Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 4009/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4224/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1954 geborene Kläger hat in der ehemaligen S. von April bis Oktober 1977 eine Ausbildung zum Baggermaschinist absolviert. Im Februar 1981 kam er in die Bundesrepublik Deutschland und war hier von Februar 1982 bis August 2008, der Kündigung durch den Arbeitgeber, als Baggerfahrer beschäftigt. Seit 28.3.2009 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (ALG).
Am 30.4.2009 beantragte der Kläger, bei dem seit 27.12.2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt ist (Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 26.4.2007) wegen Depressionen die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen (u.a. Gutachten nach Aktenlage der Ärztin der Agentur für Arbeit P. vom 8.5.2009: vollschichtiges Leistungsvermögen bei qualitativen Einschränkungen) und beauftragte den Chirurgen Dr. G. mit der Begutachtung des Klägers. Aufgrund der Durchsicht der vorgelegten Befundberichte und der Angaben des Klägers bei seiner Einbestellung am 4.6.2009, er halte sich in erster Linie wegen psychischer Probleme für erwerbsgemindert, veranlasste der Chirurg Dr. G. eine nervenärztliche Begutachtung. Der Neurologen und Psychiater Dr. S. stellte im Gutachten vom 6.7.2009 beim Kläger auf seinem Fachgebiet ein leichtgradig ausgeprägtes depressiv-gereiztes Syndrom reaktiver Genese, einen Zustand nach Arbeitsunfall mit Verletzungen des rechten Beins im Jahr 1987 und noch einer leichtgradig ausgeprägten Großzehenheber- und Großzehensenkerschwäche rechts fest und äußerte den Verdacht auf eine beginnende Polyneuropathie. Als sonstige Diagnosen nannte er: Degeneratives Wirbelsäulen-Syndrom ohne signifikante sensomotorische Ausfälle, Schulter-Arm-Syndrom beidseits und arterielle Hypertonie ohne bekannte Folgeerkrankungen. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, ohne vermehrte Überkopfarbeiten und ohne erhöhte Unfallgefahr täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Inwieweit die Tätigkeit eines Baggerfahrers aus orthopädischer Sicht vertretbar sei, könne er nicht hinreichend beurteilen. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt und besondere Arbeitsbedingungen, wie betriebsunübliche Pausen oder besonders gestaltetes Arbeitsgerät, seien nicht notwendig. Gegenwärtig und vorläufig seien Tätigkeiten mit vermehrter Beanspruchung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens nicht vertretbar. Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr sowie Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sollten unterbleiben. Dr. G. führte unter dem 10.7.2009 aus, das Gutachten sei nachvollziehbar und schlüssig.
Mit Bescheid vom 20.7.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Hiergegen legte der Kläger am 28.7.2009 Widerspruch ein und verwies darauf, dass seine Beschwerden (starke Depression und Kopfschmerzen sowie Nackenschmerzen) nach wie vor bestünden. Er legte ein Gutachten nach Aktenlage der Ärztin der Agentur für Arbeit P. vom 11.5.2009 vor, die die Ansicht vertrat, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Baggerführer könne allenfalls vier Stunden täglich, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in möglichst wechselnder Körperhaltung könnten vollschichtig (täglich sechs Stunden und mehr) verrichtet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 25.11.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. hat unter dem 9.2.2010 ausgeführt, er behandle den Kläger, der seit 2004 bei seinem Praxisvorgänger in Behandlung gestanden habe, seit 4.9.2008. Beim Kläger liege eine rezidivierende Depression, gegenwärtig mittelschwere depressive Episode über den gesamten Zeitraum, vor. Aufgrund der Antriebsminderung sei der Kläger seit 1,5 Jahren und auch derzeit nicht in der Lage, einer regelmäßigen Beschäftigung, weder vollschichtig noch untervollschichtig, nachzugehen. In wieweit nach Abschluss des Rentenverfahrens eine dann eventuell mögliche ambulante Psychotherapie zu einer Besserung führe, könne derzeit nicht gesagt werden.
Der Arzt für Orthopädie Dr. R. hat am 17.2.2010 erklärt, der Kläger leide an einem chronischen rezidivierenden degenerativen Zervikal- und Lumbalsyndrom sowie einem Schulter-Arm-Syndrom. Da die orthopädischen Beschwerden seit Jahren von einer therapiebedürftigen Depression überlagert würden, könne er die Frage zum Leistungsvermögen nicht mit ausreichender Sicherheit beantworten. Er hat einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 16.11.2009 (derzeit mittelgradige depressive Symptomatik, Erhöhung der Citalopram-Dosis auf 60 mg täglich) vorgelegt.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. hat unter dem 9.3.2010 ausgeführt, der Kläger leide unter körperlichen und psychischen Beschwerden, oft wechselnd und in unterschiedlicher Stärke. Ab 2003 seien regelmäßige Überweisungen zu den Fachärzten erfolgt.
Dr. R., Chefarzt der Klinik für Neurologie der Sankt R. Kliniken sowie Arzt für Neurologie, Psychiatrie und spezielle Schmerztherapie, hat im Gutachten vom 24.9.2010 beim Kläger eine Dysthymia und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Er ist zum Ergebnis gelangt, leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend im Sitzen ohne Zwangshaltungen mit Heben und Tragen bis 10 kg, ohne Akkord- und Nachtarbeiten könne der Kläger täglich noch sechs Stunden und mehr verrichten. Unterbleiben sollten Arbeiten in Kälte, unter Wärmeeinfluss sowie unter Einwirkung von Staub, Gase, Dämpfe oder Nässe sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten.
Der Neurologe und Psychiater Dr. P. hat in dem gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 8.3.2011 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine rezidivierende Depression mit fluktuierender Symptomatik, aktuell eher leichtgradig, aber über den Schweregrad einer Dysthymie hinausgehend. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne aus seiner Sicht keine Tätigkeiten mehr als zwei Stunden täglich verrichten.
Mit Urteil vom 11.8.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzung für eine Erwerbsminderungsrente nicht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er, wie für das SG nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, nach wie vor in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Zu dieser Überzeugung gelange das SG insbesondere aufgrund des ausführlichen und differenzierten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. R. Die Einschätzung des auf Antrag des Klägers tätig gewordenen Gutachters Dr. P. sei hingegen aus seinen Ausführungen nicht schlüssig und nachvollziehbar ableitbar. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 16.9.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.9.2011 Berufung eingelegt und unter Vorlage eines Arztbriefes von Dr. W. (Praxisklinik Allgemeinmedizin Psychiatrie Psychotherapie Naturheilverfahren Akupunktur Umweltmedizin) vom 9.11.2011 vorgetragen, Dr. R., der ihn nur ein einziges Mal gesehen habe, habe die Schwere der somatoformen Schmerzstörung als auch die Intensität der Depression verkannt. Sein behandelnder Arzt Dr. P. habe nicht nur eine depressive Verstimmung, sondern eine wesentlich schwerere Form der Depression festgestellt. Dies werde bestätigt durch die Feststellungen des Dr. W., der im beiliegenden Bericht vom 9.11.2011 eine rezidivierende mittelgradige depressive Reaktion sowie eine somatoforme Schmerzstörung festgestellt und eine stationäre psychiatrische Therapie empfohlen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2009 auf Dauer zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen. Sie verweise auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Verfügung vom 20.1.2012 hat der Senat darauf hingewiesen, dass sich aus der vorgelegten Bescheinigung von Dr. W. keine neuen medizinischen Gesichtspunkte ergäben, so dass eine Anhörung von Dr. W. nicht erforderlich sei und der Kläger im Übrigen die Antidepressiva abgesetzt habe. Nach Stellungnahme des Klägers (er habe lediglich am Tag der Untersuchung durch Dr. W. keine Antidepressiva eingenommen, Dr. W. habe festgestellt, dass er unter einer somatoformen Schmerzstörung im Rahmen einer langjährigen depressiven Erkrankung leide) hat der Senat darauf hingewiesen, dass die depressive Störung und die somatoforme Schmerzstörung vom Sachverständigen Dr. R. berücksichtigt worden seien, ein neuer medizinischer Sachverhalt nicht ersichtlich sei und es bei der Verfügung vom 20.1.2012 verbleibe.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 20.1. und 16.2.2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von dem Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und auch nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen – ebenso wie das SG – nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers, insbesondere aufgrund der auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte, geistig einfache und nervlich nicht belastende Tätigkeiten herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat insbesondere aufgrund der Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. S. und Dr. R.
Dem nach § 109 SGG bei dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. P. eingeholten Gutachten vermag sich der Senat nicht anzuschließen. So hat Dr. P. in dem Gutachten vom 8.3.2011 beim Kläger eine rezidivierende Depression mit fluktuierender Symptomatik, aktuell eher leichtgradig, aber über den Schweregrad einer Dysthymie hinausgehend, diagnostiziert. Angesichts dieser Diagnose ist schon nicht ersichtlich, welche Befunde im Vergleich zum Gutachten von Dr. R. wesentlich schwerwiegender ausgeprägt sein und dazu führen sollen, dass Tätigkeiten lediglich nur noch zwei Stunden täglich ausgeführt werden können. Darüber hinaus hat Dr. P. in seinem äußerst kurz gehaltenen Gutachten sich auch nicht mit dem von seiner Leistungsbeurteilung abweichenden Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. und insbesondere nicht mit dem umfassenden und ausführlichen Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. R. auseinandergesetzt.
Aus dem vorgelegten Arztbrief von Dr. W. vom 9.11.2011 ergeben sich keine neuen medizinischen Erkenntnisse hinsichtlich der Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Eine psychiatrische Exploration ist dem Arztbrief nicht zu entnehmen. Letztlich kann auch dahinstehen, ob die Ausführungen im Arztbrief von Dr. W.: "Er (der Kläger) habe mehrere Antidepressiva eingenommen, jedoch alles abgesetzt. Zuletzt habe er Citalopram und Venlafaxin eingenommen. Nun nehme er nichts mehr" tatsächlich auf einem Missverständnis beruhen und der Kläger – wie im Schriftsatz vom 8.2.2012 vorgetragen – lediglich an dem Tag der Untersuchung durch Dr. W. am 3.11.2011 keine Antidepressiva eingenommen hat, da sich neue medizinische Erkenntnisse auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet aus dem Arztbrief nicht ergeben. Soweit der Kläger meint, neue Erkenntnisse lägen darin, dass Dr. W., wie Dr. P. auch, zu der Feststellung gelange, er leide unter einer somatoformen Schmerzstörung im Rahmen seiner langjährigen depressiven Erkrankung, ist darauf hinzuweisen, dass die depressive Störung und die somatoforme Schmerzstörung von dem Sachverständigen Dr. R. im Gutachten vom 24.9.2010 berücksichtigt und umfassend gewürdigt worden sind, während Dr. P. im Gutachten vom 8.3.2011 lediglich die Diagnose einer rezidivierenden Depression mit fluktuierender Symptomatik, aktuell eher leichtgradig, gestellt hat.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1954 geborene Kläger hat in der ehemaligen S. von April bis Oktober 1977 eine Ausbildung zum Baggermaschinist absolviert. Im Februar 1981 kam er in die Bundesrepublik Deutschland und war hier von Februar 1982 bis August 2008, der Kündigung durch den Arbeitgeber, als Baggerfahrer beschäftigt. Seit 28.3.2009 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (ALG).
Am 30.4.2009 beantragte der Kläger, bei dem seit 27.12.2006 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt ist (Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 26.4.2007) wegen Depressionen die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen (u.a. Gutachten nach Aktenlage der Ärztin der Agentur für Arbeit P. vom 8.5.2009: vollschichtiges Leistungsvermögen bei qualitativen Einschränkungen) und beauftragte den Chirurgen Dr. G. mit der Begutachtung des Klägers. Aufgrund der Durchsicht der vorgelegten Befundberichte und der Angaben des Klägers bei seiner Einbestellung am 4.6.2009, er halte sich in erster Linie wegen psychischer Probleme für erwerbsgemindert, veranlasste der Chirurg Dr. G. eine nervenärztliche Begutachtung. Der Neurologen und Psychiater Dr. S. stellte im Gutachten vom 6.7.2009 beim Kläger auf seinem Fachgebiet ein leichtgradig ausgeprägtes depressiv-gereiztes Syndrom reaktiver Genese, einen Zustand nach Arbeitsunfall mit Verletzungen des rechten Beins im Jahr 1987 und noch einer leichtgradig ausgeprägten Großzehenheber- und Großzehensenkerschwäche rechts fest und äußerte den Verdacht auf eine beginnende Polyneuropathie. Als sonstige Diagnosen nannte er: Degeneratives Wirbelsäulen-Syndrom ohne signifikante sensomotorische Ausfälle, Schulter-Arm-Syndrom beidseits und arterielle Hypertonie ohne bekannte Folgeerkrankungen. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, ohne vermehrte Überkopfarbeiten und ohne erhöhte Unfallgefahr täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Inwieweit die Tätigkeit eines Baggerfahrers aus orthopädischer Sicht vertretbar sei, könne er nicht hinreichend beurteilen. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt und besondere Arbeitsbedingungen, wie betriebsunübliche Pausen oder besonders gestaltetes Arbeitsgerät, seien nicht notwendig. Gegenwärtig und vorläufig seien Tätigkeiten mit vermehrter Beanspruchung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens nicht vertretbar. Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr sowie Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sollten unterbleiben. Dr. G. führte unter dem 10.7.2009 aus, das Gutachten sei nachvollziehbar und schlüssig.
Mit Bescheid vom 20.7.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Hiergegen legte der Kläger am 28.7.2009 Widerspruch ein und verwies darauf, dass seine Beschwerden (starke Depression und Kopfschmerzen sowie Nackenschmerzen) nach wie vor bestünden. Er legte ein Gutachten nach Aktenlage der Ärztin der Agentur für Arbeit P. vom 11.5.2009 vor, die die Ansicht vertrat, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Baggerführer könne allenfalls vier Stunden täglich, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in möglichst wechselnder Körperhaltung könnten vollschichtig (täglich sechs Stunden und mehr) verrichtet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 25.11.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. hat unter dem 9.2.2010 ausgeführt, er behandle den Kläger, der seit 2004 bei seinem Praxisvorgänger in Behandlung gestanden habe, seit 4.9.2008. Beim Kläger liege eine rezidivierende Depression, gegenwärtig mittelschwere depressive Episode über den gesamten Zeitraum, vor. Aufgrund der Antriebsminderung sei der Kläger seit 1,5 Jahren und auch derzeit nicht in der Lage, einer regelmäßigen Beschäftigung, weder vollschichtig noch untervollschichtig, nachzugehen. In wieweit nach Abschluss des Rentenverfahrens eine dann eventuell mögliche ambulante Psychotherapie zu einer Besserung führe, könne derzeit nicht gesagt werden.
Der Arzt für Orthopädie Dr. R. hat am 17.2.2010 erklärt, der Kläger leide an einem chronischen rezidivierenden degenerativen Zervikal- und Lumbalsyndrom sowie einem Schulter-Arm-Syndrom. Da die orthopädischen Beschwerden seit Jahren von einer therapiebedürftigen Depression überlagert würden, könne er die Frage zum Leistungsvermögen nicht mit ausreichender Sicherheit beantworten. Er hat einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 16.11.2009 (derzeit mittelgradige depressive Symptomatik, Erhöhung der Citalopram-Dosis auf 60 mg täglich) vorgelegt.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. hat unter dem 9.3.2010 ausgeführt, der Kläger leide unter körperlichen und psychischen Beschwerden, oft wechselnd und in unterschiedlicher Stärke. Ab 2003 seien regelmäßige Überweisungen zu den Fachärzten erfolgt.
Dr. R., Chefarzt der Klinik für Neurologie der Sankt R. Kliniken sowie Arzt für Neurologie, Psychiatrie und spezielle Schmerztherapie, hat im Gutachten vom 24.9.2010 beim Kläger eine Dysthymia und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Er ist zum Ergebnis gelangt, leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend im Sitzen ohne Zwangshaltungen mit Heben und Tragen bis 10 kg, ohne Akkord- und Nachtarbeiten könne der Kläger täglich noch sechs Stunden und mehr verrichten. Unterbleiben sollten Arbeiten in Kälte, unter Wärmeeinfluss sowie unter Einwirkung von Staub, Gase, Dämpfe oder Nässe sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten.
Der Neurologe und Psychiater Dr. P. hat in dem gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 8.3.2011 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine rezidivierende Depression mit fluktuierender Symptomatik, aktuell eher leichtgradig, aber über den Schweregrad einer Dysthymie hinausgehend. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne aus seiner Sicht keine Tätigkeiten mehr als zwei Stunden täglich verrichten.
Mit Urteil vom 11.8.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzung für eine Erwerbsminderungsrente nicht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er, wie für das SG nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, nach wie vor in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Zu dieser Überzeugung gelange das SG insbesondere aufgrund des ausführlichen und differenzierten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. R. Die Einschätzung des auf Antrag des Klägers tätig gewordenen Gutachters Dr. P. sei hingegen aus seinen Ausführungen nicht schlüssig und nachvollziehbar ableitbar. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 16.9.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.9.2011 Berufung eingelegt und unter Vorlage eines Arztbriefes von Dr. W. (Praxisklinik Allgemeinmedizin Psychiatrie Psychotherapie Naturheilverfahren Akupunktur Umweltmedizin) vom 9.11.2011 vorgetragen, Dr. R., der ihn nur ein einziges Mal gesehen habe, habe die Schwere der somatoformen Schmerzstörung als auch die Intensität der Depression verkannt. Sein behandelnder Arzt Dr. P. habe nicht nur eine depressive Verstimmung, sondern eine wesentlich schwerere Form der Depression festgestellt. Dies werde bestätigt durch die Feststellungen des Dr. W., der im beiliegenden Bericht vom 9.11.2011 eine rezidivierende mittelgradige depressive Reaktion sowie eine somatoforme Schmerzstörung festgestellt und eine stationäre psychiatrische Therapie empfohlen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2009 auf Dauer zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen. Sie verweise auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Verfügung vom 20.1.2012 hat der Senat darauf hingewiesen, dass sich aus der vorgelegten Bescheinigung von Dr. W. keine neuen medizinischen Gesichtspunkte ergäben, so dass eine Anhörung von Dr. W. nicht erforderlich sei und der Kläger im Übrigen die Antidepressiva abgesetzt habe. Nach Stellungnahme des Klägers (er habe lediglich am Tag der Untersuchung durch Dr. W. keine Antidepressiva eingenommen, Dr. W. habe festgestellt, dass er unter einer somatoformen Schmerzstörung im Rahmen einer langjährigen depressiven Erkrankung leide) hat der Senat darauf hingewiesen, dass die depressive Störung und die somatoforme Schmerzstörung vom Sachverständigen Dr. R. berücksichtigt worden seien, ein neuer medizinischer Sachverhalt nicht ersichtlich sei und es bei der Verfügung vom 20.1.2012 verbleibe.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 20.1. und 16.2.2012 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von dem Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und auch nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen – ebenso wie das SG – nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen des Klägers, insbesondere aufgrund der auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte, geistig einfache und nervlich nicht belastende Tätigkeiten herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat insbesondere aufgrund der Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. S. und Dr. R.
Dem nach § 109 SGG bei dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. P. eingeholten Gutachten vermag sich der Senat nicht anzuschließen. So hat Dr. P. in dem Gutachten vom 8.3.2011 beim Kläger eine rezidivierende Depression mit fluktuierender Symptomatik, aktuell eher leichtgradig, aber über den Schweregrad einer Dysthymie hinausgehend, diagnostiziert. Angesichts dieser Diagnose ist schon nicht ersichtlich, welche Befunde im Vergleich zum Gutachten von Dr. R. wesentlich schwerwiegender ausgeprägt sein und dazu führen sollen, dass Tätigkeiten lediglich nur noch zwei Stunden täglich ausgeführt werden können. Darüber hinaus hat Dr. P. in seinem äußerst kurz gehaltenen Gutachten sich auch nicht mit dem von seiner Leistungsbeurteilung abweichenden Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. und insbesondere nicht mit dem umfassenden und ausführlichen Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. R. auseinandergesetzt.
Aus dem vorgelegten Arztbrief von Dr. W. vom 9.11.2011 ergeben sich keine neuen medizinischen Erkenntnisse hinsichtlich der Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Eine psychiatrische Exploration ist dem Arztbrief nicht zu entnehmen. Letztlich kann auch dahinstehen, ob die Ausführungen im Arztbrief von Dr. W.: "Er (der Kläger) habe mehrere Antidepressiva eingenommen, jedoch alles abgesetzt. Zuletzt habe er Citalopram und Venlafaxin eingenommen. Nun nehme er nichts mehr" tatsächlich auf einem Missverständnis beruhen und der Kläger – wie im Schriftsatz vom 8.2.2012 vorgetragen – lediglich an dem Tag der Untersuchung durch Dr. W. am 3.11.2011 keine Antidepressiva eingenommen hat, da sich neue medizinische Erkenntnisse auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet aus dem Arztbrief nicht ergeben. Soweit der Kläger meint, neue Erkenntnisse lägen darin, dass Dr. W., wie Dr. P. auch, zu der Feststellung gelange, er leide unter einer somatoformen Schmerzstörung im Rahmen seiner langjährigen depressiven Erkrankung, ist darauf hinzuweisen, dass die depressive Störung und die somatoforme Schmerzstörung von dem Sachverständigen Dr. R. im Gutachten vom 24.9.2010 berücksichtigt und umfassend gewürdigt worden sind, während Dr. P. im Gutachten vom 8.3.2011 lediglich die Diagnose einer rezidivierenden Depression mit fluktuierender Symptomatik, aktuell eher leichtgradig, gestellt hat.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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