L 13 R 2310/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2155/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2310/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Erwerbsminderungsrente auf Grund des Rentenantrages vom 16. August 2007.

Der 1961 in Russland geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. In Russland hat er die Qualifikation "Techniker- Elektriker" erworben (s. Diplom Nr. 794053 vom 27. April 1985) und war bis 9. Juli 1987 als Techniker und vom 2. Oktober 1987 bis 15. Juni 1995 als (Gaselektro-) Schweißer tätig. Am 17. Juli 1995 reiste er in das Bundesgebiet ein, wo er als Lkw-Fahrer (s. Anlage zum Rentenantrag vom 30. Juli 1998 und Angaben gegenüber Dr. R.) versicherungspflichtig tätig war. Wegen eines im Jahre 1997 aufgetretenen Lymphogranulomatose (Morbus Hodgkin) bezog der Kläger vom 1. März 1998 bis 31. August 2003 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Zuletzt war der Kläger vom 1. Juni 2005 bis 29. November 2007 bei einer Polsterfirma als Faconierer (halbtags) versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 21. Mai.2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 1. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2004 wurde der Rentenantrag auf der Grundlage des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens der Internistin Dr. R. vom 30. Juli 2004 abgelehnt, da auch unter Berücksichtigung der bei dem Kläger vorliegenden Befunde sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig möglich seien.

Am 16. August 2007 stellte der Kläger den streitgegenständlichen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er halte sich seit Juni 2002 wegen der durchgeführten Lymphknotentransplantation für erwerbsgemindert. Die Beklagte holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Internisten Dr. Z. ein. Dieser berichtete am 5. November 2007, bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: Morbus Hodgkin, chronisches Fatigue-Syndrom und reaktive Depression. Der Patient klage über dauernde, schwere Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme, immer wiederkehrende Schmerzen im Bereich der unteren Wirbelsäule und im Bereich der Fußsohlen, Krampfneigung der Muskulatur, Schlaf- und Konzentrationsprobleme. Nach drei bis vier Stunden leichter bis mittlerer Belastung sei der Kläger völlig erschöpft. Er sei deshalb körperlich und psychisch nicht ausreichend belastbar, es bestehe eine depressive Stimmungslage. Eine Therapie werde derzeit nicht durchgeführt. Nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des Dr. K., nach der es beim im Gutachten vom 30. Juli 2004 festgestellten Leistungsvermögen bleibe, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2007 den Rentenantrag wegen Nichtvorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Es bestehe aber nach den getroffenen medizinischen Feststellungen weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung.

Dagegen erhob der Kläger am 14. Dezember 2007 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er leide nach wie vor an den Folgen des 1997 aufgetretenen Lymphknotenkrebses. Von 1997 bis 2000 habe er mehrfach Chemotherapien bekommen, weswegen er auch mehrfach an Lungenentzündungen erkrankt sei. Im Jahr 2000 sei dann eine Knochenmarkstransplantation vorgenommen worden. Nachdem das Transplantat zunächst abgestoßen worden sei und deshalb die Medikamentengabe habe erhöht werden müssen, habe er psychische Probleme bekommen. Er habe starke Angstgefühle vor allen möglichen Dingen entwickelt. Heute stelle sich seine gesundheitliche Situation so dar, dass er ständig Druckkopfschmerzen habe, weswegen er auch nicht richtig schlafen könne. Er habe Depressionen, die ihn beruflich und privat stark belasteten. Außerdem habe er Lähmungsgefühle in den Händen und seine Fußsohlen schmerzten unter Belastung. Nach ca. einer Stunde könne er nicht mehr richtig laufen. Er sei daher nur noch eingeschränkt belastbar.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W ... Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 26. März 2008 eine Neurasthenie. Im aktuellen psychopathologischen Befund ließen sich keine fassbaren kognitiven Störungen und nur leichte Störungen der Affektivität finden, wobei eine deutliche Diskrepanz zwischen subjektiver Einschätzung und Fremdbeobachtung vorliege. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestünden keine Einschränkungen bei der körperlichen Arbeitsschwere, dies müsse internistisch beurteilt werden. Eine Arbeitshaltung ständig im Stehen, im Gehen und im Sitzen sei möglich. Auch seien Tages-, Früh- und Spätschicht möglich. Jedoch seien Arbeiten unter Zeitdruck und hohem Leistungsdruck zu vermeiden. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger demnach noch vollschichtig zumutbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor, der Kläger sei aber weder erwerbsgemindert noch komme auf Grund des Alters Berufsunfähigkeit in Betracht.

Dagegen hat der Kläger am 9. Juli 2008 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf die Ausführungen der Widerspruchsbegründung und auf das vorgelegte ärztliche Attest der Psychiaterin Dr. Sch. verwiesen, die zum Ergebnis gelange, dass er leichte körperliche Tätigkeiten maximal vier Stunden verrichten könne. Das SG hat zunächst den den Kläger behandelnden Internisten Dr. Z. als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Aussage vom 21. Januar 2009 hat er sich den von Dr. W. erhobenen Befunden, nicht jedoch dessen Leistungsbeurteilung angeschlossen, da zwei Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Zum Einen schienen einige der geklagten Beschwerden auf ein Fatigue-Syndrom hinzuweisen, zum Anderen habe der Kläger immer wieder reaktiv-depressive Verstimmungen gehabt. Der Kläger sei wegen eines Schulter-Arm-Syndroms 3 Tage im September 2007 und wegen nervöser Erschöpfung 9 Tage im November 2007 arbeitsunfähig gewesen. Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch ... Dr. Sch. hat im Gutachten vom 7. August 2009 eine Neurasthenie mit Spannungskopfschmerzen und ein Morbus Hodgkin (Erstdiagnose 04/1997 mit mehrfachem Rezidiv, Zustand nach Stammzelltransplantation im Juli 2002 ohne Hinweis auf ein Rezidiv) diagnostiziert und aus neurologisch-psychiatrischer und internistischer Sicht leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig (6-8 Stunden täglich) für möglich erachtet. Nachtschicht, vermehrte Beanspruchungen des Konzentrations- und Reaktionsvermögens und eine mehr als übliche Verantwortung für Personen und Maschinen seien zu vermeiden; weitere Einschränkungen würden sich nicht ergeben. Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen sei nicht eingeschränkt. Mit am 12. August 2009 abgesandten Schreiben des SG ist dem Bevollmächtigten des Klägers das Gutachten zur Kenntnis und Stellungnahme übersandt worden. Am 4. März 2010 hat der Bevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, das Gefälligkeitsgutachten werde abgelehnt. Die Behauptungen, beim Kläger läge eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft sowie eine Instrumentalisierung der Symptomatik im Rentenverfahren vor, seien im Hinblick auf die dramatische Erkrankung des Klägers als unglaubliche Diffamierung schärfstens zurückzuweisen. Die nur kurzzeitigen Tätigkeiten als Faconierer und Ein-Euro-Jobber bestätigten die Arbeitsunfähigkeit. In der mündlichen Verhandlung am 26. März 2010 hat der Kläger einen Bericht des Universitätsklinikums Tübingen vom 9. September 2009 vorgelegt, nach dem keine Hinweise auf ein Rezidiv der Grunderkrankung, eine erhöhte Infektneigung oder eine Transplantat-Gegen-Wirt-Reaktion vorlägen. Aufgrund eines chronischen Erschöpfungszustandes und mangelnder Leistungsfähigkeit sei eine dauerhafte Herstellung der Erwerbsfähigkeit nicht zu erwarten. Als Medikation nehme der Kläger unregelmäßig eine namentlich nicht bekannte Schlaftablette ein. Mit Urteil vom 26. März 2010 hat das SG den in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgewiesen und sich hierbei auf das eingeholte Gutachten des Dr. Sch. gestützt, das mit dem Gutachten des Dr. W. übereinstimme. Den Ausführungen des Dr. Z. und der Dr. Sch. könne nicht gefolgt werden. Die -vom Internisten auch fachfremd- geäußerten Diagnosen seien nicht durch Befunde belegt und das Leistungsvermögen nicht nachvollziehbar dargelegt.

Gegen das dem Kläger am 26. April 2010 zugestellte Urteil hat er am 17. Mai 2010 Berufung eingelegt und später zur Begründung ergänzend ausgeführt, das SG habe die Stellungnahme der Dr. Sch. völlig übersehen. Richtigerweise sei ein Obergutachten einzuholen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2008 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. August 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren und auf das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Prozessakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist gem. §§ 143,144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist indes nicht begründet: Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2008 zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweisen Erwerbsminderung. Der Senat verweist auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG und sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Berufungsverfahren haben sich keine Tatsachen ergeben, die eine weitergehende Beweiserhebung erforderlich machen. Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das SG sich sehr wohl mit den Ausführungen der Dr. Sch. auseinander gesetzt und überzeugend dargelegt hat, dass deren Leistungsbeurteilung nicht nachvollziehbar begründet worden ist. Alle befragten Ärzte, die zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt waren, haben eine zeitliche Leistungseinschränkung verneint. Auch liegen die Voraussetzungen für ein Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit (§ 302b SGB VI) nicht vor, da die Voraussetzungen hierfür nicht nahtlos vorlagen. Die Beklagte ist zutreffend von einer Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers ausgegangen und hat ab 1. September 2003 -bestandskräftig- keine derartige Rente mehr gewährt. Dr. R. hat im Gutachten vom 30. Juli 2004 überzeugend dargelegt, dass dem Kläger seine letzte berufliche Tätigkeit als Fahrer wieder vollschichtig möglich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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