnung einer Leistung zum Zeitpunkt der Entscheidung nach früherer Sach- und Rechtslage rechtswidrig war, sondern auch darauf, ob zwischenzeitlich der ursprüngliche Bedarf, der zu Unrecht nicht durch Hilfeleistungen gedeckt wurde, oder die Bedürftigkeit entfallen sind. Maßgebender Zeitpunkt für die zu treffende Entscheidung ist dabei die letzte Tatsacheninstanz.
§ 44 SGB X dient der Durchsetzung materieller Gerechtigkeit gegenüber der Bindungswirkung rechtswidriger Verwaltungsakte. Das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verlangt aber unter den genannten sozialhilferechtlichen Aspekten gerade nicht, dem (früher einmal) Hilfebedürftigen eine Leistung zu gewähren, der er nicht mehr bedarf. Eine nachträglich zu erbringende Leistung darf nicht den Charakter einer Entschädigung erhalten. Das BSG hat hierzu in der auch von den Klägern zitierten Entscheidung vom 29. September 2009 (SozR 4-1300 § 44 Nr. 20) zwei Fallgruppen unterschieden, nämlich (1.) den Wegfall des Bedarfes und (2.) die Bedarfsdeckung. Die erste Fallgruppe betrifft Leistungsablehnungen für Bedarfe, die entgegen prognostischer Sicht überhaupt nicht angefallen sind. Hier sind keine Sozialhilfeleistungen für die Vergangenheit zu erbringen, weil sie ihren Zweck nicht mehr erreichen können und nur eine Entschädigung darstellen würden. Hierzu gehören jedenfalls nie pauschalierte Leistungen, die nicht nur einen gegenwärtigen, sondern auch einen zukünftigen oder vergangenen Bedarf einbeziehen, z.B. der Regelsatz nach SGB XII. Daher hat das BSG ausgeführt, dass es bei solchermaßen pauschalierten Leistungen keines Nachweises der Bedarfsdeckung (in Abgrenzung zum Bedarfswegfall) bedarf. Nur hierauf bezieht sich die "Privilegierung" der pauschalierten Leistungen. Dies gilt entsprechend für pauschalierte Leistungen nach dem AsylbLG und die Analogleistungen. Der ersten Fallgruppe unterfallen daher Leistungen für Bedarfslagen, die konkret nicht entstanden sind, sei es auch, weil die Leistungsablehnung die Deckung des Bedarfs verhindert hat, z.B. die Nichtteilnahme an einer Klassenfahrt mangels finanzieller Mittel oder der Verzicht auf die kostenaufwändige Ernährung. Einen solchen Fall machen die Kläger nicht geltend. Ohnehin scheiterte auch insoweit ein Nachgewährungsanspruch aus den nachfolgenden Erwägungen.
Die Nachgewährung von Leistungen wie den Regelleistungen, die einen typisierten Bedarf abdecken, unterfällt daher der zweiten Fallgruppe, wobei auf den Nachweis der Bedarfsdeckung verzichtet wird. Dabei hat das BSG gerade berücksichtigt, dass diese pauschalierten Leistungen der Befriedigung nicht nur eines aktuellen, sondern auch eines zukünftigen und vergangenen Bedarfs dienen (Ansparanteile). Entgegen der Auffassung der Kläger führt der Gesichtspunkt der Ansparanteile auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht zur zwingenden Anwendbarkeit des § 44 SGB X, sondern nur zum Verzicht auf den Nachweis der - konkreten - Bedarfsdeckung. In dieser Fallgruppe ist zu unterscheiden, ob die Bedürftigkeit (nicht der Bedarf) aktuell noch besteht oder zwischenzeitlich entfallen ist. Besteht die Bedürftigkeit i.S.d. SGB XII ununterbrochen fort, sind Sozialhilfeleistungen nachträglich zu erbringen, weil der Sozialhilfeträger bei rechtswidriger Leistungsablehnung nicht dadurch entlastet werden darf, dass der Bedarf anderweitig gedeckt wurde. Die Sozialhilfe kann ihren Zweck noch erfüllen, weil an die Stelle des ursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten ist. Mit Unterbrechung der Bedürftigkeit besteht jedoch kein sozialhilferechtlicher Bedarf mehr, wobei es gleichgültig ist, ob die Bedürftigkeit auf Dauer oder nur temporär entfällt. Die Entscheidung des SG entspricht somit der Rechtsprechung des BSG, der auch der Senat folgt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 2011 - L 7 AY 879/11 -).
Anderes ergibt sich auch nicht aus den von den Klägern angeführten Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 2010 (- L 20 AY 10/10 - (juris); nachgehend BSG, Urteil vom 9. Juni 2011, a.a.O.) und des LSG Niedersachsen-Bremen vom 7. April 2011 - L 8 AY 4/08 - (juris)). Der erstgenannten lag gerade ein Fall durchgehender Hilfebedürftigkeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zugrunde; die Entscheidung hatte sich daher nur im Zusammenhang mit der Frage des Umfanges der nachzugewährenden Leistungen mit der Bedeutung der Ansparleistungen auseinanderzusetzen. Die letztgenannte Entscheidung betraf die Aufhebung bzw. Rücknahme eines Dauerverwaltungsaktes über die Bewilligung von Analogleistungen, bei der der Grundsatz der Gegenwärtigkeit bei späterem Wegfall der Hilfebedürftigkeit bereits inhaltlich keine Rolle spielen kann.
Die gegen diese Rechtsprechung erhobenen Einwände der Kläger greifen nach Ansicht des Senats nicht durch. Rechtswidriges Handeln der Behörde - gemeint ist die zu Unrecht erfolgte Ablehnung von Analogleistungen durch bestandskräftige Bescheide - bleibt hierdurch nicht grundsätzlich sanktionslos. Die Kläger haben es lediglich versäumt, diese Bescheide rechtzeitig anzufechten. Das Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X schafft nur im gesetzlich vorgesehenen Maße einen Ausgleich, wenn der Betroffene bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten nicht rechtzeitig wahrnimmt. Das Fortbestehen einer Bedarfslage i.S.e. vergleichbaren Belastung ist z.B. auch bei Privatdarlehen an Leistungsempfänger möglich. Zum Erfolg verhilft auch nicht der pauschale Hinweis, nach der Rechtsprechung des BSG scheide eine Nachzahlung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit nur "in der Regel" aus. Denn Besonderheiten des Einzelfalles, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen aktuellen und früheren Leistungsbeziehern liegt schon deshalb nicht vor, weil die weitere Gegenwärtigkeit der Hilfebedürftigkeit - wie dargestellt - dem gesetzlichen Zweck des AsylbLG innewohnt und daher einen sachlichen Grund für die Differenzierung darstellt. Eine verfassungswidrige Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeit liegt nicht vor. Eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte ist schon mangels konkreten Beratungsanlasses oder -begehrens nicht gegeben. Eine möglicherweise bestehende Verfassungswidrigkeit der Leistungen nach dem AsylbLG ändert nichts an der durch die zwischenzeitlich entfallene Bedürftigkeit fehlenden Gegenwärtigkeit der Notlage.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Senat davon auszugehen, dass die Kläger in der Zeit vom 1. Mai bis 23. September 2007 nicht hilfebedürftig i.S.d. des SGB II oder XII waren. Dabei wird nicht übersehen, dass die vorgelegten Nachweise über das Arbeitsentgelt der Klägerin Ziff. 2 für die Monate April bis Juni 2007 lediglich einen monatlichen Auszahlungsbetrag (netto) i.H.v. 805,29 ausweisen. Dies genügt auch unter Einbeziehung des gewährten Kindergeldes nicht, um den Bedarf jedes Klägers nach dem SGB XII vollständig zu decken. Allenfalls die Hilfebedürftigkeit der Klägerin Ziff. 2 nach dem SGB XII wäre, da ihr Einkommen zunächst bei ihr selbst anzurechnen wäre, entfallen. Bei der Verteilung des Einkommens entsprechend den Vorgaben des § 9 Abs. 2 SGB II auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II wäre allein mit diesem Einkommen der grundsicherungsrechtliche Bedarf des jeweiligen Klägers ebenfalls nicht vollständig gedeckt. Tatsächlich aber haben die Kläger ab dem 1. Mai bis zum 23. September 2007 keine existenzsichernden Sozialleistungen bezogen. Dies legt, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hatte, zunächst nahe, dass sie ihren Lebensunterhalt anderweitig bestritten haben. Obwohl dieser Punkt bereits im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid, im ablehnenden Beschluss des SG über die Gewährung von Prozesskostenhilfe und der die Beschwerde zurückweisenden Entscheidung des Senats sowie im Gerichtsbescheid und der Verfügung des Berichterstatters vom 11. Oktober 2011 angesprochen war, haben die Kläger nicht konkret dargelegt, dass ihre Hilfebedürftigkeit auch in dieser Zeit fortbestanden habe oder wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Zur Begründung wurde lediglich - unzutreffend - ausgeführt, die Kläger hätten durchgehend Leistungen nach dem SGB II bezogen. Mangels substantiierten Vorbringens sieht der Senat weder Veranlassung noch Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen. Eine durchgängig fortbestehende Hilfebedürftigkeit liegt daher nicht vor.
Sind - wie vorliegend - Leistungen rückwirkend (überhaupt) nicht mehr zu erbringen, kann trotz Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Bescheide ein Anspruch auf deren Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht anerkannt werden (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 20). Auch der geltend gemachte Zinsanspruch kommt dann nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die rückwirkende Bewilligung sog. Analogleistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).
Der am 1954 geborene Kläger Ziff. 1, seine am 1956 geborene Ehefrau, die Klägerin Ziff. 2, deren am 1977, 1980, 1983, 1986 und 1989 geborene Kinder sowie die am 1991 geborene Tochter, die Klägerin Ziff. 3, reisten als jugoslawische Staatsangehörige im Oktober 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie sich zunächst nach erfolglosen Asyl- und Asylfolgeverfahren aufgrund von Duldungen (Aussetzung der Abschiebung), zuletzt verlängert bis zum 17. Oktober 2007, aufhielten. Den Klägern Ziff. 1 und 2 wurde am 13. Juli 2007, der Klägerin Ziff. 3 am 14. Juli 2007 eine zunächst bis zum 12. Juli 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt. Seit Oktober 1991 bezogen die Kläger Grundleistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG. Nachdem die Ausländerbehörde der Beklagten am 18. Januar 2001 mitgeteilt hatte, die Kläger hätten die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich dadurch beeinflusst, dass sie der bestehenden Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen seien, hatte die Beklagte auch in der Folgezeit keine Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, sondern weiterhin nur Grundleistungen gewährt. Schriftliche, mit Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheide über die jeweilige Leistungshöhe sind nach dem Inhalt der Verwaltungsakte nur "für" einzelne Monate ergangen, jeweils bei eingetretenen Änderungen. In den übrigen Zeiträumen wurden Leistungen jeweils in der Höhe der letzten schriftlichen Bewilligung monatlich gewährt. Die in einer städtischen Unterkunft wohnenden Kläger hatten für die Kosten der Unterkunft und Heizung in 2007 eine Gebühr i.H.v. EUR 360.- zu zahlen.
Zum 1. April 2007 nahm die Klägerin Ziff. 2 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf, aus der sie ein monatliches Nettoentgelt i.H.v. EUR 805,29 bezog. Die Beklagte erbrachte ab dem 1. Mai 2007 tatsächlich keine Leistungen mehr, sondern forderte Einkommensnachweise einschließlich Kindergeld an. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 stellte sie die Leistungen nach dem AsylbLG "mit Wirkung vom" 1. Mai bis 31. Juli 2007 ein. Unter Berücksichtigung des der Klägerin Ziff. 2 gewährten Kindergeldes i.H.v. EUR 308.- und deren Nettoarbeitsentgelts übersteige das Einkommen den monatlichen Gesamtbedarf der Kläger um ca. 40.-. Bereits mit Bescheid vom 24. Juli 2007 hatte sie die "Einstellung" der Leistungen nach AsylbLG mit Wirkung vom 1. August 2007 verfügt, da die Kläger aufgrund der Aufenthaltserlaubnisse, die nicht "wegen des Krieges" erteilt worden seien, nicht mehr zu dem nach dem AsylbLG berechtigten Personenkreis gehörten, sondern Leistungen unmittelbar nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) in Anspruch nehmen könnten.
Die Kläger beziehen seit dem 24. September 2007 durchgehend die am 30. August 2007 beantragten Leistungen nach dem SGB II, zeitweise aufstockend zu den Erwerbseinkünften. Der am 1. März 1983 geborene, bei den Klägern wohnende Sohn bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII.
Mit Schriftsatz vom 23. September 2009 - Eingang bei der Beklagten am 25. September 2009 - beantragten die Kläger durch ihre Bevollmächtigte die rückwirkende Überprüfung und gegebenenfalls Aufhebung bereits bestandskräftiger Entscheidungen über die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG für die vergangenen vier Jahre gem. § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X); ihnen stünden Analogleistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung bereits erbrachter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu. Auf Anfrage, wie der Lebensunterhalt bestritten werde, legten die Kläger Entgeltnachweise für August und Oktober 2009 sowie den aktuellen Bewilligungsbescheid des Jobcenters (Bewilligungszeitraum 1. Oktober 2009 bis 31. März 2010) vor. Die Ausländerbehörde verneinte unter dem 7. Oktober 2009 Tatbestände der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer.
Mit Bescheid vom 1. April 2011 lehnte die Beklagte die Anträge auf teilweise Rücknahme bestandskräftiger Bescheide und Nachgewährung von Analogleistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 ab, da die Kläger in der Zeit vom 1. Mai bis 23. September 2007 ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen ohne existenzsichernde Sozialleistungen nach dem SGB II oder SGB XII hätten decken können. Mangels fortbestehender Bedürftigkeit fehle es an einem gem. § 44 Abs. 4 SGB X erforderlichen aktuellen sozialhilferechtlichen Bedarf. Zur Begründung der dagegen eingelegten Widersprüche führten die Kläger im Wesentlichen aus, das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) stütze die getroffene Entscheidung nicht, denn ein Bedarf bestehe aktuell fort, da die Kläger weiterhin Sozialleistungen nach dem SGB II erhielten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2011 wies die Beklagte die Widersprüche unter Hinweis auf die Lücke im Leistungsbezug aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 18. Mai 2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte könne sich auf den sog. Aktualitätsgrundsatz im Sozialhilferecht, also den Wegfall der Hilfebedürftigkeit, nicht berufen. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des BSG habe keine Leistungen zur laufenden Bedarfsdeckung betroffen. Außerdem sei auch dort ausgeführt worden, dass ausnahmsweise bei zwischenzeitlichem Bedarfswegfall zu Unrecht vorenthaltene Sozialleistungen nicht nachträglich verweigert werden dürften, wenn dies schlechthin unbillig wäre. Dies sei der Fall, wenn die Behörde Leistungen wider besseren Wissens verweigere. Durch die Berufung auf den Aktualitätsgrundsatz dürfe die rechtswidrig handelnde Behörde nicht gegenüber der rechtmäßig handelnden privilegiert werden. Es stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von aktuellen und ehemaligen Sozialleistungsempfängern dar. Die pauschalierten Leistungen dienten dem zukünftigen und rückwirkenden Bedarf, an der Integration in diesem Staat teilzunehmen. Die Beseitigung von Armut könne nicht in kurzer Zeit erreicht werden, zumal die Betroffenen wie die Kläger jahrelang am Rande des Existenzminimums gelebt hätten.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. August 2011 hat das SG "die Klage" abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass die Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrten, unter Abänderung entgegenstehender Bescheide Leistungen nach § 2 AsylbLG i.H.d. des Differenzbetrages zu den gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 zu gewähren. Der geltend gemachte Anspruch scheitere bereits daran, dass bei den Klägern kein ununterbrochener sozialhilferechtlicher Bedarf bestehe. Deren fehlende Hilfebedürftigkeit i.S.d. SGB II oder SGB XII in der Zeit vom 1. Mai bis 23. September 2007 werde durch die korrespondierende Unterbrechung des Leistungsbezuges indiziert und von den Klägern selbst auch nicht bestritten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diesen ihrer Bevollmächtigten am 4. August 2011 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 4. August 2011 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt, mit der sie außerdem die Verzinsung der Nachzahlungsbeträge begehren. Über ihr erstinstanzliches Vorbringen hinaus haben sie im Wesentlichen ausgeführt, der Nachholung von Geldleistungen könne nicht entgegengehalten werden, normativ bestehe kein Bedarf mehr aus der Vergangenheit. Der Ausschluss der Rechte aus § 44 SGB X unter Hinweis auf nicht genutzte Rechtsschutzmöglichkeiten sei nicht möglich, da in diesem ein entsprechender Ausschlusstatbestand nicht angelegt sei. Rechtsschutzmöglichkeiten seien für den Betroffenen in der Regel nicht erkennbar gewesen; die Beklagte habe ihrer Beratungspflicht nicht genügt. Die Beklagte räume selbst ein, im streitbefangenen Zeitraum zu geringe Leistungen gewährt zu haben. In die Abwägung der materiellen Gerechtigkeit müsse einfließen, dass es sich um die Kürzung von ohnehin schon die Grenze des Lebensnotwendigen unterschreitenden Leistungen gem. § 3 AsylbLG handle. Auch bei zwischenzeitlichem Wegfall der Hilfebedürftigkeit könnten die begehrten Leistungen ihren Zweck noch erfüllen, da an die Stelle des ursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten sei. Denn wegen des in Zeiten des Bezuges von Grundleistungen entstandenen Rückstandes könne nicht sofort ein angemessener wirtschaftlicher und sozialer Standard erreicht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 29/44 und 49/50 der Senatsakten Bezug genommen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. August 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2011 zu verurteilen, ihnen unter teilweiser Rücknahme entgegenstehender früherer Verwaltungsakte für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Anrechnung gewährter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren und die Nachzahlungsbeträge mit 4 vom Hundert ab dem der ursprünglichen Fälligkeit folgenden Monat zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gem. §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Kläger auf teilweise Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2007 und die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen den höheren Analog- gegenüber den bezogenen Grundleistungen einschließlich Verzinsung. Nur dieser Zeitraum war Regelungsgegenstand des angefochtenen Bescheides vom 1. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2011 und Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung, wie sich aus dem vom SG im Tatbestand formulierten Antrag ergibt. Leistungen für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2007, für den die Beklagte auch Grundleistungen abgelehnt hatte, sind danach nicht Gegenstand des Verfahrens. Abweichendes wird auch in der Berufungsschrift und -begründung nicht vorgetragen. Die den Leistungen in diesem Zeitraum zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide sind alle bestandskräftig geworden. Dies gilt auch für die in der tatsächlichen Leistungsgewährung liegenden konkludenten Bescheide, die nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sind. Für diese gilt zwar nicht die einmonatige Widerspruchsfrist des § 84 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 1 SGG. Auch diese war aber bei Eingang des Antragsschriftsatzes am 25. September 2009 bereits abgelaufen. Eine Korrektur kommt daher nur über § 44 SGB X in Betracht. Soweit die Kläger erstmals im Berufungsverfahren eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen beanspruchen, handelt es sich um eine Nebenforderung i.S.d. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG, deren Geltendmachung nicht als Klageänderung bzw. -erweiterung zu sehen ist (BSG SozR 4-4100 § 119 Nr. 1).
Die Beklagte ist richtiger Klagegegner (Stadtkreis; § 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 3, Abs. 4 FlüAG sowie § 13 Abs. 1 Nr. 2, ab 14. Oktober 2008 § 15 Abs. 1 Nr. 2 Landesverwaltungsgesetz Baden-Württemberg; vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R - (juris)).
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Abs. 4).
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in der hier maßgeblichen, vom 1. Januar 2005 bis 27. August 2007 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Diese Vorbezugszeit haben alle drei Kläger erfüllt.
Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Wegfall der Hilfebedürftigkeit einem Anspruch auf rückwirkende Zuerkennung von Analogleistungen für davor liegende Zeiträume im Rahmen des § 44 SGB X entgegensteht. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid an und nimmt auf diese Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des § 44 SGB X im Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht nach dem SGB XII ist auch im Bereich der Leistungen nach dem AsylbLG zu beachten, da auch insoweit das Gegenwärtigkeitsprinzip gilt (vgl. a. zum Folgenden BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - (juris)). Daher muss insbesondere berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen. Für einen zurückliegenden Zeitraum sind sie mithin nur dann zu erbringen, wenn sie ihren Zweck noch erfüllen können. Sind Leistungen rechtswidrig abgelehnt worden und hat der Hilfebedürftige den (nicht entfallenen) Bedarf in der Folgezeit im Wege der Selbsthilfe (etwa unter Rückgriff auf Schonvermögen oder durch Aufnahme von Schulden) oder Hilfe Dritter gedeckt, die die fehlende Unterstützung durch den Hilfeträger substituiert hat, kann, soweit Hilfebedürftigkeit noch aktuell besteht, die Leistung ihren Zweck noch erfüllen, weil an die Stelle des ursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten ist. Die nachträgliche Erbringung von Leistungen setzt allerdings voraus, dass bei den Klägern Bedürftigkeit i.S.d. AsylbLG oder des SGB XII bzw. des SGB II ununterbrochen fortbesteht; ist die Bedürftigkeit nur temporär oder auf Dauer entfallen, scheidet eine Nachzahlung in der Regel aus. Wie im Sozialhilferecht allgemein ist im Hinblick auf § 44 Abs. 4 SGB X also nicht nur darauf abzustellen, ob die Ablehnung einer Leistung zum Zeitpunkt der Entscheidung nach früherer Sach- und Rechtslage rechtswidrig war, sondern auch darauf, ob zwischenzeitlich der ursprüngliche Bedarf, der zu Unrecht nicht durch Hilfeleistungen gedeckt wurde, oder die Bedürftigkeit entfallen sind. Maßgebender Zeitpunkt für die zu treffende Entscheidung ist dabei die letzte Tatsacheninstanz.
§ 44 SGB X dient der Durchsetzung materieller Gerechtigkeit gegenüber der Bindungswirkung rechtswidriger Verwaltungsakte. Das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verlangt aber unter den genannten sozialhilferechtlichen Aspekten gerade nicht, dem (früher einmal) Hilfebedürftigen eine Leistung zu gewähren, der er nicht mehr bedarf. Eine nachträglich zu erbringende Leistung darf nicht den Charakter einer Entschädigung erhalten. Das BSG hat hierzu in der auch von den Klägern zitierten Entscheidung vom 29. September 2009 (SozR 4-1300 § 44 Nr. 20) zwei Fallgruppen unterschieden, nämlich (1.) den Wegfall des Bedarfes und (2.) die Bedarfsdeckung. Die erste Fallgruppe betrifft Leistungsablehnungen für Bedarfe, die entgegen prognostischer Sicht überhaupt nicht angefallen sind. Hier sind keine Sozialhilfeleistungen für die Vergangenheit zu erbringen, weil sie ihren Zweck nicht mehr erreichen können und nur eine Entschädigung darstellen würden. Hierzu gehören jedenfalls nie pauschalierte Leistungen, die nicht nur einen gegenwärtigen, sondern auch einen zukünftigen oder vergangenen Bedarf einbeziehen, z.B. der Regelsatz nach SGB XII. Daher hat das BSG ausgeführt, dass es bei solchermaßen pauschalierten Leistungen keines Nachweises der Bedarfsdeckung (in Abgrenzung zum Bedarfswegfall) bedarf. Nur hierauf bezieht sich die "Privilegierung" der pauschalierten Leistungen. Dies gilt entsprechend für pauschalierte Leistungen nach dem AsylbLG und die Analogleistungen. Der ersten Fallgruppe unterfallen daher Leistungen für Bedarfslagen, die konkret nicht entstanden sind, sei es auch, weil die Leistungsablehnung die Deckung des Bedarfs verhindert hat, z.B. die Nichtteilnahme an einer Klassenfahrt mangels finanzieller Mittel oder der Verzicht auf die kostenaufwändige Ernährung. Einen solchen Fall machen die Kläger nicht geltend. Ohnehin scheiterte auch insoweit ein Nachgewährungsanspruch aus den nachfolgenden Erwägungen.
Die Nachgewährung von Leistungen wie den Regelleistungen, die einen typisierten Bedarf abdecken, unterfällt daher der zweiten Fallgruppe, wobei auf den Nachweis der Bedarfsdeckung verzichtet wird. Dabei hat das BSG gerade berücksichtigt, dass diese pauschalierten Leistungen der Befriedigung nicht nur eines aktuellen, sondern auch eines zukünftigen und vergangenen Bedarfs dienen (Ansparanteile). Entgegen der Auffassung der Kläger führt der Gesichtspunkt der Ansparanteile auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht zur zwingenden Anwendbarkeit des § 44 SGB X, sondern nur zum Verzicht auf den Nachweis der - konkreten - Bedarfsdeckung. In dieser Fallgruppe ist zu unterscheiden, ob die Bedürftigkeit (nicht der Bedarf) aktuell noch besteht oder zwischenzeitlich entfallen ist. Besteht die Bedürftigkeit i.S.d. SGB XII ununterbrochen fort, sind Sozialhilfeleistungen nachträglich zu erbringen, weil der Sozialhilfeträger bei rechtswidriger Leistungsablehnung nicht dadurch entlastet werden darf, dass der Bedarf anderweitig gedeckt wurde. Die Sozialhilfe kann ihren Zweck noch erfüllen, weil an die Stelle des ursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten ist. Mit Unterbrechung der Bedürftigkeit besteht jedoch kein sozialhilferechtlicher Bedarf mehr, wobei es gleichgültig ist, ob die Bedürftigkeit auf Dauer oder nur temporär entfällt. Die Entscheidung des SG entspricht somit der Rechtsprechung des BSG, der auch der Senat folgt (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 2011 - L 7 AY 879/11 -).
Anderes ergibt sich auch nicht aus den von den Klägern angeführten Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 2010 (- L 20 AY 10/10 - (juris); nachgehend BSG, Urteil vom 9. Juni 2011, a.a.O.) und des LSG Niedersachsen-Bremen vom 7. April 2011 - L 8 AY 4/08 - (juris)). Der erstgenannten lag gerade ein Fall durchgehender Hilfebedürftigkeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zugrunde; die Entscheidung hatte sich daher nur im Zusammenhang mit der Frage des Umfanges der nachzugewährenden Leistungen mit der Bedeutung der Ansparleistungen auseinanderzusetzen. Die letztgenannte Entscheidung betraf die Aufhebung bzw. Rücknahme eines Dauerverwaltungsaktes über die Bewilligung von Analogleistungen, bei der der Grundsatz der Gegenwärtigkeit bei späterem Wegfall der Hilfebedürftigkeit bereits inhaltlich keine Rolle spielen kann.
Die gegen diese Rechtsprechung erhobenen Einwände der Kläger greifen nach Ansicht des Senats nicht durch. Rechtswidriges Handeln der Behörde - gemeint ist die zu Unrecht erfolgte Ablehnung von Analogleistungen durch bestandskräftige Bescheide - bleibt hierdurch nicht grundsätzlich sanktionslos. Die Kläger haben es lediglich versäumt, diese Bescheide rechtzeitig anzufechten. Das Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X schafft nur im gesetzlich vorgesehenen Maße einen Ausgleich, wenn der Betroffene bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten nicht rechtzeitig wahrnimmt. Das Fortbestehen einer Bedarfslage i.S.e. vergleichbaren Belastung ist z.B. auch bei Privatdarlehen an Leistungsempfänger möglich. Zum Erfolg verhilft auch nicht der pauschale Hinweis, nach der Rechtsprechung des BSG scheide eine Nachzahlung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit nur "in der Regel" aus. Denn Besonderheiten des Einzelfalles, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen aktuellen und früheren Leistungsbeziehern liegt schon deshalb nicht vor, weil die weitere Gegenwärtigkeit der Hilfebedürftigkeit - wie dargestellt - dem gesetzlichen Zweck des AsylbLG innewohnt und daher einen sachlichen Grund für die Differenzierung darstellt. Eine verfassungswidrige Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeit liegt nicht vor. Eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte ist schon mangels konkreten Beratungsanlasses oder -begehrens nicht gegeben. Eine möglicherweise bestehende Verfassungswidrigkeit der Leistungen nach dem AsylbLG ändert nichts an der durch die zwischenzeitlich entfallene Bedürftigkeit fehlenden Gegenwärtigkeit der Notlage.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Senat davon auszugehen, dass die Kläger in der Zeit vom 1. Mai bis 23. September 2007 nicht hilfebedürftig i.S.d. des SGB II oder XII waren. Dabei wird nicht übersehen, dass die vorgelegten Nachweise über das Arbeitsentgelt der Klägerin Ziff. 2 für die Monate April bis Juni 2007 lediglich einen monatlichen Auszahlungsbetrag (netto) i.H.v. 805,29 ausweisen. Dies genügt auch unter Einbeziehung des gewährten Kindergeldes nicht, um den Bedarf jedes Klägers nach dem SGB XII vollständig zu decken. Allenfalls die Hilfebedürftigkeit der Klägerin Ziff. 2 nach dem SGB XII wäre, da ihr Einkommen zunächst bei ihr selbst anzurechnen wäre, entfallen. Bei der Verteilung des Einkommens entsprechend den Vorgaben des § 9 Abs. 2 SGB II auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II wäre allein mit diesem Einkommen der grundsicherungsrechtliche Bedarf des jeweiligen Klägers ebenfalls nicht vollständig gedeckt. Tatsächlich aber haben die Kläger ab dem 1. Mai bis zum 23. September 2007 keine existenzsichernden Sozialleistungen bezogen. Dies legt, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hatte, zunächst nahe, dass sie ihren Lebensunterhalt anderweitig bestritten haben. Obwohl dieser Punkt bereits im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid, im ablehnenden Beschluss des SG über die Gewährung von Prozesskostenhilfe und der die Beschwerde zurückweisenden Entscheidung des Senats sowie im Gerichtsbescheid und der Verfügung des Berichterstatters vom 11. Oktober 2011 angesprochen war, haben die Kläger nicht konkret dargelegt, dass ihre Hilfebedürftigkeit auch in dieser Zeit fortbestanden habe oder wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Zur Begründung wurde lediglich - unzutreffend - ausgeführt, die Kläger hätten durchgehend Leistungen nach dem SGB II bezogen. Mangels substantiierten Vorbringens sieht der Senat weder Veranlassung noch Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen. Eine durchgängig fortbestehende Hilfebedürftigkeit liegt daher nicht vor.
Sind - wie vorliegend - Leistungen rückwirkend (überhaupt) nicht mehr zu erbringen, kann trotz Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Bescheide ein Anspruch auf deren Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht anerkannt werden (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 20). Auch der geltend gemachte Zinsanspruch kommt dann nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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