L 5 R 3172/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 5803/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3172/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8.6.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Rente nach dem Fremdrentengesetz (FRG)

Der 1944 geborene Kläger, Inhaber eines Vertriebenenausweises A, ist 1973 von R. nach D. zugezogen; er war zuletzt als Kfz-Meister selbständig erwerbstätig.

Mit Bescheid vom 14.12.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger, der außerdem eine r. und eine sch. Altersrente bezieht, (unter teilweiser Aufhebung von in der Vergangenheit erlassenen Vormerkungsbescheiden) Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.2.2007 (monatlicher Zahlbetrag 493,77 EUR). Im Versicherungsverlauf des Klägers sind (u.a. neben Pflichtbeitragszeiten und freiwilligen Beitragszeiten) von 1962 bis 1973 128 Monate nach dem FRG bewertete Zeiten (FRG-Zeiten) gespeichert. Für April 1973 ist eine Ersatzzeit (Vertreibung/Um-Aussiedlung/Flucht) gespeichert. Die für die FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte wurden durch Anwendung des Faktors 0,6 gekürzt. Die Rente wurde als vorläufige Leistung nach Art. 45 VO (EWG) Nr. 574/72 gewährt.

Am 12.1.2007 legte der Kläger gegen die Kürzung der Entgeltpunkte seiner FRG-Zeiten Widerspruch ein; für FRG-Berechtigte, die (wie er) vor dem 1.1.1991 zugezogen seien und deren Rente nach dem 30.9.1996 beginne, sei nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Übergangsregelung notwendig.

Mit Schreiben vom 17.1.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, hinsichtlich der Kürzung der Entgeltpunkte für die FRG-Zeiten sei der Rentenbescheid vorläufig; nach Inkrafttreten der Übergangsregelung werde man die Rentenberechnung überprüfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie (u.a. aus, die Kürzung der FRG-Zeiten beruhe auf § 22 Abs. 4 FRG i. V. m. Art. 6 § 4c Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG); die letztgenannte Sondervorschrift komme dem Kläger nicht zu Gute, da die Zuschlagsregelung nur für Rentenbezugszeiten bis 30.6.2000 gelte (BSG, Urt. v. 20.10.2009, - B 5 R 38/08 R -; Urt. v. 25.2.2010, - B 13 R 61/09 R -). Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger mit einem am 11.10.2010 zur Post gegebenen Brief bekannt gegeben.

Am (Montag, dem) 15.11.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg; er bekräftigte sein bisheriges Vorbringen. Die Beklagte wies ergänzend auf den Beschluss des BVerfG vom 15.7.2010 (- 1 BvR 1201/10 -) hin; § 22 Abs. 4 FRG und die Übergangsregelung in Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG seien verfassungsmäßig.

Mit Gerichtsbescheid vom 8.6.2011 wies das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids der Beklagten (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG) ab.

Auf den ihm am 17.6.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.7.2011 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, gem. § 100 Abs. 1 BVFG seien auf ihn die vor dem 1.1.1993 geltenden Vorschriften anzuwenden. Nach den vor dem 1.1.1993 geltenden Bestimmungen des FRG sei die Kürzung der für die FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte um 40 v. H. nicht möglich. Das BVerfG und das BSG hätten nicht geprüft, wie Vertriebene zu behandeln seien, die ein echtes Vertreibungsschicksal erlitten hätten und bei der Einreise nach D. eine Gesetzeslage vorgefunden hätten, auf die sie hätten vertrauen können. Er dürfe gegenüber Vertriebenen aus P. oder der ehemaligen D. nicht benachteiligt werden. Außerdem sei das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG verletzt. Als er nach D. eingereist sei (1973), seien FRG-Zeiten mit in D. zurückgelegten Versicherungszeiten gleichgesetzt worden. Die Änderung dieses Grundsatzes in der Folgezeit sei verfassungsrechtlich nicht zulässig.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8.6.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheids vom 14.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2010 zu verurteilen, ihm unter voller Anrechnung der für seine FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte (ohne Anwendung des in § 22 Abs. 4 FRG vorgesehenen Kürzungsfaktors 0,6) höhere Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat die für die FRG-Zeiten des Klägers ermittelten Entgeltpunkte zu Recht unter Anwendung des in § 22 Abs. 4 FRG geregelten Kürzungsfaktors um 40 v. H. gekürzt.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung allein gegen die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG. Danach werden die für FRG-Zeiten (nach §§ 15, 16 FRG) ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt, also um 40 v. H. gekürzt. Die Beklagte hat diese Vorschrift, worüber die Beteiligten auch nicht streiten, zutreffend angewendet.

§ 22 Abs. 4 FRG ist verfassungsgemäß und gilt auch für den Kläger. Das BVerfG hat (was den Beteiligten bekannt ist) § 22 Abs. 4 FRG für verfassungsmäßig erklärt, insbesondere eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 14 GG verneint, und im Hinblick auf den Vertrauensschutz lediglich eine Übergangsregelung für Berechtigte gefordert, die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der B. D. genommen haben und deren Rente nach dem 30.9.1996 beginnt (Beschl. v. 13.6.2006, - 1 BvL 9/00 - u.a.). Diese Übergangsregelung ist mit Art. 6 § 4a Abs. 2 FANG geschaffen worden. Sie ist ebenfalls verfassungsmäßig (BVerfG, Beschl. v. 15.7.2010, - 1 BvR 1201/10 -; BSG, Urt. v. 20.10.2009, - B 5 R 38/08 R -).

Gem. Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG wird für Berechtigte, (1.) die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der B. D. genommen haben, (2.) deren Rente nach den 30.9.1996 beginnt und (3.) über deren Rentenantrag oder über deren bis 31.12.1994 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30.6.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 FRG ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezugs vom 1.10.1996 bis 30.6.1997 voll, vom 1.7.1997 bis 30.6.1998 zu drei Vierteln, vom 1.7.1998 bis 30.6.1999 zur Hälfte und vom 1.7.1999 bis 30.6.2000 zu einem Viertel gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezugs ab 1.7.2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. Die Übergangsvorschrift kommt dem Kläger danach nicht zugute, da seine Altersrente erst am 1.2.2007 beginnt.

Das Vorbringen des Klägers ändert nichts an der vom BVerfG - im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und 14 GG sowie den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz - festgestellten Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit der genannten Vorschriften. Diese sind auf den Kläger anzuwenden. § 100 Abs. 1 BVFG betrifft die Bestimmungen des BVFG und regelt nicht die Anwendung der vor dem 1.1.1993 geltenden Vorschriften des FRG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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