Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2507/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 5649/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin auf Grund des Arbeitsunfalls vom 10.02.2006 Verletztenrente zusteht.
Die 1952 geborene Klägerin stürzte am 10.02.2006 während ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft in einer Schule bei Putzarbeiten eine Treppe herunter und prellte sich die linke Hand und den rechten Vorfuß. Sie wurde erstmalig am 21.02.2006 von Facharzt für Chirurgie S. behandelt, der nach der Diagnose Vorfußprellung rechts, Handprellung eine Gipsschiene zur Ruhigstellung der linken Hand verordnete (D-Bericht vom 21.02.2006). Nach der mehrwöchigen Ruhigstellung bestanden erhebliche Schmerzen, Schwellungen und deutliche Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Hand und des Handgelenks. In der BG Unfallklinik Tübingen stellte Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Verbrennungschirurgie, im Zwischenbericht vom 05.05.2006 die Diagnose einer Dystrophie nach Handgelenksdistorsion. Die Klägerin wurde deshalb dort stationär vom 03.05. bis 09.06.2007 behandelt. Auch danach zeigten sich noch deutliche Zeichen der Dystrophie. Trotz intensiver Physio- und Ergotherapie konnte keine Besserung erzielt werden, sondern die Bewegungseinschränkungen nahmen zu. Eine Arbeits- und Belastungserprobung musste abgebrochen werden (Entlassbericht vom 13.06.2006 u. Zwischenbericht v. 30.08.2006, Bl. 37 u. 79 VA).
Der Arbeitgeber zeigte der Beklagten den Unfall am 01.03.2006 an. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung bei PD Dr. B., DRK-Klinik B.-B ... In ihrem Gutachten vom 01.12.2006 benannte sie bei glaubhaften Klagen der Klägerin als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung sämtlicher Langfinger und des Handgelenks der linken Hand, eine Sensibilitätsminderung und Spastik am linken Unterarm sowie eine Kalksalzminderung der linken Hand. Die Funktionsfähigkeit der linken Hand sei um 2/3 vermindert, sie könne lediglich als Beihand eingesetzt werden.
Die Beklagte veranlasste weiter eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung bei Prof. Dr. S ... Er führte in seinem Befundbericht vom 23.05.2007 u. a. aus, dass die Beschwerden der Klägerin insgesamt nicht nachvollziehbar seien. Ein regionales Schmerzsyndrom und eine vegetative Fehlregulation bestünden nicht. Die demonstrierte Fehlstellung der Finger sei durch organische Prozesse nicht zu erklären. Unfallfolgen lägen auf seinem Fachgebiet nicht vor.
Zur Abklärung der widersprüchlichen Befunde wandte sich die Beklagte an Prof. Dr. S., der an der Diagnose Ergodystrophie der linken Hand nach Handgelenksdistorsion mit verbliebener Bewegungseinschränkung festhielt (Schreiben vom 08.06.2007, Bl. 178 VA), im Befundbericht vom 08.06.2007 jedoch auf Widersprüche bei der Befunderhebung (fehlende Schmutzschicht und Mazeration bei eingezogenen Fingern, keine Veränderung der Kontraktur der Finger bei Beugung oder Streckung des Handgelenks; Bl. 193 VA) hinwies.
Eine weitere Begutachtung gab die Beklagte bei Prof. Dr. G., M.hospital S., in Auftrag. Die Röntgenuntersuchung ergab nach dem Gutachten des Oberarztes Dr. P. vom 06.08.2007 keinen Hinweis auf eine Inaktivitätsosteoporose der linken Hand. Die Klagen über die Einschränkung der Funktionalität der Hand stünden jedoch in Übereinstimmung mit dem erhobenen Befund. Nach therapierefraktärer Dystrophie sei es zu einer starken Funktionsminderung der gesamten linken oberen Extremität gekommen. Als wesentliche Unfallfolgen benannte der Gutachter: Dystrophie der linken Hand nach Handgelenksdistorsion mit Beugefehlhaltung der Langfinger 3 bis 5 links, Daumenadduktionsstellung fixiert, Schmerzsyndrom der linken oberen Extremität mit konsekutiver Bewegungseinschränkung im Handgelenk, Ellenbogengelenk und Schultergelenk. Die unfallbedingte MdE werde hierfür ab dem 01.06.2007 mit 50 v.H. bewertet.
Nachdem Beratungsarzt Dr. K. die MdE-Schätzung nicht für nachvollziehbar hielt, nahm auf Anfrage der Beklagten Prof. Dr. S. von der BG Unfallklinik T. am 09.10.2007 dahingehend Stellung, dass die Beugekontraktur der Finger nicht plausibel sei, eine Untersuchung in Narkose von der Klägerin aber abgelehnt worden sei. Die demonstrierten Beugekontrakturen der ulnaren Langfinger seien eindeutig weder einer Dystrophie noch einer Verkürzung der Beugesehnen zuordenbar. Insgesamt werde der Bewertung von Prof. Dr. S. beigestimmt. Auch die im M.hospital festgestellte Befundverschlechterung sei nicht nachvollziehbar. Die Ausprägung der durch die Ruhigstellung bedingten Dystrophie müsste spätestens im August 2006 zum Stillstand gekommen sein. Die danach sich fortsetzende weitere Bewegungseinschränkung auch des Daumens, des Handgelenks, des Ellenbogengelenks und der Schulter sei durch organische Prozesse nicht zu erklären. Dem schloss sich Prof. S. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.12.2007 an (Bl. 240 VA).
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2008 die Gewährung von Verletztenrente ab. Die Handgelenksdistorsion und die Vorfußprellung seien verheilt. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit werde wegen der Unfallfolgen bis 06.08.2006 anerkannt
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ihr Begehren auf Gewährung von Verletztenrente auf Grund der massiven Funktionseinschränkung der linken Hand weiterverfolgt.
Das SG hat das neurologische Gutachten von Prof. Dr. Dr. D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie in K., vom 23.10.2009 eingeholt. Bei seiner Untersuchung der Klägerin hat er beim passiven Streckversuch der Finger der linken Hand sowohl manuell als auch durch eine elektromyografische Ableitung keine belangvolle Anspannung der ulnaren Beugemuskulatur feststellen können und in der Hohlhand lateral Matzerationen sowie leichte Schmutzreste festgestellt. Aus neurologischer Sicht sei vom Vorliegen erheblicher Kontrakturen der drei Langfinger auszugehen auch wenn die Klägerin Verdeutlichungstendenzen geboten habe und eine organische Grundlage für die angegebenen Gefühlsstörungen im Bereich der linken Körperhälfte nicht ersichtlich sei, so dass Zweifel an dem Vorliegen der subjektiv vorgebrachten Beschwerden angebracht seien. In Übereinstimmung mit Prof. S. ließen sich auf neurologischem Gebiet keine objektivierbaren Unfallfolgen feststellen. Ob die Beugekontraktur der Finger 3 bis 5 der linken Hand Unfallfolge sei, müsse von unfallchirurgischer Seite beurteilt werden.
Das SG hat weiter das handchirurgische Gutachten des Dr. C., Oberarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der BG-Unfallklinik L. eingeholt. In seinem Gutachten vom 30.06.2010 hielt er die Beugekontraktur der Finger 3 bis 5 für eine Folge der Algodystrophie nach Handgelenkskontraktur. Diese sei mit hoher Wahrscheinlichkeit als Unfallfolge einzustufen, nachdem die Hand vor dem Unfall voll funktionsfähig gewesen sei. Die MdE betrage 20 v.H.
Mit Urteil vom 28.10.2010 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.07.2007 zu gewähren. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Gutachten von Prof. Dr. Dr. D. und Dr. C. gestützt. Danach stehe fest, dass sich die Kontrakturen des Mittel-, Ring- und Kleinfingers haben nachweisen lassen ohne dass eine aktive Demonstration habe festgestellt werden können. Es spreche mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang und ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung schieden aus. Die von der Beklagten angeführte Möglichkeit, dass mangels ausreichender Erklärung einer organischen Ursache der nunmehr nachweisbare, nicht auf Demonstration oder Aggravation der Klägerin beruhende Befund seine Ursache in unfallunabhängigen psychischen Faktoren, haben müsse, rechtfertige eine abweichende Beurteilung nicht. Dies insbesondere auch deshalb, weil die Beklagte nicht ansatzweise Anhaltpunkte dafür habe benennen können, worauf sie ihre Annahme stütze, so dass zu prüfen wäre, ob auch eine weitere, vom Arbeitsunfall unabhängige psychische Ursache die Kontraktur wesentlich bedingt habe.
Die durch die Arbeitsunfallfolgen verursachten Funktionseinschränkungen seien in Übereinstimmung mit Dr. C. mit einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.07.2007 (Ende der Verletztengeldzahlung) zu bewerten.
Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 16.11.2010 zugestellte Urteil hat sie am 10.12.2010 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf mehrfach bei den Untersuchungen festgestellte massive Verdeutlichungstendenzen und die weiter von den Gutachtern festgestellten Ungereimtheiten hingewiesen. Insbesondere seien keine Inaktivitätszeichen der linken Hand festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat das handchirurgische Gutachten von Prof. Dr. M. vom 22.08.2011 eingeholt. Die von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen - extreme Beugefehlstellung der Finger 3 bis 5 der linken Hand, Bewegungseinschränkung der Gelenke des linken Zeigefingers und des Daumens, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes, der linken Schulter und angedeutet des linken Ellenbogens - hielt er für unfallunabhängig. Die Streckhemmung der Finger 3 bis 5 der linken Hand lasse sich nicht objektivieren. Inaktivitätszeichen seien weder an der linken Hand noch am linken Arm feststellbar. Die Haut sei nicht auffällig, die Fingernägel gepflegt, die Fingerkuppen rund, Druckstellen oder Mazerationen waren nicht vorhanden, die Kalksalzminderung lediglich minimal. Dies spreche dafür, dass die reelle Streckung der Fingergelenke mehr sei, als was demonstriert werde. Die extreme Beugefehlstellung der Finger 3 bis 5 sei aufgrund des Unfallereignisses und des Krankheitsverlaufes nicht zu erklären und passe zu keinem Krankheitsbild. Andererseits hatte Prof. M. den Eindruck von Verdeutlichungstendenzen der Klägerin bei der Untersuchung. Als Unfallfolgen benannte er einen Zustand nach Prellung der linken Hand mit nachfolgender, vorübergehender Algodystrophie (CRPS Typ I). Behandlungsbedürftigkeit habe bis 07.08.2006 bestanden. Die MdE schätzte er vom 08.08.2006 bis 31.12.2006 auf 20 v.H. als Gesamtvergütung zur Anpassung und Gewöhnung, danach auf unter 10 v.H ...
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 23.11.2011, des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 05.12.2011).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2008 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – SGB VII -). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung ergeben-den verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung der MdE werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet wer-den kann, ausgeglichen werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VII). Allerdings begründet nicht jeder Gesundheitsschaden, der bei der Ausübung einer unfallversicherten Tätigkeit eintritt, eine Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers. Vielmehr muss neben dem Nachweis der Tatbestandsmerkmale der versicherten Tätigkeit und des Gesundheitsschadens auch ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) bestehen.
Nach der auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache und Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG –, vgl. BSGE 1, 72, 76; 61, 127, 129; 63, 272, 278). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie alle wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinne. Die untere Grenze der Wesentlichkeit einzelner Bedingungen im Vergleich zu anderen Mitbedingungen liegt dort, wo der Anteil der einzelnen entscheidenden Bedingung im Verhältnis zu dem Gesamtbündel der übrigen (nicht anspruchsbegründenden) Mitbedingungen nicht mehr als wesentlich bewertet werden kann (BSG, 12.02.1998, B 8 Kn 3/96 Ur). Ein mitwirkender Faktor ist dann rechtlich unwesentlich, wenn er von der einen oder anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen an ursächlicher Bedeutung, wenn sie bei vernünftiger lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsschadens darstellen, das Unfallereignis deshalb völlig zurückdrängen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 26). Mithin gilt: Besteht im Unfallzeitpunkt eine Krankheitsanlage des geschädigten Körperteils, so muss abgegrenzt werden, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis zu etwa derselben Zeit durch andere alltäglich vorkommende Ereignisse hätte verursacht werden können, oder ob der Krankheitsanlage eine solche überragende Bedeutung nicht beigemessen werden kann und daher dem Unfallgeschehen ein wesentlicher Ursachenbeitrag zuzuerkennen ist (BSGE 62, 220 , 222; BSG Breithaupt 1968, 823, 824; Brackmann/Krasney, Handbuch der Unfallversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung – 12. Auflage § 8 SGB VII Rn. 378).
Des vollen Beweises bedarf im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Sachverhalt, der gesetzliche Tatbestandsmerkmale verwirklichen soll; für den kausalen Zusammenhang zwischen Tatsachen genügt dagegen hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 1, 10; 45, 285, 286). Die "gute Möglichkeit" eines Zusammenhangs reicht nicht aus (BSG v. 24.02.1988, USK 8825, 113). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG 31.07.1962, Breithaupt 1963, 60, 61). Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache sind von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 m.w.N.). Hinsichtlich anspruchsbegründender Voraussetzungen trifft die Beweislosigkeit denjenigen, der Ansprüche geltend macht oder für den sie geltend gemacht werden. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Antragsteller die objektive Beweislast trägt, gehört auch die Kausalität zwischen Tatsachen, die den Anspruch im Übrigen begründen (st. Rechtspr., vgl. nur BSGE 30, 278, 281; 35, 216, 218).
Ausgehend von diesen Grundsätzen und gestützt auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. S. - hier im Urkundenbeweis zu verwertendes Verwaltungsgutachten - sowie das handchirurgische Gutachten von Prof. Dr. M. ist der Senat nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass die starke Beugefehlstellung der Finger der linken Hand und die übrigen Beschwerden am linken Arm bei der Klägerin ursächlich auf den Unfall vom 10.02.2006 zurückzuführen sind. Zweifel sind insbesondere begründet, als nicht objektiviert werden konnte, dass die Streckhemmung der Langfinger 3 bis 5 tatsächlich und ggf. in welchem Ausmaß besteht. Die sowohl von den Gutachtern Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. als auch im Verwaltungsverfahren vom behandelnden Arzt in der BG-Unfallklinik Prof. Dr. S. geäußerten Zweifel an deren Vorliegen sind durch die objektiv zu erhebenden Befunde gerechtfertigt, die gegen eine solche Annahme sprechen. So weist die Klägerin auch bei der Untersuchung bei Prof. Dr. M. am 15.08.2011 keine Atrophie der kurzen Handmuskulatur, keine Muskelminderung am linken Unter- und/oder Oberarm auf, die Schultergürtelmuskulatur ist seitengleich gut entwickelt, obwohl sie nach ihren Angaben und der gezeigten Fingerfehlstellung die linke Hand seit 5 Jahren nicht mehr außer als Beihand einsetzen kann. Hier wäre eine deutliche Muskelminderung gegenüber rechts zu erwarten gewesen. Gegen einen Nichtgebrauch der Hand spricht auch der Umstand, dass der Kalksalzgehalt des linken Handgelenks nur minimal gemindert ist, während bei einem eingeschränkten Gebrauch über den Zeitraum eine deutliche Kalksalzgehaltherabsetzung zu erwarten gewesen wäre. Die eingezogenen Fingerkuppen sind dennoch rund, es finden sich keine Verschmutzungen unter den Fingernägeln oder der Handinnenfläche und keine Druckstellen. Die Haut zeigt normale Farbe, Temperatur und Schweißsekretion. Mazerationen (die Quellung oder Aufweichung eines Gewebes, die u.a. bei längerem Kontakt entsteht) lagen nicht vor. Prof. Dr. M. hat wiederum, wie bereits Prof. Dr. S., Prof. Dr. F. und im Gegensatz zu Prof. Dr. D. ein Gegenspannen bei der passiven Bewegungsprüfung festgestellt. Auffällig ist auch, dass sich die Stellung der Finger nicht ändert, wenn das Handgelenk bewegt wird.
Dazu ist das Verharren der Finger in der extremen Beugestellung weder neurologisch noch handchirurgisch erklärlich. Sowohl Prof. Dr. D. als auch Prof. Dr. S. haben einen neurologischen Ausfall der Streckmuskulatur ausgeschlossen.
Nach den Ausführungen von Prof. Dr. M. ist sie auch durch das Unfallereignis und den Krankheitsverlauf nicht zu erklären. Sie passt auch zu keinem Krankheitsbild. Beim Endstadium einer Sudeck schen Dystrophie, d.h. im trophischen Stadium sind alle anatomischen Strukturen der Hand betroffen, die Haut, Fingernägel, kurze Handmuskeln und die Knochen zeigen trophische Veränderungen. Die Finger sehen wie ein Bambusstab aus, wobei die Gelenke spindelförmig auffallen im Verhältnis zu den trophisch veränderten Fingergliedern. In diesem Falle versteift sich auch das Fingerendgelenk normaler Weise in Streckstellung. Bei einer Ulnarislähmung entwickelt sich im Spätstadium eine Krallenhand, wobei die Fingergrundgelenke überstreckt und die Mittel- und Endgelenke der drei ulnaren Finger gebeugt sind. In diesem Falle ist die Sensibilität im Ulnarisgebiet gestört und die kurzen Handmuskeln sind arthrophisch verändert. Die Haut ist trocken und samtartig verändert. Diese Befunde sind bei der Klägerin nicht erhoben worden.
Die extreme Beugestellung der Finger 3 bis 5 kann nur durch eine Schrumpfung, Verkürzung oder Verspannung der Beugesehnen und Fingerbeugemuskulatur entstehen. Da alle Finger einen gemeinsamen Beuger haben, ist im Falle der Klägerin nicht erklärlich, warum der Zeigefinger nicht kontrakt ist. Außerdem würden die Finger sich strecken, wenn nicht aktiv, dann zumindest passiv bei Beugung des Handgelenkes.
Die dadurch insgesamt begründeten Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin. Eine - allerdings nicht duldungspflichtige - Untersuchung in Narkose, die das objektive Vorliegen der Streckhemmung bestätigen könnte, hat die Klägerin abgelehnt.
Eine auch nur begrenzte Feststellung einer MdE - wie von Prof. Dr. M. für die Zeit vom 08.08.2006 bis 31.12.2006 mit einer MdE von 20 v.H. - folgt daraus jedoch nicht. Die Unfallfolgen, nämlich die Prellung des Vorfusses und der linken Hand mit nachfolgender vorübergehender Algodystrophie sind am 07.08.2006 ausgeheilt gewesen, die danach feststellbaren Bewegungseinschränkungen der Finger und die Bewegungseinschränkung des Armes sind nicht dem Unfall zuzuordnen. Von daher ist auch eine Anpassung und Gewöhnung an diese Einschränkungen, worauf Prof. Dr. M. hinsichtlich der MdE-Schätzung abstellt, nicht von der Beklagten zu entschädigen.
Nicht zu folgen vermag der Senat dem Gutachten von Dr. C ... Dieser hat sich in seinem Gutachten vom 30.06.2010 nicht mit eindeutig gegen eine Unfallverursachung sprechenden Befunden, wie sie bereits von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. im Verwaltungsverfahren erhoben und diskutiert worden sind, auseinandergesetzt. Er hat vielmehr allein aus dem zeitlichen Zusammenhang und den Angaben der Klägerin, vor dem Unfall am 10.02.2006 eine voll funktionsfähige Hand besessen zu haben, in unzulässiger Weise geschlossen, dass die danach aufgetretenen Beugekontrakturen dann Unfallfolge sein müssen. Eine plausible medizinische Erklärung hat er dafür nicht gegeben.
Weiter überzeugt den Senat auch nicht das Gutachten von Prof. Dr. G ... Die von ihm angenommene Algodystrophie ist das Synonym für Morbus Sudeck, dessen Vorliegen Prof. Dr. M. mit überzeugender Begründung später ausgeschlossen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin auf Grund des Arbeitsunfalls vom 10.02.2006 Verletztenrente zusteht.
Die 1952 geborene Klägerin stürzte am 10.02.2006 während ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft in einer Schule bei Putzarbeiten eine Treppe herunter und prellte sich die linke Hand und den rechten Vorfuß. Sie wurde erstmalig am 21.02.2006 von Facharzt für Chirurgie S. behandelt, der nach der Diagnose Vorfußprellung rechts, Handprellung eine Gipsschiene zur Ruhigstellung der linken Hand verordnete (D-Bericht vom 21.02.2006). Nach der mehrwöchigen Ruhigstellung bestanden erhebliche Schmerzen, Schwellungen und deutliche Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Hand und des Handgelenks. In der BG Unfallklinik Tübingen stellte Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Verbrennungschirurgie, im Zwischenbericht vom 05.05.2006 die Diagnose einer Dystrophie nach Handgelenksdistorsion. Die Klägerin wurde deshalb dort stationär vom 03.05. bis 09.06.2007 behandelt. Auch danach zeigten sich noch deutliche Zeichen der Dystrophie. Trotz intensiver Physio- und Ergotherapie konnte keine Besserung erzielt werden, sondern die Bewegungseinschränkungen nahmen zu. Eine Arbeits- und Belastungserprobung musste abgebrochen werden (Entlassbericht vom 13.06.2006 u. Zwischenbericht v. 30.08.2006, Bl. 37 u. 79 VA).
Der Arbeitgeber zeigte der Beklagten den Unfall am 01.03.2006 an. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung bei PD Dr. B., DRK-Klinik B.-B ... In ihrem Gutachten vom 01.12.2006 benannte sie bei glaubhaften Klagen der Klägerin als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung sämtlicher Langfinger und des Handgelenks der linken Hand, eine Sensibilitätsminderung und Spastik am linken Unterarm sowie eine Kalksalzminderung der linken Hand. Die Funktionsfähigkeit der linken Hand sei um 2/3 vermindert, sie könne lediglich als Beihand eingesetzt werden.
Die Beklagte veranlasste weiter eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung bei Prof. Dr. S ... Er führte in seinem Befundbericht vom 23.05.2007 u. a. aus, dass die Beschwerden der Klägerin insgesamt nicht nachvollziehbar seien. Ein regionales Schmerzsyndrom und eine vegetative Fehlregulation bestünden nicht. Die demonstrierte Fehlstellung der Finger sei durch organische Prozesse nicht zu erklären. Unfallfolgen lägen auf seinem Fachgebiet nicht vor.
Zur Abklärung der widersprüchlichen Befunde wandte sich die Beklagte an Prof. Dr. S., der an der Diagnose Ergodystrophie der linken Hand nach Handgelenksdistorsion mit verbliebener Bewegungseinschränkung festhielt (Schreiben vom 08.06.2007, Bl. 178 VA), im Befundbericht vom 08.06.2007 jedoch auf Widersprüche bei der Befunderhebung (fehlende Schmutzschicht und Mazeration bei eingezogenen Fingern, keine Veränderung der Kontraktur der Finger bei Beugung oder Streckung des Handgelenks; Bl. 193 VA) hinwies.
Eine weitere Begutachtung gab die Beklagte bei Prof. Dr. G., M.hospital S., in Auftrag. Die Röntgenuntersuchung ergab nach dem Gutachten des Oberarztes Dr. P. vom 06.08.2007 keinen Hinweis auf eine Inaktivitätsosteoporose der linken Hand. Die Klagen über die Einschränkung der Funktionalität der Hand stünden jedoch in Übereinstimmung mit dem erhobenen Befund. Nach therapierefraktärer Dystrophie sei es zu einer starken Funktionsminderung der gesamten linken oberen Extremität gekommen. Als wesentliche Unfallfolgen benannte der Gutachter: Dystrophie der linken Hand nach Handgelenksdistorsion mit Beugefehlhaltung der Langfinger 3 bis 5 links, Daumenadduktionsstellung fixiert, Schmerzsyndrom der linken oberen Extremität mit konsekutiver Bewegungseinschränkung im Handgelenk, Ellenbogengelenk und Schultergelenk. Die unfallbedingte MdE werde hierfür ab dem 01.06.2007 mit 50 v.H. bewertet.
Nachdem Beratungsarzt Dr. K. die MdE-Schätzung nicht für nachvollziehbar hielt, nahm auf Anfrage der Beklagten Prof. Dr. S. von der BG Unfallklinik T. am 09.10.2007 dahingehend Stellung, dass die Beugekontraktur der Finger nicht plausibel sei, eine Untersuchung in Narkose von der Klägerin aber abgelehnt worden sei. Die demonstrierten Beugekontrakturen der ulnaren Langfinger seien eindeutig weder einer Dystrophie noch einer Verkürzung der Beugesehnen zuordenbar. Insgesamt werde der Bewertung von Prof. Dr. S. beigestimmt. Auch die im M.hospital festgestellte Befundverschlechterung sei nicht nachvollziehbar. Die Ausprägung der durch die Ruhigstellung bedingten Dystrophie müsste spätestens im August 2006 zum Stillstand gekommen sein. Die danach sich fortsetzende weitere Bewegungseinschränkung auch des Daumens, des Handgelenks, des Ellenbogengelenks und der Schulter sei durch organische Prozesse nicht zu erklären. Dem schloss sich Prof. S. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10.12.2007 an (Bl. 240 VA).
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2008 die Gewährung von Verletztenrente ab. Die Handgelenksdistorsion und die Vorfußprellung seien verheilt. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit werde wegen der Unfallfolgen bis 06.08.2006 anerkannt
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ihr Begehren auf Gewährung von Verletztenrente auf Grund der massiven Funktionseinschränkung der linken Hand weiterverfolgt.
Das SG hat das neurologische Gutachten von Prof. Dr. Dr. D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie in K., vom 23.10.2009 eingeholt. Bei seiner Untersuchung der Klägerin hat er beim passiven Streckversuch der Finger der linken Hand sowohl manuell als auch durch eine elektromyografische Ableitung keine belangvolle Anspannung der ulnaren Beugemuskulatur feststellen können und in der Hohlhand lateral Matzerationen sowie leichte Schmutzreste festgestellt. Aus neurologischer Sicht sei vom Vorliegen erheblicher Kontrakturen der drei Langfinger auszugehen auch wenn die Klägerin Verdeutlichungstendenzen geboten habe und eine organische Grundlage für die angegebenen Gefühlsstörungen im Bereich der linken Körperhälfte nicht ersichtlich sei, so dass Zweifel an dem Vorliegen der subjektiv vorgebrachten Beschwerden angebracht seien. In Übereinstimmung mit Prof. S. ließen sich auf neurologischem Gebiet keine objektivierbaren Unfallfolgen feststellen. Ob die Beugekontraktur der Finger 3 bis 5 der linken Hand Unfallfolge sei, müsse von unfallchirurgischer Seite beurteilt werden.
Das SG hat weiter das handchirurgische Gutachten des Dr. C., Oberarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der BG-Unfallklinik L. eingeholt. In seinem Gutachten vom 30.06.2010 hielt er die Beugekontraktur der Finger 3 bis 5 für eine Folge der Algodystrophie nach Handgelenkskontraktur. Diese sei mit hoher Wahrscheinlichkeit als Unfallfolge einzustufen, nachdem die Hand vor dem Unfall voll funktionsfähig gewesen sei. Die MdE betrage 20 v.H.
Mit Urteil vom 28.10.2010 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.07.2007 zu gewähren. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Gutachten von Prof. Dr. Dr. D. und Dr. C. gestützt. Danach stehe fest, dass sich die Kontrakturen des Mittel-, Ring- und Kleinfingers haben nachweisen lassen ohne dass eine aktive Demonstration habe festgestellt werden können. Es spreche mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang und ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung schieden aus. Die von der Beklagten angeführte Möglichkeit, dass mangels ausreichender Erklärung einer organischen Ursache der nunmehr nachweisbare, nicht auf Demonstration oder Aggravation der Klägerin beruhende Befund seine Ursache in unfallunabhängigen psychischen Faktoren, haben müsse, rechtfertige eine abweichende Beurteilung nicht. Dies insbesondere auch deshalb, weil die Beklagte nicht ansatzweise Anhaltpunkte dafür habe benennen können, worauf sie ihre Annahme stütze, so dass zu prüfen wäre, ob auch eine weitere, vom Arbeitsunfall unabhängige psychische Ursache die Kontraktur wesentlich bedingt habe.
Die durch die Arbeitsunfallfolgen verursachten Funktionseinschränkungen seien in Übereinstimmung mit Dr. C. mit einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.07.2007 (Ende der Verletztengeldzahlung) zu bewerten.
Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 16.11.2010 zugestellte Urteil hat sie am 10.12.2010 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf mehrfach bei den Untersuchungen festgestellte massive Verdeutlichungstendenzen und die weiter von den Gutachtern festgestellten Ungereimtheiten hingewiesen. Insbesondere seien keine Inaktivitätszeichen der linken Hand festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat das handchirurgische Gutachten von Prof. Dr. M. vom 22.08.2011 eingeholt. Die von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen - extreme Beugefehlstellung der Finger 3 bis 5 der linken Hand, Bewegungseinschränkung der Gelenke des linken Zeigefingers und des Daumens, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes, der linken Schulter und angedeutet des linken Ellenbogens - hielt er für unfallunabhängig. Die Streckhemmung der Finger 3 bis 5 der linken Hand lasse sich nicht objektivieren. Inaktivitätszeichen seien weder an der linken Hand noch am linken Arm feststellbar. Die Haut sei nicht auffällig, die Fingernägel gepflegt, die Fingerkuppen rund, Druckstellen oder Mazerationen waren nicht vorhanden, die Kalksalzminderung lediglich minimal. Dies spreche dafür, dass die reelle Streckung der Fingergelenke mehr sei, als was demonstriert werde. Die extreme Beugefehlstellung der Finger 3 bis 5 sei aufgrund des Unfallereignisses und des Krankheitsverlaufes nicht zu erklären und passe zu keinem Krankheitsbild. Andererseits hatte Prof. M. den Eindruck von Verdeutlichungstendenzen der Klägerin bei der Untersuchung. Als Unfallfolgen benannte er einen Zustand nach Prellung der linken Hand mit nachfolgender, vorübergehender Algodystrophie (CRPS Typ I). Behandlungsbedürftigkeit habe bis 07.08.2006 bestanden. Die MdE schätzte er vom 08.08.2006 bis 31.12.2006 auf 20 v.H. als Gesamtvergütung zur Anpassung und Gewöhnung, danach auf unter 10 v.H ...
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Beklagten vom 23.11.2011, des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 05.12.2011).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.04.2008 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – SGB VII -). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung ergeben-den verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung der MdE werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet wer-den kann, ausgeglichen werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VII). Allerdings begründet nicht jeder Gesundheitsschaden, der bei der Ausübung einer unfallversicherten Tätigkeit eintritt, eine Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers. Vielmehr muss neben dem Nachweis der Tatbestandsmerkmale der versicherten Tätigkeit und des Gesundheitsschadens auch ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) bestehen.
Nach der auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache und Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG –, vgl. BSGE 1, 72, 76; 61, 127, 129; 63, 272, 278). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie alle wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinne. Die untere Grenze der Wesentlichkeit einzelner Bedingungen im Vergleich zu anderen Mitbedingungen liegt dort, wo der Anteil der einzelnen entscheidenden Bedingung im Verhältnis zu dem Gesamtbündel der übrigen (nicht anspruchsbegründenden) Mitbedingungen nicht mehr als wesentlich bewertet werden kann (BSG, 12.02.1998, B 8 Kn 3/96 Ur). Ein mitwirkender Faktor ist dann rechtlich unwesentlich, wenn er von der einen oder anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen an ursächlicher Bedeutung, wenn sie bei vernünftiger lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsschadens darstellen, das Unfallereignis deshalb völlig zurückdrängen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 26). Mithin gilt: Besteht im Unfallzeitpunkt eine Krankheitsanlage des geschädigten Körperteils, so muss abgegrenzt werden, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis zu etwa derselben Zeit durch andere alltäglich vorkommende Ereignisse hätte verursacht werden können, oder ob der Krankheitsanlage eine solche überragende Bedeutung nicht beigemessen werden kann und daher dem Unfallgeschehen ein wesentlicher Ursachenbeitrag zuzuerkennen ist (BSGE 62, 220 , 222; BSG Breithaupt 1968, 823, 824; Brackmann/Krasney, Handbuch der Unfallversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung – 12. Auflage § 8 SGB VII Rn. 378).
Des vollen Beweises bedarf im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Sachverhalt, der gesetzliche Tatbestandsmerkmale verwirklichen soll; für den kausalen Zusammenhang zwischen Tatsachen genügt dagegen hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 1, 10; 45, 285, 286). Die "gute Möglichkeit" eines Zusammenhangs reicht nicht aus (BSG v. 24.02.1988, USK 8825, 113). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG 31.07.1962, Breithaupt 1963, 60, 61). Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache sind von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 m.w.N.). Hinsichtlich anspruchsbegründender Voraussetzungen trifft die Beweislosigkeit denjenigen, der Ansprüche geltend macht oder für den sie geltend gemacht werden. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Antragsteller die objektive Beweislast trägt, gehört auch die Kausalität zwischen Tatsachen, die den Anspruch im Übrigen begründen (st. Rechtspr., vgl. nur BSGE 30, 278, 281; 35, 216, 218).
Ausgehend von diesen Grundsätzen und gestützt auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. S. - hier im Urkundenbeweis zu verwertendes Verwaltungsgutachten - sowie das handchirurgische Gutachten von Prof. Dr. M. ist der Senat nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass die starke Beugefehlstellung der Finger der linken Hand und die übrigen Beschwerden am linken Arm bei der Klägerin ursächlich auf den Unfall vom 10.02.2006 zurückzuführen sind. Zweifel sind insbesondere begründet, als nicht objektiviert werden konnte, dass die Streckhemmung der Langfinger 3 bis 5 tatsächlich und ggf. in welchem Ausmaß besteht. Die sowohl von den Gutachtern Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. als auch im Verwaltungsverfahren vom behandelnden Arzt in der BG-Unfallklinik Prof. Dr. S. geäußerten Zweifel an deren Vorliegen sind durch die objektiv zu erhebenden Befunde gerechtfertigt, die gegen eine solche Annahme sprechen. So weist die Klägerin auch bei der Untersuchung bei Prof. Dr. M. am 15.08.2011 keine Atrophie der kurzen Handmuskulatur, keine Muskelminderung am linken Unter- und/oder Oberarm auf, die Schultergürtelmuskulatur ist seitengleich gut entwickelt, obwohl sie nach ihren Angaben und der gezeigten Fingerfehlstellung die linke Hand seit 5 Jahren nicht mehr außer als Beihand einsetzen kann. Hier wäre eine deutliche Muskelminderung gegenüber rechts zu erwarten gewesen. Gegen einen Nichtgebrauch der Hand spricht auch der Umstand, dass der Kalksalzgehalt des linken Handgelenks nur minimal gemindert ist, während bei einem eingeschränkten Gebrauch über den Zeitraum eine deutliche Kalksalzgehaltherabsetzung zu erwarten gewesen wäre. Die eingezogenen Fingerkuppen sind dennoch rund, es finden sich keine Verschmutzungen unter den Fingernägeln oder der Handinnenfläche und keine Druckstellen. Die Haut zeigt normale Farbe, Temperatur und Schweißsekretion. Mazerationen (die Quellung oder Aufweichung eines Gewebes, die u.a. bei längerem Kontakt entsteht) lagen nicht vor. Prof. Dr. M. hat wiederum, wie bereits Prof. Dr. S., Prof. Dr. F. und im Gegensatz zu Prof. Dr. D. ein Gegenspannen bei der passiven Bewegungsprüfung festgestellt. Auffällig ist auch, dass sich die Stellung der Finger nicht ändert, wenn das Handgelenk bewegt wird.
Dazu ist das Verharren der Finger in der extremen Beugestellung weder neurologisch noch handchirurgisch erklärlich. Sowohl Prof. Dr. D. als auch Prof. Dr. S. haben einen neurologischen Ausfall der Streckmuskulatur ausgeschlossen.
Nach den Ausführungen von Prof. Dr. M. ist sie auch durch das Unfallereignis und den Krankheitsverlauf nicht zu erklären. Sie passt auch zu keinem Krankheitsbild. Beim Endstadium einer Sudeck schen Dystrophie, d.h. im trophischen Stadium sind alle anatomischen Strukturen der Hand betroffen, die Haut, Fingernägel, kurze Handmuskeln und die Knochen zeigen trophische Veränderungen. Die Finger sehen wie ein Bambusstab aus, wobei die Gelenke spindelförmig auffallen im Verhältnis zu den trophisch veränderten Fingergliedern. In diesem Falle versteift sich auch das Fingerendgelenk normaler Weise in Streckstellung. Bei einer Ulnarislähmung entwickelt sich im Spätstadium eine Krallenhand, wobei die Fingergrundgelenke überstreckt und die Mittel- und Endgelenke der drei ulnaren Finger gebeugt sind. In diesem Falle ist die Sensibilität im Ulnarisgebiet gestört und die kurzen Handmuskeln sind arthrophisch verändert. Die Haut ist trocken und samtartig verändert. Diese Befunde sind bei der Klägerin nicht erhoben worden.
Die extreme Beugestellung der Finger 3 bis 5 kann nur durch eine Schrumpfung, Verkürzung oder Verspannung der Beugesehnen und Fingerbeugemuskulatur entstehen. Da alle Finger einen gemeinsamen Beuger haben, ist im Falle der Klägerin nicht erklärlich, warum der Zeigefinger nicht kontrakt ist. Außerdem würden die Finger sich strecken, wenn nicht aktiv, dann zumindest passiv bei Beugung des Handgelenkes.
Die dadurch insgesamt begründeten Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin. Eine - allerdings nicht duldungspflichtige - Untersuchung in Narkose, die das objektive Vorliegen der Streckhemmung bestätigen könnte, hat die Klägerin abgelehnt.
Eine auch nur begrenzte Feststellung einer MdE - wie von Prof. Dr. M. für die Zeit vom 08.08.2006 bis 31.12.2006 mit einer MdE von 20 v.H. - folgt daraus jedoch nicht. Die Unfallfolgen, nämlich die Prellung des Vorfusses und der linken Hand mit nachfolgender vorübergehender Algodystrophie sind am 07.08.2006 ausgeheilt gewesen, die danach feststellbaren Bewegungseinschränkungen der Finger und die Bewegungseinschränkung des Armes sind nicht dem Unfall zuzuordnen. Von daher ist auch eine Anpassung und Gewöhnung an diese Einschränkungen, worauf Prof. Dr. M. hinsichtlich der MdE-Schätzung abstellt, nicht von der Beklagten zu entschädigen.
Nicht zu folgen vermag der Senat dem Gutachten von Dr. C ... Dieser hat sich in seinem Gutachten vom 30.06.2010 nicht mit eindeutig gegen eine Unfallverursachung sprechenden Befunden, wie sie bereits von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. S. im Verwaltungsverfahren erhoben und diskutiert worden sind, auseinandergesetzt. Er hat vielmehr allein aus dem zeitlichen Zusammenhang und den Angaben der Klägerin, vor dem Unfall am 10.02.2006 eine voll funktionsfähige Hand besessen zu haben, in unzulässiger Weise geschlossen, dass die danach aufgetretenen Beugekontrakturen dann Unfallfolge sein müssen. Eine plausible medizinische Erklärung hat er dafür nicht gegeben.
Weiter überzeugt den Senat auch nicht das Gutachten von Prof. Dr. G ... Die von ihm angenommene Algodystrophie ist das Synonym für Morbus Sudeck, dessen Vorliegen Prof. Dr. M. mit überzeugender Begründung später ausgeschlossen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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