L 11 KR 5496/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 627/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5496/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufforderung der Beklagten vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2011, die Klägerin solle einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation stellen, aufzuheben bzw deren Rechtswidrigkeit festzustellen ist.

Die Klägerin war wegen eines Hüft-TEP-Wechsels am 12.07.2010 bis zum 28.02.2011 arbeitsunfähig und bezog bis dahin Krankengeld von der Beklagten. Vom 17.08.2010 bis zum 04.09.2010 befand sich die Klägerin auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung Bund in einer Anschlussheilbehandlung. Ab dem 03.01.2011 wurde die Klägerin stufenweise in das Arbeitsleben wiedereingegliedert. Ein Gutachten des MDK vom 29.09.2010, das dieser im Auftrag der Beklagten erstellte, sah die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in ihrem letzten Beruf als vollschichtig tätige Einzelhandelskauffrau (Abteilungsleiterin in einem Warenhaus) als erheblich gemindert an.

Mit Bescheid vom 04.10.2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu stellen und die beigefügten Antragsformulare bis zum 18.11.2010 unterschrieben zurückzusenden. Am 07.10.2010 erklärte die Klägerin in einem Telefongespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten, einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bereits in der Rehabilitation gestellt zu haben. Die Beklagte erklärte daraufhin im selben Gespräch, der Antrag habe sich erledigt.

Die Klägerin legte am 12.11.2010, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Widerspruch gegen die Aufforderung vom 04.10.2010 ein und machte geltend, hierbei handele es sich um ein Standardschreiben, das niemals die Voraussetzungen an einen Verwaltungsakt erfülle, der Ermessen voraussetze. Außerdem müsse nach dem Gesetz für die Stellung des Antrags eine Zehnwochenfrist eingeräumt werden (zum Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04.10.2010 vgl das Verfahren beim Sozialgericht Freiburg (SG) S 14 KR 5939/10 ER). Die Beklagte hob mit Bescheid vom 26.11.2010 den Bescheid vom 04.10.2010 auf und sagte zu, die Kosten des Widerspruchsverfahrens in angemessener Höhe gemäß § 63 SGB X zu erstatten (vgl hierzu das Verfahren L 11 KR 5366/11).

Nachdem die Beklagte schon am 05.11.2010 von der Deutschen Rentenversicherung Bund erfahren hatte, dass die Klägerin keinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt hat, jedoch bereits am 28.09.2009 eine Arbeitsplatzausstattung (Elektrohubwagen) bewilligt worden war, kam es am 09.11.2010 zu einem erneuten Telefonat zwischen der Klägerin und einer Mitarbeiterin der Beklagten. Die Klägerin führte damals telefonisch aus, sie habe etwas verwechselt. Sie habe gedacht, bei dem Antrag gehe es um die Arbeitsplatzausstattung. Sie bat, ihr erneut einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zuzusenden. Einen Antrag werde sie aber wahrscheinlich nicht stellen, da sie noch bis Ende des Jahres arbeitsunfähig sei und anschließend eine stufenweise Wiedereingliederung machen wolle.

Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 09.11.2010 erneut auf, einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu stellen und die beigefügten Antragsformulare bis spätestens zum 16.12.2010 zurückzusenden. Werde der Antrag nicht gestellt, könne Krankengeld nur bis zum Ende der Frist gezahlt werden. Auch hiergegen erhob die Klägerin am 12.11.2010, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Widerspruch. Sie machte geltend, die Aufforderung sei aufzuheben, weil ein "Ermessensfehlgebrauch durch Unterlassen jeglichen Ermessens" vorliege. Ferner sei nicht beachtet, dass sie unmissverständlich eine stufenweise Wiedereingliederung gewünscht habe. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 16.11.2010 den Bescheid vom 09.11.2010 auf und sagte zu, die Kosten des Widerspruchsverfahrens in angemessener Höhe gemäß § 63 SGB X zu erstatten. Mit weiterem Bescheid vom 17.11.2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 09.11.2010 erneut auf und sagte zu, die Kosten des Widerspruchsverfahrens in angemessener Höhe gemäß § 63 SGB X zu erstatten (vgl hierzu das Verfahren L 11 KR 4076/11).

Mit Bescheid vom 18.11.2010 forderte die Beklagte die Klägerin erneut und unter Setzung einer Frist bis zum 31.01.2011 zur Beantragung einer Leistung zur beruflichen Rehabilitation auf. Werde der Antrag nicht gestellt, könne Krankengeld nur bis zum Ende der Frist gezahlt werden. Hiergegen erhob die Klägerin am 22.11.2010, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Widerspruch. Zu diesem Widerspruch hat die Klägerin beim SG beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen (Antrag vom 01.12.2010; S 14 KR 6144/10 ER). Auf Vorschlag des SG haben die Beteiligten dort im Dezember 2010 folgenden Vergleich geschlossen: "1. Der Bescheid vom 18.11.2010 wird dahingehend geändert, dass der Antragsstellerin eine Frist zur Antragstellung bei der Deutschen Rentenversicherung bis 28.2.2011 eingeräumt wird. 2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass sich der so geänderte Bescheid vom 18.11.2010 erledigt, wenn die Wiedereingliederung gelingt und die Antragsgegnerin deshalb über die unter 1. genannte Frist hinaus kein Krankengeld zahlen muss. 3. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz damit erledigt ist. 4. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz. 5. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.11.2010 wird durch diesen Vergleich nicht berührt."

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das private Interesse der Klägerin sei mit dem öffentlichen Interesse abzuwägen. Zwar führe die Klägerin die stufenweise Wiedereingliederung ins Erwerbsleben durch, doch sei nicht gesichert, dass die Wiedereingliederung tatsächlich durchgeführt und erfolgreich beendet werden könne. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei weiterhin eingeschränkt. Gerade der Umstand, dass nicht sicher feststehe, ob die Klägerin die am 03.01.2011 begonnene Wiedereingliederung erfolgreich abschließen werde, führe zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Nach dem Vergleich vor dem SG sei die Frist zur Antragstellung bis zum 28.02.2011 verlängert, eine Rücknahme des Bescheids vom 18.11.2010 sei jedoch nicht möglich.

Die Klägerin hat hiergegen am 08.02.2011 beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, die Aufforderung der Beklagten sei ein Standardschreiben, das nicht auf der Ausübung von Ermessen beruhe. Die Beklagte beziehe sich im Bescheid vom 18.11.2010 auf dasselbe Gutachten, auf das sie sich auch in den vorangegangenen Bescheiden gestützt habe. Es sei nicht erkennbar, warum sie ihre Aufforderung nochmals wiederholt habe.

Die Beklagte hat ausgeführt, sie habe im Bescheid vom 18.11.2010 zwar keine Ermessenserwägungen benannt. Diese seien jedoch im Widerspruchsbescheid vom 27.01.2011 dargestellt worden. Die fehlenden Ermessenserwägungen könnten im Widerspruchsverfahren zulässigerweise nachgeholt werden. Das ausgeübte Ermessen sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei die Wiedereingliederung der Klägerin erfolgreich gewesen und die Krankengeldzahlung habe zum 28.02. 2011 geendet.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2011 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, der Klägerin fehle ein Rechtsschutzinteresse. Dieses sei entfallen, weil der angefochtene Bescheid vom 18.11.2010 nach dem im Verfahren S 14 KR 6144/10 ER geschlossenen Vergleich seine Erledigung gefunden habe. Die Wiedereingliederung der Klägerin sei erfolgreich abgeschlossen worden, die Arbeitsunfähigkeit habe zum 28.02.2011 geendet; ein Anspruch auf Krankengeld könne über diesen Zeitraum hinaus deshalb von der streitigen Aufforderung nach § 51 SGB V nicht betroffen sein. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. In der Sache sei der Bescheid vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.1.2011 nicht zu beanstanden. Im MDK-Gutachten vom 29.09.2010 sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin in ihrem bisherigen Beruf festgestellt worden. Zwar lasse der Bescheid vom 18.11.2010 nicht erkennen, welche Abwägung bei der Aufforderung, einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen, getroffen worden seien. Nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X sei eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften jedoch unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben werde. Dies könne nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Damit habe die Begründung der Ermessensentscheidung im Widerspruchsbescheid nachgeholt werden können. Diese Ermessensentscheidung sei auch rechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigen am 11.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 06.12.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Die Entscheidungsgründe des SG seien im Hinblick auf die Zulässigkeit des Berufungsverfahrens nicht tragend. Es bestehe selbstverständlich ein Rechtsanspruch auf die Aufhebung rechtswidriger Bescheide. Dies schon vor dem Hintergrund, dass im Falle der Nichtaufhebung dieses Bescheides de facto ja ein Anspruch der Krankenkasse auf Rückzahlung des Krankengeldes geltend gemacht werden könnte. Dies halte der Bevollmächtigte der Klägerin zwar für abwegig, aber es gebe eine Krankenkasse im Raum Freiburg, die das in der Tat versuche. Vor diesem Hintergrund bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Bescheid vom 18.11.2010 habe sich auch nicht durch den Vergleich erledigt. Aber selbst wenn man der Auffassung des SG sei, bestünde ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Das SG räume selbst ein, die Beklagte habe überhaupt kein Ermessen ausgeübt. Entgegen der Auffassung des SG handele es sich in vorliegendem Fall nicht um eine Verfahrens- oder Formvorschrift, sondern um eine materiell-rechtlich orientierte Vorschrift, die einen Bescheid rechtswidrig werden lasse. Denn bei der Angabe von Ermessenserwägungen handele es sich nicht um die Begründung des Verwaltungsaktes, sondern es handele sich um die Begründung der Ermessensentscheidung. Es müsse angegeben werden, von welchen Abwägungskriterien sich die Behörde leiten lasse. Daher sei eine fehlende Ermessensausübung iSd § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X nicht unter § 41 SGB X subsumierbar. Aus diesem Grund sei auch eine fehlende Ermessensdarlegung nicht heilbar. Nicht zu vergessen sei auch, dass die Klägerin durch die Beklagte bedroht war, aus dem Arbeitsleben herausgedrängt zu werden. Der Bescheid der Beklagten sei "so was von sinnlos, dass man es sachlich kaum noch bezeichnen kann, denn es wurde ja ganz klar dargelegt, dass die Wiedereingliederung erfolgen wird und sie ist ja auch erfolgt."

Mit Schriftsatz vom 10.02.2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass eine unterbliebene Ermessensausübung nicht nachgeholt werden könne und des Weiteren u a wie folgt vorgetragen: " Es ist absolut unzutreffend, wenn ausgeführt wird es bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis durch die erste Instanz. Die Verhaltensweisen der Krankenkassen, und es ist nicht klar wie die m. das Verfahren weiter betreiben wird, spiegeln hier ein anderes Bild wider. Es ist festzustellen, dass es sich hierbei zugegebenermaßen um eine neue Entwicklung handelt, aber dem ist entgegenzutreten und vor diesem Hintergrund ist es ganz klar erforderlich, dass eine Entscheidung in der Sache ergeht und diese kann hier nur in der Aufhebung der Bescheide münden."

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2011 aufzuheben, hilfsweise den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.11.2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2011 rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das vor dem SG mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) verfolgte Begehren ist unzulässig geworden, die Klägerin hat aber auch kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig.

Durch die Anfechtungsklage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung begehrt werden (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Damit ist Sachurteilsvoraussetzung einer Anfechtungsklage, dass ein Verwaltungsalt (noch) vorliegt. Insoweit ist maßgeblich (vgl § 54 Abs 2 SGG), dass ein Verwaltungsakt den jeweiligen Kläger beschwert, dieser also rechtswidrig ist und den jeweiligen Kläger in seinen Rechten verletzt (Klagebefugnis). Ein Verwaltungsakt beschwert den jeweiligen Kläger nicht mehr, wenn er keine Wirkung mehr entfaltet. Gemäß § 39 Abs 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

Im Vergleich im Verfahren S 14 KR 6144/10 ER haben die Beteiligten vereinbart, dass sich der Bescheid vom 18.11.2010 erledigt, wenn die Wiedereingliederung der Klägerin in das Arbeitsleben gelingt und die Beklagte deshalb über den 28.02.2011 hinaus kein Krankengeld mehr zahlen muss. Die Wiedereingliederung der Klägerin in das Arbeitsleben ist - auch nach ihrem eigenen Vortrag - gelungen. Sie ist seit 01.03.2011 nicht mehr arbeitsunfähig; die Beklagte musste kein Krankengeld mehr bezahlen. Schon deswegen hat sich die Aufforderung nach § 51 SGB V erledigt. Denn nachdem die Klägerin ab dem 01.03.2010 arbeitsfähig war und daher schon deswegen der Krankengeldanspruch entfallen war, kommt der Rechtsfolge des § 51 Abs 3 Satz 1 SGB V (Entfallen des Krankengeldanspruchs mangels fristgerechter Antragstellung) keine Bedeutung mehr zu. Da die Klägerin aber auch innerhalb der vor dem SG vergleichsweise festgelegten Frist bis zum 28.02.2011 keinen Rehabilitationsantrag gestellt hatte, kommt auch dem Umstand, dass ein gestellter Antrag nicht ohne Zustimmung der Beklagten wieder zurückgenommen werden konnte, keine Bedeutung zu. Damit hat sich der angefochtene Bescheid vom 18.11.2010 mit Ablauf des 28.02.2011 iSd § 39 Abs 2 SGB X "auf andere Weise" erledigt. Entsprechendes war hinsichtlich des angefochtenen Bescheids auch bereits im Vergleich vor dem SG vereinbart worden.

Diese Erledigungswirkung erfasst auch den Widerspruchsbescheid vom 27.01.2011. Denn darin hat die Beklagte keine über den angefochtenen Bescheid und den gerichtlichen Vergleich hinausgehenden Regelungen getroffen. Mit Ende des Krankengeldbezugs wegen Wiedereintritts von Arbeitsfähigkeit am 01.03.2011 ist damit auch der Widerspruchsbescheid erledigt. Zwar war im Vergleich vereinbart worden, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.11.2010 durch den Vergleich nicht berührt wird, doch war dadurch nur bestimmt worden, dass die Frage der materiell-rechtlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch den Vergleich nicht bewertet würde. Da sich aber die materielle Regelung des Bescheids vom 18.11.2010 aufgrund des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit erledigt hatte, wird hiervon auch der Widerspruchsbescheid erfasst, der keine eigenständige und vom Bescheid vom 18.11.2010 unabhängige, darüber hinausgehende Regelung beinhaltete.

Damit konnte der Senat nicht dem Vortrag des Bevollmächtigten folgen, der Vergleich sei auf das Verfahren S 14 KR 6144/11 ER zu begrenzen. Schon seinem eindeutigen Vergleichswortlaut nach war auch über das ER-Verfahren hinaus eine Erledigungsregelung hinsichtlich des Bescheids vom 18.11.2010 vereinbart worden. Maßgeblich ist aber vielmehr, dass sich der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids mit Ablauf des 28.02.2011 materiell-rechtlich erledigt hatte.

Hat der vorliegend angefochtene Bescheid vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2011 aber seine Wirkung verloren, kann er auch nicht mehr mittels einer Anfechtungsklage aufgehoben werden. Er beschwert die Klägerin nicht mehr. Mangels Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresse ist daher die Klage unzulässig geworden. Die Berufung war daher im Hauptantrag zurückzuweisen.

Die Klägerin hat trotz eines Hinweises des SG (vgl dessen Schreiben vom 17.08.2011) nicht auf die geänderte Prozesslage reagiert; insbesondere hat sie im Klageverfahren die Klage nicht auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Eine solche Umstellung, auch wenn es sich in der Sache nicht um eine Klageänderung (dazu vgl § 99 Abs 3 SGG) handelt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 99 Rdnr 5), durfte das SG auch nicht von Amts wegen vornehmen. Denn weder § 131 Abs 1 Satz 3 SGG noch § 123 SGG geben dem SG das Recht, von Amts wegen eine Umstellung der Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage vorzunehmen (vgl schon den Wortlaut des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG: "auf Antrag"). Das SG hat die Klage daher zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Die Klägerin hat erst mit der vorliegenden Berufung und hilfsweise die Umstellung ihres Begehrens in eine sog Fortsetzungsfeststellungsklage geltend gemacht. Die zulässige Bedingung der Abweisung des auf Aufhebung des Bescheids vom 18.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2011 gerichteten Hauptantrages ist eingetreten, weshalb der Senat über den prozessrechtlich zulässigen Hilfsantrag zu entscheiden hatte. Der Hilfsantrag hat aber keinen Erfolg, denn der Klägerin steht ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht zu.

Nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn er sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die Zulassung dieser Klageart dient der Prozessökonomie; damit soll verhindert werden, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die Früchte der bisherigen Prozessführung gebracht wird (BVerwG, 20.01.1989, 8 C 30/87, BVerwGE 81, 226, 228 = juris; BVerwG, 24.01.1992, 7 C 24/91 89, BVerwGE 354, 355 = juris). In diesem Rahmen geht es demnach um die (deklaratorische) Klärung der Frage, ob der nicht mehr wirksame und auch nicht mehr rückgängig zu machende Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war (BVerwG, 09.02.1967, I C 49.64, BVerwGE 26, 161, 166 = juris).

Ein für diese Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges, also berechtigtes Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt damit in Betracht bei Präjudiziabilität, dh, wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann (BSG, 22.09.1976, 7 RAr 107/75, BSGE 42, 212, 218 = juris je mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 131 Rdnr 10d ff.), Schadensinteresse, Rehabilitationsinteresse sowie Wiederholungsgefahr (BSG, 28.08.2007, B 7/7a AL 16/06 R, SozR 4-1500 § 131 Nr 3 = juris je mwN).

Ein solches Feststellungsinteresse ist - auch unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin - nicht gegeben. Denn die Klägerin hat bei dem vor dem SG geschlossenen Vergleich mitgewirkt und damit dazu beigetragen, den angefochtenen Bescheid vom 18.11.2010 in ihrem Sinne abzuändern. Unmittelbar durch den Vergleich wurde der Inhalt des im Bescheid vom 18.11.2010 verlautbarten Verwaltungsakts zu Gunsten der Klägerin geändert. Die Beklagte hat auch im Widerspruchsbescheid diese vergleichsweise gefundene Regelung aufgegriffen und ist davon nicht abgewichen. Wer insoweit an der Gestaltung der Rechtslage durch Schließung eines den angefochtenen Bescheid ändernden Vergleichs aktiv mitwirkt, hat kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, die Rechtswidrigkeit der vergleichsweise getroffenen Regelung gerichtlich feststellen zu lassen.

Im Übrigen scheitert die Annahme einer ein schutzwürdiges Interesse begründenden Wiederholungsgefahr bereits daran, dass die Klägerin nicht mehr im Krankengeld-Leistungsbezug der Beklagten steht. Dies ist aber Voraussetzung für den Eintritt der in § 51 Abs 3 Satz 1 SGB V enthaltenen Entfallensregelung. Eine Wiederholungsgefahr kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass aufgrund der Hüft-TEP erneut Arbeitsunfähigkeit drohen könnte. Denn Wiederholungsgefahr kann nur angenommen werden, wenn aufgrund eines im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Sachverhalts in naher oder absehbarer Zeit die tatsächliche Gefahr eines gleichartigen Verwaltungsaktes besteht. Träte aber erneut Arbeitsunfähigkeit ein, läge im Vergleich zu der dem angefochtenen Bescheid vom 18.11.2010 in der Fassung des Vergleichs vor dem SG in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2011 zugrundeliegenden Situation kein im Wesentlichen unveränderter tatsächlicher und rechtlicher Sachverhalt, sondern ein grundsätzlich anderer Sachverhalt vor. Auch für das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses bzw Schadensinteresses oder einer Präjudiziabilität ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat hierzu weder etwas vorgetragen, noch konnte der Senat ein solches Interesse feststellen.

Auch das Vorbringen des Klägervertreters, im Falle der Nichtaufhebung des angefochtenen Bescheides könne der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des Krankengeldes zustehen, begründet vorliegend kein berechtigtes Feststellungsinteresse. Denn dass die Beklagte einen solchen Anspruch gegenüber der Klägerin geltend macht, hat weder die Beklagte und auch nicht einmal die Klägerin vorgebracht. Im Übrigen bestimmt der vor dem SG geschlossene Vergleich, dass aus der Aufforderung vom 18.11.2010 bis zum 28.02.2011 keine Rechtsfolgen an die Nichtstellung eines Rehabilitationsantrages geknüpft werden. Ob aus anderen Gründen ein Anspruch auf Krankengeld in Frage zu stellen ist, lässt sich auch im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht feststellen. Damit liegt auch insoweit ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der begehrte Feststellung nicht vor.

Hat die Klägerin damit kein schutzwürdiges, also berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids vom 18.11.2010 in der Fassung des Vergleichs vor dem SG Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2011 geltend gemacht und liegt ein solches nach den Feststellungen des Senats auch nicht vor, hat auch der Hilfsantrag der Klägerin keinen Erfolg. Es kommt damit nicht auch auf die Frage an, ob im Bescheid unterbliebene Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid nachgeholt werden können.

Die Berufung war daher vollumfänglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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