L 4 R 5754/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 891/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5754/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist zuletzt noch die Aufhebung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Abänderung in Rente wegen Berufsunfähigkeit sowie die Forderung der Erstattung der Differenz für die Zeit vom 11. Dezember 1997 bis 5. Dezember 2005.

Der am 1941 geborene Kläger ist gelernter Steuerberatergehilfe und Betriebswirt (Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Baden-Württemberg). Er war seit 1973 als Geschäftsführer tätig, zuletzt seit 1982 beim Deutschen Roten Kreuz Kreisverband T. versicherungspflichtig beschäftigt. Im Dezember 1983 erlitt er einen Vorderwandinfarkt, anschließend erfolge eine Ballondilatation bei RIVA-Stenose. Der behandelnde Internist Dr. K. bescheinigte am 12. März 1987 nach vorübergehender Besserung eine zunehmende Belastungsangina seit März 1986. Vom 13. Januar 1987 bis 10. Februar 1987 führte der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme in der Herz-Kreislauf-Klinik M. in R. durch. Am 12. März 1987 beantragte er eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Facharzt für Innere Medizin Dr. S. erstellte aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 26. März 1987 das Gutachten vom selben Tag und stellte fest, dass der Kläger in den letzten drei Jahren eine ständige Verschlechterung seiner Beschwerden (Herzschmerzen, Schwindelbeschwerden, Brustschmerzen) beklage. Der Gutachter fand das Leistungsvermögen des Klägers derart herabgesetzt, dass dieser nicht mehr körperlich und nicht mehr "übermäßig zeitlich" über zwei bis drei Stunden am Tag belastet werden könne. Der Kläger könne nur noch körperlich leichte Tätigkeiten maximal drei Stunden täglich verrichten. Die letzte berufliche Tätigkeit als Geschäftsführer könne ebenso wie kaufmännische Tätigkeiten allgemein zwei Stunden bis unter halbschichtig verrichtet werden.

Mit Bescheid vom 18. Mai 1987 bewilligte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. April 1987, ausgehend von einem Leistungsfall am 9. März 1987. Dieser Bescheid enthält den Hinweis: "Erwerbsunfähigkeit besteht über die Berufsunfähigkeit hinaus deshalb, weil Sie keinen Ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz innehaben. Wir bitten daher, uns die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen."

Mit Bescheid vom 7. Dezember 1987 berechnete die Beklagte wegen der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner die Rente neu.

Auf einem Fragebogen zur Überprüfung der weiteren Rentenberechtigung bejahte der Kläger am 12. März 1989 die Frage, ob er gegenwärtig oder in den letzten zwei Jahren eine Beschäftigung gegen Bezahlung ausgeübt habe. Er gab an, im Betrieb seiner Frau gelegentlich nach Bedarf Telefondienst zu machen. Er erhalte keinen Lohn, da es sich um eine gelegentliche Aushilfe handele. Er verrichte keine unentgeltlichen Arbeiten in einem eigenem Betrieb. Er habe sich in den letzten zwei Jahren wegen seines Leidens, der koronaren Herzerkrankung, nicht um eine Arbeit bemüht. Eine Befundanfrage der Beklagten beim Arzt für Innere Medizin Dr. Sc. ergab nach dessen Bericht vom 23. März 1989 bei der Diagnose Zustand nach stummer Hinterwandischämie und Katheterdilatation das Vorliegen einer belastungsabhängigen Angina pectoris bei zufriedenstellenden Befunden ohne Änderung in den letzten zwei Jahren. Die Beklagte beauftragte den Arzt für Innere Medizin Dr. W. mit der Erstellung eines internistischen Fachgutachtens zur Nachuntersuchung. Dr. W. berichtete in seinem Gutachten vom 12. Mai 1989 aufgrund der Untersuchung des Klägers am 2. und 9. Mai 1989, der Kläger habe angegeben, keine Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben und nicht selbstständig im eigenen Betrieb zu sein. Der Kläger sei wieder verheiratet, die Ehefrau voll berufstätig. Der Gutachter stellte weitgehende Beschwerdefreiheit, keine medikamentöse Behandlung sowie geregelte Familienverhältnisse fest und folgerte daraus ein halb- bis unter vollschichtiges Leistungsvermögen für alle Bürotätigkeiten ohne großen zeitlichen Stress mit ausreichenden Ruhepausen. Eine Geschäftsführerposition in einem größeren oder kleineren Betrieb sei abzulehnen. Daraufhin stellte die Beklagte in einem internen Vermerk fest, der Kläger sei weiterhin erwerbsunfähig.

Auf dem weiteren Fragebogen zur Nachprüfung der Rentenberechtigung gab der Kläger am 18. März 1991 an, keine Beschäftigung gegen Bezahlung auszuüben, aber seit Oktober 1987 unentgeltliche Arbeiten im Gewerbe seiner Frau, für die Bausparkasse Badenia Immobilien, in Form von gelegentlichen Botengängen und Telefonbedienung bei Krankheit und Abwesenheit drei bis vier Tage monatlich, ein bis zwei Stunden täglich, zu verrichten. Nach dem Befundbericht des behandelnden Internisten Dr. Sc. vom 9. April 1991, in dem dieser weiterhin eine angina pectoris bei Anstrengung diagnostizierte und bescheinigte, dass die Leiden in den letzten zwei Jahren unverändert geblieben seien, stellte die Beklagte mit internem Vermerk vom 18. April 1991 wiederum fest, dass weiterhin Erwerbsunfähigkeit bestehe.

Seit 1. Februar 2006 bezieht der Kläger Regelaltersrente (Bescheid vom 6. Dezember 2005).

Aufgrund mehrerer Anzeigen, zum Teil mit Presseberichten, erhielt die Beklagte erstmals am 30. August 2005 Hinweise u.a. auf eine selbstständige Tätigkeit des Klägers als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der M. Wohnbau-Immobilien GmbH (im Folgenden M-GmbH) und als Eigentümer des Lokals "Rebstöckle" in H ... Nach dem daraufhin von der Beklagten angeforderten Handelsregisterauszug des Amtsgerichts T. war der Kläger mit Gesellschafterbeschluss vom 20. November 1997, in das Handelsregister eingetragen am 11. Dezember 1997, nach Abberufung seiner Ehefrau als Geschäftsführerin einziger Geschäftsführer der M GmbH. Unternehmensgegenstand war die Vermittlung des Abschlusses und der Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte; Vermittlung des Abschlusses und Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Darlehen, Vorbereitung von Bauvorhaben als Bauherr im eigenen Namen für eigene und fremde Rechnung ( ...); Anpachtung, Verwaltung und selbstständiger Betrieb von Restaurationen und Hotelbetrieben. Nach der Fassung des Gesellschaftsvertrages aufgrund des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 20. November 1997, in das Handelsregister eingetragen am 11. Dezember 1997, hielt der Kläger vom Stammkapital der M-GmbH in Höhe von DM 50.000,00 einen Anteil von DM 49,000,00, Frau Ö. einen Anteil von DM 1,000,00. Nach der Beklagten erteilten Auskünften des Finanzamtes Überlingen erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb von DM 71.149,00 im Jahr 1989, DM 51.996,00 im Jahr 1991 und - DM 4.310,00 im Jahr 1995 und Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Geschäftsführer. Die vom Kläger auf Anforderung der Beklagten eingereichten Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 wiesen keine Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit und nichtselbstständiger Arbeit aus, er legte jedoch besondere Lohnsteuerbescheinigungen der M-GmbH vom 2. Januar 2006, unterschrieben von ihm, für die Jahre 2001 bis 2003 vor, mit denen dem Finanzamt Einkünfte aus einem Dienstverhältnis in Höhe von DM 7.400,00 für das Jahr 2001. EUR 3.804,00 für das Jahr 2002 und EUR 951,00 für 2003 nachgemeldet wurden. Nach Auskunft des Steuerberaters des Klägers vom 24. Februar 2006 betrafen diese die Kfz-Sachbezugsversteuerung. Der Steuerberater teilte ferner mit, dass der Kläger weder 2004 noch künftig Einkünfte aus selbstständiger Arbeit habe sowie nach Mitteilung des Finanzamtes Ü. vom 15. Juli 2005 er und seine Ehefrau bei gleichbleibenden Einkommensverhältnissen ab 2004 nicht mehr zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet gewesen seien.

Mit Schreiben vom 12. April 2006 hörte die Beklagte den Kläger zu der Absicht, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Januar 2006 aufzuheben und stattdessen eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen sowie zur Erstattung der Differenz zwischen der Berufsunfähigkeitsrente und der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von EUR 94.096,51 für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Januar 2006 an. Die Überprüfung der Rentenberechtigung habe ergeben, dass er noch berufsunfähig, aber nicht erwerbsunfähig gewesen sei, da er ab 1. Januar 1989 eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Nicht erwerbsunfähig sei nach der einschlägigen gesetzlichen Regelung, wer selbstständig tätig sei, ohne dass es auf die Höhe des erzielten Einkommens ankomme. Der Kläger habe den Wegfall des Anspruchs erkennen müssen, weil er bereits mit dem Bescheid vom 18. Mai 1987 darauf hingewiesen worden sei, dass Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen sei. In den Nachprüfungsverfahren 1989 und 1991 und gegenüber dem Gutachter habe er trotz ausdrücklicher Nachfragen seine selbstständige Tätigkeit verschwiegen. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen habe er jedoch jedenfalls seit 1989 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, sei seit 1. August 1990 Miteigentümer des Lokals "Rebstöckle" und schließlich Gesellschafter-Geschäftsführer der M-GmbH gewesen. Der Kläger übersandte daraufhin die aufgrund der Lohnsteuerbescheinigungen geänderten Einkommensteuerbescheide 2001 bis 2003, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe der in den Lohnsteuerbescheinigungen genannten Einkünfte nannten, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 2000, die für das Jahr 1995 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von - DM 4.310,00 sowie für die Jahre 1997 bis 2000 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von DM 1.149,00, DM 4.107,00, DM 7.815,00 und DM 7.440,00 nannten, sowie den Prüfbericht des Finanzamtes Überlingen vom 8. August 1994, wonach der Kläger und seine Ehefrau mit der Veräußerung von Wohnungen Einkünfte von rund DM 240.000,00 erzielt hatten. Er trug vor, er sei weder berufs- noch erwerbsfähig gewesen, er habe keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt, die M-GmbH habe seiner Frau gehört Er habe nur Einnahmen aus privatem Grundstücksverkauf bzw. privater Vermögensverwaltung, was keine selbstständige Tätigkeit sei. Seine ehemalige Position als Gesellschafter der M-GmbH ändere daran nichts. Der Wechsel in der Geschäftsführung sei aus familiären Gründen wegen Erkrankung seiner Frau und Niederkunft der Frau Ö. erfolgt, die Geschäftsführung sei unentgeltlich erfolgt, der Gegenstand der M-GmbH sei "durch Komplettverkauf" zum 30. Juni 1998 entfallen. Der Steuerberater erläuterte die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in den Jahren 1989 bis 1991 und 1995 als Ergebnis des Verkaufs von Wohnungen eines vom Kläger und seiner Ehefrau 1989 erworbenen Mietshauses nach Umwandlung in Wohnungseigentum. Aus privaten Gründen seien die Geschäftsanteile der Ehefrau und Frau Ö. zum 8. September 1997 auf den Kläger übertragen worden. Im Anschluss sei der Verkauf der M GmbH geplant gewesen, der jedoch erst 2005 habe realisiert werden können.

Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 10. Oktober 2005 übernahm Frau E. K. sämtliche Geschäftsanteile der M-GmbH und wurde zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin berufen. Der Kläger wurde als Geschäftsführer abberufen. Die Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts T. erfolgte am 6. Dezember 2005.

Mit dem Bescheid vom 24. August 2006 hob die Beklagte den Bescheid über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 18. Mai 1987 in der Fassung des Bescheides vom 7. Dezember 1987 nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom 1. Januar 1989 auf. Statt des bisherigen Rentenanspruchs bestehe ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Gleichzeitig wurde die überzahlte Rente, vermindert um den Beitragsanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung, in Höhe von EUR 87.066,81 zurückgefordert. Nach § 24 Abs. 2 Satz 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) bzw. § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei nicht erwerbsunfähig, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübe, ohne dass es auf die Höhe des erzielten Erwerbseinkommens ankomme. Der Kläger habe ab 1989 gewerblichen Grundstückshandel betrieben und sei ab 1997 als Gesellschafter und Geschäftsführer der M-GmbH tätig gewesen. Wer in einem Betrieb die erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich und persönlich unabhängig treffe und vom wirtschaftlichen Ergebnis den unmittelbaren Vor- und Nachteil habe, sei selbstständig erwerbstätig. Im Allgemeinen seien dies Personen, die nach außen als Unternehmer, Gewerbetreibende oder Freiberufler in Erscheinung träten. Hinsichtlich der wohnungswirtschaftlichen Betätigung habe das Finanzamt eine gewerbliche Tätigkeit eines Selbstständigen angenommen und die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb ausgewiesen. Sie, die Beklagte, lege für ihre Bewertung die steuerrechtliche Beurteilung zugrunde. Die Tätigkeit als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der M GmbH sei zweifellos eine selbstständige. Die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit sei statthaft, weil der Kläger im Bescheid vom 18. Mai 1987 auf seine Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, hingewiesen worden sei. Auch ohne diesen Hinweis habe dem Kläger aber bewusst sein müssen, dass Einkünfte von über DM 70.000,00 aus selbstständiger Tätigkeit dem Bezug von Sozialleistungen entgegen stehen könnten. Mit Blick auf die langjährige Berufserfahrung als Geschäftsführer eines Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes und die anschließenden wirtschaftlichen Aktivitäten sei das Unterlassen einer entsprechenden Mitteilung, auch nach Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit für die M-GmbH, als vorsätzliches Unterlassen einer erforderlichen Mitteilung zu sehen. Da der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung mit Wirkung vom 1. Januar 2001 aus den Regelungen für die gesetzliche Rentenversicherung gestrichen worden sei, könne er auch nach Beendigung der selbstständigen Tätigkeit nicht wieder aufleben.

Die Beklagte erstattete bei der Staatsanwaltschaft Ravensburg Strafanzeige gegen den Kläger wegen Betruges.

Mit Schreiben vom 20. September 2006 erhob der Kläger Widerspruch. Er habe auf die Bewilligung der Rente aus ausschließlich medizinischen Gesichtspunkten vertraut. Die private Vermögensverwaltung sei nach Auskunft seines Steuerberaters keine selbstständige Tätigkeit. Die gegenteilige steuerrechtliche Einordnung sei erst nachträglich vorgenommen worden. Bei Rentenbeginn sei er nicht über Vermögenswerte befragt worden. Das Geld habe er verbraucht, eine Rückzahlung sei nicht möglich, die Rückforderung würde ihn in die Privatinsolvenz treiben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2007 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf die Gründe des Bescheids vom 24. August 2006 zurück.

Der Kläger erhob am 28. März 2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Zur Begründung verwies er auf seinen Widerspruch und trug weiter vor, er habe alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Er sei nicht auf die Rechtsfolgen unterbliebener Mitteilungen hingewiesen worden. Er habe die Geschäftsführerstellung nur pro forma ohne Bezahlung und ohne entsprechende Tätigkeit inne gehabt, nachdem seine Ehefrau erkrankt sei. Seine Tätigkeit sei nicht auf die Fortführung der M-GmbH gerichtet gewesen. Er habe nur laufende Projekte abgewickelt. Der Verkauf der M-GmbH sei schwierig gewesen, er habe vieles versucht, bis 2005 jemand gekommen sei, der sie gekauft habe. Die Beklagte hätte spätestens seit dem 12. Mai 1989 eine grundlegende Neubeurteilung seines Gesundheitszustandes vornehmen müssen. Durch die Fehlbeurteilung sei ihm ein erheblicher Schaden durch Verdienstausfall in Höhe von EUR 445.051,00 entstanden. Die Beklagte habe die Erwerbsunfähigkeitsrente in Kenntnis der fehlenden Erwerbsunfähigkeit gewährt. Seine Tätigkeit habe sich im Rahmen dessen bewegt, was der Gutachter als möglich bescheinigt habe. Da die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt habe, obwohl Erwerbsunfähigkeit nicht vorgelegen habe, könne sie diese jetzt nicht mit der Begründung zurückfordern, er sei nicht erwerbsunfähig gewesen. Im Übrigen erhob er die Einrede der Verjährung. Er fügte ein Schreiben des Chefarztes des Herzzentrums B. K. Dr. B. vom 1. Juni 2010 bei, in dem dieser darlegte, eine Ballondilatation sei kein Grund für eine vorzeitige Berentung.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Bescheide entgegen.

Das SG zog die Akten des Amtsgerichts T. betreffend das Strafverfahren gegen den Kläger (6 Ds 36 Js 22357/2006) bei und vernahm in der mündlichen Verhandlung am 26. Oktober 2011 den Steuerberater des Klägers G. St. nach Entbindung von der Schweigepflicht als Zeugen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 26. Oktober 2011 verwiesen.

Mit Urteil vom 26. Oktober 2011 hob das SG den Bescheid insoweit auf, als darin die Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum 1. Januar 1989 bis 19. November 1997 aufgehoben und die für diesen Zeitraum gewährten Leistungen zurückgefordert wurden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte das SG aus, dass bei Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente die Voraussetzungen unstreitig vorgelegen hätten. Nach § 24 Abs. 2 Satz 3 AVG bzw. § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung, die für Bestandsrenten auch über diesen Zeitpunkt hinaus gelte, sei jedoch nicht erwerbsunfähig, wer selbstständig tätig sei. Selbstständig sei unter Berücksichtigung der Regelungen im Steuerrecht (§§ 2, 15 und 18 Einkommensteuergesetz - EStG -), wer gewerblich oder beruflich in der Absicht, Gewinn zu erzielen, nachhaltig tätig sei und auf den Geschäftsbetrieb ausgerichtete Handlungen im eigenen Namen vornehme oder vornehmen lasse. Eine Tätigkeit zum Eigenbedarf, ein Hobby oder eine bloße Kapitalnutzung seien keine selbstständige Tätigkeit. Die Höhe der Einkünfte sei ebenso unerheblich wie das medizinische Leistungsvermögen. Gesellschafter einer GmbH seien jedenfalls dann selbstständig, wenn sie Geschäftsführer und mit mindesten 50 v. H. an der Gesellschaft beteiligt seien. Danach liege eine selbstständige Tätigkeit des Klägers ab dem 20. November 1997 vor, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt zum Geschäftsführer bestellt worden sei und DM 49.000,00 von dem Stammkapital von DM 50.000,00 übernommen gehabt habe. Damit habe ab diesem Zeitpunkt die wesentliche Einflussnahme bei ihm gelegen. Als einziger Geschäftsführer sei er auch nach außen tätig geworden. Es habe sich nicht um reine Vermögensverwaltung gehandelt, denn nach der Aussage des als Zeuge vernommenen Steuerberaters St. habe die M-GmbH für einige Zeit das Lokal weiterbetrieben. Diese Angaben würden durch die Gewerbeanmeldung und dem Antrag auf Gaststättenerlaubnis ab 1. Januar 1998 bestätigt. Der Kläger habe es grob fahrlässig versäumt, die Aufnahme der Tätigkeit der Beklagten mitzuteilen. Im Bescheid vom 18. Mai 1987 sei der Kläger eindeutig darauf hingewiesen worden, dass die Aufnahme einer Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen sei. Da der Kläger 1989 aufgefordert worden sei, mitzuteilen, ob er im eigenen oder fremden Geschäft unentgeltliche Tätigkeiten verrichte, habe ihm klar sein müssen, dass eine Tätigkeit als GmbH-Gesellschafter bei Übernahme der Mehrheitsanteile zu melden sei, insbesondere, da die M-GmbH ein Gewerbe angemeldet und - wenn auch nur für kurze Zeit - einen Restaurant- und Hotelbetrieb geführt habe. Dies gelte besonders angesichts der Erwerbsbiographie des Klägers und aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks. Die Tätigkeit sei erst mit dem Verkauf der M-GmbH und dem Ende der Geschäftsführertätigkeit beendet gewesen. Ein atypischer Fall, der Ermessen eröffne, liege nicht vor. Die Fristen für die Rücknahme seien gewahrt. Für die Zeit vor dem 20. November 1997 seien die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Rentengewährung hingegen nicht erfüllt. Hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte aus Wohnungsveräußerungen in den Jahren 1989 bis 1991 sei der Kläger jedenfalls nicht grob fahrlässig gewesen, wenn er nicht erkannt habe, dass die Veräußerung als selbstständige Tätigkeit anzusehen und der Beklagten zu melden sei. Ob der Kläger weitere Immobiliengeschäfte getätigt oder seine Ehefrau in weit größerem Umfang unterstützt habe als angegeben, sei nicht auszuschließen, aber auch nicht zu seiner, des SG, Überzeugung belegt.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 30. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Dezember 2011 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, das SG habe den subjektiven Tatbestand unzutreffend gewürdigt. Er sei in dem Rentenbescheid vom 18. Mai 1987 lediglich gebeten worden, die Aufnahme einer Tätigkeit oder Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen. Zwischen der Belehrung und der Aufnahme der Geschäftsführerstellung lägen mehr als zehn Jahre. Schon aus diesem Grund sei die Nichtbeachtung der Belehrung nicht grob fahrlässig. Über die vom Steuerberater vor dem SG als Hintergründe für seine Geschäftsführerstellung und die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf ihn genannte steuerrechtliche Entflechtung sei er nicht informiert gewesen. Diese änderten aber auch nichts an den tatsächlichen Verhältnissen. Es sei bereits zweifelhaft, ob eine Mitteilungspflicht bestanden habe, da keine Absicht zur Gewinnerzielung bestanden habe. Auch wenn das äußere Bild darauf schließen lasse, er habe eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt, ließen die tatsächlichen Verhältnisse diesen Schluss nicht zu. Denn seine Tätigkeit als Geschäftsführer sei in tatsächlicher Hinsicht die eines Liquidators, also nicht auf Erwerb ausgerichtet, gewesen (Verweis auf ein vorgelegtes, an die Tochter gerichtetes Schreiben vom 8. September 1997). Das Strafverfahren sei in der Berufungsinstanz wegen fehlenden Vorsatzes gegen Zahlungsauflage von EUR 10.000,00 in Anrechnung auf einen Erstattungsanspruch an die Beklagte zur Wiedergutmachung des Schadens eingestellt worden.

Die damalige Berichterstatterin hat am 24. Mai 2012 einen Termin zu Erörterung des Rechtstreits durchgeführt. Der Kläger hat dort vorgetragen, er habe nur seinen Namen gestellt als Geschäftsführer. Sein Steuerberater habe ihm gesagt, eine GmbH müsse einen Geschäftsführer haben. Einer habe es machen müssen. Die M-GmbH habe veräußert werden sollen, er habe damit den Steuerberater beauftragt. Nachdem das "Rebstöckle" als Gewerbe abgemeldet worden sei, zum 30. Juni 1998, seien keine Geschäfte mehr getätigt worden. Einen einzigen Geschäftstermin habe er wahrgenommen, als er einem möglichen Übernehmer die Räumlichkeiten gezeigt habe, weil der Steuerberater nicht da gewesen sei.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung des Senats am 19. Oktober 2012 den Bescheid vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2007 insoweit aufgehoben, als die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeiträume vom 20. November bis 10. Dezember 1997 und vom 6. Dezember bis 31. Januar 2006 aufgehoben worden ist, und für diesen Zeitraum keine Erstattung mehr verlangt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Oktober 2011 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2007 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 19. Oktober 2012 auch insoweit aufzuheben, als die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 11. Dezember 1997 bis 5. Dezember 2005 aufgehoben und die bereits gewährten Leistungen für diesen Zeitraum zurückgefordert wurden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten (2 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von EUR 750,00 ist überschritten. Der Kläger wendet sich mit der Berufung noch gegen eine Rückforderung von EUR 44.635,26.

Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist zuletzt nur noch die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Rentengewährung und Erstattung von Leistungen für die Zeit vom 11. Dezember 1997 bis 5. Dezember 2005. Da nur der Kläger Berufung eingelegt hat, ist die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2007 für den Zeitraum vom 1. Januar 1989 bis 19. November 1997 durch das SG rechtskräftig, hierüber also nicht zu entscheiden. Des Weiteren ist nicht mehr über die Zeiträume vom 20. November bis 10. Dezember 1997 und vom 6. Dezember bis 31. Januar 2006 zu entscheiden, weil insoweit der Rechtsstreit aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses in der mündlichen Verhandlung des Senats erledigt ist.

Die Berufung des Klägers ist, soweit über sie zuletzt noch zu entscheiden war, nicht begründet. Für diesen Zeitraum hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2007 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 18. Mai 1987 für die Zeit vom 11. Dezember 1997 bis 6. Dezember 2005 zu Recht teilweise aufgehoben, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit abgeändert und die Differenz der für diesen Zeitraum gezahlten Leistungen zurückgefordert. Der Kläger war mit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht mehr erwerbsunfähig.

1. Der Bescheid vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2007 ist formell rechtmäßig, denn die Beklagte hat die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung vor Erlass dieses Bescheides durchgeführt.

2. Der Bescheid vom 24. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2007 ist hinsichtlich des zuletzt noch streitigen Zeitraumes vom 11. Dezember 1997 bis 5. Dezember 2005 auch materiell rechtmäßig.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich - zugunsten oder zu Lasten des Betroffenen - auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. August 2001 - B 11 AL 17/01 R - SozR 3-4300 § 119 Nr. 4; vgl. auch Urteil des Senats vom 31. August 2012 - L 4 R 1877/11 -; nicht veröffentlicht).

a) Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beurteilt sich bis 31. Dezember 1991 nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden § 24 AVG, danach (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI) nach § 44 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I, S. 2261). Nach § 24 Abs. 1 AVG erhält Rente wegen Erwerbsunfähigkeit der Versicherte, der erwerbsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Nach § 24 Abs. 2 AVG ist erwerbsunfähig der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (Satz 1). Geringfügige Einkünfte im Sinne des Satzes 1 sind monatliche Einkünfte in Höhe eines Siebtels der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Nicht erwerbsunfähig ist, wer eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt (Satz 3). Nach § 44 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie 1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 1 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (Satz 1). Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübt (Satz 2). § 44 SGB VI ist auch nach seiner Aufhebung durch Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Reform der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, S. 1827) weiterhin anwendbar. Denn bestand - wie beim Kläger - am 31. Dezember 2000 u.a. Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, besteht nach § 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI der jeweilige Anspruch bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgebend waren.

Dem Kläger wurde ursprünglich mit Bescheid vom 18. Mai 1987 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt, weil nach dem Gutachten des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. S. vom 26. März 1987 ein Leistungsvermögen nur für zwei Stunden bis unter halbschichtig bestand. Diese Rentenbewilligung war ursprünglich rechtmäßig. Der Kläger war erwerbsunfähig, hatte auch die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und übte bei Erlass des Bescheids vom 18. Mai 1987 keine selbstständige Tätigkeit aus.

b) Gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 18. Mai 1987 ist mit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 11. Dezember 1997 eine wesentliche Änderung eingetreten.

Der Begriff der selbstständigen Erwerbstätigkeit ist im Gesetz nicht definiert. Unter Berücksichtigung der Regelungen im Steuerrecht (§§ 2, 15 und 18 EStG) ist als Selbstständiger einzustufen, wer gewerblich oder beruflich in der Absicht, Gewinn zu erzielen, nachhaltig tätig ist und auf den Geschäftsbetrieb ausgerichtete Handlungen im eigenen Namen vornimmt oder vornehmen lässt. Eine nur für den Eigenbedarf oder als Hobby ausgeübte Tätigkeit erfüllt die genannten Voraussetzungen ebenso wenig wie eine reine Nutzung von Kapital (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. August 2002 - L 5 RJ 138/01 m. w. N., in juris). Wesentlich ist, dass die Tätigkeit auf Erwerb ausgerichtet ist und in der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt wird. Hierbei muss der Betreffende im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handeln (so z. B. BSG, Urteil vom 12. Februar 1975 - 12 RJ 58/74 -, BSGE 39, 152). Ob durch die selbstständige Tätigkeit nur Einkünfte von weniger als einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße erzielt werden oder ob das wirtschaftliche Ergebnis nahezu unbedeutend ist, ist unerheblich (BSG, Urteil vom 12. Februar 1981 - 4 RJ 137/79 -, BSGE 51, 190). Ebenso kommt es nicht darauf an, wie das medizinische Leistungsvermögen des Versicherten ist; eine selbstständige Tätigkeit liegt auch vor, wenn sie nur auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 18. August 1981 - 11 RLw 5/82 -, BSGE 55, 254, Schleswig-Holsteinisches LSG, a. a. O.).

Nach diesen Maßstäben ist hier eine selbstständige Tätigkeit des Klägers ab 11. Dezember 1997 anzunehmen. Ab diesem Zeitpunkt war er nämlich nach der Änderung des Gesellschaftsvertrages aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 20. November 1997 und der am 11. Dezember 1997 erfolgten Eintragung in das Handelsregister Mehrheitsgesellschafter mit 98 v.H. des Stammkapitals und Alleingeschäftsführer. Beim einem am Stammkapital einer GmbH beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal für die Frage, ob er abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist. Lediglich bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine sogenannte Sperrminorität verfügen, liegt regelmäßig eine abhängige Beschäftigung vor (z.B. BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Das Vorbringen des Klägers, insbesondere im Erörterungstermin vom 24. Mai 2012, er habe nur seinen Namen zur Verfügung gestellt, weil sein Steuerberater gesagt habe, eine GmbH müsse einen Geschäftsführer haben, er habe nur einen einzigen Geschäftstermin wahrgenommen und einem potentiellen Erwerber die Geschäftsräume gezeigt, als der Steuerberater, der mit der Veräußerung der M-GmbH beauftragt gewesen sei, nicht da gewesen sei, überzeugt den Senat nicht. Der Kläger behauptet damit, tatsächlich nicht selbstständig tätig und in geschäftlichen Angelegenheiten völlig unkundig gewesen zu sein. Da der Kläger eine Ausbildung zum Steuerberatergehilfen absolviert hat, Betriebswirt (Verwaltungsakademie) ist und große Teile seines Berufslebens als Geschäftsführer tätig war, wusste er sicher auch ohne Hinweis des Steuerberaters, dass eine GmbH einen Geschäftsführer benötigt. Dass die Eintragung als Geschäftsführer nur der Form halber wegen der Erkrankung seiner Ehefrau, die zuvor Geschäftsführerin war, erfolgt sei und von ihm tatsächlich keine Geschäftstermine wahrgenommen worden seien, ist bereits durch den vom Kläger unterschriebenen Antrag auf Gaststättenerlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft und eines Beherbergungsbetriebes, nämlich dem Hotel und Restaurant "Rebstöckle" in H. vom 17. November 1997 und das anschließende Betreiben des Hotels und Restaurants bis zur Veräußerung widerlegt. Er hat damit tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet, indem das Hotel und Restaurant betrieben wurde. Dem Antrag zufolge war die Mitarbeit des Ehegatten, also der Ehefrau des Klägers, im Betrieb vorgesehen, was dem Vorbringen widerspricht, der Kläger habe Geschäftsführung und Gesellschaftsanteile übernehmen müssen, weil seine Frau krank gewesen sei. Auch dass die M-GmbH nach Veräußerung des Hotels und Restaurants "Rebstöckle" am 30. Juni 1998 keinerlei Tätigkeit mehr entfaltet haben soll, ist nicht nachvollziehbar, aber auch unerheblich, da der Kläger als einziger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter unabhängig von der Geschäftstätigkeit der M-GmbH selbstständig erwerbstätig war. Maßgeblich ist, dass er als Geschäftsführer die Rechtsmacht hatte, den Betrieb zu führen und bei sich bietender Gelegenheit, unabhängig davon ob sich eine solche rückwirkend gesehen ergab oder nicht, eine entsprechende Tätigkeit zu entfalten. Die Geschäftsführertätigkeit endete erst nach der Übernahme der Anteile durch E. K. und Abberufung des Klägers am 10. Oktober 2005 mit den diesbezüglichen Eintragungen im Handelsregister am 6. Dezember 2005, weil erst die Eintragung im Handelsregister rechtliche Wirkung hat (§ 54 Abs. 3 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbH -).

c) Es liegen auch die Voraussetzungen für eine teilweise Aufhebung der mit Bescheid vom 18. Mai 1987 erfolgten Rentenbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vor.

Der Kläger hat Mitteilungspflichten verletzt. Bereits im Bewilligungsbescheid vom 18. Mai 1987 wurde er darauf hingewiesen, dass er jede Aufnahme einer Beschäftigung oder Tätigkeit melden müsse. Die entsprechende Formulierung ist eindeutig. Daran ändert entgegen der Auffassung des Klägers nichts, dass die Beklagte formulierte "wir bitten". Mit dem Fragebögen zur Nachprüfung der Rentenberechtigung, die der Kläger am 18. März 1989 und 18. März 1991 an die Beklagte zurückgesandt hat, wurde nicht nur nach einer Beschäftigung gegen Entgelt gefragt, sondern ausdrücklich auch nach unentgeltlichen Arbeiten im eigenen Betrieb oder Geschäft oder im Betrieb oder Geschäft eines Angehörigen. Der Fragebogen von 1991 enthielt auf der Rückseite unter anderem den vollen Wortlaut von § 48 SGB X und § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, 1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, 2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, 3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Da der Kläger 1989 und 1991 die Erklärung abgegeben hat, nicht unentgeltlich im eigenen Betrieb zu arbeiten, was er aber jedenfalls ab dem 11. Dezember 1997 als Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer der M-GmbH getan hat, hätte er diese Änderung, die für die Weitergewährung der Rente von Bedeutung war, unverzüglich mitteilen müssen.

Das Unterlassen der Mitteilung war mindestens grob fahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend ist die persönliche Einsichtsfähigkeit, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Grob fahrlässig handelt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (ständige Rechtssprechung des BSG seit Urteil vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 - BSGE 42, 184; zum Ganzen vgl. auch: BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R - SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Dabei ist die Außerachtlassung von klaren und eindeutigen Hinweisen in einem Bescheid grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise nicht verstanden hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 8/76 - BSGE 44, 264). Nach dem individuellen Vermögen des Klägers, der Betriebswirt ist und viele Jahre als Geschäftsführer, zuletzt eines Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes tätig war, musste sich aufdrängen, dass die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Mehrheitsbeteiligung mitteilungspflichtig gegenüber der Beklagten war. Zudem liegt es nahe, dass derjenige, der erwerbsunfähig ist, keine Erwerbstätigkeit ausüben kann. Wenn der Kläger sich hinsichtlich der Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH unsicher war, ob dies dem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit entgegensteht, hätte er sich bei der Beklagten erkundigen müssen, so dass grobe Fahrlässigkeit darin liegt, dass er dies unterlassen hat. Die Behauptung, er sei nur pro forma Geschäftsführer der M-GmbH gewesen, vermag aus den zuvor genannten Gründen grobe Fahrlässigkeit nicht auszuschließen.

d) Die Beklagte war nicht verpflichtet, bei der Aufhebung Ermessen auszuüben. Liegen die Aufhebungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor, kann die Behörde grundsätzlich die Bewilligung aufheben. Nur in Ausnahmefällen, wenn ein so genannter atypischer Fall gegeben ist, hat die Behörde Ermessen auszuüben, ob ausnahmsweise von einer (ganzen oder teilweisen) Aufhebung der Bewilligung abzusehen ist. Die Frage, wann ein atypischer Fall vorliegt, in dem eine Ermessensentscheidung getroffen werden muss, ist nach dem Zweck der jeweiligen Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Diese müssen im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts verbundenen Nachteile, insbesondere der aus § 50 Abs. 1 SGB X folgenden Erstattungspflicht, vom Normalfall in besonderer Weise abweichen (BSG, Urteil vom 24. September 1986 - 10 RKg 9/85 - SozR 5870 § 2 Nr. 47).

Ein atypischer Fall liegt nicht vor. Vielmehr liegt der typische Fall vor, dass ein Versicherter eine Sozialleistung erhalten hat, auf die er keinen Anspruch hatte. Allein die Höhe der Rückforderung, die sich aus der Aufhebung der Bewilligung ergibt, ist als Folge der Aufhebung kein Kriterium für die Feststellung eines typischen oder atypischen Falls.

Ein Fehlverhalten oder ein Verschulden der Beklagten, welches ursächlich zu der Zahlung der der Klägerin nicht zustehenden Leistungen führte und deshalb einen atypischen Fall begründen könnte, vermag der Senat nicht festzustellen. Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Beklagte nach 1991 keine Nachprüfung der Rentenberechtigung mehr vorgenommen hat. Es ist nicht Sache der Beklagten, laufend zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen (noch) vorliegen, sondern es ist vielmehr Sache des Klägers, die für den Anspruch maßgeblichen Tatsachen und gegebenenfalls eingetretene Veränderungen in den für den Anspruch maßgeblichen Tatsachen unaufgefordert der Beklagten mitzuteilen. Der Kläger übersieht seine sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I ergebenden Mitteilungspflichten, auf die - wie bereits dargelegt - ihn die Beklagte in allgemeiner Form im Bescheid vom 18. Mai 1987 und mit dem Fragebogen zur Nachprüfung 1991 hingewiesen hatte. Die Regelung in § 60 SGB I über die Verpflichtung zur Angabe der entscheidungserheblichen Tatsachen und Bezeichnung von Beweismitteln hat vor allem die Funktion, den Leistungsträger überhaupt in die Lage zu versetzen, seiner in § 20 SGB X normierten Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nachkommen zu können (Kampe in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 60 SGB I Rn. 19).

e) Schließlich hat die Beklagte auch die weiteren Voraussetzungen einer rückwirkenden Aufhebung beachtet. Sie hat die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Kenntnis davon, dass der Kläger ab 11. Dezember 1997 einer selbstständigen Tätigkeit nachging, hatte sie frühestens mit dem ersten Eingang der entsprechenden Hinweise am 30. August 2005. Der Aufhebungsbescheid ist am 24. August 2006, mithin innerhalb eines Jahres ergangen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Jahresfrist möglicherweise erst nach Eingang der Stellungnahme des Klägers auf das Anhörungsschreiben der Beklagten zu laufen begonnen hat.

Die Aufhebung war nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X auch jenseits der Zehnjahresfrist möglich. Denn die Beklagte zahlte die Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme.

Eine "Verjährung" - wie vom Kläger geltend gemacht - ist deshalb nicht eingetreten.

f) Da die Beklagte zu Recht die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 11. Dezember 1997 bis 5. Dezember 2005 aufgehoben hat, soweit die Bewilligung einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit übersteigt, ist der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die zu Unrecht erhaltenen Rentenzahlungen zu erstatten. Hinsichtlich der Berechnung des Rückforderungsbetrags schließt der Senat sich nach eigener Prüfung der Berechnung der Beklagten (Bl. 452/455 der Verwaltungsakte) an. Der Kläger hat insoweit auch keine Einwendungen gegen die Höhe der Rückforderung erhoben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Wegen des geringen Anteils des Obsiegens wurde von teilweiser Kostenerstattung abgesehen.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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