L 7 SO 3489/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1003/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3489/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme von Mietschulden.

Die am 1965 geborene, alleinstehende Klägerin leidet insbesondere an einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus. Infolge einer diabetischen Polyneuropathie besteht eine schwere Gangstörung. Auf dem linken Auge ist die Klägerin erblindet, rechts liegt eine Visusminderung sowie eine Gesichtsfeldeinschränkung vor. Die Klägerin ist als schwer behinderter Mensch im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt (Grad der Behinderung 50 seit 1991, 100 seit April 1999); die Merkzeichen G, B (seit 2006 bzw. 2007) und RF sind zuerkannt. Die Nachteilsausgleiche aG, Bl und H wurden abgelehnt (Bescheid des Landratsamtes Waldshut vom 23. März 2010).

Zunächst bezog die Klägerin ab 1. Januar 2005 vom Beklagten als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zum 1. Mai 2007 zog sie in die auch aktuell bewohnte, ca. 62,5 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in Waldshut-Tiengen. Nach dem Mietvertrag vom 22. April 2007 betrug der Mietzins monatlich EUR 365.-, wobei auf die Wohnung EUR 305.- und auf die zwingend mitvermietete Einbauküche EUR 60.- entfielen. Neben dieser Grundmiete waren als Betriebskosten (Hausmeister-und Verwaltervergütung, Allgemeinstrom, Kabel-TV-Gebühr, Versicherungen, Liftkosten, Müllgebühren und Grundsteuer; Warm-, Kaltwasser- sowie Kanal- und Heizkosten nach externer Abrechnung) anfänglich EUR 110.- zu zahlen. Über den zur Wohnung gehörenden Tiefgaragenstellplatz, ohne den der Vermieter zur Vermietung der Wohnung nicht bereit war, wurde eine gesonderte Vereinbarung geschlossen, um der Klägerin eine Untervermietung zu erleichtern. Eine Zustimmung zur Untervermietung an nicht im Haus lebende Personen lehnt der Vermieter wegen der einheitlichen Schließanlage von Wohnhaus und Garage ab. Der Mietzins für den Stellplatz beläuft sich auf EUR 35,- monatlich. Mit Ausnahme der Betriebskosten sind die einzelnen Mietpositionen bis heute unverändert geblieben. Der Umzug erfolgte ohne vorherige Zustimmung des Grundsicherungsträgers; vielmehr hatte dieser die Klägerin zuvor darauf hingewiesen, dass die Wohnung hinsichtlich Größe und Preis unangemessen sei. Der Antrag der Klägerin auf zuschussweise Übernahme von Umzugskosten sowie Gewährung eines Mietkautionsdarlehens für diese Wohnung wurde durch den Grundsicherungsträger abgelehnt; die deswegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 28. November 2008 (S 2 AS 3627/07) abgewiesen, die dagegen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung (L 1 AS 1146/09) von der Klägerin zurückgenommen.

Nach rückwirkender Feststellung der vollen Erwerbsminderung der Klägerin zum 1. Februar 2008 durch den Rentenversicherungsträger bezieht diese eine Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von derzeit EUR 294,64 monatlich. Weiteres Einkommen sowie verwertbares Vermögen besteht nicht. Seit dem 1. April 2009 bezieht sie vom Beklagten laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Dabei berücksichtigte dieser, wie bereits während des Arbeitslosengeld II-Bezuges, durchgehend nicht die Kosten für den Stellplatz. Des Weiteren wurden - wie bereits zuvor - zumindest ab September 2008 nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zugrunde gelegt, sondern nur die von ihm als angemessen erachteten, so u.a. eine Kaltmiete i.H.v. EUR 238,50. Diese wurde errechnet aus dem Produkt aus der als ausreichend angesehenen Wohnungsgröße von 45 m² und dem als angemessen bewerteten Mietzins von EUR 5,30 pro m². Der verbleibende Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den übernommenen Kosten der Unterkunft wurde von der Klägerin nur vereinzelt an den Vermieter gezahlt. Durch Beschluss vom 13. Mai 2009 hatte das SG in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 13 AS 1874/09 ER) den Beklagten im Hinblick auf einen möglicherweise behinderungsbedingt höheren Wohnflächenbedarf zur vorläufigen Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung verpflichtet. Nach amtsärztlicher Feststellung, dass ein solcher nicht bestehe, bewilligte der Beklagte nach neuerlicher Kostensenkungsaufforderung (Schreiben vom 26. November 2009) ab dem 1. April 2010 wiederum nur die als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Ein weiterer Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der Übernahme der tatsächlichen Kosten blieb ebenso ohne Erfolg (Beschluss des SG vom 30. April 2010 - S 9 SO 1828/10 ER -) wie ein solcher auf vorläufige Übernahme von Mietrückständen (Beschluss des LSG vom 7. April 2010 - L 2 SO 1228/10 ER-B -).

Mit E-Mail vom 18. November 2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme von Mietschulden i.H.v. EUR 3.155,40 (Stand 11. Juli 2009), bestehend aus Rückständen aus laufendem Mietzins einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen i.H.v. EUR 1.480,79 für die Zeit von Mai 2007 bis Juli 2009, einer Nebenkostennachforderung vom 28. Juli 2008 für 2007 i.H.v. EUR 954,61 sowie der Mietkaution i.H.v. EUR 720.-.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2009 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1. März 2008 bis 31. März 2009 eine "Nachzahlung des Zuschlages für die Einbauküche" i.H.v. EUR 60.- monatlich; ab dem 1. April 2009 seien diese Kosten bei der laufenden Hilfegewährung berücksichtigt worden; die Nachzahlung wurde unmittelbar an den Vermieter ausgezahlt. Darüber hinaus könnten keine Mietrückstände übernommen werden. Eine Schuldenübernahme sei nach § 34 SGB XII nicht gerechtfertigt und nicht notwendig, da die Wohnung sozialhilferechtlich nicht angemessen sei und daher nicht auf Dauer gesichert werden könne. Mit weiterem Bescheid vom 7. Dezember 2009 lehnte er die Übernahme der Nebenkostennachzahlung für 2007 unter Hinweis auf den bereits bindend gewordenen Bescheid hierüber vom 2. September 2008 ab. Zur Begründung der dagegen eingelegten Widersprüche trug die Klägerin unter Hinweis auf den Beschluss des SG vom 13. Mai 2009 vor, die Wohnung sei angemessen. Außerdem sei ihr wegen schwerer Erkrankung ein Umzug nicht zumutbar. Hinsichtlich der Nebenkostennachzahlung handle es sich um ein Überprüfungsbegehren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 wies der Beklagte den Widerspruch bzgl. der Nebenkostennachzahlung zurück; der Antrag nach § 44 SGB X betreffe einen nach dem SGB II ergangenen Bescheid und sei daher an das zuständige Amt weitergeleitet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2010 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Dezember 2009 (Mietrückstände) zurück. Die in den Mietrückständen enthaltene Mietkaution sei bereits nach den Vorschriften des SGB II abgelehnt und diese Ablehnung durch rechtskräftig gewordenes Urteil bestätigt worden. Wegen der Nebenkostennachzahlung wurde auf den Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 verwiesen. Die verbleibenden Mietrückstände könnten nicht übernommen werden. Diese resultierten aus der Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und den - durch rechtskräftiges Urteil bestätigt - angemessenen. Da die Wohnung der Klägerin unangemessen sei, insbesondere die amtsärztliche Bewertung einen behinderungsbedingt höheren Wohnflächenbedarf nicht bestätigt habe, könnten Mietschulden nicht übernommen werden.

Am 25. Februar 2010 hat die Klägerin, vertreten durch den damals bevollmächtigten Rechtsanwalt, beim SG Klage gegen den Bescheid vom 7. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom "20. Januar 2010" mit dem Begehren erhoben, den Beklagten zu verpflichten, "rückwirkend ab dem 01.03.2008 die sich aus der Aufstellung des Vermieters vom 22.11.2009 ergebenden Mietrückstände über die bereits bewilligten Beträge hinaus zu übernehmen". Beigelegt worden ist der Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2010. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, behinderungsbedingt bestehe bei ihr ein erhöhter Wohnflächenbedarf, und hierzu auf die DIN 18025 Teil 2 verwiesen. Jedenfalls sei ihr aus gesundheitlichen Gründen ein Umzug in eine für Alleinstehende als angemessen anzusehende, kleinere Wohnung nicht zumutbar. Wegen der hierzu vorgelegten ärztlichen Atteste der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie E.-Sch. vom 14. Juli 2009 und 8. Februar 2010 sowie des Internisten Dr. K. vom 10. August 2009 und 11. Mai 2010 wird auf Bl. 44/46 und 81 der SG-Akte verwiesen. Des Weiteren hat sie das von Prof. Dr. Ro. - Universitäts-Augenklinik Heidelberg, Landesarzt für Sehbehinderte und Blinde in Baden-Württemberg - am 9. März 2010 im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nach dem Schwerbehindertenrecht erstattete Gutachten vorgelegt (Bl. 35/37 der SG-Akte). Außerdem seien die Stellplatzkosten für sie nicht vermeidbar; zum Beleg hat sie eine Kopie einer Version des Mietvertrages vorgelegt, die die Stellplatzkosten als Teil der Miete ausweist. Schließlich entspreche die vom Beklagten vorgenommene Festlegung der Angemessenheitsgrenzen nicht den in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept.

Unter dem 15. Juni 2010 hat der Vermieter das Mietverhältnis unter Berufung auf die Mietrückstände außerordentlich gekündigt. Räumungsklage wurde bislang nicht erhoben. Des Weiteren hat er seine Bereitschaft erklärt, das Mietverhältnis nach Begleichung der Rückstände fortzusetzen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Als Begehren der Klägerin hat es im Wege der Auslegung die Übernahme der gesamten Mietrückstände für den Zeitraum von März 2008 bis Juli 2009 unter Einschluss der Nebenkostennachzahlung für 2007 und der Mietkaution angenommen. Hinsichtlich letzterer hat es die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft (Mietkaution) bzw. wegen fehlenden Verwaltungs- und Vorverfahrens (Nebenkostennachzahlung) als unzulässig erachtet. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Ein behinderungsbedingt höherer Wohnflächenbedarf bestehe bei der Klägerin nicht. Die angemietete Wohnung sei auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht angemessen. Die Übernahme der Mietschulden sei daher nicht gerechtfertigt, weil die zu teure Wohnung auf Dauer nicht gesichert werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen diese ihrem damaligen Bevollmächtigten am 25. Juni 2010 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 26. Juli 2010 (Montag) - noch rechtsanwaltlich vertreten - Berufung eingelegt, mit der sie unter "teilweiser Aufhebung" des Gerichtsbescheides und der angefochtenen Bescheide die Verurteilung des Beklagten begehrt hat, ihr "für die Zeit von März 2008 bis Juli 2009 die Übernahme rückständigen Mietzinses zu bewilligen". In Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens hat sie im Wesentlichen vorgetragen, ihr drohe aufgrund der schlechten Einstellung des Diabetes mellitus die baldige völlige Erblindung. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen benötige sie eine barrierefreie, helle, große und zentral gelegene Wohnung. Die derzeit bewohnte Unterkunft erfülle diese Voraussetzungen. Das BSG habe bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 festgestellt, dass nicht nur querschnittsgelähmten Behinderten ein erhöhter Wohnflächenbedarf zustehe, sondern auch solchen mit den Merkzeichen G oder B. Da sie seit Januar 2008 auf einen Rollator angewiesen sei, stehe ihr eine größere Wohnung als bisher anerkannt zu. Wegen des vorgelegten Wohnungsberechtigungsscheins vom 1. August 2009 über eine Wohnung bis 60 m² oder mit zwei Wohnräumen wird auf Bl. 106 der Senatsakte verwiesen. Mittlerweile habe der Beklagte auch die Kosten für den Stellplatz für 2010 und 2011 anerkannt, aber nicht für den gesamten zurückliegenden Zeitraum. Wegen des weiteren Vorbringens wird insbesondere auf Bl. 164/166, wegen der vorgelegten Atteste von Augenarzt Dr. Me. vom 20. Juli 2011 und von Fr. E.-Sch. vom 17. und 29. November sowie 6. Dezember 2011 auf Bl. 98/99, 199, 225 und 226 der Senatsakten Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Juni 2010 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 7. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2010 zu verurteilen, die für den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 31. Juli 2009 bestehenden Mietzinsrückstände zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidungen verwiesen und ergänzend ausgeführt, der m²-Preis der angemieteten Wohnung sei zwar als angemessen anzusehen; die Unangemessenheit der Wohnung ergebe sich aber aufgrund der Wohnungsgröße aus dem tatsächlichen Gesamtmietzins.

Der Senat hat zunächst die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt; wegen des genauen Ergebnisses dieser Beweisaufnahme (Stellungnahme Dr. K. vom 7. April 2011, Fr. E.-Sch. vom 27. April 2011 und von Augenarzt Dr. Ko. vom 13. Mai 2011) wird auf Bl. 50, 57/59 sowie 77/78 der Senatsakte Bezug genommen. Des Weiteren hat er bei Prof. Dr. Re., Ärztlicher Direktor der Universitäts-Augenklinik Freiburg, ein augenärztliches Fachgutachten vom 17. Oktober 2011 eingeholt. Dieser hat an beiden Augen einen Zustand nach Laserbehandlung der Netzhaut bei proliferativer diabetischer Retinopathie und einen Verlust des Stereosehens bei Blindheit des linken Auges beschrieben. Rechts bestehe eine beginnende Linsentrübung, eine Minderdurchblutung der Netzhautmitte, eine Reduktion der Sehschärfe auf 0,2, eine mäßiggradige Einengung des Gesichtsfeldes sowie eine Einschränkung der Farbwahrnehmung. Bei den Wohnverhältnissen sei grundsätzlich auf helle Räume und eine gute Beleuchtung zu achten. Da die Klägerin jedoch wegen erhöhter subjektiver Blendempfindlichkeit auch in der Wohnung eine getönte Brille trage, sei diese Empfehlung zu vernachlässigen. Besondere Anforderungen an Größe oder Lage der Wohnung ergäben sich nicht, auch keine Einschränkungen hinsichtlich eines Umzuges.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich das Begehren der Klägerin auf Übernahme des rückständigen Mietzinses für den Zeitraum von März 2008 bis Juli 2009. Die zeitliche Beschränkung ergibt sich zunächst aus dem ausdrücklich gestellten Antrag in der Berufungsbegründung der zu diesem Zeitpunkt noch anwaltlich vertretenen Klägerin. Darüber hinaus hat auch das SG nur über diesen Zeitraum entschieden, wie es in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides ausdrücklich dargestellt hat. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist hingegen ein Anspruch auf Übernahme der noch offenen Mietkaution sowie der Nebenkostennachforderungen für 2007. Das SG hatte diese Begehren im Wege einer weiten Auslegung des erstinstanzlichen Antrags einbezogen, obwohl der angefochtene Bescheid vom 7. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2010, die der Klage beigefügt waren, hierzu keine Aussagen traf. Bezüglich dieser beiden Begehren hat das SG jedoch die Klage als unzulässig abgewiesen wegen entgegenstehender Rechtskraft bezüglich der Kaution und fehlender Ausgangs- und Widerspruchsentscheidung - im Zugunstenverfahren § 44 SGB X - bezüglich der Nebenkostennachforderungen. Die Klägerin hat den Gerichtsbescheid ausdrücklich nicht vollumfänglich angefochten. Dies ergibt sich bereits aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Antrages in der Berufungsbegründung, der eine Aufhebung des Gerichtsbescheides nur "insoweit" umfasst, als die Übernahme "rückständigen Mietzinses" aus dem Zeitraum März 2008 bis Juli 2009 abgewiesen worden war. Des weiteren spricht für eine lediglich teilweise Anfechtung die Formulierung des Leistungsbegehrens, nämlich die Übernahme rückständigen Mietzinses, nicht allgemein von Mietrückständen; die Kaution und die Nebenkostennachforderungen werden nicht genannt. Wären diese auch im Berufungsverfahren noch begehrt worden, wären außerdem Ausführungen in der Begründung zu erwarten gewesen, weshalb die Klage insoweit - entgegen der Ansicht des SG - zulässig sein soll. Solche Ausführungen finden sich in der vom damals noch prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt verfassten Berufungsbegründung aber gerade nicht. Des Weiteren hat die Klägerin mittlerweile (auch) im Rahmen des eingeleiteten Zugunstenverfahrens erklärt, dass sie die Forderungen hinsichtlich Kaution und Nebenkostennachzahlung gegenüber dem Beklagten nicht mehr verfolge (Bl. 3239 der Verwaltungsakte). Nach der vom Vermieter gefertigten Aufstellung über die Mietrückstände belaufen sich die rückständigen Mietzinsen für den streitgegenständlichen Zeitraum auf insgesamt EUR 817,79.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage, soweit der Senat noch darüber zu befinden hat, zu Recht abgewiesen.

Der Senat kann offenlassen, ob sich der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Mietrückstände nach §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 34 Abs. 1 SGB XII in der zum Zeitpunkt der Antragstellung und des Erlasses der angefochtenen Bescheide geltenden Fassung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022; (a.F.)) oder nach §§ 41, 42 Nr. 4 i.V.m. § 36 Abs. 1 SGB XII in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Fassung vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) richtet, denn eine inhaltliche Änderung ist an der Vorschrift durch die Neufassung nicht erfolgt. Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden (Satz 2 und 3).

Die streitbefangenen Rückstände sind dadurch entstanden, dass die vom Grundsicherungsträger monatlich erbrachten Leistungen den Mietzins im Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeit nicht in voller Höhe gedeckt haben und die Klägerin den offenen Differenzbetrag nicht selbst gezahlt hatte. Somit handelt es sich um Schulden i.S.d. § 34 Abs. 1 SGB XII a.F. bzw. § 36 Abs. 1 SGB XII (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nrn. 38 und 41 jeweils zur Parallelvorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II). Nur die Übernahme von Schulden im Sinne dieser Vorschriften ist nach dem Inhalt der angefochtenen Entscheidungen im vorliegenden Verfahren streitig. Die Klägerin macht die Beträge vorliegend nicht rückwirkend als laufende Leistungen im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X geltend.

Die Schuldenübernahme sowohl nach Satz 1 als auch Satz 2 der genannten Vorschriften erfolgt zur Sicherung der Unterkunft, was voraussetzt, dass die Unterkunft überhaupt noch gesichert werden kann. Dem steht vorliegend nicht schon die bereits erfolgte Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter vom 15. Juni 2010 entgegen. So wird nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Eine Räumungsklage ist noch nicht anhängig, so dass die Unwirksamkeit der Kündigung noch herbeigeführt werden kann. Darüber hinaus hat der Vermieter bereits seine Bereitschaft bekundet, das Mietverhältnis fortzusetzen, wenn die Rückstände beglichen werden.

Das Gesetz stellt sowohl bei dem Ermessenstatbestand des Satzes 1 als auch bei der Soll-Vorschrift des Satzes 2 die Schuldübernahme unter die Voraussetzung, dass diese zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage "gerechtfertigt" sein muss. Bei dieser Formulierung handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal der Norm (vgl. entsprechend zur Vorgängervorschrift des § 15a des Bundessozialhilfegesetzes, Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg, FEVS 47, 360). An einer Rechtfertigung der Schuldübernahme in diesem Sinne kann es aber unter Anderem dann fehlen, wenn Mietschulden dadurch entstanden sind - und möglicherweise nachhaltig wieder zu entstehen drohen -, dass der Leistungsberechtigte trotz Belehrung durch den Träger in einer unangemessen teuren Wohnung verblieben ist und die Differenz zwischen angemessenen und tatsächlichen Kosten nicht aufgebracht hat (OVG Lüneburg, Beschl. v. 24. März 1999 - 4 M 756/99 - (juris); vgl. auch Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 34 Rdnr. 3, 5). Insoweit kann die aus § 34 Abs. 1 SGB XII a.F. bzw. § 36 Abs. 1 SGB XII folgende Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers, die ausnahmsweise auch Schulden des Leistungsberechtigten aus der Vergangenheit umfasst, jedenfalls nicht dauerhaft über die aus §§ 27, 29 SGB XII a.F. bzw. § 35 SGB XII folgende Verpflichtung, die angemessenen tatsächlichen Kosten der Unterkunft fortlaufend zu übernehmen, hinausgehen. Denn ungeachtet seines Charakters als Notmaßnahme erweitert § 34 SGB XII a.F. bzw. § 36 SGB XII im Grundsatz lediglich den zeitlichen Rahmen, nicht aber den inhaltlichen Umfang der Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers. Ein Anspruch auf Schuldenübernahme besteht daher grundsätzlich nur dann, wenn mit der Leistung die Unterkunft auf Dauer, also nicht nur vorübergehend, erhalten werden kann, woran es beispielsweise fehlt, wenn die monatlich anfallenden Mietkosten unangemessen hoch sind (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 41; Senatsbeschluss vom 1. August 2006 - L 7 SO 2938/06 ER-B - (juris)). In der Regel muss es sich daher um eine angemessene Unterkunft handeln (Link in juris-PK-SGB XII, § 36 Rdnr. 22). Da es materiell-rechtlich um die Erhaltung der Unterkunft für die Zukunft geht, kommt es maßgeblich auf die Angemessenheit der Wohnung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Schuldenübernahme an, also auf den der letzten mündlichen Verhandlung. Andernfalls müssten u.U. Schulden für eine Unterkunft übernommen werden, die auf Dauer nicht gehalten werden kann, oder die Schuldenübernahme müsste abgelehnt werden, obwohl nunmehr die Sicherung der Unterkunft erreicht werden kann.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie anzuerkennen, solange es dem Hilfesuchenden nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Abs. 2 Sätze 1 und 2).

Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BSG ist die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für eine Wohnung in mehreren Schritten zu prüfen. Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards wird in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welche konkreten räumlichen Gegebenheiten als räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Anschließend ist zu ermitteln, wie viel für eine nach Größe und Standard abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Dabei ist nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen. Nach der Rechtsprechung des BSG genügt es jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (zum Ganzen BSG SozR 4-4200 § 22 Nrn. 19 und 27 jeweils m.w.N.). Dieser zur Parallelregelung des § 22 SGB II entwickelte Maßstab gilt auch im Bereich der Grundsicherung nach dem SGB XII (BSG SozR 4-3500 § 29 Nr. 1). Schließlich müssen Wohnungen, die diesen Kriterien entsprechen, auf dem Markt anzumieten sein.

Im ersten Schritt wird normativ und unabhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten konkretisiert, welche Wohnungsgröße und welcher Wohnungsstandard für Hilfeempfänger bzw. Bedarfsgemeinschaften abstrakt als angemessen anzusehen ist. Angemessen sind danach Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wenn es sich also um eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt handelt (BSG SozR 4-4200 § 22 Nrn. 19 und 27 m.w.N.). Zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist auf die Werte zurückzugreifen, die die Bundesländer aufgrund § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (BSG a.a.O.). Nach der zum Vollzug des WoFG und des Wohnungsbindungsgesetzes erlassenen Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindung in der sozialen Wohnraumförderung vom 12. Februar 2002 (GABl. 240) in der Fassung vom 22. Januar 2004 (GABl. 248 (VwV-SozWO)) war für einen Alleinstehenden eine Gesamtwohnfläche von 45m² angemessen (Nr. 5.7.1. VwV-SozWO). Diese Verwaltungsvorschrift ist zwar zum 31. Dezember 2009 außer Kraft getreten. Eine Änderung der abstrakt angemessenen Größen ist hierdurch aber nicht eingetreten. Aufgrund § 10 Abs. 5 des die bundesrechtliche Regelung der Wohnraumförderung ablösenden Landeswohnraumförderungsgesetzes vom 11. Dezember 2007 (LWoFG (GBl. S. 581)) ergingen die Durchführungshinweise des Wirtschaftsministeriums des Landes (DH-LWoFG). Diese sehen in Teil 3 Nummer 3 für die maßgebliche Wohnungsgröße für den Wohnberechtigungsschein nach § 15 Abs. 2 Satz 3 LWoFG die bereits in der außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift genannten Größenstufen vor (vgl. a. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2010 - L 7 SO 3934/10 ER-B -).

Vorliegend macht die Klägerin einen erhöhten Raumbedarf aufgrund verschiedener Behinderungen geltend. Die nach den o.g. Grundsätzen ermittelten Wohnungsgrößen stellen grundsätzlich die Obergrenze der Angemessenheit dar; im Einzelfall kann jedoch eine Abweichung geboten sein (Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 29 Rdnr. 27 m.w.N.). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 SGB XII ("der Besonderheit des Einzelfalles angemessene Bedarf") und dem Individualisierungsgebot des § 9 Abs. 1 SGB XII. Danach richten sich die Leistungen nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. Auch die genannten Vorschriften und Regelungen zur Wohnraumförderung sehen die Berücksichtigung zusätzlichen Wohnraumes wegen persönlicher Bedürfnisse vor. So kann nach Ziff. 5.7.2.1 VwV-SozWO Schwerbehinderten eine zusätzliche Wohnfläche mit bis zu 15m² oder ein zusätzlicher Wohnraum zugebilligt werden, wenn durch die Art der Behinderung ein zusätzlicher Wohnflächenbedarf besteht. Von einem solchen ist insbesondere bei Rollstuhlfahrern auszugehen. Eine entsprechende Regelung ist in Teil 3 Nr. 3 DH-LWoFG vorgesehen für Schwerbehinderte, wenn durch die Art der Behinderung ein zusätzlicher Wohnflächenbedarf entsteht. Diese Regelungen bieten jedoch lediglich Anhaltspunkte für den Umfang zusätzlichen Wohnflächenbedarfs, wenn ein solcher durch die Art der Behinderung im Einzelfall ausgelöst wird. Gleiches gilt für die von der Klägerin angeführte DIN 18025. Diese beschreibt Planungsgrundlagen für die baulichen Anforderungen für das barrierefreie Wohnen für behinderte und ältere Menschen (Teil 1 für Rollstuhlbenutzer, Teil 2 für andere mobilitätseingeschränkte Personen, z.B. Blinde, Sehbehinderte, Gehbehinderte). Ein direkter Bezug zu der sozialhilferechtlich relevanten Frage der Angemessenheit der Unterkunft auch unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit mit den Wohnverhältnissen von Beziehern geringer Einkommen besteht daher nicht. Vorrangig ist vielmehr zunächst aufgrund der Vorgaben des Sozialhilferechts die Notwendigkeit eines Wohnflächenmehrbedarfs im Einzelfall zu klären. Daher kommt auch dem von der Klägerin vorgelegten Wohnungsberechtigungsschein keine bindende Wirkung zu.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und Behinderungen keinen zusätzlichen Wohnflächenbedarf auslösen. Hinsichtlich der Beeinträchtigung des Sehvermögens stützt sich der Senat in erster Linie auf das im Berufungsverfahren von Prof. Dr. Re. erstattete augenärztliche Gutachten vom 17. Oktober 2011. Unzweifelhaft ist die Klägerin auf dem linken Auge blind. Am rechten Auge besteht eine Linsentrübung, eine Minderdurchblutung der Netzhautmitte, eine Einschränkung der Farbwahrnehmung und eine Einengung des Gesichtsfeldes. Letztere beschreibt der Sachverständige jedoch als lediglich mäßiggradig. Die Sehschärfe betrug mit Korrektur sowohl in die Nähe als auch in die Ferne 0,2. Damit zeigte sich der Befund besser als bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Ro. in dem von der Klägerin im SG-Verfahren vorgelegten Gutachten vom 9. März 2010. Bereits dieser wies darauf hin, dass die zunächst angegebene, unter der Grenze der Blindheit liegende Sehschärfe von 0,01 erst bei einer weiteren auf Simulation hin ausgerichteten Prüfung eine Wahrnehmung für Visusstufe 0,11 ergab. Auch die bei ihm erhobenen Werte hinsichtlich der Einengung des Gesichtsfeldes erachtete er als fraglich. Vielmehr mache das nur subnormale Eletroretinogramm eine bessere Netzhautfunktion wahrscheinlich. Der behandelnde Augenarzt Dr. Ko. beschrieb in seiner Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 13. Mai 2011 eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Angaben der Klägerin über ihre Beeinträchtigung am rechten Auge und den in der Praxis gemachten Beobachtungen. Sie habe sich in der Lage gezeigt, Fahrpläne zu lesen und bewusst in den Raum gestellte Hindernisse zielsicher zu umgehen. Ein verlässlicher Visus sei nicht zu erheben gewesen; es bestehe der dringende Verdacht auf Aggravation bis hin zur Simulation. Augenarzt Dr. Me. äußerte in seinem von der Klägerin vorgelegten Arztbrief vom 20. Juli 2011 aufgrund einer einmaligen Untersuchung ebenfalls Zweifel an der dort von dieser angegebenen weitgehenden Einschränkung der Sehschärfe rechts (nur Handbewegungen), die nicht zum erhobenen Befund passe. Ob Blindheit vorliege, könne er nicht beurteilen, hierzu seien weitere Untersuchungen notwendig. Die durch Dr. Ko. und Dr. Me. angeregten eingehenderen Untersuchungen sind im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. Re. erfolgt. Aufgrund der ausführlich erhobenen, im einzelnen dargestellten Befunde ist der Sachverständige für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Klägerin wiederholt geltend gemachte funktionelle Blindheit nicht vorliegt. Nachvollziehbar hat er dargelegt, dass bei schlechter Sehschärfe durch Veränderungen in der Netzhautmitte typischerweise das Kontrastsehen herabgesetzt ist. Helle Räume und eine gute Beleuchtung könnten hohe Kontraste ermöglichen. Bei der Klägerin falle dies jedoch nicht ins Gewicht, da sie wegen einer subjektiven Blendempfindlichkeit ohnehin auch in der Wohnung eine getönte Brille trage. Die Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten greifen nicht durch. Ob sie zur Begutachtung mit Rollator und in Begleitung erschienen ist, war für die vom Gutachter zu klärende Frage der Beeinträchtigung des Sehvermögens nicht relevant. Für die Frage einer dauerhaft bestehenden Sehminderung ist es ebenfalls nicht von Belang, dass sie sich, wie sie vorträgt, vor der Begutachtung Insulinspritzen verabreicht hatte. Dies zeigt vielmehr die Therapierbarkeit der berichteten Beeinträchtigung. Des Weiteren ist zu beachten, dass alle mit der Klägerin befassten Ärzte - im Gegensatz zu deren Angaben - durchweg von einer seit Jahren stabilen Funktion des rechten Auges ausgehen. Überzeugend kommt der Sachverständige daher zu dem Ergebnis, dass von Seiten des augenärztlichen Fachgebietes keine weiteren Anforderungen an die Unterkunft zu stellen seien, insbesondere nicht bzgl. Größe oder Lage.

Aufgrund der weiteren Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen ergibt sich ebenfalls kein erhöhter Wohnflächenbedarf. Zwar hatte der behandelnde Internist Dr. K. im Attest vom 10. August 2009 ausgeführt, die Klägerin solle eine möglichst ebenerdige, zentral gelegene Wohnung bekommen (2 Zimmer bis zu 65 m²); zur Begründung verwies er darauf, dass sie wegen diabetischer Neuropathie, Retinopathie und diabetischer Steatose sehr stark gehbehindert sei. Der Einfluss der Fettleber (Steatose) auf die Gehfähigkeit oder den Wohnbedarf ist nicht nachvollziehbar. Eine starke Gehbehinderung erfordert per se auch keine zusätzliche Wohnfläche. Wie bereits das SG angemerkt hat, bezeichnet Dr. K. allerdings auch keine notwendige Mindestgröße der Wohnung von 60 m². In seiner Stellungnahme als sachverständiger Zeuge im Berufungsverfahren vom 7. April 2011 hat er besondere Anforderungen an die Wohnung nur unter dem Gesichtspunkt der Sehstörung angenommen (sehbehindertengerechte Wohnung). Dieser Aspekt ist, wie oben ausgeführt, durch die entsprechende fachärztliche Beurteilung bereits geklärt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie E.-Sch. gibt in ihrer Stellungnahme vom 27. April 2011 psychiatrischerseits eine dissoziale Persönlichkeitsstörung an; die noch im Attest vom 14. Juli 2009 angeführten Ängste werden danach nicht bestätigt. Der anderweitigen Angabe im zuletzt vorgelegten Attest vom 29. November 2011 misst der Senat keine entscheidende Bedeutung zu. So werden bestätigende Befunde nicht beschrieben und eine Verschlechterung nicht behauptet. Die Ärztin hatte selbst darauf hingewiesen, dass eine medizinische Behandlung im eigentliche Sinne nicht stattfinde, vielmehr die Klägerin eher sporadisch die Praxis aufsuche und die Ausstellung von Attesten für diverse Anträge und Begehren verlange. Der Stellungnahme als sachverständige Zeugin kommt daher schon wegen der dabei bestehenden Wahrheitspflicht die ausschlaggebende Bedeutung zu. Ohnehin wird auch im Attest vom 29. November 2011 nicht angegeben, dass eine Wohnfläche von 45 m² nicht ausreichend sei. In den Mittelpunkt hatte die Neurologin und Psychiaterin vielmehr eine Gangstörung aufgrund einer diabetischen Polyneuropathie gestellt. Insoweit stimmt sie mit Dr. K. überein. Der Umfang der Gangstörung wird hier jedoch näher beschrieben. Danach ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, sehr lange Strecken zu gehen oder Treppen zu steigen. Die ständige Notwendigkeit eines Rollators auch in der Wohnung wird weder von ihr noch von Dr. K. erwähnt, obwohl die Klägerin angibt, einen solchen bereits seit 2008 zu benutzen. Dem zuletzt vorgelegten Attest vom 6. Dezember 2011 kann lediglich entnommen werden, dass die Klägerin über einen Rollator verfügt und die behandelnde Neurologin und Psychiaterin zur Überwindung "größerer Strecken" die Anschaffung eines Rollstuhls für "hilfreich" erachtet. Auch wenn eine schwere Gangstörung aufgrund der Polyneuropathie nachvollzogen werden kann, ergibt sich hieraus noch kein erhöhter Wohnflächenbedarf, was von der Ärztin auch nicht geltend gemacht wird. Dies gilt selbst dann, wenn man davon ausginge, dass die Klägerin auf die Verwendung eines Rollators in der Wohnung angewiesen wäre, was nicht nachgewiesen ist. Entgegen der Annahme der Klägerin kann dies nicht dem Raumbedarf eines Rollstuhlfahrers gleichgestellt werden. Ein solcher nimmt schon anhand seiner Grundfläche in Ruhe und bei Wenden mehr Raum ein. Ein Rollator kann beispielsweise abgestellt und engere Räume betreten werden, indem andere Stütz- oder Haltemöglichkeiten genutzt werden. Gerade die von der Klägerin selbst angeführte DIN 18025 bestätigt durch ihre Unterscheidung zwischen Rollstuhlfahrern (Teil 1) und sonstigen in der Mobilität Eingeschränkten (Teil 2), dass nicht typisierend von gleichen Anforderungen ausgegangen werden kann. Die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen nach dem Schwerbehindertenrecht rechtfertigt keine pauschale Annahme eines erhöhten Wohnflächenbedarfs. Dies ist weder Inhalt der jeweiligen Merkzeichen noch lässt sich diesbezüglich eine Typik bilden. Dem vorgelegten Wohnungsberechtigungsschein kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu, zumal dessen tatsächliche Grundlage nicht ersichtlich ist. Im vorliegenden Verfahren ist hingegen der individuelle Bedarf der Klägerin eingehend ermittelt worden. Ein erhöhter Wohnflächenbedarf ist für den Senat nach alldem im Falle der Klägerin nicht ersichtlich. Es verbleibt daher bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 m².

Als räumlicher Vergleichsmaßstab für die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für eine "einfache Wohnung" ist ausgehend vom Wohnort der Antragstellerin auf das gesamte Stadtgebiet der Stadt Waldshut-Tiengen abzustellen, einer Stadt aus zwei Kerngemeinden mit ca. 23.000 Einwohnern und einer geschlossenen, einheitlich ausgebauten Infrastruktur. Es handelt sich - raumplanerisch - um ein Mittelzentrum, dem mit Ausnahme von sieben Gemeinden im Raum Bad Säckingen alle kreisangehörigen Gemeinden unterfallen.

In welcher Höhe die Kosten der Unterkunft in diesem Vergleichsraum als angemessen zu bewerten sind, muss in einem weiteren Schritt auf der Basis eines Mietspiegels oder eines vom Beklagten erstellten schlüssigen Konzepts zur Ermittlung des Mietniveaus bewertet werden (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R - und vom 20. August 2009 - B 14 AS 65/08 R - (jeweils juris); BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 29 und 30). Liegen weder Mietspiegel noch ein schlüssiges Konzept des Leistungsträgers zur Ermittlung der Miete vor, kann zur Ermittlung der Leistungen für die Unterkunft auf die Tabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung zurückgegriffen werden (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, 29 und 30 sowie Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 132/10 R - (juris)); ab 1. Januar 2009 gilt diesbezüglich die Tabelle in § 12 WoGG. Dabei führt der Rückgriff auf § 8 bzw. 12 WoGG nicht zu einem geeigneten Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Leistung für die Unterkunft, sondern beinhaltet nur eine Angemessenheitsgrenze nach oben, weswegen auch die rechte Spalte in der Tabelle zugrunde zu legen ist (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, a.a.O.), gegebenenfalls zuzüglich eines sogenannten Sicherheitszuschlages zu den Tabellenwerten (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, 29 und 30).

Ein Mietspiegel existiert in Waldshut-Tiengen nicht (vgl. im Internet: www.mietspiegeltabellen.de). Ob der Beklagte über ein schlüssiges Konzept zur Feststellung des Mietniveaus verfügt, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin verneint (vgl. BSG, a.a.O, zu den erheblichen Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an ein solches Konzept stellt) und daher einen Rückgriff auf die Tabelle zu § 8 WoGG a.F. bzw. in § 12 WoGG n.F. vornimmt, ist ersichtlich, dass die der Klägerin in der Wohnung in Waldshut-Tiengen entstehenden Kosten der Unterkunft die obere Angemessenheitsgrenze überschreiten. Für Waldshut-Tiengen galt bis einschließlich 2008 die Mietenstufe II (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 4 der Wohngeldverordnung - BGBl. I 2001, S. 2727 -). Nach der Tabelle zu § 8 WoGG (rechte Spalte) ergibt sich für einen Einpersonenhaushalt - ohne zusätzlichen Wohnflächenbedarf - ein monatlicher Betrag für die Bruttokaltmiete in Höhe von 280,00 EUR. Zuzüglich eines Sicherheitszuschlages, den der Senat mit 10 v.H. für angemessen, aber auch ausreichend erachtet, beläuft sich die Höchstgrenze damit auf 308,00 EUR monatlich für die Bruttokaltmiete. Ab 1. Januar 2009 ist Waldshut-Tiengen der Mietenstufe III zugeordnet (Bruttokaltmiete EUR 330.-), so dass sich derzeit unter Berücksichtigung des genannten Sicherheitszuschlages eine Höchstgrenze von EUR 363.- monatlich für die Bruttokaltmiete ergibt.

Der Klägerin entstehen aber bereits durch die Grundmiete, die Mietkosten für die Einbauküche und den Tiefgaragenstellplatz EUR 400.- monatlich. Die beiden letztgenannten Positionen sind als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen, da die Klägerin nicht in Lage war, die Wohnung ohne diese anzumieten. Dies ergibt sich bereits aus dem Inhalt des Mietvertrages und wird durch Schreiben des Vermieters vom 23. Januar 2011 nochmals ausdrücklich bestätigt, hinsichtlich des Stellplatzes auch durch Schreiben des Vermieters vom 24. Januar 2010. Dass die Kosten für die Einbauküche auch beim Vergleich mit der Bruttokaltmiete nach dem WoGG einbezogen werden können, ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Nr. 5 WoGG a.F. bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 5 WoGG n.F., da es sich um übliche Einbaumöbel handelt. Die Berechtigung der derzeit von der Klägerin diesbezüglich geltend gemachten Mietminderung ist noch nicht geklärt und wegen der Möglichkeit der Behebung behaupteter Mängel nicht dauerhaft. Für die Frage der dauerhaften Sicherung der Unterkunft ist daher von den mietvertraglichen Verpflichtungen auszugehen. Noch nicht berücksichtigt sind bei diesem Mietzins von EUR 400.- die kalten Nebenkosten, die nach den vorliegenden Unterlagen in den letzten Jahren bei EUR 80.- lagen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Senkung der Nebenkosten (inklusive Heizung und Warmwasser) von EUR 150.- auf EUR 130.- monatlich zur Senkung der kalten Nebenkosten auf EUR 60.- geführt haben, bleibt eine Überschreitung der Angemessenheitsgrenze von aktuell EUR 37.- ohne und EUR 97.- mit Berücksichtigung der kalten Nebenkosten. Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 betrug die Überschreitung sogar ohne Nebenkosten EUR 92.- Die Klägerin überschritt und überschreitet damit die obere Angemessenheitsgrenze, wie sie von der BSG-Rechtsprechung anhand der Anwendung der Wohngeldtabelle bestimmt ist.

Diese Kosten der Unterkunft sind auch nicht im Einzelfall angemessen, weil der Klägerin ein Umzug nicht zumutbar wäre. Dies ist weder unter Berücksichtigung sozialer noch gesundheitlicher Faktoren der Fall. Hinsichtlich der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin ergibt sich dies für den Senat zweifelsfrei aus dem Gesamtergebnis der durchgeführten Ermittlungen. Nachvollziehbar hat Prof. Dr. Re. dargelegt, dass die Sehminderung auf diese Frage keine Auswirkungen hat. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie E.-Sch. hat die entsprechende Frage in ihrer Stellungnahme ausdrücklich auch für ihr Fachgebiet verneint und überzeugend darauf hingewiesen, dass die soziale Isolation der Klägerin eher mit ihrer Primärpersönlichkeit als mit den Wohnverhältnissen zusammenhänge. In ihrem Attest vom 14. Juli 2009 hatte sie einen Umzug - in den Heimatort - sogar befürwortet. Die Klägerin selbst hat mehrfach den Wunsch nach einem Umzug geäußert und hierfür auch verschiedene Entscheidungen von Behörden eingefordert.

Die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft steht daher der Rechtfertigung der Schuldenübernahme entgegen. Eine Ausnahme hiervon würde voraussetzen, dass es sich nur um eine geringfügige Überschreitung der Angemessenheitsgrenze handelt und zu erwarten ist, dass der Leistungsberechtigte den Differenzbetrag zukünftig tragen können wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Februar 2009 - L 26 B 2388/08 AS ER - (juris)). Die hier vorliegende Überschreitung von mindestens ca. EUR 97.- monatlich kann insbesondere im Verhältnis zum Regelbedarf nicht mehr als geringfügig angesehen werden. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, wie die Klägerin diesen Betrag - auch unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs aufgrund des Nachteilsausgleichs "G" - regelmäßig erbringen könnte. Tatsächlich hat sie in der zurückliegenden Zeit den Differenzbetrag zwischen den gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung und den tatsächlich anfallenden Kosten nicht regelmäßig, sondern nur gelegentlich an den Vermieter gezahlt (vgl. Bl. 107/109 der Senatsakte). Darüber hinaus hat sie bislang auch ihre Unterkunftskosten bspw. durch die - ausdrücklich gestattete - Untervermietung des Stellplatzes nicht senken können. Damit ist nicht zu erwarten, dass die Wohnung für die Klägerin dauerhaft gesichert werden kann. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 SGB XII a.F. bzw. § 36 SGB XII sind damit, wie das SG zu Recht angenommen hat, nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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