Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
50
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 50 KR 332/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sozialgericht Duisburg
Az.: S 50 KR 332/17
Verkündet am 30.01.2018
Burbach Regierungsangestellte
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Gabriele Plawecki, In den Kämpen 7, 47169 Duisburg
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt Enzweiler u.a., Weseler Straße 66, 47169 Duisburg
gegen
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft- Bahn-See Abt. IX -Recht- Dez.IX.2, vertreten durch die Geschäftsführung, Wasserstraße 215, 44799 Bochum, Gz.: IX.2.3/K429885 KV-/PVNR: Z239188819
Beklagte
hat die 50. Kammer des Sozialgerichts Duisburg auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2018 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht Dr. Kley, sowie die ehrenamtliche Richterin Wirth und den ehrenamtlichen Richter Werner für Recht erkannt:
Az.: S 50 KR 332/17
Verkündet am 30.01.2018
Burbach Regierungsangestellte
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Gabriele Plawecki, In den Kämpen 7, 47169 Duisburg
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt Enzweiler u.a., Weseler Straße 66, 47169 Duisburg
gegen
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft- Bahn-See Abt. IX -Recht- Dez.IX.2, vertreten durch die Geschäftsführung, Wasserstraße 215, 44799 Bochum, Gz.: IX.2.3/K429885 KV-/PVNR: Z239188819
Beklagte
hat die 50. Kammer des Sozialgerichts Duisburg auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2018 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht Dr. Kley, sowie die ehrenamtliche Richterin Wirth und den ehrenamtlichen Richter Werner für Recht erkannt:
Unter Abänderung des Bescheides vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 09.04.2016 bis 18.04.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 09.04.2016 bis 18.04.2016 in Höhe von 58,85 EUR brutto kalendertäglich (10 x 58,85 EUR = 588,50 EUR).
Die am 05.03.1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 15.01.2016 erkrankte sie arbeitsunfähig.
Am 08.04.2016 stellte der Hausarzt der Klägerin, Herr Miroslaw-Karl Podeszwa aus Duisburg, die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 22.04.2016 fest. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.04.2016 übersandte Herr Podeszwa in einem ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlag/Sammelumschlag an die Beklagte.
Mit Bescheid vom 21.04.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass in der Zeit vom 09.04.2016 bis zum 18.04.2016 der Anspruch auf Krankengeld ruhe, weil die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit der Beklagten erst am 19.04.2016 und damit nicht innerhalb einer Woche nach ärztlicher Feststellung am 08.04.2016 angezeigt worden sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.04.2016 Widerspruch ein und begründete ihn dahingehend, dass die Arztpraxis die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Beklagte übernommen habe. Beigefügt war ein Schreiben des Hausarztes Podeszwa vom 26.04.2016, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin von Herrn Podeszwa seit dem 15.01.2016 dauerhaft arbeitsunfähig geschrieben worden sei und die Folgebescheinigungen einmal wöchentlich im Sammelumschlag an die Beklagte geschickt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie an, dass das Widerspruchsschreiben der Klägerin erst am 30.11.2016 und damit nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist bei der Beklagten eingegangen sei.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, dass ausweislich des Auslieferungsbelegs der Widerspruch der Klägerin am 03.05.2016 und damit fristgemäß bei der Beklagten eingegangen sei. Des Weiteren sei ein Ruhen des Anspruchs nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin über ihren behandelnden Arzt dafür Sorge getragen habe, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fristgemäß bei der Beklagten eingehen. Eine verspätete oder unterbliebene Meldung sei der Klägerin nicht zuzurechnen. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit habe der Arzt übernommen und damit die Klägerin von ihrer Obliegenheit entlastet. In diesem Fall habe die Klägerin als Versicherte darauf vertrauen können, dass der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fristgerecht an die Beklagte weiterleiten wird.
Die Klägerin beantragt,
1. der Bescheid der Beklagten vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 wird aufgehoben 2. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 09.04.2016 bis 18.04.2016 Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen 2. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat zuletzt unstreitig gestellt, dass der Widerspruch fristgerecht eingegangen ist. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, dass es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich um die Obliegenheit des Versicherten handele, der die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung somit zu tragen habe. Dies gelte selbst dann, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien und dem Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung zur Last gelegt werden könne. Hinsichtlich eines möglichen Verschuldens des Arztes werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Zurechnung des Verschuldens eines Arztes und ggfs. entstandene Schadensersatzansprüche gegen den Arzt verwiesen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.04.2016 sei erst am 19.04.2016 gescannt worden, so dass die Mitteilung nicht innerhalb der Meldefrist von einer Woche erfolgt sei. Das Scandatum der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen komme dem Eingangsstempel gleich. Das Scannen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erfolge taggenau, also am Tage ihres tatsächlichen Eingangs bei der Beklagten. Bezüglich des Vorbringens zu den Freiumschlägen hat die Beklagte vorgetragen, dass die Freiumschläge Ende der 90er Jahre vor dem Hintergrund des § 5 EntgFG als Service für die Ärzte eingeführt worden seien. Die Versendung der Freiumschläge an die Ärzte sei im Juni 2016 eingestellt worden. Es habe keine Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Ärzten gegeben, dass die Ärzte den Versicherten die ihnen grundsätzlich obliegende Übersendung der Arbeitsunfähigkeits- bescheinigungen abnehmen sollten. Vielmehr habe es einen ärztlichen Service für die Patienten dargestellt. Dieser ärztliche Service sei weder im Auftrag noch auf Veranlassung der Beklagten erfolgt, sondern von den Ärzten angeboten und eigenverantwortlich durchgeführt worden. Ein etwaiges Fehlverhalten der Ärzte durch den verspäteten Versand der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei somit nicht der Beklagten anzulasten.
Hierauf hat die Klägerin erwidert, dass sie mit Nichtwissen bestreite, ob und wann die streitige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten gescannt wurde und ob sie bei der Beklagten verspätet eingegangen sei. Rein vorsorglich werde auch bestritten, dass es keine Vereinbarung zwischen den Ärzten und den Versicherern gebe, wonach die Ärzte die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Patienten an die Versicherer weiterleiten. Die Beklagte stelle selbst dar, dass offensichtlich ein Jahrzehnte alter Service der Ärzte für die Versicherten betrieben worden sei, nach welchem die Ärzte für die Versicherten gesammelt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Versicherer weitergeleitet haben. Dementsprechend könne auch der Beklagten nicht entgangen sein, dass hier Sammelanschreiben der Ärzte mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Patienten bei dieser eingegangen seien. Die Beklagte führe selbst aus, dass Ärzte nicht selten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Tage sammeln und in einem Umschlag bzw. zeitgleich versenden würden. Danach sei diese Vorgehensweise der Beklagten bestens bekannt gewesen. Die Beklagte habe diese geduldet und akzeptiert. Sie habe dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Der die Klägerin behandelnde Arzt habe also so verfahren, wie in der jahrelangen Praxis auch gegenüber der Beklagten. Dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Es wirke treuwidrig, wenn ein mögliches Fehlverhalten der behandelnden Ärzte jahrelang geduldet werde und letztendlich zum Nachteil der Patienten führen solle.
Auf Nachfrage des Gerichts hat der die Klägerin behandelnde Hausarzt, Herr Podeszwa, mit Schreiben vom 25.10.2017 mitgeteilt, dass die Krankenkassen eine Sammelübersendung der Arbeitsunfähigkeitsdurchschriften wünschen. Sie würden dafür sogar Freiumschläge zur Verfügung stellen. Aus diesem Grund habe er es auch jahrelang so gehandhabt und nie Probleme dabei gehabt. Die Umschläge seien meistens einmal wöchentlich an die jeweilige Krankenkasse versandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, da der von der Beklagten erlassene Bescheid vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 rechtswidrig ist.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 09.04.2016 bis zum 18.04.2016.
Gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Vorliegend hat die Klägerin ihre weitere Arbeitsunfähigkeit am 08.04.2016 von ihrem Hausarzt, Herrn Podeszwa, feststellen lassen. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass die Klägerin wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist.
Zwar ist davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.04.2016 nicht innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 2 SGB V bei der Beklagten eingegangen ist. Insofern ist auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handschriftlich als Scandatum der 19.04.2016 vermerkt (auf Bl. 2 der Verwaltungsakte der Beklagten wird verwiesen) und nach dem Vortrag der Beklagten werden die bei ihr eingehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am Tage des Eingangs gescannt. Die Klägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung binnen einer Woche bei der Beklagten eingegangen ist. Nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Beweislast obliegt der Klägerin die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten. Ein Zustellnachweis liegt jedoch nicht vor.
Gleichwohl hat der Krankengeldanspruch der Klägerin nicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 1 SGB V in der streitgegenständlichen Zeit geruht, weil aufgrund der vorliegenden Umstände ein Ausnahmefall vorliegt, der einen Krankengeldanspruch auslöst, obwohl die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht innerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 2 SGB V bei der Beklagten eingegangen ist. Insofern hat die Klägerin alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan, um ihren Krankengeldanspruch zu wahren. Sie durfte auch darauf vertrauen, dass die von ihrem behandelnden Hausarzt, Herrn Podeszwa, in einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlag an diese versandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung binnen der gesetzlichen Wochenfrist bei der Beklagten eingeht.
Grundsätzlich handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozial- gerichts bei der Meldepflicht um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer nicht rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Somit ist die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R – mwN, juris; BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – juris).
Von diesem Grundsatz hat das Bundessozialgericht unter engen Voraussetzungen aber auch Ausnahmefälle anerkannt. So sind dem Versicherten Krankengeldansprüche zuerkannt worden, wenn die ärztliche Feststellung oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind. Unter der Voraussetzung, dass keine Zweifel an der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum vorliegen und keinerlei Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch ersichtlich sind, hat der Versicherte demnach Anspruch auf Krankengeld, wenn er
1. alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um
a) die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist,
2. der Versicherte an der Wahrung der Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (wie z. B. durch die irrtümlich nicht zeitgerecht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung),
3. und der Versicherte - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.
Einen solchen Ausnahmefall hat das Bundessozialgericht bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten (BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr. 18 zu § 182 RVO; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 23), im Falle des verspäteten Zugangs der Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat (BSGE 52, 254, 258 ff und LS 2 = SozR 2200 § 216 Nr. 5), für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung (BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr. 84; BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, RdNr. 22; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 23; BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 7, RdNr. 24 mwN), bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes (BSGE 85, 271, 277 f = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4) sowie zuletzt für den Fall der aus nichtmedizinischen Gründen irrtümlich nicht zeitgerecht erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R – juris) bejaht.
Unter Berücksichtigung dieser Ausnahmefallrechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Kammer der Auffassung, dass auch im Falle der von der Krankenkasse den Ärzten zur Verfügung gestellten Freiumschläge für die Übersendung der Arbeitsunfähigkeits- bescheinigungen vom Arzt an die Krankenkasse ein Ausnahmefall vorliegt.
Bereits mit Urteil vom 28.10.1981 (BSGE 52, 254, 258 ff und LS 2 = SozR 2200 § 216 Nr. 5) hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass sich die Krankenkasse bei einem nicht rechtzeitigen Zugang der dem Versicherten obliegenden Meldung der Arbeitsunfähigkeit dann nicht auf ein Ruhen des Krankengeldanspruchs berufen könne, wenn der nicht rechtzeitige Zugang der Meldung auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallen. In diesem Fall stehe der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes dem Ruhen des Krankengeldanspruchs entgegen. Ein anderes Ergebnis sei mit der Zielsetzung des SGB, dem Bürger den Zugang zu den Sozialleistungen zu erleichtern, nicht in Einklang zu bringen.
Auch im vorliegenden Fall sind die vom Bundessozialgericht aufgestellten Voraussetzungen für einen Ausnahmefall nach Auffassung der Kammer erfüllt.
Zweifel an der von Herrn Podeszwa am 08.04.2016 festgestellten Arbeitsunfähigkeit sowie Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch sind nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden. Die Klägerin hat alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan hat, um ihre Ansprüche zu wahren, indem sie einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt, Herrn Podeszwa, persönlich am 08.04.2016 aufgesucht und ihm ihre Beschwerden geschildert hat, um die ärztliche Feststellung ihrer weiteren Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen. Die Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit ist auch rechtzeitig innerhalb der anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt. Die Klägerin war an der Wahrung der Ansprüche dadurch gehindert, dass Herr Podeszwa die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Beklagte übernommen hat, so wie er es aufgrund jahrelanger Praxis schon immer getan hat. Die Klägerin durfte auch darauf vertrauen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig bei der Beklagten eingeht (ebenso SG Aachen, Urteil vom 31.01.2017 - S 13 KR 318/16 – juris). Dieser Vertrauenstatbestand wird dadurch begründet, dass regelmäßig zwischen dem Arzt und seinem Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Aufgrund dessen darf der Patient davon ausgehen, dass, wenn er seinen Arzt aufsucht, um seine (weitere) Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und der Arzt ihm mitteilt, dass er die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse übernimmt, der Arzt dies auch mit der gebotenen Sorgfalt durchführt. Es ist auch davon auszugehen, dass dem Arzt die Bedeutung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die für den Patienten bestehende Wichtigkeit einer umgehenden Übersendung an die Krankenkasse aufgrund des damit häufig verbundenen Anspruchs auf Krankengeld bewusst sind. Hier liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin hätte erkennen oder wissen können, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht binnen der gesetzlichen Wochenfrist bei der Beklagten eingeht, so dass sie die Meldung der Arbeitsunfähigkeit bzw. die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Beklagte hätte selbst vornehmen oder bei der Beklagten rechtzeitig hätte nachfragen müssen, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingegangen ist.
Die nicht rechtzeitig erfolgte Meldung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gegenüber der Beklagten geht im vorliegenden Fall nicht zu Lasten der Klägerin, weil etwaige Probleme, die im Rahmen der Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seitens des Arztes an die Krankenkasse in von der Krankenkasse den Ärzten zur Verfügung gestellten Freiumschlägen dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sind (ebenso SG Aachen, Urteil vom 31.01.2017, aaO).
Die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch den Vertragsarzt, Herrn Podeszwa, ist von der Beklagten durch die Zurverfügungstellung der Freiumschläge veranlasst worden. Damit war für die Beklagte erkennbar, dass die Verfahrensweise, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vom Versicherten, sondern vom Vertragsarzt an die Beklagte geschickt wird, auch genutzt wird und somit die grundsätzlich dem Versicherten obliegende Aufgabe, der Krankenkasse seine (weitere) Arbeitsunfähigkeit zu melden, vom Arzt übernommen wird, auf die der Versicherte sodann keinen Einfluss mehr hat. Wie die Klägerin zu Recht vorgetragen hat, hat die Beklagte diese Verfahrensweise jahrelang geduldet. Zudem hat der die Klägerin behandelnde Hausarzt, Herr Podeszwa, mit Schreiben vom 25.10.2017 mitgeteilt, dass die Krankenkassen eine Sammelübersendung der Arbeitsunfähigkeitsdurchschriften gewünscht und dafür sogar Freiumschläge zur Verfügung gestellt hätten. Aus diesem Grund habe er es auch jahrelang so gehandhabt und nie Probleme dabei gehabt. Diese Verfahrensweise und damit auch etwaige Probleme im Zusammenhang mit dieser sind somit der Sphäre der Beklagten und nicht des Versicherten zuzurechnen. Auf das Vorliegen einer Vereinbarung kommt es deshalb nicht an.
Nur eine solche Sichtweise kann dem Schutzbedürfnis der Versicherten in der sozialen Krankenversicherung gerecht werden, wie es auch in § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - explizit hervorgehoben wird. Danach ist bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen, dass die sozialen Rechte (hier: insbesondere dasjenige auf wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB I) "möglichst weitgehend" verwirklicht werden (BSG, Urteil vom 11.05.2017, aaO). In diese Richtung geht letztlich auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach trotz des grundsätzlich fehlenden verfassungsrechtlichen Anspruchs auf bestimmte Leistungen der GKV gesetzliche bzw. auf dem Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen ebenso wie die nachteilige Auslegung und Anwendung von Regelungen des Leistungsrechts der GKV durch die Fachgerichte stets daran gemessen werden müssen, ob sie im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - gerechtfertigt sind, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen; das gilt insbesondere für diejenigen Personen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen, die in der GKV pflichtversichert sind und denen die Möglichkeit einer davon abweichenden Absicherung nicht offen steht (BSG, Urteil vom 11.05.2017, aaO unter Verweis auf BVerfGE 115, 25, 42 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 20 ff).
Die Klägerin hat schließlich auch unverzüglich ihre Rechte bei der Beklagten nach Erlangung der Kenntnis von dem verspäteten Eingang der Arbeitsunfähigkeits- bescheinigung geltend gemacht, indem sie gegen den Bescheid vom 21.04.2016 fristgemäß Widerspruch eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG war die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil dem Gericht bekannt ist, dass sowohl in anderen KR-Kammern des Sozialgerichts Duisburg als auch an anderen Sozialgerichten in Nordrhein-Westfalen eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren anhängig ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Duisburg schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Dr. Kley
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 09.04.2016 bis 18.04.2016 in Höhe von 58,85 EUR brutto kalendertäglich (10 x 58,85 EUR = 588,50 EUR).
Die am 05.03.1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 15.01.2016 erkrankte sie arbeitsunfähig.
Am 08.04.2016 stellte der Hausarzt der Klägerin, Herr Miroslaw-Karl Podeszwa aus Duisburg, die weitere Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 22.04.2016 fest. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.04.2016 übersandte Herr Podeszwa in einem ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlag/Sammelumschlag an die Beklagte.
Mit Bescheid vom 21.04.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass in der Zeit vom 09.04.2016 bis zum 18.04.2016 der Anspruch auf Krankengeld ruhe, weil die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit der Beklagten erst am 19.04.2016 und damit nicht innerhalb einer Woche nach ärztlicher Feststellung am 08.04.2016 angezeigt worden sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.04.2016 Widerspruch ein und begründete ihn dahingehend, dass die Arztpraxis die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Beklagte übernommen habe. Beigefügt war ein Schreiben des Hausarztes Podeszwa vom 26.04.2016, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin von Herrn Podeszwa seit dem 15.01.2016 dauerhaft arbeitsunfähig geschrieben worden sei und die Folgebescheinigungen einmal wöchentlich im Sammelumschlag an die Beklagte geschickt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie an, dass das Widerspruchsschreiben der Klägerin erst am 30.11.2016 und damit nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist bei der Beklagten eingegangen sei.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, dass ausweislich des Auslieferungsbelegs der Widerspruch der Klägerin am 03.05.2016 und damit fristgemäß bei der Beklagten eingegangen sei. Des Weiteren sei ein Ruhen des Anspruchs nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin über ihren behandelnden Arzt dafür Sorge getragen habe, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fristgemäß bei der Beklagten eingehen. Eine verspätete oder unterbliebene Meldung sei der Klägerin nicht zuzurechnen. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit habe der Arzt übernommen und damit die Klägerin von ihrer Obliegenheit entlastet. In diesem Fall habe die Klägerin als Versicherte darauf vertrauen können, dass der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fristgerecht an die Beklagte weiterleiten wird.
Die Klägerin beantragt,
1. der Bescheid der Beklagten vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 wird aufgehoben 2. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 09.04.2016 bis 18.04.2016 Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen 2. die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat zuletzt unstreitig gestellt, dass der Widerspruch fristgerecht eingegangen ist. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, dass es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich um die Obliegenheit des Versicherten handele, der die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung somit zu tragen habe. Dies gelte selbst dann, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien und dem Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung zur Last gelegt werden könne. Hinsichtlich eines möglichen Verschuldens des Arztes werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Zurechnung des Verschuldens eines Arztes und ggfs. entstandene Schadensersatzansprüche gegen den Arzt verwiesen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.04.2016 sei erst am 19.04.2016 gescannt worden, so dass die Mitteilung nicht innerhalb der Meldefrist von einer Woche erfolgt sei. Das Scandatum der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen komme dem Eingangsstempel gleich. Das Scannen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erfolge taggenau, also am Tage ihres tatsächlichen Eingangs bei der Beklagten. Bezüglich des Vorbringens zu den Freiumschlägen hat die Beklagte vorgetragen, dass die Freiumschläge Ende der 90er Jahre vor dem Hintergrund des § 5 EntgFG als Service für die Ärzte eingeführt worden seien. Die Versendung der Freiumschläge an die Ärzte sei im Juni 2016 eingestellt worden. Es habe keine Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Ärzten gegeben, dass die Ärzte den Versicherten die ihnen grundsätzlich obliegende Übersendung der Arbeitsunfähigkeits- bescheinigungen abnehmen sollten. Vielmehr habe es einen ärztlichen Service für die Patienten dargestellt. Dieser ärztliche Service sei weder im Auftrag noch auf Veranlassung der Beklagten erfolgt, sondern von den Ärzten angeboten und eigenverantwortlich durchgeführt worden. Ein etwaiges Fehlverhalten der Ärzte durch den verspäteten Versand der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei somit nicht der Beklagten anzulasten.
Hierauf hat die Klägerin erwidert, dass sie mit Nichtwissen bestreite, ob und wann die streitige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten gescannt wurde und ob sie bei der Beklagten verspätet eingegangen sei. Rein vorsorglich werde auch bestritten, dass es keine Vereinbarung zwischen den Ärzten und den Versicherern gebe, wonach die Ärzte die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Patienten an die Versicherer weiterleiten. Die Beklagte stelle selbst dar, dass offensichtlich ein Jahrzehnte alter Service der Ärzte für die Versicherten betrieben worden sei, nach welchem die Ärzte für die Versicherten gesammelt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Versicherer weitergeleitet haben. Dementsprechend könne auch der Beklagten nicht entgangen sein, dass hier Sammelanschreiben der Ärzte mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Patienten bei dieser eingegangen seien. Die Beklagte führe selbst aus, dass Ärzte nicht selten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Tage sammeln und in einem Umschlag bzw. zeitgleich versenden würden. Danach sei diese Vorgehensweise der Beklagten bestens bekannt gewesen. Die Beklagte habe diese geduldet und akzeptiert. Sie habe dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Der die Klägerin behandelnde Arzt habe also so verfahren, wie in der jahrelangen Praxis auch gegenüber der Beklagten. Dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Es wirke treuwidrig, wenn ein mögliches Fehlverhalten der behandelnden Ärzte jahrelang geduldet werde und letztendlich zum Nachteil der Patienten führen solle.
Auf Nachfrage des Gerichts hat der die Klägerin behandelnde Hausarzt, Herr Podeszwa, mit Schreiben vom 25.10.2017 mitgeteilt, dass die Krankenkassen eine Sammelübersendung der Arbeitsunfähigkeitsdurchschriften wünschen. Sie würden dafür sogar Freiumschläge zur Verfügung stellen. Aus diesem Grund habe er es auch jahrelang so gehandhabt und nie Probleme dabei gehabt. Die Umschläge seien meistens einmal wöchentlich an die jeweilige Krankenkasse versandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -, da der von der Beklagten erlassene Bescheid vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 rechtswidrig ist.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 09.04.2016 bis zum 18.04.2016.
Gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Vorliegend hat die Klägerin ihre weitere Arbeitsunfähigkeit am 08.04.2016 von ihrem Hausarzt, Herrn Podeszwa, feststellen lassen. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass die Klägerin wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist.
Zwar ist davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 08.04.2016 nicht innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 2 SGB V bei der Beklagten eingegangen ist. Insofern ist auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handschriftlich als Scandatum der 19.04.2016 vermerkt (auf Bl. 2 der Verwaltungsakte der Beklagten wird verwiesen) und nach dem Vortrag der Beklagten werden die bei ihr eingehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am Tage des Eingangs gescannt. Die Klägerin hat auch nicht nachgewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung binnen einer Woche bei der Beklagten eingegangen ist. Nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Beweislast obliegt der Klägerin die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten. Ein Zustellnachweis liegt jedoch nicht vor.
Gleichwohl hat der Krankengeldanspruch der Klägerin nicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 1 SGB V in der streitgegenständlichen Zeit geruht, weil aufgrund der vorliegenden Umstände ein Ausnahmefall vorliegt, der einen Krankengeldanspruch auslöst, obwohl die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht innerhalb der Wochenfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 2 SGB V bei der Beklagten eingegangen ist. Insofern hat die Klägerin alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan, um ihren Krankengeldanspruch zu wahren. Sie durfte auch darauf vertrauen, dass die von ihrem behandelnden Hausarzt, Herrn Podeszwa, in einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlag an diese versandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung binnen der gesetzlichen Wochenfrist bei der Beklagten eingeht.
Grundsätzlich handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozial- gerichts bei der Meldepflicht um eine Obliegenheit des Versicherten. Die Folgen einer nicht rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Somit ist die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R – mwN, juris; BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – juris).
Von diesem Grundsatz hat das Bundessozialgericht unter engen Voraussetzungen aber auch Ausnahmefälle anerkannt. So sind dem Versicherten Krankengeldansprüche zuerkannt worden, wenn die ärztliche Feststellung oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind. Unter der Voraussetzung, dass keine Zweifel an der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum vorliegen und keinerlei Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch ersichtlich sind, hat der Versicherte demnach Anspruch auf Krankengeld, wenn er
1. alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um
a) die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt ist,
2. der Versicherte an der Wahrung der Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (wie z. B. durch die irrtümlich nicht zeitgerecht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung),
3. und der Versicherte - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.
Einen solchen Ausnahmefall hat das Bundessozialgericht bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten (BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr. 18 zu § 182 RVO; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 23), im Falle des verspäteten Zugangs der Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat (BSGE 52, 254, 258 ff und LS 2 = SozR 2200 § 216 Nr. 5), für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung (BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr. 84; BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, RdNr. 22; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 23; BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 7, RdNr. 24 mwN), bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes (BSGE 85, 271, 277 f = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4) sowie zuletzt für den Fall der aus nichtmedizinischen Gründen irrtümlich nicht zeitgerecht erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R – juris) bejaht.
Unter Berücksichtigung dieser Ausnahmefallrechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Kammer der Auffassung, dass auch im Falle der von der Krankenkasse den Ärzten zur Verfügung gestellten Freiumschläge für die Übersendung der Arbeitsunfähigkeits- bescheinigungen vom Arzt an die Krankenkasse ein Ausnahmefall vorliegt.
Bereits mit Urteil vom 28.10.1981 (BSGE 52, 254, 258 ff und LS 2 = SozR 2200 § 216 Nr. 5) hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass sich die Krankenkasse bei einem nicht rechtzeitigen Zugang der dem Versicherten obliegenden Meldung der Arbeitsunfähigkeit dann nicht auf ein Ruhen des Krankengeldanspruchs berufen könne, wenn der nicht rechtzeitige Zugang der Meldung auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallen. In diesem Fall stehe der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes dem Ruhen des Krankengeldanspruchs entgegen. Ein anderes Ergebnis sei mit der Zielsetzung des SGB, dem Bürger den Zugang zu den Sozialleistungen zu erleichtern, nicht in Einklang zu bringen.
Auch im vorliegenden Fall sind die vom Bundessozialgericht aufgestellten Voraussetzungen für einen Ausnahmefall nach Auffassung der Kammer erfüllt.
Zweifel an der von Herrn Podeszwa am 08.04.2016 festgestellten Arbeitsunfähigkeit sowie Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch sind nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden. Die Klägerin hat alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan hat, um ihre Ansprüche zu wahren, indem sie einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt, Herrn Podeszwa, persönlich am 08.04.2016 aufgesucht und ihm ihre Beschwerden geschildert hat, um die ärztliche Feststellung ihrer weiteren Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen. Die Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit ist auch rechtzeitig innerhalb der anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeldanspruch erfolgt. Die Klägerin war an der Wahrung der Ansprüche dadurch gehindert, dass Herr Podeszwa die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Beklagte übernommen hat, so wie er es aufgrund jahrelanger Praxis schon immer getan hat. Die Klägerin durfte auch darauf vertrauen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig bei der Beklagten eingeht (ebenso SG Aachen, Urteil vom 31.01.2017 - S 13 KR 318/16 – juris). Dieser Vertrauenstatbestand wird dadurch begründet, dass regelmäßig zwischen dem Arzt und seinem Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Aufgrund dessen darf der Patient davon ausgehen, dass, wenn er seinen Arzt aufsucht, um seine (weitere) Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und der Arzt ihm mitteilt, dass er die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse übernimmt, der Arzt dies auch mit der gebotenen Sorgfalt durchführt. Es ist auch davon auszugehen, dass dem Arzt die Bedeutung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die für den Patienten bestehende Wichtigkeit einer umgehenden Übersendung an die Krankenkasse aufgrund des damit häufig verbundenen Anspruchs auf Krankengeld bewusst sind. Hier liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin hätte erkennen oder wissen können, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht binnen der gesetzlichen Wochenfrist bei der Beklagten eingeht, so dass sie die Meldung der Arbeitsunfähigkeit bzw. die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Beklagte hätte selbst vornehmen oder bei der Beklagten rechtzeitig hätte nachfragen müssen, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingegangen ist.
Die nicht rechtzeitig erfolgte Meldung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gegenüber der Beklagten geht im vorliegenden Fall nicht zu Lasten der Klägerin, weil etwaige Probleme, die im Rahmen der Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seitens des Arztes an die Krankenkasse in von der Krankenkasse den Ärzten zur Verfügung gestellten Freiumschlägen dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen sind (ebenso SG Aachen, Urteil vom 31.01.2017, aaO).
Die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch den Vertragsarzt, Herrn Podeszwa, ist von der Beklagten durch die Zurverfügungstellung der Freiumschläge veranlasst worden. Damit war für die Beklagte erkennbar, dass die Verfahrensweise, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vom Versicherten, sondern vom Vertragsarzt an die Beklagte geschickt wird, auch genutzt wird und somit die grundsätzlich dem Versicherten obliegende Aufgabe, der Krankenkasse seine (weitere) Arbeitsunfähigkeit zu melden, vom Arzt übernommen wird, auf die der Versicherte sodann keinen Einfluss mehr hat. Wie die Klägerin zu Recht vorgetragen hat, hat die Beklagte diese Verfahrensweise jahrelang geduldet. Zudem hat der die Klägerin behandelnde Hausarzt, Herr Podeszwa, mit Schreiben vom 25.10.2017 mitgeteilt, dass die Krankenkassen eine Sammelübersendung der Arbeitsunfähigkeitsdurchschriften gewünscht und dafür sogar Freiumschläge zur Verfügung gestellt hätten. Aus diesem Grund habe er es auch jahrelang so gehandhabt und nie Probleme dabei gehabt. Diese Verfahrensweise und damit auch etwaige Probleme im Zusammenhang mit dieser sind somit der Sphäre der Beklagten und nicht des Versicherten zuzurechnen. Auf das Vorliegen einer Vereinbarung kommt es deshalb nicht an.
Nur eine solche Sichtweise kann dem Schutzbedürfnis der Versicherten in der sozialen Krankenversicherung gerecht werden, wie es auch in § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - explizit hervorgehoben wird. Danach ist bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen, dass die sozialen Rechte (hier: insbesondere dasjenige auf wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB I) "möglichst weitgehend" verwirklicht werden (BSG, Urteil vom 11.05.2017, aaO). In diese Richtung geht letztlich auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach trotz des grundsätzlich fehlenden verfassungsrechtlichen Anspruchs auf bestimmte Leistungen der GKV gesetzliche bzw. auf dem Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen ebenso wie die nachteilige Auslegung und Anwendung von Regelungen des Leistungsrechts der GKV durch die Fachgerichte stets daran gemessen werden müssen, ob sie im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - gerechtfertigt sind, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen; das gilt insbesondere für diejenigen Personen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen, die in der GKV pflichtversichert sind und denen die Möglichkeit einer davon abweichenden Absicherung nicht offen steht (BSG, Urteil vom 11.05.2017, aaO unter Verweis auf BVerfGE 115, 25, 42 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 20 ff).
Die Klägerin hat schließlich auch unverzüglich ihre Rechte bei der Beklagten nach Erlangung der Kenntnis von dem verspäteten Eingang der Arbeitsunfähigkeits- bescheinigung geltend gemacht, indem sie gegen den Bescheid vom 21.04.2016 fristgemäß Widerspruch eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG war die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil dem Gericht bekannt ist, dass sowohl in anderen KR-Kammern des Sozialgerichts Duisburg als auch an anderen Sozialgerichten in Nordrhein-Westfalen eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren anhängig ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Duisburg schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Dr. Kley
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved